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Berliner Kurier 05.03.2019

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*<br />

POLITIK<br />

Europa lässt<br />

sich Zeit<br />

MEINE<br />

MEINUNG<br />

Von<br />

Thoralf<br />

Cleven<br />

Vergangenes Jahr erreichte<br />

die Europabegeisterung<br />

derDeutschenein lange<br />

nicht mehr gefühltes Hoch:<br />

Die EU-Kommissionhatte<br />

vorgeschlagen, dass bereits<br />

2019 dashalbjährliche Drehen<br />

an der Uhr abgeschafft<br />

werden soll. Enttäuschende<br />

Erkenntnisheute: Dieses<br />

Jahr wird das nichtsmit der<br />

versprochenen Abschaffung<br />

der Zeitumstellung. Viele<br />

sind zwar genervt vom<br />

Wechselauf Sommer- oder<br />

Winterzeit. Aber welche Einheitszeit<br />

soll es künftig in<br />

Europa sein?<br />

Die Bundesregierungfavorisiert<br />

diedauerhafte Sommerzeit.<br />

Klingtgut. Aber die würde<br />

in Spanien im Winter die<br />

Sonne mitunter erst gegen<br />

10 Uhr aufgehen lassen. In<br />

einer dauerhaften Winterzeit<br />

wäre hingegen im östlichen<br />

Polen im Sommer die Nacht<br />

bereits um 3Uhr beendet.<br />

Dass hier einKompromiss gefunden<br />

werden muss und<br />

dass es nicht so schnell geht,<br />

ist wohl jedem Gegnerder<br />

Zeitumstellunginzwischen<br />

klar. Die Erwartung ist jedoch<br />

geweckt, es gab sogar<br />

ein Versprechen. Dahinter<br />

sollte Europa nichtmehr zurück.<br />

Bis 2021 lässt sich das<br />

lösen. Mehr Zeit solltesich<br />

die EU nicht dafürlassen.<br />

MANN DESTAGES<br />

Werner Baumann<br />

Er ist alsBoss von Bayer Chef<br />

von 116998 Mitarbeitern –und<br />

Werner Baumann (56) ist ein<br />

Freund klarer Worte. „Hätte<br />

Amerika<br />

unsereVorschriften,<br />

wären Amazon<br />

oder<br />

Googledort<br />

wahrscheinlichnie<br />

so<br />

erfolgreich<br />

geworden.<br />

Mit voller<br />

Hosegewinnen<br />

Sieeben keinen 100-Meter-Lauf“,<br />

sagte er der „Welt“.<br />

Zudem beklagte er: „Wir sind<br />

immer zuallererst vom Risiko<br />

beseelt.Die kommerziellen<br />

Chancen werden dann woanderswahrgenommen.“<br />

Foto: Sepp Spiegl/imago<br />

Europa und das Chaos<br />

mit der Zeitumstellung<br />

Die EU-Kommission berät über eine generelle Regelung zur Abschaffungder Sommer- oder Winterzeit<br />

