Inspiration - 02.2019
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No 02 | 2019<br />
DAS BERGSPORTMAGAZIN<br />
INSPIRATION<br />
REPORTAGE<br />
ALPINKLETTERN: HIMMELS-<br />
LEITERN AUS GRANIT<br />
KAUFBERATUNG<br />
LOCKER UND LEICHTFÜSSIG:<br />
LEICHTE BERGSCHUHE
ZUSTIEG<br />
RIBELLE OD > STABLE > LIGHT > DRY<br />
AUF ZUM<br />
NÄCHSTEN LEVEL<br />
Auf die kurzen Wintertage mit viel Schnee und wenig Tageslicht<br />
folgt der ersehnte Frühling. Er schenkt uns neue Energie. Das<br />
Licht wird intensiver, die Farben froher und die Natur blüht auf,<br />
entwickelt sich zu duftenden Landschaften. Es sind diese Tage,<br />
die uns zu neuen Plänen für den Bergsommer inspirieren.<br />
recommended by<br />
NINA CAPREZ<br />
switzerland<br />
tonic _ black ceramic _ black blue _ tonic<br />
“Ribelle OD unterstützt meine Schritte. Leichtigkeit und Komfort sind<br />
absolut einzigartig und erleichtern meine Performance. Das System<br />
Sock-Fit XT umhüllt meinen Fuss wie eine Socke. Ein sehr vielseitiger<br />
Bergsportschuh mit revolutionären Gewichts- und Passformstandards“<br />
ceramic _ black<br />
«Das Verlangen<br />
nach persönlicher<br />
Entwicklung,<br />
nach dem nächsten<br />
Level, steckt wohl<br />
in jedem von uns.»<br />
Im Klettern ein neues Niveau erreichen? Unerschlossene Bergregionen<br />
erkunden? Wandernd neue Horizonte entdecken –<br />
vielleicht das Val da Mücc, das wir in dieser Ausgabe ab Seite 12<br />
vorstellen? Das innere Verlangen nach persönlicher Entwicklung,<br />
nach dem nächsten Level, steckt wohl in jedem von uns Menschen.<br />
Bei aller Freude über die eigene Leistung will ich die Berge aber<br />
auch erleben und geniessen können. Unser Bestreben gilt dem Ziel,<br />
auch Sie auf diesem Weg kompetent und persönlich zu begleiten.<br />
Passend zum Frühling ist eine erstklassige Auswahl von leichtgewichtigen<br />
und multifunktionalen Produkten für Sie eingetroffen,<br />
die höchste Performance bieten für Ihre nächsten Abenteuer.<br />
Auch Bächli Bergsport entwickelt sich dieses Jahr weiter. Nach<br />
16 Jahren im Schappe-Center eröffnen wir am 24. Mai in Kriens<br />
Mattenhof eine grössere Filiale – und erreichen damit in der Zentralschweiz<br />
ein neues Niveau, was das Angebot an Bergsportausrüstung<br />
angeht. Und die Filiale Zürich Oerlikon wird sich ab Frühsommer<br />
in neuem Glanz präsentieren. Mit welcher Strategie wir<br />
in die Entwicklung unserer Geschäfte investieren, erfahren Sie auf<br />
Seite 11. Wir freuen uns, Sie bald persönlich in einer unserer Filialen<br />
zu begrüssen – oder Ihnen über unseren schnellen Webshop erstklassige<br />
Produkte kostenlos nach Hause liefern zu dürfen.<br />
HERZLICHST,<br />
THOMAS MORAND, CEO BÄCHLI BERGSPORT AG<br />
thomas.morand@baechli-bergsport.ch<br />
WWW.NEWROCKSPORT.CH<br />
INSPIRATION 02 / 2019<br />
1
REPORTAGE<br />
ALPINKLETTERN: HIMMELS-<br />
LEITERN AUS GRANIT<br />
No 02 | 2019<br />
KAUFBERATUNG<br />
