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Berliner Zeitung 19.03.2019

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20 * <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 65 · D ienstag, 19. März 2019<br />

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Feuilleton<br />

Die irische Komponistin und Vokalistin Jennifer Walshe tritt in Berlin beim Maerz-Musik-Festival auf.<br />

DPA/PATRICK SEEGER<br />

Hetz dich ab bis in die Ewigkeit<br />

Aus Freude am Plappern: „Time Time Time“, Jennifer Walshes Zeit-Oper,wird im Rahmen des Maerz-Musik-Festivals aufgeführt<br />

VonJohannes von Weizsäcker<br />

Auf YouTube findet man ein<br />

kurzes Video, das die irische<br />

Komponistin und Vokalistin<br />

Jennifer Walshe bei<br />

einem Musikfestival zeigt. In knapp<br />

einer Minute singt sie an die hundert<br />

Pop-Lieder an; nicht nur ein eindrucksvoller<br />

Beweis ihrer stimmlichen<br />

Vielfalt, sondernauch eine Meditation<br />

über Zeit an sich.<br />

Da Musik in der Essenz organisierte<br />

Zeit ist, liegt es nah, dass Musiker<br />

sich mit ihr besonders gern auseinandersetzen<br />

– und Walshe hat<br />

sich über die Jahre mit Kompositionen<br />

und Performances einen Namen<br />

gemacht, in denen verschiedene<br />

Musikarten mit anderen Medien<br />

kollidieren und stets in lustvoller<br />

Gleichzeitigkeit mehrere<br />

Zeitgefühle zusammenkommen:<br />

trashig schnelllebige Popzitate treffen<br />

auf zeitdehnende Drones; pointiertes<br />

Spoken-Word-Timing synchronisiert<br />

Smartphonekameravideoschnitte<br />

und wird von freien Improvisationen<br />

vernebelt. Es gab<br />

Stücke, deren Partituren aus Snapchat-Bildern<br />

bestanden, zu denen<br />

versucht wurde, telepathisch zu<br />

komponieren sowie ein über zwei<br />

Jahre sich entfaltendes Projekt namens<br />

Grúpat, in dem Walshe neun<br />

verschieden Künstler-Alter-Egos annahm,<br />

für die sie Installationen und<br />

freie Performances ersann.<br />

Nunhat Walshe,die 1974 in Dublin<br />

geboren wurde und nach Aufenthalten<br />

in Chicago, Stuttgart, Berlin<br />

und New York inLondon lebt, ihre<br />

Faszination für die künstlerische<br />

Dehnbarkeit der Zeit, die in vielen<br />

ihrer Projekte anklingt, selbst zum<br />

Thema gemacht: „Time Time Time“<br />

heißt ihre neuste Produktion, die im<br />

Auftrag mehrerer europäischer Festivals<br />

entstanden ist und am kommenden<br />

Sonntag im Haus der <strong>Berliner</strong><br />

Festspiele aufgeführtwird.<br />

Anlässlich der Weltpremiere des<br />

Stücks beim Sonic-Acts-Festival in<br />

Amsterdam im Februar erklärte uns<br />

Walshe, sie habe ein Buch über die<br />

Relativitätstheorie gelesen und ein<br />

Zeitreise-Drama im Kino gesehen.<br />

Danach stand fest, sie müsse eine<br />

„Zeit-Oper“ schreiben. Dabei stieß<br />

sie auf den britischen Philosophen<br />

Timothy Morton, der neben zeitphilosophischen<br />

auch Umwelttechnik<br />

oder etwa romantische Literatur erörtert,<br />

also ein ähnliches gelagertes<br />

Interessenspektrum bearbeitet wie<br />

Walshe. Nachdem Walshe Morton<br />

bat, einige seiner Textpassagen verwenden<br />

zu dürfen, ergab sich ein reger<br />

Austausch, und bald arbeiteten<br />

beide am Skript zusammen.<br />

Ein weiterer Mit-Autor ist M.C.<br />

Schmidt, den Fans experimenteller<br />

Popmusik als eine Hälfte des einst<br />

kosmetische Chirurgie sampelnden,<br />

„Ich komme so gut mit M.C. Schmidt aus,<br />

weil er einer der wenigen Menschen ist, die<br />

genauso viel reden wie ich.“<br />

Die irische Komponistin Jennifer Walshe<br />

über den kalifornischen Musiker M.C. Schmidt, die eine Hälfte des Elektronikduos Matmos,<br />

