SPORTaktiv Februar 2019
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AB WELCHEM UMFANG, WELCHEM SPEED ODER<br />
WELCHER AMBITION KANN MAN SICH EIGENTLICH<br />
LÄUFER NENNEN? UND WAS IST ÜBERHAUPT DAS<br />
SCHÖNE AM LAUFEN? EIN LOBLIED AUFS<br />
LAUFEN WIE „FÜRSTENFELD“ VON STS.<br />
VON CHRISTOF DOMENIG<br />
Fotos: Icebug Running, Thomas Polzer<br />
arum darf ich eigentlich<br />
W<br />
diesen einleitenden Text<br />
in unser Laufspecial<br />
schreiben? Es gibt sicher<br />
Erfahrenere und, ja, vor<br />
allem leistungsstärkere Läufer im Redaktionsteam<br />
als mich. Ich denke zum Beispiel<br />
an unseren „Mann fürs Grobe“, der schon<br />
Marathons im Bergwerk und im Knast<br />
(als Gast natürlich) gelaufen ist und jeden<br />
angebotenen Ultratraillauf weltweit ohne<br />
spezielle Vorbereitung und zur Not auch<br />
mit nur einem Bein rennt.<br />
Andererseits soll es hier um das Schöne<br />
am Laufen gehen und da passen „Bergwerk“<br />
und „Knast“ eben nicht hundertprozentig<br />
dazu. Der Chef argumentierte<br />
außerdem schlüssig: „Du läufst doch<br />
gern und das schon viele Jahre.“ 15, um<br />
genau zu sein. „Und dass Laufen ein<br />
großartiger Sport ist, hängt weder vom<br />
Wochenumfang noch vom Leistungsvermögen<br />
ab. Sondern es gilt für jeden, der<br />
gern läuft.“ Also auch für mich.<br />
Drängt sich als erste Frage auf: Macht<br />
Laufen wirklich unabhängig vom Leistungsvermögen<br />
Spaß? Nicht ganz, würde<br />
ich sagen. Aber fast. Ich glaube nicht,<br />
dass man als völlig Untrainierter Spaß<br />
am Laufen hat. Aber der kommt bald,<br />
dafür braucht es nicht viel – sagt mir zumindest<br />
meine eigene Erfahrung.<br />
Einstieg: Vom Zweck zur Lust<br />
Als ich vor rund 15 Jahren, mit 28,<br />
mit dem Laufen begann, war es eine<br />
Zweckentscheidung. Ich lief zuerst am<br />
Laufband im Fitnessstudio, um – gemeinsam<br />
mit Kalorienzählen und Krafttraining<br />
– Kilos, die sich im Lauf der<br />
Jahre angesammelt hatten, abzuarbeiten.<br />
Das funktionierte überraschend gut.<br />
Zum ersten Mal als nicht bloß zweckorientiert<br />
empfand ich das Laufen dann<br />
aber, als ich plötzlich statt 45 Minuten<br />
eine ganze Stunde und bald darauf 80<br />
Minuten am Laufband verbrachte. Mit<br />
rotem Kopf und weiteren Anzeichen von<br />
Überanstrengung zwar, aber das Gefühl<br />
angesichts des „Leistungssprungs“ war ein<br />
Erhabenes. 1:20 Stunden durchlaufen!<br />
Damit traute ich mich auch im Freien<br />
auf die Laufstrecken.<br />
Kein Scherz: Statt der zehn anvisierten<br />
Kilos riss es mir in knapp einem halben<br />
Jahr 18 (von 91 auf 73) herunter – ich<br />
sehe das rückblickend wie bei einer Lok:<br />
Erst rührt sich nichts, dann kaum etwas<br />
und dann, einmal in Fahrt, lässt sich das<br />
Ganze gar nicht mehr so leicht stoppen.<br />
Die neue Leichtigkeit: im Flow<br />
So viele Kilos, wie ich eingebüßt hatte,<br />
um so viel leichter fühlte sich bald das<br />
Laufen an. Nach Lust und Laune (ich<br />
hatte damals einen 38,5-Stunden-Job<br />
und viel Zeit) lief ich drei-, viermal die<br />
Woche zwischen 60 und 100 Minuten.<br />
Mehr wollte und brauchte ich nicht.<br />
Der Effekt, den ich nämlich schon<br />
rasch erlebte und der für mich bis heute<br />
beim Laufen zentral ist: Es gibt wahrscheinlich<br />
keine Sportart, in der man<br />
leichter und einfacher in einen Zustand<br />
kommt, der nach Csikszentmihalyi als<br />
Flow definiert ist. Oder zumindest in<br />
einem flowähnlichen Zustand: Man<br />
benötigt keine besondere technische<br />
Übung noch großes Geschick, bloß etwas<br />
Ausdauer und Durchhaltevermögen.<br />
„Einfach“ ist aber auch im logistischen<br />
Sinn zu verstehen: Von der eigenen<br />
Haustür weg läuft man zehn, 15 oder<br />
20 Minuten und dann beginnt es wie<br />
von selbst zu laufen. Das wirklich vollkommene<br />
Aufgehen im Tun und in der<br />
Aufgabe (also der richtige Flow) stellt<br />
sich etwas seltener und oft auch erst nach<br />
längerer Zeit ein, aber es ist auch für<br />
weniger Sportliche erreichbar. Mit dem<br />
langsamen Vorbeiziehen der Landschaft<br />
fließen auch die Gedanken frei und mühelos.<br />
Nicht jedes Mal, aber an guten Tagen.<br />
Was man früher den Skifahrern gern<br />
in den Mund gelegt hat, stimmt beim<br />
Laufen wörtlich: Wenn‘s laft, dann laft‘s.<br />
Minister, Staatssekretär, Präsident<br />
Nachdem ich mich in den ersten beiden<br />
Jahren meines Hobbyläuferlebens noch<br />
aus Versagensangst geweigert hatte, einen<br />
hügeligen Halbmarathon in der Nähe<br />
meiner Heimat zu probieren, entdeckte<br />
ich dann große Freude daran. Und wurde<br />
mehrere Jahre lang Stammgast. Der<br />
MIT DEM<br />
LANGSAMEN<br />
VORBEIZIEHEN<br />
DER LANDSCHAFT<br />
FLIESSEN AUCH<br />
DIE GEDANKEN<br />
FREI UND<br />
MÜHELOS.<br />
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