LOCKER UND LEICHTFÜSSIG:<br />
LEICHTE BERGSCHUHE<br />
MOUNTAIN BOOTS<br />
HANDCRAFTED WITH PASSION<br />
BORN IN BAVARIA – WORN AROUND THE WORLD<br />
AUSGABE<br />
02 / 2019<br />
INHALT<br />
GIPFELTREFFEN<br />
WEGWEISER<br />
22<br />
TAMARA LUNGER<br />
Die erste Winterbesteigung des Nanga Parbat<br />
verpasste Tamara Lunger denkbar knapp –<br />
nur 70 Meter unter dem Gipfel kehrte sie um.<br />
Die charakterstarke Südtirolerin im Interview.<br />
32<br />
AUSSICHT<br />
Die schönste Seite der Berge 4<br />
3 X 3<br />
Produktneuheiten und Bergsport-News 8<br />
WWW.HANWAG.COM<br />
WEGWEISER<br />
Im südlichsten Tal der Schweiz 12<br />
Granit-Grate im Quartett 22<br />
EXPERT<br />
Leichte Bergschuhe 18<br />
Helme für Bergsportler 28<br />
GIPFELTREFFEN<br />
Seelen-Reise statt Ego-Trip: Tamara Lunger 32<br />
GRANIT-GRATE<br />
Beste Felsqualität und irrwitzige Ausgesetztheit<br />
– das versprechen Gratklettereien im Granit. Ralf<br />
Gantzhorn stellt vier Paradetouren der Alpen vor.<br />
HANWAG ALVERSTONE II GTX<br />
Der wahrscheinlich vielseitigste Trekking-<br />
Schuh, den wir je gebaut haben: Für<br />
Alpenüberquerungen mit Gipfelambitionen.<br />
Für Trekking in anspruchsvollem Terrain<br />
und mit Gepäck. Für alle, die auf der Suche<br />
nach einem stabilen, flexiblen und obendrein<br />
leichten Trekkingschuh sind.<br />
HOCHGENUSS<br />
Wein in den Bergen 38<br />
PARTNERCHECK<br />
Bekleidungshersteller Ternua 42<br />
AUSSTIEG 48<br />
Impressum 48<br />
INSPIRATION 02 / 2019<br />
DAS BERGSPORTMAGAZIN<br />
INSPIRATION<br />
Titelseite: Endlich Sonne! Nach dem ewig<br />
langen Aufstieg in der schattigen Westseite der<br />
Grands Charmoz erreicht Sonja Schade den<br />
Gipfelgrat und damit das wärmende Licht. Unterwegs<br />
auf der Überschreitung von Charmoz<br />
und Grépon, im Hintergrund Aiguille Verte und<br />
Mer de Glace.<br />
Foto: Ralf Gantzhorn<br />
3
AUSSICHT<br />
FARB<br />
TUPFER<br />
Bei welcher Alpentour ist nach 50<br />
Seillängen noch nicht mal Halbzeit?<br />
Klar, das geht nur beim «Peuterey<br />
Intégral»: Aus dem Val Veny hinauf auf<br />
die Aiguille Noire de Peuterey, über die<br />
Aiguille Blanche in den Col de Peuterey<br />
und 800 Höhenmeter hinauf zum Gipfel<br />
des Mont Blanc. Als Belohnung warten<br />
knapp drei Höhenkilometer Abstieg<br />
ins Tal von Chamonix. Für die längste<br />
Klettertour der Alpen veranschlagt der<br />
Führer auch heute noch gute drei Tage<br />
– Ueli Steck, hier im Bild, knipste sie<br />
2013 in 16 Stunden und 9 Minuten ab.<br />
Zwei Jahre sind vergangen, seit Ueli<br />
Steck am 30. April 2017 in Nepal tödlich<br />
abstürzte. Als der Unfall geschah,<br />
reiste der Fotograf Röbi Bösch gerade<br />
nach Kathmandu, um Stecks geplante<br />
Überschreitung von Everest und Lhotse<br />
mit der Kamera zu begleiten. «Seine<br />
Stimme fehlt – auch in diesem Buch»,<br />
schreibt Bösch im Vorwort seines<br />
grossen Fotobandes «Mountains», aus<br />