Brüssel–Am Anfang stand<br />

ein leichtfertiges Versprechen<br />

von Jean-Claude<br />

Juncker. „Die Leute wollen<br />

das, also machen wir<br />

das“, hatte der EU-Kommissionspräsident<br />

im vergangenen<br />

Sommer versprochen.<br />

Gemeint war: 2019<br />

wird die Zeitumstellung in<br />

der Europäischen Union abgeschafft.<br />

Der Luxemburger hat den<br />

Mund zu voll genommen. Am<br />

31. März um 2Uhr wird die<br />

Uhr wie seit Jahrzehnten um<br />

eine Stunde vorgestellt –Sommerzeit.<br />

Dabei hatten sich<br />

nach dem Kommissionsvorschlag<br />

4,6 Millionen EU-Bürger,<br />

davon 3Millionen Deutsche,<br />

in einer Onlineumfrage<br />

mehrheitlich (84 Prozent) die<br />

Abschaffung der Zeitumstellung<br />

gewünscht.<br />

Doch abgesehen davon, dass<br />

sie weniger als ein Prozent der<br />

EU-Bürger repräsentieren:<br />

Die Frage, welche Zeit es denn<br />

künftig sein soll, spaltet Europa.<br />

Vor allem die Ansage der<br />

Kommission, künftig solle jeder<br />

Staat selbst entscheiden,<br />

ob er dauerhaft Sommer- oder<br />

Winterzeit will, führt zum<br />

Streit.<br />

Die Erwartungen sind bei<br />

den Bürgern geweckt,die Regierungen<br />

der EU-Staaten<br />

reagieren skeptisch, die<br />

Mühlen der EU mahlen gemächlich<br />

–das Ende der<br />

Zeitumstellung droht<br />

chaotisch und vor allem<br />

Wietickt Europa? Eine<br />

einheitliche Regelung zur<br />

Zeitumstellung scheint<br />

nicht in Sicht zu sein.<br />

Foto: Jane Barlow/dpa<br />

langwierig zuwerden.<br />

In Brüssel beraten derzeit<br />

die EU-Staaten auf<br />

diplomatischer Ebene<br />

und das Europaparlament<br />

über die Abschaffung.<br />

Gestern beschloss der<br />

federführende Verkehrsausschuss,<br />

die Zeitumstellung<br />

2021 zu beenden. In<br />

den kommenden Wochen<br />

soll das Parlamentsplenum<br />

abstimmen.<br />

Der Christdemokrat Daniel<br />

Caspary, Chef der CDU/CSU-<br />

Abgeordneten im Europa-<br />

Parlament, hegt Sympathien<br />

für eine Umstellung auf Sommerzeit.<br />

„Parlament und Rat<br />

sollten sich zügig einigen<br />

und eine Umstellung nicht<br />

länger hinausschieben, als<br />

nötig. Viel wichtiger als die<br />

Frage des ’Wann’ ist aber<br />

sicherzustellen, dass wir<br />

eine einheitliche Regelung<br />

finden und keinen Flickenteppich<br />

einzelner Regelungen.<br />

Das wäre ein Pyrrhussieg“,<br />

sagte Caspary<br />

dem RedaktionsNetzwerk<br />

Deutschland<br />

(RND).<br />

Die Bundesregierung<br />

plädiert für eine dauerhafte<br />

Sommerzeit. Die würde<br />

jedoch in Spanien oder Portugal<br />

im Winter Dunkelheit<br />

bis kurz vor 10 Uhr bedeuten.<br />

Bei Einführung einer<br />

dauerhaften Winterzeit<br />

würde es hingegen in<br />

Warschau im Sommer<br />

schon um 3Uhr hell.<br />

Der Fraktionsvize der<br />

FDP im Bundestag, Michael<br />

Theurer, sieht vor<br />

allem Berlin in der<br />

Pflicht. „Es liegt an der<br />

Bundesregierung, im Rat in<br />

Brüssel für eine zeitnahe und<br />

flächendeckende Abschaffung<br />

der Zeitumstellung zu werben<br />

und eine Mehrheit zu organisieren“,<br />

sagte er dem RND.<br />

„Die Zeitumstellung ist für<br />

Mensch und Tier zweimal im<br />

Jahr eine unnötige Belastung.<br />

Unternehmen müssen zusätzlich<br />

häufig die unterschiedlichen<br />

Zeitumstellungskorridore<br />

weltweit im Auge behalten“,<br />

so Theurer.<br />

Vor 2021 sei eine notwendige<br />

Einigung nicht möglich,<br />

meint Österreichs Verkehrsminister<br />

Norbert Hofer (FPÖ).<br />

Andernfalls drohe ein „Zeit-<br />

Fleckerl-Teppich“. Wirtschaftspolitiker<br />

appellieren,<br />

die ökonomischen Auswirkungen<br />

genau zu analysieren. Gesundheitspolitiker,<br />

Umweltpolitiker,<br />

Agrarexperten –alle<br />

wollen mitreden. Das dauert.<br />

Auf Arbeitsebene soll frühestens<br />

im April wieder über das<br />

Thema verhandelt werden.<br />

EU-Kommissionspräsident Jean-<br />

Claude Juncker wollte das<br />

Zeitproblem schneller lösen.<br />

Foto: Virginia Mayo/dpa

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