blu März/April 2019
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
MUSIK<br />
INTERVIEW<br />
PHILIPPE JAROUSSKY:<br />
ob König oder Mädchen<br />
Selbst wenn er nicht so aussieht, auch Star-Opernsänger<br />
Philippe Jaroussky ist nun schon über vierzig. Und mit dem<br />
Alter kommen die einen oder anderen Problemchen – oder gleich ein<br />
Hexenschuss.<br />
FOTO: PARLOPHONE RECORDS<br />
„Ich hab mich falsch bewegt … und<br />
es ist wirklich sehr schmerzhaft.<br />
Aber dafür muss ich die nächsten<br />
Tage nicht singen!“, lacht er am Telefon,<br />
nachdem er seinen Trip nach<br />
Berlin für unser Interview absagen<br />
musste. „Mein Vater hatte schon Rückenprobleme<br />
… so etwas in der Art<br />
passiert mir alle zwei Jahre. Ich muss<br />
dringend mit Sport anfangen – aber<br />
ich bin so faul.“ Da übertreibt er allerdings<br />
ziemlich: Immerhin ist Philippe<br />
einer der gefragtesten Countertenöre,<br />
und neben Engagements in den<br />
großen Opernhäusern der Welt und<br />
regelmäßigen Veröffentlichungen<br />
hat er vor zwei Jahren sogar eine<br />
eigene Akademie gegründet.<br />
War vierzig zu werden also gar keine<br />
so große Sache? „Dieser Geburtstag<br />
ist für jeden ein großer Schritt. Es<br />
war auch für mich ein guter Moment<br />
zu schauen, was ich bisher getan<br />
habe und was ich noch tun möchte.<br />
Aber ich gestehe, wenn ich morgen<br />
sterben würde – was hatte ich für ein<br />
Leben! Ich konnte die Welt bereisen,<br />
hatte nie Geldprobleme, durfte all<br />
die Musiker treffen. Plus viel Zeit für<br />
meine Freunde. Was für ein Privileg!<br />
Und ich kann ausschlafen!“, lacht er<br />
wieder. Er macht sich nicht einmal<br />
Sorgen um seine Stimme. „Als ich<br />
zwanzig war, war sie sehr flexibel.<br />
Wenn ich alte Aufnahmen höre, weiß<br />
ich, das kann ich nicht mehr. Dafür<br />
habe ich jetzt das Bewusstsein für<br />
Melodie und Worte. Meine Stimme<br />
mag an Schnelligkeit verloren<br />
haben, aber sie ist stärker und<br />
ausdrucksstärker. Und wenn ich sie<br />
morgen verliere, könnte ich immer<br />
noch Lehrer werden.“ Was er mit<br />
seiner Académie Musicale Philippe<br />
Jaroussky schon vorzubereiten<br />
scheint. „Die Idee, Menschen ein Jahr<br />
zu begleiten, ihnen Gelegenheiten<br />
zu geben und Freundschaften anzubahnen,<br />
liebe ich. Wenn ich träumen<br />
darf, möchte ich, dass die Akademie<br />
mich überlebt.“ Es scheint, als wolle<br />
er auch mit seinen neuen Aufnahmen<br />
der Welt etwas beibringen,<br />
denn wo zu oft nur wohlbekannte<br />
Komponisten und Stücke immer<br />
und immer wieder aufgenommen<br />
werden, nimmt sich Philippe jetzt<br />
auf „Ombra mai fu“ den Barockmeister<br />
Cavalli vor. „In den letzten fünf<br />
bis zehn Jahren gab es ein Revival<br />
seiner Musik, weil sein dramatisches<br />
Potenzial endlich erkannt wurde.<br />
Die meisten seiner Arien sind weniger<br />
als fünf Minuten lang, dieser<br />
Stil überrascht. Und seine Musik<br />
ist voller Freiheit.“<br />
Und dann ist da noch etwas, das<br />
Philippe an seinem Beruf liebt:<br />
die wunderschönen, opulenten<br />
Kleidungsstücke, die zu seinen<br />
Auftritten gehören. „Ich mag<br />
es, mich zu verkleiden! Ich bin<br />
ja vor allem Musiker und war<br />
nie der geborene Schauspieler.<br />
Ob ich ein König<br />
oder Mädchen auf der<br />
Bühne bin, das Kostüm<br />
hilft mir sehr. Wochenlang<br />
proben wir<br />
ohne – du singst<br />
in dem, was du<br />
sowieso anhast,<br />
da ist es schwer,<br />
in den Charakter<br />
zu kommen. Aber<br />
wenn das Make-up<br />
und die Kostüme da<br />
sind … Jetzt kann ich<br />
anders sein, jetzt kann ich<br />
verrückt sein!“ *fis<br />
LIVE<br />
30.3., Konzerthaus – Berlin,1 .4., Hannover – NDR, Großer Sendesaal,<br />
3.4., Elbphilharmonie – Hamburg, 13.4., Theater Essen – Essen,<br />
7.7., Prinzregententheater – München, 9.7., Festsaal Reitstadel –<br />
Neumarkt, 11.7., Max-Littmann-Saal – Bad Kissingen