dem auch diese Aufnahme stammt.<br />
Es ist trotzdem ein uneingeschränkt<br />
lohnenswertes Buch geworden.<br />
Röbi Böschs Bildband «Mountains» ist<br />
auch bei Bächli Bergsport erhältlich:<br />
www.baechli-bergsport.ch/<br />
Mountains-Röbi-Bösch-Bildbände-De.htm<br />
AIGUILLE NOIRE DE PEUTEREY,<br />
SÜDGRAT, ITALIEN<br />
ROBERT BÖSCH<br />
(WWW.ROBERTBOESCH.CH)<br />
4 INSPIRATION 02 / 2019<br />
5
AUSSICHT<br />
SONNEN<br />
LOCH<br />
Magic Wood? Knapp daneben! Dieses<br />
Bild stammt aus dem tschechischen<br />
Bouldergebiet Petrohrad.<br />
Das namensgebende Dörfchen liegt<br />
rund 80 Kilometer westlich von Prag,<br />
auf halbem Weg zur bayerischen<br />
Grenze. Sagenhafte 5000 Boulderprobleme<br />
(und auch 500 Kletter<br />
routen) sind über 18 Sektoren verteilt.<br />
Die Schwierigkeiten reichen<br />
von Fb 2 bis Fb 8c – Václav Kutil befindet<br />
sich in «Hades» (7C+). Zur<br />
Qualität des grössten tschechischen<br />
Bouldergebiets muss eigentlich nur<br />
erwähnt werden, dass kein geringerer<br />
als Adam Ondra es als sein<br />
Heimatgebiet bezeichnet.<br />
Das Standardführerwerk «Petrohrad<br />
and Surroundings» erläutert alle Boulderprobleme<br />
auf englisch. www.pizbube.ch<br />
PETROHRAD, MLÝNSKÝ VRCH,<br />
TSCHECHISCHE REPUBLIK<br />
JAKUB FRIC<br />
(WWW.JAKUBFRIC.COM)<br />
6 INSPIRATION 02 / 2019<br />
7
3 X 3<br />
NEUES AUS<br />
DER WELT DES<br />
BERGSPORTS<br />
DOPPELT<br />
HÄLT BESSER<br />
Das Sicherungsgerät Giga Jul ist Autotuber und Tuber in einem. Durch Verschieben<br />
des grünen Umschaltriegels lässt sich das Seil entweder im Autotuber-Modus<br />
oder im Tuber-Modus in das Sicherungsgerät einlegen. Der Autotuber-Modus<br />
hat eine bremskraftunterstützende Funktion und empfiehlt sich bei nahezu allen<br />
Vorstiegs-Situationen. Der herkömmliche Tuber-Modus (ohne Bremskraftunterstützung)<br />
hat dennoch seine Berechtigung: Er ist beim Nachsichern mit Doppelstrang,<br />
beim Abseilen und beim Sichern vom Fixpunkt (Standplatz) deutlich komfortabler.<br />
Für Einfachseile und Doppelseile von 7.8 – 10.0 mm geeignet. Gefertigt<br />
aus Aluminium, mit robusten Stahleinlagen an besonders beanspruchten Stellen.<br />
GIGA JUL<br />
EDELRID<br />
Gewicht ca. 100 g<br />
Preis CHF 79.–<br />
BERG UND<br />
BOHNEN<br />
WEISSE<br />
VERFÜHRUNG<br />
Schön zu beobachten: Jeder, wirklich jeder, der<br />
den Whiteout von Exped zum ersten Mal in die<br />
Hände bekommt, reibt das weisse Stöffchen<br />
prüfend zwischen den Fingern. Nicht nötig, denn<br />
das einzigartige Dyneema-Composite-Gewebe<br />
ist zwar extrem leicht und dünn, aber auch 30<br />
Prozent stärker als High-End-Gewebe aus Nylon<br />
und zudem UV-stabil. Abgesehen vom Material<br />
kommt der Whiteout 30 daher wie der bekannte<br />
«Black Ice»: mit Daisy Chains, Kompressionsband<br />
am Deckel (für Seil- oder Jackentransport) und<br />
herausnehmbarer Rückenplatte aus PE-Schaumstoff.<br />
