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*<br />
POLITIK<br />
Europa lässt<br />
sich Zeit<br />
MEINE<br />
MEINUNG<br />
Von<br />
Thoralf<br />
Cleven<br />
Vergangenes Jahr erreichte<br />
die Europabegeisterung<br />
derDeutschenein lange<br />
nicht mehr gefühltes Hoch:<br />
Die EU-Kommissionhatte<br />
vorgeschlagen, dass bereits<br />
2019 dashalbjährliche Drehen<br />
an der Uhr abgeschafft<br />
werden soll. Enttäuschende<br />
Erkenntnisheute: Dieses<br />
Jahr wird das nichtsmit der<br />
versprochenen Abschaffung<br />
der Zeitumstellung. Viele<br />
sind zwar genervt vom<br />
Wechselauf Sommer- oder<br />
Winterzeit. Aber welche Einheitszeit<br />
soll es künftig in<br />
Europa sein?<br />
Die Bundesregierungfavorisiert<br />
diedauerhafte Sommerzeit.<br />
Klingtgut. Aber die würde<br />
in Spanien im Winter die<br />
Sonne mitunter erst gegen<br />
10 Uhr aufgehen lassen. In<br />
einer dauerhaften Winterzeit<br />
wäre hingegen im östlichen<br />
Polen im Sommer die Nacht<br />
bereits um 3Uhr beendet.<br />
Dass hier einKompromiss gefunden<br />
werden muss und<br />
dass es nicht so schnell geht,<br />
ist wohl jedem Gegnerder<br />
Zeitumstellunginzwischen<br />
klar. Die Erwartung ist jedoch<br />
geweckt, es gab sogar<br />
ein Versprechen. Dahinter<br />
sollte Europa nichtmehr zurück.<br />
Bis 2021 lässt sich das<br />
lösen. Mehr Zeit solltesich<br />
die EU nicht dafürlassen.<br />
MANN DESTAGES<br />
Werner Baumann<br />
Er ist alsBoss von Bayer Chef<br />
von 116998 Mitarbeitern –und<br />
Werner Baumann (56) ist ein<br />
Freund klarer Worte. „Hätte<br />
Amerika<br />
unsereVorschriften,<br />
wären Amazon<br />
oder<br />
Googledort<br />
wahrscheinlichnie<br />
so<br />
erfolgreich<br />
geworden.<br />
Mit voller<br />
Hosegewinnen<br />
Sieeben keinen 100-Meter-Lauf“,<br />
sagte er der „Welt“.<br />
Zudem beklagte er: „Wir sind<br />
immer zuallererst vom Risiko<br />
beseelt.Die kommerziellen<br />
Chancen werden dann woanderswahrgenommen.“<br />
Foto: Sepp Spiegl/imago<br />
Europa und das Chaos<br />
mit der Zeitumstellung<br />
Die EU-Kommission berät über eine generelle Regelung zur Abschaffungder Sommer- oder Winterzeit<br />
Brüssel–Am Anfang stand<br />
ein leichtfertiges Versprechen<br />
von Jean-Claude<br />
Juncker. „Die Leute wollen<br />
das, also machen wir<br />
das“, hatte der EU-Kommissionspräsident<br />
im vergangenen<br />
Sommer versprochen.<br />
Gemeint war: 2019<br />
wird die Zeitumstellung in<br />
der Europäischen Union abgeschafft.<br />
Der Luxemburger hat den<br />
Mund zu voll genommen. Am<br />
31. März um 2Uhr wird die<br />
Uhr wie seit Jahrzehnten um<br />
eine Stunde vorgestellt –Sommerzeit.<br />
Dabei hatten sich<br />
nach dem Kommissionsvorschlag<br />
4,6 Millionen EU-Bürger,<br />
davon 3Millionen Deutsche,<br />
in einer Onlineumfrage<br />
mehrheitlich (84 Prozent) die<br />
Abschaffung der Zeitumstellung<br />
gewünscht.<br />
Doch abgesehen davon, dass<br />
sie weniger als ein Prozent der<br />
EU-Bürger repräsentieren:<br />
Die Frage, welche Zeit es denn<br />
