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18 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 34 · 9 ./10. Februar 2019<br />
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Schönes Wochenende<br />
WARENKUNDE<br />
FUNDSTÜCKE<br />
von Julia Grass<br />
Haben Sie auchetwas Neues in derStadtentdeckt?<br />
Bitte schreiben Sie uns an:berlin.fundstuecke@dumont.de<br />
VonBettina Cosack<br />
HANNA&PAULA’S<br />
DEWITT TREMBLAY<br />
Das feine T-Shirt<br />
aus Algen<br />
Ohne Algen wären wir alle nichts,sie sind der Ursprung unser<br />
Existenz, und sie sind unsereZukunft. Klingt großartig,<br />
ist auch großartig. Algen sind die Tausendsassas des Universums.Sie<br />
sind Sauerstofflieferanten, können das Klima verändern,<br />
können Abwasser reinigen. Algen werden in der Medizin<br />
eingesetzt, in der Pharmazie,inder Kosmetik. Algen kann man<br />
natürlich auch essen –inSushi etwa, als Salat –und trinken.<br />
Weil ich an die Kraft der Alge glaube,nehme ich seit einem<br />
halben Jahr jeden Tagfünf Gramm voneinem Pulver zu mir,<br />
das mein Immunsystem stärken soll. Super Green heißt es,es<br />
wirdvon der <strong>Berliner</strong> FirmaYour Superfoods (Yoursuperfoods.de)hergestellt<br />
und enthält neben Weizen- und Gerstengras<br />
Spirulina- und Chlorella-Algen. Es ist natürlich grün, dieses<br />
Pulver,ich rühreesinein Glas Wasser ein. DerMix<br />
schmeckt dann auch sehr grün, nach Wiese irgendwie,auf jeden<br />
Fall gesund. Ichglaube,dass es hilft, das Pulver.<br />
Nicht grün, sonderngrauist ein sehr besonderes T-Shirt,<br />
das ich jüngst entdeckte und sofortbestellen musste,weil es<br />
nämlich –Sie ahnen es –Algen enthält, isländische Algen, um<br />
präzise zu sein, schonend geerntet. Das<strong>Berliner</strong> Start-up Grey,<br />
gegründet voneinem Mann namens MarcoGreyund angesiedelt<br />
in Prenzlauer Berg,produziertdieses T-Shirt, das zu haben<br />
ist mit langen und mit kurzenÄrmeln. Ichbestellte unter greyfashion.com<br />
die Kurzarm-Variante,die derzeit von99auf 69<br />
Euro heruntergesetzt ist. Ja,das ist viel, ich habe auch erst einmal<br />
geschluckt. Aber Innovationen haben ihren Preis.<br />
DasBesondereandenT-Shirts vonGreyist der Stoff, aus dem<br />
sie hergestellt werden. Diesen Stoff hat Herr Grey,38, im Laufe<br />
etlicher Jahreentwickeln lassen, diverse Fehlversuche inbegriffen.<br />
Es ist ein Stoff, der besonders weich sein soll und der zudem<br />
die Haut pflegt.Vitadylan heißt dieser Stoff, er wirdinDeutschland<br />
hergestellt und besteht unter anderem aus Algen- und<br />
Zinkfasern. Statt Baumwolle wirdaus Gründen der Nachhaltigkeit<br />
eine Faser aus Buchenholz verwendet.Vitadylan gibt –so<br />
dasVersprechen –dieVitamine A, Cund Eund Mineralien an die<br />
Haut ab.„In einem einzigen Grey-Shirtsind dieWirkstoffe aus<br />
über tausend LiternMeerwasser enthalten“, so dieWerbung.<br />
IchglaubeVersprechen nie.Und war doch gespannt auf das<br />
Paket vonGrey. Andächtig öffnete ich die vornehme Schachtel, in<br />
der das T-Shirtlag. Undblieb andächtig, als ich über den Stoff<br />
strich, weil er so extrem weich ist, dabei aber nicht labberig. Ich<br />
trug mein neues Hemd dann gleich zwei Tage hintereinander.<br />
Dasmedizinische Zinkoxid darin, das eine antibakterielleWirkung<br />
hat, sorgt dafür,dass Grey-T-Shirts länger frisch bleiben.<br />
Nicht übel. Eingecremt fühlte ich mich nicht unbedingt nach<br />
dem Ausziehen, das kommt vielleicht noch. HundertWäschen<br />
soll das T-Shirtaushalten, ohne die Kraft vonZink und Algen zu<br />
verlieren.Wirbleiben länger beieinander.<br />
Aufstrich<br />
Ein Glas Merlot<br />
zum Frühstücksbrot<br />
Die Freundinnen Johanna Kerschbaumer und Paula Lipovac<br />