Das Hauptfach ist vollständig getaped und<br />
dank Rolltopverschluss und 20.000 mm Wassersäule<br />
komplett wasserdicht. Zuladung: 13 kg.<br />
WHITEOUT 30<br />
EXPED<br />
Gewicht ca. 695 g<br />
Preis CHF 299.–<br />
Der Outdoor-Ausrüster Schöffel setzt in seinen Bekleidungskollektionen verstärkt<br />
auf das Spezialgarn S.Café. Bei der Herstellung wird recyceltes Polyester<br />
mit eingesammeltem Kaffeesatz vermischt, was die geruchshemmenden<br />
Eigenschaften des Materials verstärkt. Aus Schöffels Frühjahrskollektion ist<br />
beispielsweise die Wetterschutzjacke «Neufundland2» mit dem S.Café-Material<br />
ausgestattet. Der recycelte Kaffeesatz ist dabei auf der Jackeninnenseite als<br />
Print aufgebracht, wo es den Tragekomfort erhöht und Geruchsbildung mindert.<br />
Die «Neufundland2» ist aus 2,5-Lagen-Laminat geschneidert – das hält<br />
Gewicht und Packmass der wasser- und winddichten Funktionsjacke niedrig.<br />
Zum Saisonstart am 4. Mai versorgen Baristas die Kundschaft der Filialen Bern<br />
und Zürich mit frischem Kaffee. Mehr Infos:<br />
baechli-bergsport.ch/scafe<br />
FLINKE<br />
BEINE<br />
Die beste Skitourenhose ist die, die man gar<br />
nicht spürt. Dynafit kommt diesem Ziel mit den<br />
Transalper Hybrid Pants schon ziemlich nahe:<br />
191 Gramm leicht ist das Modell, und dank<br />
Vier-Wege-Dynastretch-Material (16 Prozent<br />
Elasthananteil!) auch enorm bewegungsfreundlich.<br />
Der elastische Hüftbund rundet<br />
das angenehme Tragegefühl ab. Auch die<br />
Ausstattung stimmt: Ventilationsöffnungen, zwei<br />
Eingrifftaschen, eine Reissverschlusstasche<br />
und reflektierende Elemente sind mit an Bord.<br />
Für solide Wetterfestigkeit sorgt das atmungsaktive,<br />
wind- und wasserabweisende Softshellmaterial.<br />
Lässt bei sportlichen Skibergsteigern<br />
keine Wünsche offen.<br />
TRANSALPER HYBRID PANTS<br />
DYNAFIT<br />
Gewicht 191 g<br />
Preis CHF 105.–<br />
KEINE<br />
KOMPROMISSE<br />
Mit dem Nachwuchs auf Tour zu gehen, gehört zu den schönsten Dingen, die es<br />
gibt – solange Spass und Sicherheit nicht auf der Strecke bleiben. Beste Voraussetzungen<br />
schaffen die frisch überarbeiteten Kindertragen Kid Comfort von Deuter<br />
– vom Basismodell Kid Comfort über die besonders leichten Modelle Kid Comfort<br />
Active und Active SL (speziell für Mütter) bis hin zum Topmodell Kid Comfort Pro,<br />
das mit abnehmbarem Tagesrucksack, Sonnendach und Schlafkissen herausragt.<br />
Alle Modelle haben ein stufenlos verstellbares und gut belüftetes Aircomfort-Rückensystem.<br />
Tragekomfort und Lastübertragung entsprechen dem, was man vom<br />
Rucksackspezialisten Deuter seit Jahrzehnten gewohnt ist. Im Spiegel lässt sich<br />
sogar die Laune auf der Rückbank überprüfen. TÜV/GS-geprüft und PFC-frei.<br />
KID COMFORT<br />
DEUTER<br />
Gewicht zwischen 2,6 und 3,6 kg<br />
Preis ab CHF 269.–<br />
MEHR<br />
LICHT<br />
Egal, ob Biker, Trailrunner oder Skitourengeher: Wer am Berg mit Tempo unterwegs<br />
