Ausgabe 179 / 1. Salon Europa Forum Wachau
Umfassender Bericht zum 1. Salon Europa Forum Wachau mit dem Thema "Technologisierung: Fluch oder Segen für die Demokratie?" am 9. Oktober 2018 in Klosterneuburg
Umfassender Bericht zum 1. Salon Europa Forum Wachau mit dem Thema "Technologisierung: Fluch oder Segen für die Demokratie?" am 9. Oktober 2018 in Klosterneuburg
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ÖSTERREICH JOURNAL NR. <strong>179</strong> / 05. 1<strong>1.</strong> 2018<br />
Österreich, <strong>Europa</strong> und die Welt<br />
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gen an Universitäten und Hochschulen, dort<br />
ist ein ähnliches Konzept, das eine anonyme<br />
Bewertung macht, aber so, daß ich weiß, nur<br />
die Personen dürfen evaluieren, die auch in -<br />
frage kommen. Das heißt, diese Prozesse<br />
sind schon da, viele Problematiken, die den<br />
Menschen unterkommen, kann ich aushebeln.<br />
Denn der Algorithmus, wenn er sauber<br />
ist, wird keine Fehler machen. Aber ich ma -<br />
che mir andere Tore auf. Und ich glaube, das<br />
ist einfach ein Abwägen, ich glaube nicht,<br />
daß die elektronische Wahl alle Probleme<br />
lösen wird, oder alle Probleme, die Wahlen<br />
an sich haben, lösen wird. Wir verschieben<br />
sie vielleicht nur irgendwo anders hin. Prinzipiell<br />
glaube ich aber, daß sie ge nauso gut<br />
funktionieren werden, es ist halt mo mentan<br />
auch nicht das politische Momentum dahinter,<br />
was man auch ganz klar sagen muß.<br />
Prendergast: Nicht weil es ein wahnsinnig<br />
wichtiges Argument wäre, aber wäre es nicht<br />
auch wesentlich billiger, online zu wählen?<br />
Pietrzak: Billiger ist immer relativ. Jedes<br />
Mal, wenn sie eine neue Technologie, ein<br />
neues Verfahren – und es ist völlig egal ob es<br />
die öffentliche Verwaltung oder eine Firma<br />
ist –, jedes Mal, wenn sie etwas neu einführen,<br />
haben sie Einführungskosten. Sie haben<br />
Kosten in der Veränderung der Organisation,<br />
Schulung der MitarbeiterInnen und, und,<br />
und. Das heißt, sie werden eine sehr starke<br />
Spitze haben. Danach werden sich die<br />
Kosten ständig amortisieren wenn es richtig<br />
gemacht ist. Die Frage ist aber, ob man zu<br />
diesem Zeitpunkt bereit ist, dieses mehr an<br />
Ressourcen, Zeit und Geld zu investieren.<br />
Daß es sich am Schluß amortisieren wird, ist<br />
klar, die Frage ist nur, ob man so lange warten<br />
will.<br />
Prendergast: Wir kommen zum Thema<br />
Transparenz in der Politik und Open Access.<br />
Inwiefern sind denn politischen Vorhaben in<br />
unserer Gesellschaft interessant und ist es<br />
bei politischen Themen eine Bringschuld der<br />
Politiker oder eine Holschuld von uns?<br />
Jergitsch: Das ist eine interessante Frage. Es<br />
hat ja generell auch mit der politischen Bildung<br />
bzw. der Einstellung der Bevölkerung<br />
zur Politik zu tun. Ich glaube, man muß das<br />
in der Mitte treffen. Man kann nicht erwarten,<br />
zu sagen, ich vertrete etwas und die<br />
Leute müssen versuchen, das zu finden, sie<br />
müssen zu mir kommen. Also ich muß den<br />
Leuten schon entgegenkommen. Auf der<br />
anderen Seite kann ich aber nicht erwarten,<br />
Foto: Österreich Journal / Michael Mössmer<br />
Ein Blick ins abstimmende Pubikum. Im Bild rechts: Simon Ortner, Leiter der Abteilung Internationale<br />
