O+P Fluidtechnik 3/2019
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111. <strong>O+P</strong>-GESPRÄCHE<br />
MASCHINENBAU-MITTELSTAND UND SOFTWARE-GIGANTEN: KONKURRENTEN ODER PARTNER?<br />
letztlich eine einzige sein wird, glaube ich nicht. Auch denke ich,<br />
dass der „Innovator“ eher aus der Richtung Software kommt.<br />
Seutter (Microsoft): Ich verstehe den Wunsch nach einer einfachen<br />
Lösung. Wir unterstützen dabei als Microsoft gerne und haben<br />
grundsätzlich den Anspruch, Technologien jedem zugänglich zu<br />
machen. Wir setzen uns intensiv für Standards und Interoperabilität<br />
ein und sorgen dafür, dass Entwickler und Unternehmenskunden<br />
ihr Geschäft mit Microsoft Azure voranbringen können,<br />
egal welche Tools und Technologien sie bevorzugen. Dafür steht<br />
unser Engagement in der OPC Foundation ebenso wie unsere<br />
Akquisition von GitHub und wir arbeiten ja auch untereinander<br />
sehr eng zusammen, bspw. bei der Integration von SAP HANA mit<br />
Azure oder Siemens MindSphere und Azure. Diese Partnerschaften<br />
sind genau der richtige Schritt, damit sich unsere Kunden nicht<br />
völlig in einer Technologiewelt voller inkompatibler, getrennter<br />
Systeme verlieren. Doch wird es am Ende nur noch eine Plattform<br />
geben? Ich glaube, dass es künftig nicht eine, aber dennoch nur<br />
noch wenige große Industrieplattformen geben wird. Der Markt<br />
wird sich konsolidieren.<br />
Kellerhaus (Schaeffler): Wir müssen den Begriff Plattform differenziert<br />
betrachten. Ganz häufig diskutiert man bei Plattformen über<br />
die IT-Infrastruktur, aber das eigentlich Interessante – das Vertriebsbzw.<br />
Geschäftsmodell – rückt in den Hintergrund. Es muss jedoch<br />
ins Zentrum der Diskussion. Es müssen die Ideen her, die einen<br />
Mehrwert generieren, damit unsere Kunden diese Plattformen nutzen.<br />
Das funktioniert aber nur in der Zusammenarbeit mit Partnern,<br />
in Allianzen und mit offenem Denken. Plattform-Geschäftsmodelle<br />
bergen das Potenzial, dass der Mehrwert für die Zielkunden gesteigert<br />
wird. Vor allem wenn möglichst viele Anbieter, teilweise einfacher<br />
Lösungen, Teil der Plattform sind und die Services sich ergänzen.<br />
Aberle (Sick): Das möchte ich aufgreifen. Wir müssen ganzheitlich<br />
einen Nutzen spendieren. Und das ganze Thema Datenhoheit, Vertragswesen,<br />
kann heute mit entsprechenden Software-Lösungen<br />
wie z. B. dem Industrial Data Space gelöst werden. Damit regelt sich<br />
das dann von selbst. Ich würde mir wünschen, dass sich mal eine<br />
komplette Supply Chain gemeinsam hinsetzt und keine Inseln<br />
baut, sondern ganzheitlich überlegt, wer in welcher Sphäre das<br />
größte Know-how hat, und alle Beteiligten die Supply Chain<br />
gemeinsam optimieren. Und dann macht jeder ein Business, von<br />
dem er heute noch keine Vorstellung hat, da bin ich mir sicher.<br />
Lubnau (Bosch): Wir haben heute gesehen, dass einer alleine das<br />
Spiel nicht gewinnen kann. Ich wünsche uns allen dabei den nötigen<br />
Mut, die Geschwindigkeit und den Enthusiasmus, die Dinge<br />
gemeinsam anzugehen.<br />
Krause (Bosch-Rexroth): Das sehe ich auch so. Es braucht den Mut,<br />
einfach mal Dinge zu machen. Weniger diskutieren, mehr Referenzprojekte<br />
schaffen. Das kann meiner Meinung nach auch klein<br />
anfangen. Wichtig ist es, Projekte umzusetzen, die den Kunden<br />
wirklichen Mehrwert und gleichzeitig Investitionssicherheit bieten.<br />
So können wir den Mittelstand mitziehen und als deutsche Industrie<br />
voranschreiten. Wir dürfen nicht stehenbleiben. Ich möchte<br />
nicht, dass es irgendwann heißt: Deutschland ist der Erfinder der<br />