künftig sein soll, spaltet Europa.<br />
Vor allem die Ansage der<br />
Kommission, künftig solle jeder<br />
Staat selbst entscheiden,<br />
ob er dauerhaft Sommer- oder<br />
Winterzeit will, führt zum<br />
Streit.<br />
Die Erwartungen sind bei<br />
den Bürgern geweckt,die Regierungen<br />
der EU-Staaten<br />
reagieren skeptisch, die<br />
Mühlen der EU mahlen gemächlich<br />
–das Ende der<br />
Zeitumstellung droht<br />
chaotisch und vor allem<br />
Wietickt Europa? Eine<br />
einheitliche Regelung zur<br />
Zeitumstellung scheint<br />
nicht in Sicht zu sein.<br />
Foto: Jane Barlow/dpa<br />
langwierig zuwerden.<br />
In Brüssel beraten derzeit<br />
die EU-Staaten auf<br />
diplomatischer Ebene<br />
und das Europaparlament<br />
über die Abschaffung.<br />
Gestern beschloss der<br />
federführende Verkehrsausschuss,<br />
die Zeitumstellung<br />
2021 zu beenden. In<br />
den kommenden Wochen<br />
soll das Parlamentsplenum<br />
abstimmen.<br />
Der Christdemokrat Daniel<br />
Caspary, Chef der CDU/CSU-<br />
Abgeordneten im Europa-<br />
Parlament, hegt Sympathien<br />
für eine Umstellung auf Sommerzeit.<br />
„Parlament und Rat<br />
sollten sich zügig einigen<br />
und eine Umstellung nicht<br />
länger hinausschieben, als<br />
nötig. Viel wichtiger als die<br />
Frage des ’Wann’ ist aber<br />
sicherzustellen, dass wir<br />
eine einheitliche Regelung<br />
finden und keinen Flickenteppich<br />
einzelner Regelungen.<br />
Das wäre ein Pyrrhussieg“,<br />
sagte Caspary<br />
dem RedaktionsNetzwerk<br />
Deutschland<br />
(RND).<br />
Die Bundesregierung<br />
plädiert für eine dauerhafte<br />
Sommerzeit. Die würde<br />
jedoch in Spanien oder Portugal<br />
im Winter Dunkelheit<br />
bis kurz vor 10 Uhr bedeuten.<br />
Bei Einführung einer<br />
dauerhaften Winterzeit<br />
würde es hingegen in<br />
Warschau im Sommer<br />
schon um 3Uhr hell.<br />
Der Fraktionsvize der<br />
FDP im Bundestag, Michael<br />
Theurer, sieht vor<br />
allem Berlin in der<br />
Pflicht. „Es liegt an der<br />
Bundesregierung, im Rat in<br />
Brüssel für eine zeitnahe und<br />
flächendeckende Abschaffung<br />
der Zeitumstellung zu werben<br />
und eine Mehrheit zu organisieren“,<br />
sagte er dem RND.<br />
„Die Zeitumstellung ist für<br />
Mensch und Tier zweimal im<br />
Jahr eine unnötige Belastung.<br />
Unternehmen müssen zusätzlich<br />
häufig die unterschiedlichen<br />
Zeitumstellungskorridore<br />
weltweit im Auge behalten“,<br />
so Theurer.<br />
Vor 2021 sei eine notwendige<br />
Einigung nicht möglich,<br />
meint Österreichs Verkehrsminister<br />
Norbert Hofer (FPÖ).<br />
Andernfalls drohe ein „Zeit-<br />
Fleckerl-Teppich“. Wirtschaftspolitiker<br />
appellieren,<br />
die ökonomischen Auswirkungen<br />
genau zu analysieren. Gesundheitspolitiker,<br />
Umweltpolitiker,<br />
Agrarexperten –alle<br />
wollen mitreden. Das dauert.<br />
Auf Arbeitsebene soll frühestens<br />
im April wieder über das<br />
Thema verhandelt werden.<br />
EU-Kommissionspräsident Jean-<br />
Claude Juncker wollte das<br />
Zeitproblem schneller lösen.<br />
Foto: Virginia Mayo/dpa