und Europäische Angelegenheiten des Amtes der NÖ Landesregierung<br />
daß mir alles auf dem Silbertablett serviert<br />
wird. Viele Themenbereiche sind komplex<br />
und die können auch von Parteien, von Personen<br />
natürlich nur abstrakt in irgendeiner<br />
Art und Weise tendentiell kommuniziert<br />
werden. Um das aber zu verstehen, bedarf es<br />
einigen Wissens dazu und ich würde sagen,<br />
die Aneignung des Wissens und des Verstehens<br />
obliegt doch dem Individuum größtenteils<br />
selbst.<br />
Prendergast: Wenn wir schon beim Verstehen<br />
sind: Vielleicht können Sie uns auch nur<br />
kurz erklären, was mit Open Access gemeint<br />
ist? Und gibt es da auch Gefahren auf<br />
Gemeinde- oder Bundesebene?<br />
Lampoltshammer: Das kommt auf den Be -<br />
reich an. Prinzipiell geht es aber darum, daß<br />
Daten und Informationen kostenfrei für alle<br />
ohne jegliche Einschränkung zugänglich<br />
sind.<br />
Jergitsch: Ich glaube, das hängt davon ab,<br />
was dann genau öffentlich zugänglich ist. In<br />
den USA sind zum Beispiel die sex offender<br />
registry (Sexualstraftäter-Registrierung, Anm.)<br />
für jeden frei zugänglich, in Schweden kann<br />
man die Steuererklärung von seinem Nachbarn<br />
nachschauen. Natürlich ist es im Interesse<br />
des Bürgers, wenn gewisse Da ten frei zu -<br />
gänglich sind. Es ist aber auch verständlich,<br />
daß Daten, wie Positionspapiere einer Re -<br />
gierung, vor einem wichtigen EU-Gipfel nicht<br />
öffentlich zugänglich sind. Da kann man<br />
keine Antwort geben, die allgemeingültig ist.<br />
Prendergast: Herr Pietrzak, wo fängt bei<br />
Ihnen Open Access an und hört er auf?<br />
»Österreich Journal« – http://www.oesterreichjournal.at<br />
Pietrzak: Für mich als Wissenschaftler hat<br />
Open Access meistens damit zu tun, daß man<br />
kostenlos Zugriff auf wissenschaftliche<br />
Publikationen hat. Open Access ist in diesem<br />
Kontext in allen Aspekten einfach besser,<br />
außer für die Margen der Publisher. In einem<br />
politischen Kon text ist es kompliziert. Wenn<br />
man die Steuererklärung von allen anderen<br />
sehen kann, das hilft das wahrscheinlich der<br />
Korruptionsvermeidung. Andererseits sind<br />
es halt Daten, wo man berechtigterweise<br />
sagen kann, das beeinträchtigt meine Privatsphäre.<br />
In Skandinavien war das eine politische<br />
Diskussion, ob man das will oder nicht. Man<br />
hat entschieden, daß Steuererklärungen,<br />
auch Ge hälter, publik zu machen sind. Da<br />
kann man zum Beispiel gerade beim Gehalt<br />
vergleichen, ob man benachteiligt wird oder<br />
wieviel Frauen weniger bekommen als Männer.<br />
Das wird dann natürlich wesentlich evidenter.<br />
Prendergast: Herr Lampoltshammer, wie<br />
sehr sehen Sie die Privat sphäre durch Open<br />
Access gefährdet?<br />
Lampoltshammer: Prinzipiell befürworte ich<br />
Open Access, nicht nur aus der wissenschaftliche<br />
Ecke, sondern auch zum Beispiel<br />
im Bereich von Open Data. Auf EU-Ebene<br />
gibt es dazu Richtlinien, die sagen, alles was<br />
nicht den Datenschutz sozusagen einschränkt<br />
bzw. wenn es sehr sensible Daten<br />
sind wie Gesundheitsdaten, sollen eigentlich,<br />
wenn sie von Steuergeldern bezahlt<br />
werden, der Öffentlichkeit wieder zur Verfügung<br />
gestellt werden. Das würde ich komplett<br />
unterschreiben. Der Grund ist, daß man