Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
M ENSCHEN <strong>IM</strong> GESPRÄCH<br />
Erwin Zangerl: „Unser Auftrag heißt Arbeit“<br />
Die RUNDSCHAU traf den wiedergewählten AK-Präsidenten zum ausführlichen Interview<br />
Die AK-Wahlen sind geschlagen. Mit 45 von 70 erzielten Mandaten<br />
konnte der amtierende Präsident Erwin Zangerl einen klaren<br />
Sieg einfahren. Mehr als 61 Prozent der abgegebenen Stimmen<br />
entfielen auf seine Liste. Über das Ergebnis, die aktuellen Gegebenheiten<br />
und die Zukunft unterhielt sich die RUNDSCHAU<br />
mit dem alten und neuen AK-Präsidenten.<br />
Von Wolfgang Rives<br />
RUNDSCHAU: Mit 61,4 Prozent<br />
der erhaltenen Stimmen gehen Sie als<br />
klarer Sieger aus der AK-Wahl hervor.<br />
Wie zufrieden sind Sie mit dem<br />
Ergebnis?<br />
AK-Präsident Erwin Zangerl:<br />
Ich freue mich über die hohe Zustimmung<br />
der Tiroler AK-Mitglieder<br />
zu unserer geleisteten Arbeit.<br />
Ich bin jetzt insgesamt dreimal zur<br />
AK-Wahl angetreten und habe dabei<br />
immer mehr als 60 Prozent Zustimmung<br />
erreicht. Dieses großartige<br />
Ergebnis muss man erst einmal<br />
schaffen.<br />
RS: Der Trend der geringen Wahlbeteiligung<br />
setzte sich bei der vergangenen<br />
Wahl fort und erreicht mit nur<br />
33,6 Prozent einen Tiefpunkt. Worin<br />
sehen Sie hierbei die Gründe?<br />
Zangerl: Die Gründe dafür sind<br />
vielfältig. Prinzipiell hängt die<br />
Wahlbeteiligung von der Veränderung<br />
in der Struktur der Arbeitnehmerinnen<br />
und Arbeitnehmer ab. Es<br />
gibt heute keine durchgängigen Erwerbsbiografien<br />
mehr, auch wenig<br />
Klassenidentität. Zudem sinkt die<br />
Dauer des Erwerbslebens und mehr<br />
Menschen haben Jobs für kürzere<br />
Zeit. Auch, dass die Zahl der Arbeitnehmer<br />
in Betrieben mit Betriebsräten<br />
sinkt, spielt eine Rolle. Es wäre<br />
auch falsch zu sagen, dass die, die<br />
nicht gewählt haben, die Kammer<br />
ablehnen würden. Ganz im Gegenteil.<br />
Wir sehen aus früheren Umfragen,<br />
dass sogar sieben von acht<br />
Nichtwählern für eine gesetzliche<br />
Mitgliedschaft sind. Die Akzeptanz<br />
der AK und ihre Leistungsbeurteilung<br />
ist bei den Mitgliedern extrem<br />
hoch, egal ob sie jetzt wählen waren<br />
oder nicht.<br />
RS: Neben den traditionellen Möglichkeiten<br />
der Stimmabgabe mittels<br />
Wahlkabine und Briefwahl wird auch<br />
die Möglichkeit des Online-Urnenganges<br />
diskutiert. Wahl per Internet,<br />
für Sie vorstellbar?<br />
Zangerl: Wer nicht mit der Zeit<br />
geht, geht mit der Zeit. Beinahe jeder<br />
Behördengang ist mittlerweile<br />
online möglich. Auch in puncto<br />
Wahl sollten wir nicht die Augen<br />
vor diesen Trends verschließen. Die<br />
Sicherheit und das Wahlgeheimnis<br />
müssen gewährleistet sein, das sollte<br />
im Zeitalter von Handysignatur,<br />
Bürgerkarte und E-Card wohl möglich<br />
sein.<br />
Erwin Zangerl konnte bei den kürzlich abgehaltenen Kammerwahlen die absolute<br />
Mehrheit verteidigen. Die breite Zustimmung sorgt für Freude. Foto: Berger/AK<br />
RS: Sie stehen nun seit 20<strong>08</strong> an der<br />
Spitze der Tiroler Arbeiterkammer.<br />
Rückblick und Ausblick – Was war in<br />
dieser Zeit besonders gut und welche<br />
Themen stehen in der Zukunft ganz<br />
oben auf Ihrer Liste?<br />
Zangerl: Ein Meilenstein war die<br />
Lohnsteuer-Senkung 2016, die nur<br />
aufgrund unseres massiven Drucks<br />
möglich war. Auch im eigenen Bereich<br />
konnte in den letzten elf Jahre<br />
vieles im Sinne der Mitglieder<br />
verbessert werden: Wir haben eine<br />
Regionalisierungsoffensive gestartet<br />
und die Arbeiterkammern in<br />
jedem Bezirk deutlich ausgebaut<br />
und personell erweitert. Niemand<br />
muss mehr nach Innsbruck fahren,<br />
wenn er ein Anliegen oder ein Problem<br />
hat. Der Bereich Wohn- und<br />
Mietrecht wurde verstärkt. Auch für<br />
die kommende Periode lautet mein<br />
