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DAS<br />
GROSSE DUTZEND<br />
Seit 1724 ist die Familie der Guerrieri<br />
Gonzaga im Besitz der Tenuta <strong>San</strong><br />
<strong>Leonardo</strong>. Wie bei manch anderem<br />
italienischen Winzer gaben die Begeisterung<br />
für die großen Bordeaux-Weine und<br />
die Überzeugung, mit deren Rebsorten<br />
auch in Italien einen ähnlichen Stil erzeugen<br />
zu können, den Anstoß, neue Wege zu<br />
gehen. Carlo Guerrieri Gonzaga war der<br />
erste studierte Önologe der Familie. Mit seinen<br />
neuen kellerwirtschaftlichen Kenntnissen<br />
konnte er zuhause aber zunächst nichts<br />
anfangen, denn sein Vater setzte auf einen<br />
anderen Weinmacher. So sammelte Carlo<br />
zunächst einige Erfahrungen als Winzer<br />
und kehrte erst nach dem Tod des Vaters<br />
in den heimischen Betrieb zurück.<br />
Seine Veränderungen waren überschaubar.<br />
Im Jahr 1978 pflanzte er die ersten<br />
Cabernet-Sauvignon-Reben, 1982 kam<br />
der erste Jahrgang des <strong>San</strong> <strong>Leonardo</strong> auf<br />
den Markt. Nebenbei wurde die regionaltypische<br />
Pergola durch moderne Guyot-<br />
Erziehung ergänzt. Doch ganz abgerückt<br />
ist man – zumindest bei Carménère und<br />
Merlot – davon bis heute nicht. »Die Trauben<br />
werden im Sommer gut beschattet und<br />
sind im Winter vor Frost geschützt«, erklärt<br />
Anselmo Guerrieri Gonzaga die Vorteile.<br />
Er ist überzeugt, dass die Weine durch die<br />
Pergola ihre besondere Frische erhalten.<br />
Sein Vater Carlo arbeitete ab 1985 mit dem<br />
legendären Önologen und Berater Giacomo<br />
Tachis zusammen; gemeinsam entwickelten<br />
sie den <strong>San</strong> <strong>Leonardo</strong>, den man in Anlehnung<br />
an die Pendants aus der Toskana als<br />
Super-Trentiner bezeichnen könnte. Auch<br />
wenn heute Anselmo das Weingut leitet, gilt<br />
weiter der Grundsatz, dass der <strong>San</strong> <strong>Leonardo</strong><br />
nur dann auf den Markt kommt, wenn<br />
er den Ansprüchen der Marchesi genügt.<br />
Das tat er beispielsweise nicht in den Jahren<br />
2002 und 2009. Auf diese Weise wird<br />
der Wein seit Jahren mit höchsten Ehren<br />
bedacht – und ist dennoch vergleichsweise<br />
erschwinglich geblieben.<br />
Die Verkostung von zwölf Jahrgängen<br />
zeigt den eindeutigen Charakter der Weine,<br />
die weniger von Frucht und Fülle als von<br />
zeitloser Eleganz und geradliniger Struktur<br />
geprägt sind.<br />
2001 <strong>San</strong> <strong>Leonardo</strong><br />
Füllige, etwas fruchtigere Nase mit Aromen von Schlehe und Heidelbeere,<br />
dazu auch etwas Schokolade. Am Gaumen saftig und<br />
kräuterwürzig. Spürbarer Holzeinsatz, auch sehr präsente Säure,<br />
dunkle, fast süßliche Aromen von Ramazotti, Teer und Süßholz.<br />
Geradlinig bis zum Abgang.<br />
1995 <strong>San</strong> <strong>Leonardo</strong><br />
Zurückhaltend im Duft mit Röstaromen und feiner Holznote. Die<br />
weiche Textur im Mund wird aufgebrochen durch eine auffallend<br />
jugendliche Säurestruktur, geprägt von einer Salznote und angenehmer<br />
Reife. Im Abgang ein eleganter Bitterton.<br />
Kristine Bäder verkostet zwölf Jahrgänge <strong>San</strong> <strong>Leonardo</strong> von 2013 bis 1988<br />
1999 <strong>San</strong> <strong>Leonardo</strong><br />
Nach knapp zwanzig Jahren immer noch grünliche Nase. Duftet<br />