mit dem sie bei ihrem Stück „Time, Time, Time“ zusammengearbeitet hat.<br />

mit stets erfrischend frivoler Intelligenz<br />

ausgestatteten Elektronik-<br />

Duos Matmos kennen, der konzeptuelle<br />

Klangkünstler Lee Patterson<br />

steuerte Drone-Arbeit bei, ebenso<br />

wie die irische Harfenistin Áine<br />

O’Dwyer und einige norwegische<br />

Musiker. Nachdem Walshe in Zusammenarbeit<br />

mit Morton und<br />

Schmidt die Grundbausteine geformt<br />

hatte, kam das gesamte Ensemble<br />

in Amsterdam zusammen<br />

und erarbeitete eine Struktur, die<br />

dem vielschichtigen Anspruch Walshes<br />

treu bleibt:Walshe und Schmidt<br />

sprechen sich um Kopf und Kragen,<br />

Letzterer demonstriert dabei an einer<br />

Stelle einen erstaunlich überzeugenden<br />

italienischen Akzent im Englischen,<br />

spatiale Improvisationen<br />

münden in klaren Hit-Points, Dinosaurier<br />

kommen in Bild und Ton<br />

ebenso vorwie Zeitmanagementfragen<br />

unseres Selbstoptimierungszeit<br />

alters. Man solle um seine Liebsten<br />

trauern, solange diese noch leben,<br />

damit man nach ihrem Ableben wieder<br />

maximale Produktivität erreiche,<br />

so eine der lustigsten und gleichzeitig<br />

deprimierendsten Passagen.<br />

„Grieficciency“ nennen Schmidt<br />

und Walshe das, also eine Mischung<br />

aus den englischen Wörtern für<br />

Trauer (Grieving) und Effizienz (Efficiency).<br />

So geht es Walshe eben auch vor<br />

allem um Empathie für Menschen,<br />

die durch Krankheit, Tododer anderes<br />

Weltgeschehen aus der Zeit fallen;<br />

nichts anderes sei ja auch das<br />

Spannende an Zeitreise-Geschichten,<br />

so Walshe: „Der Held in dem<br />

Film‚Interstellar‘ kommt zurück und<br />

seine Tochter ist eine uralte Frau auf<br />

dem Sterbebett, das ist doch<br />

schrecklich traurig!“, erklärte die<br />

wortreich-amüsante Walshe neben<br />

weiteren Ausführungen zu den physiskalisch-philosophischen<br />

Implikationen<br />

ihres Themas.Walshe hat keinerlei<br />

Berührungsängste, weder mit<br />

gröbster Popkultur noch mit Theorieabstrahierung.<br />

Und sie weiß um<br />

ihre Mitteilungsfreude: „Deswegen<br />

komme ich auch so gut mit M.C.<br />

Schmidt aus. Erist einer der wenigen,<br />

die genauso viel reden wie ich!<br />

Zu kargen Stellen des Stücks müsse<br />

er sich auf den Boden legen. Anders<br />

könne er dem Impuls nicht widerstehen,<br />

sofort loszuplappern, und das<br />

wäre unpassend.“ Als Gegenpol zur<br />

Freude am Plappern fungiert Timothy<br />

Morton, der unter Beweis stellt,<br />

dass er in der Lage ist, sehr lange<br />

schweigend im Schneidersitz zu verharren<br />

–eine herausfordernde Tätigkeit,<br />

wie man sich nach geglückter<br />

Uraufführung überzeugen konnte:<br />

Morton war schweißgebadet. Die<br />

vom Harmonischen ins Pointillistische<br />