Industrie 4.0, heute ist es ein Technik-Museum.<br />
Sandhöfner (B&R): Es braucht eine Möglichkeit, über verschiedene<br />
Cloud-Lösungen hinweg unabhängig zu kommunizieren. Die Silos,<br />
die momentan entstehen, müssen abgebaut werden. Mit OPC UA<br />
TSN haben wir es endlich geschafft, die jahrzehntelange Problematik<br />
der unterschiedlichen Feldbusse in den Griff zu bekommen. Bei<br />
der Cloud-Kommunikation sollten wir die Schwierigkeiten mit<br />
inkompatiblen Insellösungen gar nicht erst aufkommen lassen.<br />
Thomas (Siemens): Ich wünsche mir, dass wir künftig an den Use<br />
Cases arbeiten, und so herstellerunabhängig zu Standards<br />
kommen. Die Investitionssicherheit muss geschaffen werden.<br />
Britzger (Aventics): Wir als Komponentenlieferant werden bei den<br />
Plattformen nicht mitreden können. Wir wollen kompatibel sein<br />
und die kleineren OEMs als Mittler zwischen den Welten unterstützen.<br />
Der Innovationsgedanke ist für mich das A und O bei der<br />
Digitalisierung – und dabei geht es vor allem um die Fähigkeit, sich<br />
anzupassen. Diese Fähigkeit müssen wir wahren und ausbauen,<br />
damit wir auch in Zukunft am Markt erfolgreich und gemeinsam<br />
mit anderen innovativ sein können.<br />
Synek (VDMA): Die Vertreter der Firmen, die an diesem Fachgespräch<br />
teilnehmen, stehen für das Thema Industrie 4.0 bzw. für die<br />
Umsetzung der 4.0-Philosophie in der Welt des Maschinen- und Anlagenbaus<br />
– etwas provozierender ausgedrückt, sie stellen die bereits<br />
missionierten Unternehmen dar, die die Chancen aber auch die<br />
Möglichkeit, die sich durch Industrie 4.0 eröffnen, erkannt haben.<br />
Der Diskussion aufmerksam folgend, muss die Frage gestattet sein,<br />
inwieweit die Erwartungshaltungen der vorwiegend mittelständig<br />
geprägten Unternehmen bekannt sind, oder anders ausgedrückt,<br />
sind gerade die Mittelständler in der Lage, sich den Herausforderungen<br />
von Industrie 4.0 in der notwendigen Konsequenz zu<br />
stellen? Sicherlich gibt es auch Mittelständler, die „die Zeichen der<br />
Zeit“ erkannt und entsprechend reagieren, aber es gibt eine sicherlich<br />
nicht zu unterschätzende Zahl mittelständiger Unternehmen,<br />
die die Herausforderungen bzw. die vor ihnen liegenden Aufgaben,<br />
die sich durch Digitalisierung, durch Konnektivität und durch<br />
Kommunikation ergeben, nicht in der nötigen Konsequenz<br />
erkennen. Es ist unsere Aufgabe, diese Unternehmen an das Thema<br />
Industrie 4.0 und die Aufgaben des notwendigen Wandels, nicht<br />
nur auf die Produkte bezogen, heranzuführen.<br />
Glatz (Moderator): Vielen Dank, dass sie heute mit uns dieses<br />
Thema so offen besprochen haben. Ich glaube, dass diese Diskussion<br />
in ihrer Breite sehr wertvoll ist. Es ist klar geworden, dass wir alle<br />
irgendwo zusammenarbeiten müssen, um die Anforderungen der<br />
Zukunft zu erfüllen. Denn nur so können wir uns als Industriestandort<br />
Deutschland künftig im internationalen Wettbewerb<br />
behaupten.<br />
ERSTER TEIL UNSERES EXPERTENDIALOGS<br />
Dies ist die Fortsetzung des ersten Teils der 111. <strong>O+P</strong>-<br />
Gespräche aus <strong>O+P</strong> <strong>Fluidtechnik</strong> Ausgabe 1-2/<strong>2019</strong>.<br />
Das Gespräch kreiste im ersten Teil um die generelle<br />
Definition von Industrie 4.0, den internationalen Wettbewerb<br />
zwischen Deutschland, China und den USA sowie<br />
moderne Arbeitswelten. Die Diskussion um diese Themen<br />
können Sie auch online lesen, indem Sie untenstehendem<br />
Link folgen:<br />
bit.ly/OP111<br />
24 <strong>O+P</strong> <strong>Fluidtechnik</strong> 3/<strong>2019</strong>