ist, braucht jederzeit perfekte Sichtverhältnisse. Danach strebt die Aerospeed<br />
Reactive mit drei Features: Erstens, die XXL-Scheibe, die ein riesiges Sichtfeld und<br />
Schutzschild bietet und dennoch windschnittig ist. Zweitens, die rahmenlose Konstruktion<br />
mit seitlichen Öffnungen, durch die Luft zirkuliert und Beschlagen<br />
verhindert. Drittens, die selbsttönenden Gläser, die sich automatisch an die Lichtverhältnisse<br />
anpassen. In diesem Fall von Stufe 0 bis 3, damit ist die Brille sogar<br />
nachttauglich. Die Maximalstufe vier empfiehlt sich nur im sonnigen Hochgebirge.<br />
AEROSPEED REACTIVE 0-3<br />
JULBO<br />
Preis CHF 209.–<br />
8 INSPIRATION 02 / 2019<br />
9
3 X 3<br />
ENDLICH<br />
ENTSPANNUNG<br />
Das Schönste nach einer langen Bergtour? Durst löschen! Das Zweitschönste?<br />
Endlich raus aus den schweren Ski- oder engen Kletterschuhen und rein in die<br />
Pantoletten! Im RX Slide 4.0 von Salomon können die geplagten Füsse nach der<br />
Tour durchatmen. Das nahtlose, atmungsaktive Mesh-Obermaterial ist luftig<br />
und gleichzeitig robust genug für den Outdoor-Einsatz (z. B. beim Sichern). Der<br />
Sohlenaufbau besteht aus einem komfortablen Lederfussbett, einer EVA-<br />
Zwischensohle und einer nicht abfärbenden Contagrip-Aussensohle.<br />
RX SLIDE 4.0<br />
SALOMON<br />
Gewicht 384 g / Paar (Grösse 8.5)<br />
Preis CHF 69.–<br />
REISE<br />
RÜSTUNG<br />
Die britische Firma Craghoppers hat sich auf<br />
Reisebekleidung mit integriertem Insektenschutz<br />
spezialisiert. In das NosiLife-Gewebe ist Permethrin<br />
eingearbeitet, das den Inhaltsstoff der<br />
Chrysanthemen-Blüte nachahmt und 90 Prozent<br />
aller Insekten in die Flucht schlägt. Weil der (für<br />
den Menschen unbedenkliche) Stoff in die Faser<br />
eingearbeitet ist, besteht kein direkter Hautkontakt<br />
und er wäscht sich nicht aus. Zudem verfügt<br />
das Textil über einen UV-Schutzfaktor von UPF 50+<br />
und fünf Taschen, davon drei mit Reissverschluss.<br />
Pflegeleicht, schnelltrocknend und antibakteriell<br />
ausgerüstet. Eine locker geschnittene Reisehose<br />
(nicht nur) für tropische Regionen.<br />
NOSILIFE III W TROUSERS<br />
CRAGHOPPERS<br />
Preis CHF 95.–<br />
SAISON<br />
ERÖFFNUNG<br />
Feiern Sie am 3./4. Mai mit uns den Saisonstart in<br />
den Bergsommer 2019. In allen Filialen erwarten<br />
Sie ein vielfältiges Rahmenprogramm, attraktive<br />
Wettbewerbe, leckere Verpflegung und 10 % Rabatt<br />
auf das gesamte Sortiment*. Wir freuen uns auf Sie!<br />
* Ausgenommen sind Nettoartikel, Ski, Bindungen,<br />
elektronische Geräte, Bücher, Karten,<br />
Gutscheine, Reparatur- und Serviceleistungen.<br />
Weitere Informationen unter:<br />
baechli-bergsport.ch/saisonstart<br />
BÄCHLI<br />
BERGSPORT<br />
IN ZAHLEN<br />
264<br />
MITARBEITERINNEN UND<br />
MITARBEITER, DAVON 36<br />
LEHRLINGE<br />
12<br />
FILIALEN IN DER GANZEN<br />
SCHWEIZ<br />
13<br />
OUTLETS<br />