und von dort zurückfindenden<br />

Fragmente haben trotz aller Unfertigkeit<br />

eine eigene Ruhe, insbesondere<br />

Passagen der beiden norwegischen<br />

Duos Streifenjunko (Bläser)<br />

und Vilde&Inga (Streicher), die<br />

klangmeditativeInterventionen einspielen.<br />

Noch statischer das Eingangsritual:<br />

Jeder Zuschauer bekommt<br />

einen versteinerten Ammoniten<br />

in die Hand gedrückt. Mitsolch<br />

popkulturellem Avantgardemischmasch,<br />

mit dem Walshe zu einer der<br />

interessantesten Komponistinnen<br />

unserer Zeit geworden ist, soll über<br />

ein uraltes Fossil wohl eine vage Ahnung<br />

von Ewigkeit vermittelt werden.<br />

Schön übrigens auch Walshes<br />

Anekdote, mit der vormaligen Besitzerin<br />

der Ammonitensammlung auf<br />

Ebay verhandeln zu müssen. Zur<br />

Überprüfung der Fakten bleibt nun<br />

aber keine Zeit.<br />

Aus Liebe zur Kunst<br />

Farbenfrohe Gefühle<br />

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„senecio (Baldgreis)“, 1922<br />

paul Klee<br />

Klees Bilder stecken voll Ironie und Witz, wie bei<br />

diesem originellen Selbstporträt. Eine hochwertige<br />

Reproduktion im Fine Art Giclée-Verfahren direkt auf<br />

Künstlerleinwand und wie ein Originalgemälde auf<br />

verstellbarem Massivholzkeilrahmen gespannt. Mit<br />

edler Atelierrahmung und nummeriert auf rückseitigem<br />

Zertifikat.<br />

Limitiert auf 499 Exemplare.<br />

Vorteilspreis: 390,– €*<br />

(bis 31.03.2019, danach 420 €)<br />

Maße: 76 ×70cm(H/B)<br />

Art.-Nr.: 1371727<br />

Trencadis-Mosaikfigur „el Toro Mosaico“<br />

Antoni Gaudí<br />

Antoni Gaudí<br />

(1852 –1926)<br />

entwickelte mit seinen<br />

weltbekannten Mosaiken<br />

aus Keramikscherben,<br />

den sogenannten Trencadis,<br />

eine Kunstform weiter,<br />

deren Ursprung in der<br />

maurischen Kunst liegt.<br />

Der prachtvolle,<br />

farbenfrohe Stier<br />

ist unverwechselbar von<br />

Gaudí inspiriert.<br />

Maße: 21 ×31×14cm(H/B/T)<br />

Preis: 88,– €*<br />

Art.-Nr.: 1371341<br />

skulptur „Glücksfrosch“<br />

Nach der chinesischen Feng-Shui-Lehre ist der Frosch<br />

ein Glückssymbol, der, richtig platziert, dem Haushalt zu<br />

Geldsegen verhelfen soll. In jedem Fall ist dieser Frosch ein<br />

Gute-Laune-Accessoire. Rotgussbronze, patiniert.<br />

Maße: 3×6,6 ×10cm(H/B/T)<br />

Gewicht: ca. 0,5 kg<br />

Preis: 74,– €*<br />

Art.-Nr.: 1371724<br />

*inkl. MwSt., ab €75,– versandkostenfrei. Die Lieferzeit beträgt ca. 10 Tage. Ihnen steht ein gesetzliches Widerrufsrecht zu.<br />

Alle Informationen über dieses Recht und die Widerrufsbelehrung finden Sie unter www.berliner-zeitung.de/shop<br />

Ein Angebot der M. DuMont Schauberg Expedition der Kölnischen <strong>Zeitung</strong> GmbH &Co. KG, Amsterdamer Straße 192, 50735 Köln.

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