würzig nach Johannisbeerblättern, Bergamotte und hellem Tabak.<br />
Auch am Gaumen immer noch auffallend jung und von Gegensätzen<br />
geprägt: mit weicher Textur und frischer Säure, rauchig und<br />
kühl, jugendlich und zugleich angenehm gereift.<br />
1994 <strong>San</strong> <strong>Leonardo</strong><br />
Den Duft prägen vor allem röstige Aromen, Kaffee und Mokka,<br />
dazu etwas grünliche Noten, Tabak und verhalten rote Sauerkirschfrucht.<br />
Im Mund mit angenehmer Säure, guter Struktur und<br />
Rückgrat. Kühler Holzeinfluss und eleganter Abgang.<br />
2013 <strong>San</strong> <strong>Leonardo</strong><br />
Herber Typ, der Duft ganz fein und ätherisch, wenig Frucht, dafür<br />
Würze, Pfeffer und florale Noten. Im Mund mit betonter Säure,<br />
erdig-würzigen Noten, verhalten auch Fruchtaromen von Schlehe<br />
und Heidelbeere, seidiger Struktur. Noch sehr jung, aber mit reifen<br />
Tanninen, im Abgang dezent Vanille.<br />
2006 <strong>San</strong> <strong>Leonardo</strong><br />
Ganz feine Nase: rauchig, ätherisch, duftet nach Graphit und Feuerstein.<br />
Im Mund mild mit weicher Textur, toller Säure und Pfefferwürze,<br />
dazu Röstaromen, Kaffee und dunkle Schokolade. Intensiv,<br />
kompakt und fest in der Struktur mit geradlinigen Tanninen.<br />
1997 <strong>San</strong> <strong>Leonardo</strong><br />
Grünliche Noten in der Nase und ätherischer Eukalyptusduft, elegant,<br />
auch rauchig. Am Gaumen ebenfalls grünlich und rauchig,<br />
ergänzt durch eine deutliche Säure und Aromen von grüner Paprika,<br />
im Abgang frisch und kühl.<br />
1990 <strong>San</strong> <strong>Leonardo</strong><br />
Fast dreißig Jahre und kein bisschen müde. Sehr klare Nase, geprägt<br />
von roter Kirschfrucht und einer Graphitnote. Rauchig und ätherisch.<br />
Würzig auch am Gaumen, sehr reduziert, fast karg und<br />
zugleich konzentriert. Mit mürber Frucht und feiner Eleganz.<br />
2011 <strong>San</strong> <strong>Leonardo</strong><br />
In der Nase verhaltene rote Frucht, dazu erdige Töne, ätherische<br />
Noten von Lorbeer und Schwarztee, heller Tabak und deutlich<br />
Pfeffer. Im Mund überraschend mild, mit geradezu öliger Textur.<br />
Die Säure prägnant und von einem leichten, aber erfrischenden<br />
Bitterton untermalt, im Abgang rauchig.<br />
2004 <strong>San</strong> <strong>Leonardo</strong><br />
Duftige Nase mit Aromen von Eukalyptus und Thymian, würzig<br />
und auch etwas floral. Schmeckt zunächst noch etwas grünlich,<br />
zeigt dann aber samtige Fülle, Eleganz mit dunkler Beerennote,<br />
Schokolade und Nuss-Nougat, von feinem Holzeinsatz getragen<br />
und mit säurebetontem Abgang.<br />
1996 <strong>San</strong> <strong>Leonardo</strong><br />
Eigenwilliger Duft nach Tabak, Eukalyptus, Paprikapulver und<br />
Chicorée. Im Mund saftig mit weicher Textur, fleischig, mild, mit<br />
deutlich salzig-jodigen Aromen. Wirkt jung und frisch und entwickelt<br />
im Lauf der Zeit eine rauchige Note.<br />
1988 <strong>San</strong> <strong>Leonardo</strong><br />
Der erste große Wein von Carlo Guerrieri Gonzaga. Die Trauben<br />
aus Pergola-Erziehung konnten durch solche aus Guyot-Bewirtschaftung<br />
ergänzt und ein Wein mit Fülle und Körper erzeugt<br />
werden. Duftet nach Maggikraut, Graphit und gerösteten Pinienkernen,<br />
würzig und sehr zurückhaltend, dazu noch erstaunlich<br />
frisch.<br />
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F I N E 3 / 2012 F I N E D A S R O S S E D T E N D