Berliner Kurier 17.02.2019
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POLITIK<br />
Der Atlantik<br />
wird breiter<br />
MEINE<br />
MEINUNG<br />
Von<br />
Marina<br />
Kormbaki<br />
A ußenministerHeiko<br />
Maas hatte sich von der<br />
diesjährigen Münchner Sicherheitskonferenz<br />
ein klares<br />
Bekenntnis zum transatlantischenVerhältnis<br />
gewünscht.<br />
Das aber blieb am<br />
zweiten, dem wichtigsten<br />
Tag dieser Konferenz aus.<br />
Eher dürftesich der Atlantik<br />
um ein gutes Stück verbreitert<br />
haben. Jedenfallsist die<br />
Härte und auch Unverfrorenheit,<br />
mit der US-VizepräsidentMike<br />
Pence zu einer<br />
Abkehr vom Nuklearabkommen<br />
mit dem Iran, dem<br />
Stopp der Gaspipeline Nord<br />
Stream2und der Steigerung<br />
der Verteidigungsausgaben<br />
aufrief, nicht dazu angetan,<br />
Hoffnungenauf eine Wiederannäherung<br />
zu wecken.<br />
Pence nannte den Hauptadressaten<br />
seiner Forderungen<br />
und Drohungen nichtbeim<br />
Namen. Aber jedem im Saal<br />
war klar, wenervor allen anderen<br />
meinte:Deutschland.<br />
Die Vertreter Russlands und<br />
Chinasschienen von der<br />
transatlantischen Konfrontation<br />
nicht überrascht und<br />
buhlten um Berlin.<br />
Der neue Auftrag an Europa<br />
ist so klar wie kompliziert:<br />
Die Europäer müssenzu<br />
mehr Geschlossenheitnach<br />
innen und mehrEntschlossenheit<br />
nach außen finden.<br />
FRAU DESTAGES<br />
Julia Klöckner<br />
Julia Klöckner, Bundeslandwirtschaftsministerin,<br />
ist am<br />
Sonnabend in Aachen mit<br />
dem „Orden wider den tierischen<br />
Ernst“<br />
geehrt worden.<br />
Die 45-<br />
Jährige erhalte<br />
den<br />
Orden „als<br />
gradlinige<br />
und meinungsstarke<br />
Politikerin,<br />
die Humor<br />
und<br />
Menschlichkeit mit ihrer<br />
Amtsführung verbindet“, erklärte<br />
der Aachener Karnevalsverein.<br />
Die CDU-Politikerin<br />
sagte, Leichtigkeit gepaart<br />
mit Ernsthaftigkeit tue allen<br />
im Alltag gut.<br />
Foto: Andreas Arnold/dpa<br />
Merkels Abrechnungmit<br />
denstarken Männern<br />
Auf der MünchnerSicherheitskonferenz warEiszeit fürdie Diplomatie. USApochen auf ihreWeltsicht<br />
München –Es war ein Schlagabtausch<br />
fast ohne diplomatische<br />
Floskeln: Auf derMünchner<br />
Sicherheitskonferenz haben<br />
US-Vizepräsident Mike<br />
Pence und Kanzlerin Angela<br />
Merkel mit ihren Auftritten<br />
gezeigt, wie zerstritten der<br />
einstige Westen ist, seit im<br />
Weißen Haus ein weiterer<br />
starker Mann regiert.<br />
Pence sprach nach Merkel. Er<br />
richtete zu Beginn Grüße von<br />
Donald Trump aus. Vonden Zuhörern<br />
imSaal erntete er dafür<br />
sekundenlanges, eisernes<br />
Schweigen. Ein symbolträchtiger<br />
Moment. Dass die meisten<br />
Teilnehmer auf Trump nicht gut<br />
zu sprechen sind, war bereits mit<br />
US-Präsidentdroht Klagewelle<br />
Demokraten wollen gegen denNotstand zur Mauerfinanzierungvorgehen.Auch Republikanersindkritisch<br />
Merkels Rede klar geworden. Sie<br />
sprach mehrere Konflikte unverblümt<br />
an:<br />
▶ Zölle:NachAussagenMerkels<br />
ist das US-Handelsministerium<br />
zu der Einschätzung gekommen,<br />
dass EU-Autoimporte eine Bedrohung<br />
der nationalen Sicherheit<br />
darstellen. „Das erschreckt<br />
uns sehr“, erklärte sie. Nichtohne<br />
Grund: Trump kann nun innerhalb<br />
von 90 Tagen Strafzölle<br />
auf deutscheAutos verhängen.<br />
▶ Nord Stream 2: Die Gaspipeline<br />
in der Ostsee verteidigte<br />
Merkel: „Es ist nichtimgeostrategischen<br />
Interesse Europas,alle<br />
Beziehungen zu Russland zu<br />
kappen.“ Aber in diesem Punkt<br />
machte Pence in seiner Antwort<br />
auf die Kanzlerin eine klare An-<br />
Washington–DenNotstandhat<br />