kennen sich seit ihrer Schulzeit, nach der es die eine<br />
ins Studium der Wirtschaftspsychologie verschlug, die andere<br />
in die Sterne-Gastronomie Barcelonas.Imvergangenen Sommer<br />
kam ihnen die Idee,gemeinsam etwas Neues aufzubauen.<br />
Weinaufstrich nennt sich das, was die beiden kreiert haben.<br />
EinAufstrich aus Wein, Zucker und Pektin. Dasklingt einfach,<br />
ist in der Herstellung aber hoch kompliziert.„Wir mussten erst<br />
einmal ganz genau herausfinden, welcher Wein sich mit welchem<br />
Pektin verträgt und welcher Zucker die perfekte Konsistenz<br />
schafft“, erzählt Paula Lipovac. Wochenlang haben sie getüftelt,<br />
bis „Hannah &Paula’s Weinaufstriche“ geboren waren.<br />
Diegibt’s in fünf Sorten: Rosé, Merlot, Cabernet Sauvignon, Pinot<br />
Grigio und Chardonnay. Schmeckt wirklich nach Wein –<br />
und hervorragend zu Croissants oder Käse.<br />
Hannah&Paula’sWeinaufstriche Glasfür 6,99Euro, erhältlich momentan via<br />
hannah-paula.com und baldimOnline-Shop<br />
Brunch<br />
VonMusik-Platten zur<br />
Frühstücks-Platte<br />
Einst war es ein Plattenladen mit einem Deli, jetzt ist es<br />
erwachsen geworden. Das Gordon im Schillerkiez<br />
wollte israelisches Leben nach Berlin holen, als es 2014 eröffnete.<br />
Und der Plan ging auf, sicher nicht zuletzt, weil<br />
auch der Schillerkiez inden vergangenen Jahren einen Aufschwung<br />
erlebt hat. Mittlerweile ist der kleine Laden umgezogen<br />
und serviert amWochenende nun auch israelischen<br />
Brunch, je nach Saison mit unterschiedlichen Zutaten. Die<br />
Winter-Edition wartet mit lange gekochten, herzhaften Eintöpfen<br />
auf, aber auch israelische Klassiker wie Hummus<br />
oder Tahini fehlen nicht. Die Preise variieren je nach Essenszeit.<br />
Frühaufsteher zahlen an Sonntagen von 10bis 11<br />
Uhr 9,90 Euro für das Buffet –oder 14,90 Euro mit Kaltgetränken<br />
und Kaffee inklusive.<br />
Israelischer Brunch im Gordon Allerstraße 11, Neukölln. Sa 12–16 Uhr,18–23<br />
Uhr,So10–16 Uhr, 18–22 Uhr.Brunch-Reservierung unter gordon-berlin.com<br />
CHRISTOPH ABATZIS<br />
Ausstellung<br />
Neun Jahre gesammelte<br />
Fingernägel<br />
Bis zum 23. Februar sind aktuelle Werkeder jungen chinesischen<br />
Künstlerin Yi Dai inder Galerie House of Egorn zu<br />
sehen. „Discarded ... during my 20s“ nennt sich die Ausstellung,<br />
was übersetzt etwa bedeutet: Wasich in meinen 20ern<br />
entsorgt habe.YiDai beschäftigt sich mit dem menschlichen,<br />
vorallem dem weiblichen Körper und sucht die Ästhetik dort,<br />
wo wir sie nicht erwarten würden. In abgeknipsten Fingernägeln<br />
zum Beispiel. Oder in ausgefallenen Haaren. Oder in<br />
Menstruationsblut. Das sind provokante Ausstellungsstücke,<br />
gebe ich zu –essind aber vor allem auch Dinge unseres Körpers,<br />
über die wir uns selten Gedanken machen, die unbemerkt<br />
vergehen. Yi Dai zeichnet anhand dieser Überreste das<br />
Leben ihrer 20er nach. Die kleine Ausstellung polarisiert und<br />
ist allein deshalb einen Besuch wert.<br />
Yi Dai –Discarded ... during my 20s im House of Egorn, Potsdamer Straße 96,<br />
Tiergarten. Mi–Sa 11–18 Uhr(das Treppenhaus wird derzeit saniert, nichtabschrecken<br />
lassen, sondernden Aufzug nehmen)<br />
Kino<br />
Unabhängig<br />
von der Berlinale<br />
Sie ist so etwas wie die kleine,etwas rotzigereSchwester der<br />
glamourösen Berlinale –die Boddinale. Sie gibt talentierten,<br />
aber eben weniger bekannten Regisseurinnen und Regisseuren<br />
die Chance, ihre Filme –die meist mit wenig oder gar<br />
keinem Budget produziertwurden –auf die Leinwand zu bringen.<br />
Gezeigt werden alle nur einmal, die Regisseure kommen<br />
zu den Vorführungen, stellen sich danach den Fragen des Publikums,und<br />