Credo, immer das Gemeinsame in<br />
den Mittelpunkt unserer Arbeit für<br />
die Menschen zu stellen. Ich möchte<br />
mit allen vier in der AK Vollversammlung<br />
vertretenen Fraktionen<br />
und in gemeinsamer Abstimmung<br />
mit dem Land ein Programm erarbeiten,<br />
damit Arbeit, Leben und<br />
Wohnen in Tirol langfristig abgesichert<br />
und zukunftsfähig wird. Die<br />
hohe Dynamik in diesen Bereichen<br />
muss noch aktiver beeinflusst und<br />
mitgestaltet werden. Dass es gemeinsam<br />
viel besser geht, zeigt die Tiroler<br />
Lehrlingsoffensive. Es wurde ein<br />
gemeinsames Problembewusstsein<br />
geschaffen und dann die richtigen<br />
Maßnahmen gesetzt. Das muss uns<br />
auch für die Arbeitnehmer-Familien<br />
in unserem Land gelingen: Verbesserungen<br />
zu erreichen, die zu mehr<br />
Gerechtigkeit führen. Das Wichtigste<br />
dabei wird sein, den sozialen<br />
Ausgleich zu finden. Frieden, Wohlstand<br />
und Sicherheit für möglichst<br />
alle in unserer Gesellschaft, das<br />
könnte dabei unser gemeinsamer<br />
Nenner sein. Eine faire steuerliche<br />
Entlastung für die Arbeitnehmer-<br />
Familien gehört ebenso dazu, wie<br />
Lösungen im Bereich des teuren<br />
Wohnens und Lebens.<br />
RS: Sie hielten sich mit Kritik an<br />
der derzeit amtierenden Bundesregierung<br />
nicht zurück, bezeichneten die<br />
Kurz-Fraktion als „Türkise Unsoziale“.<br />
Wie sehen Sie Ihr Verhältnis zu<br />
Bundeskanzler Kurz und der Bundes-<br />
ÖVP?<br />
Zangerl: Mein Auftrag als AK-<br />
Präsident lautet, die Interessen der<br />
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer<br />
mit voller Kraft zu vertreten.<br />
In dieser Aufgabe geht es weder um<br />
Personen oder um Befindlichkeiten,<br />
sondern darum, welche positiven<br />
Maßnahmen die Regierung im<br />
Sinne der Arbeitnehmer-Familien<br />
setzt. Außer dem Familien-Bonus,<br />
der aber auch nicht allen Familien<br />
gleichermaßen zugutekommt, sehe<br />
ich bisher noch zu wenig soziale,<br />
aber viel eher starke neoliberale<br />
Tendenzen. Ich bin ein Verfechter<br />
unseres Sozialstaates. Er sichert den<br />
sozialen Frieden und ist der Rettungsring,<br />
wenn doch einmal etwas<br />
passieren sollte. Die AK steht für<br />
einen starken Sozialstaat, der ausgebaut<br />
und nicht ausgedünnt werden<br />
soll.<br />
RS: Auch nicht ganz unumstritten<br />
ist der Pflichtbeitrag, der von jedem<br />
Arbeitnehmer an die AK fließt. Mit<br />
welchen Konsequenzen für den Arbeitnehmer<br />
wäre bei einer Senkung<br />
zu rechnen?<br />
Zangerl: Durch den gesetzlichen<br />
Beitrag der AK-Mitglieder von im<br />
Schnitt 7 Euro pro Monat können<br />
wir unabhängig sein und Ungerechtigkeiten<br />
bekämpfen. Die Arbeitnehmerschaft<br />
hat Rechte, die AK ist<br />
ihre Anwältin und ihr Sprachrohr<br />
und sorgt dafür, dass die Menschen<br />
zu ihrem Recht kommen. Eine Senkung<br />
würde bedeuten, dass wir in<br />
einigen Bereichen kürzen und unsere<br />
Leistungen reduzieren müssten.<br />
Denken wir nur an die Ferienaktionen,<br />
die Nachhilfekurse, die AK<br />
Werkstatt für Schüler, die Stipendien,<br />
Beihilfen und die Unterstützungen<br />
für in Not geratene Mitglieder,<br />
oder aber die Offensive für<br />
Wiedereinsteigerinnen – alle diese<br />
Maßnahmen sind durch den solidarischen<br />
Beitrag alle AK-Mitglieder<br />
möglich.<br />
RS: Im Wahlkampf äußerte Ihr<br />
Mitbewerber Stephan Bertel (FSG<br />
Tirol) die Vermutung, dass Sie im<br />
Falle eines Wahlsieges nur für kurze<br />
Zeit als Präsident amtieren werden.<br />
Verbleiben Sie bis zur nächsten<br />
Wahl in dieser Position oder planen<br />
Sie Ihren vorzeitigen Rückzug noch<br />
während der kommenden Kammerperiode?<br />
Zangerl: Die AK-Mitglieder haben<br />
mir die Stimme für die kommenden<br />
fünf Jahre gegeben. Es ist<br />
meine feste Absicht und auch mein<br />
Auftrag, diese Periode Präsident zu<br />
sein.<br />
RUNDSCHAU Seite 34 20./21. Februar 2019