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Kulturfenster Nr. 06|2018 - Dezember 2018

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Das Thema<br />

Ausschlaggebend für den weltweiten Erfolg des Liedes waren unter anderem die<br />

Konzerte der Familie Rainer in Europa und den USA.<br />

1816 wird an der fürsterzbischöflichen Residenz<br />

in Salzburg das bayerische Wappen<br />

gegen den österreichischen Doppeladler<br />

ausgetauscht: Salzburg gehört nach Jahren<br />

wechselnder Herrscher nicht länger<br />

zum Königreich Bayern.<br />

In diesem Jahr verfasst der junge Salzburger<br />

Hilfspriester Joseph Mohr in dem<br />

Ort Mariapfarr ein Gedicht mit sechs Strophen.<br />

Es trägt den Titel „Stille Nacht! Heilige<br />

Nacht!“ Am 24.12.1818 überreicht Joseph<br />

Mohr – inzwischen Hilfspriester in Oberndorf<br />

– das Gedicht seinem Freund Franz Xaver<br />

Gruber. Dieser ist Lehrer im benachbarten<br />

Arnsdorf und Organist in Oberndorf. Dort<br />

herrschen vor dem Hintergrund der Napoleonischen<br />

Kriege und neuen Grenzziehungen<br />

verheerende Zustände: Die Menschen<br />

sind hochverschuldet, haben kein<br />

Einkommen und leiden Hunger. Joseph<br />

Mohr bittet Franz Xaver Gruber darum, das<br />

Gedicht zu vertonen. Dieser wird die Melodie<br />

in D-Dur später als Gelegenheitskomposition<br />

betrachten und ihr nicht allzu viel<br />

Bedeutung beimessen. Noch am selben<br />

Abend wird das Lied am Ende der Christmette<br />

von den beiden zum ersten Mal gesungen:<br />

Die Melodie ist für zwei Singstimmen<br />

und Gitarrenbegleitung geschrieben.<br />

Von Joseph Mohr gibt es eine handschrifliche<br />

Überlieferung des Liedes, von Franz<br />

Xaver Gruber sogar vier. Die Autographen<br />

sind im Salzburg Museum in der Stadt Salzburg<br />

bzw. im Stille-Nacht-Museum in Hallein<br />

ausgestellt.<br />

Die weltumspannende Reise von<br />

„Stille Nacht! Heilige Nacht!“<br />

Zweihundert Jahre, nachdem „Stille<br />

Nacht! Heilige Nacht!“ das erste Mal in<br />

Oberndorf erklang, gilt es als eines der beliebtesten<br />

und bekanntesten Weihnachtslieder<br />

– aufgenommen und interpretiert von<br />

allen Musikgrößen aus allen Genres. An<br />

Weihnachten wird es von rund zwei Milliarden<br />

Menschen weltweit gesungen: Auf allen<br />

Kontinenten und in über 300 Sprachen<br />

und Dialekten. Nicht nur die Entstehung,<br />

auch die Verbreitung gleicht einem Wunder.<br />

1818 erhält der Orgelbauer Carl Mauracher<br />

aus Fügen im Zillertal den Auftrag, die<br />

Orgel in der St. Nikola-Kirche in Oberndorf<br />

zu reparieren. In weiterer Folge wird die Orgel<br />

neu gebaut. Auf einer dieser Arbeitsreisen<br />

lernt er das Lied „Stille Nacht! Heilige<br />

Nacht!“ kennen und bringt es mit in seine<br />

Heimat. 1819 findet sich das Lied schon<br />

mit sieben (!) Strophen auch im heute verschollenen<br />

Kirchenliederbuch von Blasius<br />

Wimmer, Organist und Lehrer in Waidring.<br />

Es kann gut möglich sein, dass Carl Mauracher<br />

das Lied bei seinen „Reparaturreisen“<br />

an ihn weitergegeben hat.<br />

1822, Fügen: Im Schloss des Grafen Dönhoff<br />

sind Kaiser Franz I. von Österreich und<br />

Zar Alexander I. von Russland zu Gast. Der<br />

Graf bittet die Geschwister Rainer darum,<br />

seine Gäste mit Volksliedern zu unterhalten.<br />

Vor allem der Zar ist begeistert: Er spricht<br />

eine Einladung an seinen Hof in St. Petersburg<br />

aus. Im Herbst 1824 machen sich die<br />

Geschwister Rainer auf zu ihrer ersten Auslandsreise<br />

nach Deutschland. Sie begründen<br />

damit die Ära der „Tiroler Nationalsänger“.<br />

1825 führt sie ihre zweite Konzerttour<br />

über Deutschland (Berlin, Hamburg) nach<br />

Schweden und England (London). Da der<br />

Zar bereits im <strong>Dezember</strong> 1825 verstarb, änderten<br />

sie ihre Reiseroute. Bis 1838 tourten<br />

die „Ur-Rainer“ immer wieder durch Europa.<br />

Joseph Greis, Buchdrucker und Buchhändler<br />

in Steyr, gab im Zeitraum von 1827<br />

bis 1832 (genaues Datum nicht bekannt)<br />

eine Flugschrift mit dem Titel „Vier schöne<br />

neue Weihnachtslieder“ heraus: Auf deren<br />

Titelbild ist auch „Stille Nacht! Heilige<br />

Nacht!“ angekündigt. Damit ist bewiesen,<br />

dass die erste schriftliche Verbreitung des<br />

Liedes in Steyr gedruckt wurde. Da Greis<br />

Buchhändler war, konnte der Druck auch<br />

bei ihm gekauft werden.<br />

1831 singen die Geschwister Strasser<br />

aus Laimach bei Hippach „Stille Nacht! Heilige<br />

Nacht!“ auf dem Leipziger Weihnachtsmarkt.<br />

Die Bauernfamilie aus dem Zillertal<br />

zog während der Wintermonate als Warenhändler<br />

durch Europa, um handgefertigte<br />

Produkte aus der Heimat – vor allem Handschuhe<br />

– auf Märkten zu verkaufen. Schnell<br />

stellte sich heraus, dass der Verkauf durch<br />

das Singen von Volksliedern noch besser<br />

lief. Sie werden zu weiteren Auftritten nach<br />

Leipzig eingeladen.<br />

Daraufhin kam es auch zu einer Verschriftlichung<br />

von „Stille Nacht! Heilige<br />

Nacht!“: Zwischen 1832 und 1834 veröffentlichte<br />

der Verleger A. R. Friese aus<br />

Dresden eine Sammlung von echten Tiroler<br />

Weihnachtsliedern mit dem Titel „Vier<br />

ächte Tyroler Lieder für eine Singstimme mit<br />

Begleitung des Pianoforte und der Gitarre<br />

gesungen von den Geschwistern Strasser<br />

aus dem Zillerthale“. Es entsteht eine „Zillertaler<br />

Fassung“ des Liedes, die auf die<br />

Geschwister Strasser zurückgehen könnte.<br />

Das Weihnachtslied beeindruckt auch den<br />

preußischen König Friedrich Wilhelm IV.,<br />

der Jahre später sogar die Noten dafür in<br />

Salzburg anfordern wird. 1838 wird „Stille<br />

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