350<br />
SORGFÄLTIG AUSGEWÄHLTE<br />
BERGSPORTMARKEN<br />
6000<br />
QUADRATMETER LOGISTIK-<br />
FLÄCHE IM<br />
ZENTRALLAGER NÄNIKON<br />
FILIALERÖFFNUNG KRIENS<br />
KRIENS ZIEHT<br />
UM<br />
16 Jahre sind genug: Unsere Filiale in<br />
Kriens zieht um und vergrössert ihre Verkaufsfläche.<br />
Wir feiern die Neueröffnung<br />
am 24./25. Mai mit attraktiven Eröffnungsangeboten<br />
und zahlreichen Attraktionen,<br />
z. B. einer Teststrecke für Gore-Tex-<br />
Membranen, dem Kaffeemobil von Schöffel<br />
oder einer Wachsstation zum Auffrischen<br />
Ihrer Fjällräven-Kleidung.<br />
Neue Adresse: Am Mattenhof 2a, Kriens<br />
Laufend neue Infos finden Sie auf:<br />
www.baechli-bergsport.ch/kriens<br />
IHRE VORTEILE<br />
IM BÄCHLI-<br />
WEBSHOP<br />
• Bei Bestellungen über das<br />
Bächli-Kundenkonto ist der<br />
Economy-Versand gratis.<br />
• Über das Bächli-Konto kann<br />
jeder Kunde all seine Einkäufe jederzeit<br />
rückvollziehen.<br />
• innerhalb von fünf Tagen Rückgaberecht<br />
in jeder Filiale oder per Post<br />
• online bestellen und in einer<br />
unserer Filialen abholen<br />
• alle 40'000 Artikel auch online<br />
im Webshop verfügbar<br />
SERVICE-<br />
LEISTUNGEN<br />
IN UNSEREN<br />
FILIALEN<br />
• kostenloser, persönlicher Einkaufsbegleiter<br />
(ohne Kaufpflicht)<br />
• Schuhanpassung, Fellzuschnitt,<br />
Bindungsmontage und -einstellung,<br />
LVS-Test, Daunenreinigung, Eisschraubenschliff<br />
u.v.m.<br />
• Qualitätsgarantie von zwei Jahren auf<br />
alle Produkte<br />
• Mietprodukt bei Reparaturen, damit der<br />
Bergsport nicht getrübt wird<br />
• Umtauschgarantie bei max.<br />
drei Gebrauchstagen bei Hauptgeschäftsartikeln<br />
DER LADEN<br />
LEBT!<br />
Was vor 45 Jahren in der Stube<br />
der Familie Bächli in Volketswil<br />
begonnen hat, führen wir heute<br />
in der zweiten Generation mit 12<br />
Filialen über die gesamte Schweiz<br />
verteilt. Bereits seit 16 Jahren<br />
bieten wir als ergänzenden Kanal<br />
einen Webshop an.<br />
DER MENSCH MACHT DEN UNTERSCHIED<br />
Als Bergsport-Spezialist im Einzelhandel verpflichten wir uns, in erster Linie in unsere Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter zu investieren. Wir bilden mit aktuell 36 Lehrlingen nicht nur<br />
eigenen Nachwuchs aus, sondern setzen bei internen Ausbildungen in Theorie und Praxis<br />
grossen Wert auf Fachwissen und praktische Kenntnisse der Anwendung der Produkte, auf<br />
fachkundige Beratung, kundenorientierte Dienstleistung und zuvorkommenden Service.<br />
WARUM NOCH FACHGESCHÄFTE?<br />
Es ist unsere Überzeugung, den stationären Handel weiter zu pflegen. Warum? Weil wir<br />
den persönlichen Kontakt mit den Kundinnen und Kunden nirgendwo sonst so bereichernd<br />
erleben können, wie in einer unserer Filialen. Wir möchten da sein, wo die Kunden sind. Der<br />
Austausch zwischen unserer Kundschaft und unseren Beraterinnen und Beratern über ihre<br />
