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BERLINER KURIER, Sonnabend, 9. März2019<br />
HorstSeehofer verhindertKünstlerauftritt<br />
Innenministerium weist Bundeszentrale fürpolitische Bildung an,den Referenten Philipp Ruch auszuladen<br />
NACHRICHTEN<br />
May: EU verantwortlich<br />
Berlin –Nach Intervention des<br />
Bundesinnenministeriums darf<br />
der Gründer des Zentrums für<br />
politische Schönheit, Philipp<br />
Ruch, nicht bei einem Kongress<br />
der Bundeszentrale für<br />
politischeBildung in<br />
Leipzig auftreten.<br />
Die SPD wirft dem<br />
Philipp Ruch vonder<br />
<strong>Berliner</strong><br />
Künstlergruppe<br />
“Zentrum für politische<br />
Schönheit"<br />
Foto: Christian Ditsch/epd<br />
Reaktionär, nicht witzig<br />
CSU-geführten Ministerium<br />
nun vor, mit der Einmischung<br />
den Ruf der Bundeszentrale zu<br />
gefährden. Die Leipziger SPD-<br />
Bundestagsabgeordnete Daniela<br />
Kolbe sagte dem Redaktions-<br />
NetzwerkDeutschland (RND):<br />
„Die Bundeszentrale für<br />
politische Bildung hat eine<br />
sehr große Reputation als<br />
unabhängig und überparteilich<br />
agierende Einrichtung.<br />
Die Einflussnahme von Seehofers<br />
Ministerium gefährdet<br />
diesen Ruf massiv.“ Kolbe ist<br />
stellvertretende Kuratoriumsvorsitzende<br />
der Bundeszentrale.<br />
Eigentlich könnte man<br />
die Aufregung über den<br />
Karnevalsscherz von Annegret<br />
Kramp-Karrenbauer<br />
als einen Sturm im Wasserglas<br />
abtun. Man könnte ihre<br />
Sprüche witzig oder niveaulos<br />
finden –Niveau ist im<br />
KarnevalohnehinGlückssache<br />
–und sagen: An Aschermittwoch<br />
ist ohnehin alles<br />
vorbei.<br />
Eigentlich könnte man zur<br />
Tagesordnung übergehen.<br />
Aber nur eigentlich. Denn<br />
hinter dem Witz über Toiletten<br />
für das dritte Geschlecht,<br />
die für Männer<br />
seien, die nicht wüssten, ob<br />
sie im Sitzen oder Stehen<br />
pinkeln sollten, stecken offenbar<br />
eine Haltung und<br />
System. Viele Äußerungen<br />
der neuen CDU-Chefin belegen,<br />
dass sie mit allem,<br />
was nicht ihrer sexuellen<br />
Norm und der traditionellen<br />
Ehe entspricht, ein Problem<br />
hat.<br />
Die CDU-Vorsitzende hat<br />
die gleichgeschlechtliche<br />
Ehe mit Inzest und Polygamie<br />
verglichen. Sie ist gegen<br />
das Adoptionsrecht für<br />
Homosexuelle, weil es<br />
gegen das Kindeswohl verstoße.<br />
Und sie warnte, dass<br />
durch die eheliche Gleichstellung<br />
„das Fundament<br />
unseres gesellschaftlichen<br />
Zusammenhaltes erodiert“.<br />
Das heißt, hinter ihrem<br />
Witz steckt ein Gesellschaftsbild,<br />
das nicht konservativ,<br />
sondern reaktionär<br />
ist. In dieser Hinsicht ist sie<br />
ein Rückschritt gegenüber<br />
Angela Merkel. Deshalb regen<br />
sich nicht nur Schwule,<br />
Lesben und Transsexuelle<br />
über ihren Karnevalsscherz<br />
Grünen-Kuratoriumsmitglied<br />
Kai Gehring nannte die Ausladung<br />
im Deutschlandfunk Kultur<br />
eine „Attacke gegen die Meinungsfreiheit“.<br />
Ruch hätte gestern inLeipzig<br />
zum Thema „Bitte schön aufmucken!<br />
KunstalsPolitik und politische<br />
Bildung“ sprechen sollen.<br />
Mitte Februar zog die Bundeszentrale<br />
auf Weisung des Innenministeriums<br />
die Einladung zurück.<br />
Man sei auf „strafrechtliche<br />
Ermittlungen“ gegen Ruch aufmerksam<br />
gemachtworden.<br />
Dabei gehtesumdieumstrittene<br />
AktionSoko Chemnitz, bei der<br />
die Künstlergruppe 2018 über<br />
eine Internetseite nach Teilnehmern<br />
einer rechtsextremen<br />
Demonstration gefahndet hatte.<br />
Die Staatsanwaltschaft Berlin<br />
prüft ein mögliches Vergehen<br />
gegen das Kunsturhebergesetz.<br />
Ruchzeigte sichverwundertüber<br />
die Absage. „Seehofer soll sich erklären“,<br />
sagte er demRND.<br />
Die Aktionen des Zentrumsfür<br />
politische Schönheit sind stets<br />
kontrovers und öffentlichkeitswirksam.<br />
Unter anderem bauten<br />
Ruchund seine MitstreiterStelen<br />
des <strong>Berliner</strong>Holocaustmahnmals<br />
auf dem Nachbargrundstück des<br />
AfD-Politikers Björn Höcke in<br />
Bornhagen (Thüringen) nach,<br />
nachdem Höcke vom „Mahnmal<br />
der Schande“ gesprochen hatte.<br />
Spreng-<br />
Stoff<br />
Der Journalist<br />
und Politikberater<br />
Michael H. Spreng<br />
schreibt<br />
jeden Freitag<br />
im KURIER<br />
auf. Er war weder witzig<br />
noch lustig, sondern diskriminierend.<br />
Ihre Büttenrede war Ausdruck<br />
einer Einstellung, die<br />
man auch in der CDU schon<br />
für überwunden hielt.<br />
Foto: Mark Duffy/HOC/imago<br />
London –Premierministerin<br />
Theresa May sieht vor dem<br />
Unterhausvotum am 12.<br />
März die Verantwortung für<br />
einen geordneten Brexit bei<br />
der EU. „Entscheidungen, die<br />
die EU in den nächsten Tagen<br />
treffen wird, werden<br />
einen großen Einfluss auf die<br />
Abstimmung haben“, so May.<br />
Regierung zurückgetreten<br />
Helsinki –Radikaler Schritt:<br />
Rund fünf Wochen vor der<br />
anstehenden Parlamentswahl<br />
hat die Regierung in<br />
Finnland ihren Rücktritt erklärt.<br />
Grund sei das parlamentarische<br />
Scheitern der<br />
umfassenden Gesundheitspflege-<br />
und Sozialreform,<br />
sagte der scheidende Regierungschef<br />
Juha Sipilä.<br />
Lob von Bundespräsident<br />
Neumünster –Bundespräsident<br />
Frank-Walter Steinmeier<br />
hat die Schülerproteste<br />
für Klimaschutz ausdrücklich<br />
begrüßt. Viele Erwachsene<br />
hätten bisher noch nicht<br />
gemerkt, „dass es fünf vor<br />
zwölf ist“, sagte er in Neumünster<br />
zu Schülern einer<br />
„Fridays for Future“-Mahnwache.<br />
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KW 10 /Be