im Anschluss wirdauf verschiedenen Partys gefeiert.<br />
EinPreis wirdauch vergeben, und das Beste: DerEintritt<br />
zu den Filmvorführungen ist kostenlos.Gezeigt werden Kurzfilme,Musikvideos,längereFeatureund<br />
Spielfilme,Dokus –einen<br />
Porno hab ich beim Durchgucken des Programms auch<br />
schon entdeckt. Also: Eine bunte Mischung, täglich von16–23<br />
Uhr.<br />
Boddinale bis 17.Februar.AmFlutgraben 3, Kreuzberg,täglich 18–23 Uhr, Eintritt<br />
frei –deshalb am besten frühzeitig dortsein<br />
BODDINALE<br />
WOHIN AM WOCHENENDE?<br />
Auf den<br />
Gipfeln<br />
Berlins<br />
Kreuzberg, Mont Klamott<br />
oder Müggelberge –<br />
wo Aufstiege mit einem<br />
weiten Blick belohnt werden<br />
VonIda Luise Krenzlin<br />
66 Meter hoch ist der Kreuzberg.Besonderslauschig: der Wasserfall. IMAGO<br />
Berlin ist auf Sand gebaut, überrascht<br />
aber trotzdem mit vielen<br />
Erhebungen, die wir <strong>Berliner</strong> natürlich<br />
Berge nennen. Schon die Bezirksnamen<br />
verraten, dass Berlin hügelig<br />
ist: Prenzlauer Berg, Schöneberg,<br />
Lichtenberg, Kreuzberg. Wer<br />
häufig Rad fährt, kennt steile Strecken<br />
wie den Weinbergsweg. Man<br />
muss in Berlin oft tüchtig in die Pedale<br />
treten.<br />
Inmitten des <strong>Berliner</strong> Trubels<br />
sind Berge auch Orte, andenen es<br />
überraschend ruhig ist. Der KreuzbergimViktoriaparkist<br />
immerhin 66<br />
Meter hoch. Er ist einer der natürlichen<br />
Berge, die durch die Eiszeit entstanden<br />
sind, als die Gletschermassen<br />
langsam schmolzen und Berlin<br />
formten. Auf dem Kreuzberg erinnert<br />
das Nationaldenkmal von Karl<br />
Friedrich Schinkel an die Gefallenen<br />
der Befreiungskriege von 1813 bis<br />
1815; im Jahr 1821 wurde es eingeweiht.<br />
Außerdem gewährtder Kreuzberg<br />
wie auch andere <strong>Berliner</strong> Berge<br />
einen freien Blick auf den Horizont.<br />
Meist endet der <strong>Berliner</strong> Blick ja an<br />
der nächsten Hausfassade. Deshalb<br />
machen <strong>Berliner</strong> gerne Ausflüge auf<br />
ihreBerge.<br />
Neben der Eiszeit prägte der<br />
Zweite Weltkrieg die Landschaft Berlins.<br />
14Berge bestehen aus Kriegstrümmern<br />
oder alten Bunkeranlagen,<br />
die zugeschüttet wurden. Heute<br />
ist das kaum noch zu erkennen, da<br />
sie längst zugewachsen sind.<br />
Der Mont Klamott im Volkspark<br />
Friedrichshain ist so ein Bunkerberg.<br />
Ein großer Flakturm verschwand<br />
unter Tonnen von Trümmerschutt.<br />
Der Insulaner in Schönebergdagegen<br />
ist ein reiner Trümmerberg,<br />
75 Meter hoch. Im Winter<br />
kommen <strong>Berliner</strong> mit ihren Kindern<br />
zum Rodeln, im Sommer lassen sie<br />
Drachen steigen. Seit 1963 befindet<br />
sich dort die Wilhelm-Foerster-<br />
Sternwarte.<br />
Zwar bringt man Berlin eher mit<br />
Bierbrauereien in Verbindung, die es<br />
früher in jedem Viertel gab, hier<br />
wurde und wird aber auch Wein angebaut.<br />
Die ehemaligen Weinberge<br />
am Rosenthaler Platz sind heute eine<br />
Oase der Ruhe zwischen Hostels, Imbissen,<br />
Bars und Restaurants. Der<br />
Volkspark am Weinbergsweg besticht<br />
durch seine Hanglage. Landschaftlich<br />
gehört er zum Barnimhang,<br />
der an der Zionskirche seinen<br />
Gipfel (52 Meter) erreicht und einen<br />
tüchtig aus der Pustebringen kann.<br />
Im Weinbergsparklädt seit Jahren<br />
das Nola’s mit Schweizer Küche zur<br />
Rast ein. Die Gaststätte wurde wie<br />
die ganze Parkanlage in den Fünfzigerjahren<br />
gebaut –mit großer Terrasseund<br />
feiner Aussicht über Liegewiese,<br />
Seerosenteich und Rosengarten.<br />
Früher schwoften hier die Bewohner<br />
der benachbarten<br />
Seniorenresidenz, heute sitzt man<br />
entspannt draußen –imWinter ein-