er ausgerufen, doch nun könnte<br />
US-Präsident Donald Trump<br />
selbst in Not geraten: Sein Plan<br />
zur Finanzierung einer Mauer<br />
an der Grenze zuMexiko ruft<br />
Widerstand in den USAhervor.<br />
Die Bürgerrechtsorganisation<br />
ACLU teilte mit, dass sie Klage<br />
gegen den Notstand einreichen<br />
werde. Wie Trump selbst zugegebenhabe,<br />
gibteskeinennationalen<br />
Notstand. Er wurde einfach<br />
ungeduldig und frustriert<br />
über den Kongress und entschied,<br />
sein Versprechen für<br />
eine Grenzmauer „schneller voranzubringen“,sagteder<br />
Exekutivdirektor<br />
von ACLU, Anthony<br />
Romero. Kalifornien werde<br />
wahrscheinlich auch dagegen<br />
vorGerichtziehen, sagte der kalifornische<br />
Justizminister Xavier<br />
Becerra.<br />
Die demokratische Vorsitzende<br />
des Repräsentantenhauses,<br />
NancyPelosi, und der demokratische<br />
MinderheitsführerimSenat,<br />
Charles Schumer,kündigten<br />
an, „jedes verfügbare Mittel“ zu<br />
nutzen, um gegen Trumps Entscheidung<br />
vorzugehen. Die<br />
Maßnahmedes Präsidenten verletzedie<br />
Kontrolle desKongresses<br />
über die Ausgaben,die in die<br />
Verfassung geschriebenworden<br />
sei.<br />
Zwar stellten sichviele Parteimitglieder<br />
am Freitag hinter<br />
sage: „Wir können die VerteidigungdesWestensnichtgarantieren,<br />
wenn unsere Bündnispartner<br />
sich vom Ostenabhängig machen.“<br />
▶ Zusammenarbeit: „Es gibt<br />
sehr viele Konflikte, die uns herausfordern“,<br />
sagte Merkel. Dazu<br />
benötige man internationale<br />
politischeStrukturen: „Wir dürfen<br />
sie nicht einfach zerschlagen“,<br />
sagtesie in Anspielung auf<br />
den America-first-Politiker<br />
Trump.<br />
▶ Iran: Merkel nannte es einen<br />
Fehler, die Kontakte zum Iran<br />
abzubrechen. Doch Pence<br />
drängteauch in München erneut<br />
auf ein Ende des Atomdeals, an<br />
dem Europa festhält.Ererklärte:<br />
„Das iranische Regime befürwortet<br />
einen Holocaust und versucht,<br />
ihn auchzuerreichen.“<br />
▶ Abrüstungsverträge: Die<br />
Kündigung des RaketenabrüstungsvertragsINFseiwegenverschiedener<br />
Vertragsverletzungen<br />
Russlands „unabwendbar“<br />
gewesen, so Merkel. „Die Antwort<br />
auf die Kündigung kann<br />
nicht in blindem Aufrüsten bestehen.“<br />
Sie forderte Xi Jinping,<br />
den starken Mann Chinas, auf,<br />
sich an Abrüstungsbemühungen<br />
zu beteiligen.<br />
▶ Afghanistan: Merkel warnte<br />
die USA vor den Folgen eines<br />
schnellen Abzugs aus Afghanistan.<br />
In Deutschland sei große<br />
Überzeugungsarbeit notwendig<br />
gewesen,dassdie Sicherheit des<br />
Landes auch am Hindukusch<br />
verteidigt werde, so Merkel:„Ich<br />
möchte nicht erleben, dass wir<br />
eines Tages weggehen müssen,<br />
weil die vernetzten Strukturen<br />
dortwegfallen.“<br />
▶ Verteidigungsetat: Trump<br />
drängt Deutschland seit Langem,<br />
den Verteidigungsetatauf 2<br />
Prozent des Bruttoinlandsprodukts<br />
anzuheben. Merkel stellte<br />
nun eine weitere Aufstockung in<br />
Aussicht: Bis 2025 wolle<br />
Deutschland 1,5 Prozent schaffen.<br />
Für ihren Appell für Zusammenarbeit<br />
und gegen eine Politik<br />
der starken Männer erhielt Merkel<br />
donnernden Applaus. „Es<br />
war die beste Rede, die ich hier<br />
gehört habe“, lobte ein Teilnehmer.<br />
Trumps Entscheidung, andere<br />
aber nicht. „Ich glaube nicht,<br />
dass eineNotstanderklärungdie<br />
Lösung ist“, so der republikanische<br />
Senator Thom Tillis.<br />
Der demokratische Vorsitzende<br />
desJustizausschussesdes<br />
Repräsentantenhauses, Jerrold<br />
Nadler, forderte eine Anhörung<br />
zu den „ernsten Verfassungsund<br />
gesetzlichen Fragen“, die<br />
durch die Erklärung hervorgerufenwürden.