Erfahrungen mit den Produkten, aber auch über ihre Erlebnisse am Berg – das ist es, was<br />
einen Filialbesuch bei Bächli Bergsport so wertvoll macht. Im direkten Gespräch können<br />
wir am besten individuell auf die hohen Ansprüche der Kundschaft eingehen.<br />
DAS BESTE AUS BEIDEN WELTEN<br />
Warum aber setzen wir auf den stationären Handel, wo doch das Zeitalter des Online-Shoppings<br />
längst Einzug gehalten hat? Nun, das eine schliesst das andere nicht aus: Bächli<br />
Bergsport investiert parallel in beide Verkaufskanäle, um seiner Kundschaft das Beste aus<br />
beiden Welten zu bieten. Etwa mit schnellsten und kostenlosen Lieferungen direkt nach<br />
Hause. Viele Kunden machen von der Möglichkeit Gebrauch, bequem und online Artikel bestellen<br />
zu können. Deshalb setzt unser Online-Team alles daran, den Webshop und die sozialen<br />
Medien laufend weiterzuentwickeln. Die Filiale hingegen dient auch als erste Anlaufstelle<br />
für Dienstleistungen und Services wie Mietartikel, Reparaturen oder als Abholstelle.<br />
SORGFÄLTIG AUSGEWÄHLTES SORTIMENT<br />
«Den persönlichen<br />
Austausch mit den<br />
Kunden stellen wir ins<br />
Zentrum einer<br />
kompetenten Beratung.»<br />
THOMAS MORAND<br />
CEO<br />
Immer mehr Menschen treiben in ihrer Freizeit Bergsport, und das Angebot an Ausrüstung<br />
wächst mit jedem Jahr. Unser höchst erfahrenes Produktmanager-Team trifft für die Bergsportlerinnen<br />
und Bergsportler eine Auswahl. Als grösster Bergsport-Detaillist präsentieren<br />
wir mit rund 350 Marken ein einmaliges Sortiment für alle alpinen Sportarten – top-aktuelle<br />
Produkte im Hauptgeschäft, Auslaufprodukte im Outlet. Immer zu besten Preisen. Egal ob online<br />
oder im direkten Kontakt: Den Unterschied bei Bächli Bergsport machen die Menschen,<br />
unsere Mitarbeitenden. Deshalb setzen wir alles daran, sie als Kundin oder Kunde bestmöglich<br />
zu unterstützen, damit sie ihr nächstes Erlebnis in den Bergen beruhigt angehen können.<br />
10
WEGWEISER VALLE DI MUGGIO<br />
TEXT & FOTOS IRIS KÜRSCHNER<br />
Val da Mücc. Noch nie gehört? Mit<br />
Sicherheit aber schon vorbeigefahren.<br />
Beim nächsten Mal besser abbiegen<br />
und die Wanderschuhe schnüren, denn<br />
im südlichsten Tal der Schweiz warten<br />
jede Menge Überraschungen.<br />
WILDER<br />
WINKEL<br />
Einsamkeit am «Rigi des<br />
Tessins». Man muss sich dem<br />
Monte Generoso eben nur<br />
12 von der richtigen Seite nähern.<br />
INSPIRATION 02 / 2019<br />
Als würde ein Vorhang aufgehen. Den Betrachter<br />
um Jahrzehnte zurückversetzen, als noch kaum<br />
Autos auf den Strassen fuhren, die Dörfer noch<br />
ohne Neubausiedlungen auskamen und vor jedem Haus<br />
ein üppiger Bauerngarten gedieh. So wirkt es, wenn man<br />
es durch das Strassengewirr und die Einkaufszentren<br />
zwischen Mendrisio und Chiasso im südlichsten Zipfel des<br />
Tessins geschafft hat. Hinein ins Valle di Muggio. Weil jeder<br />
möglichst schnell die hässlichen Verbauungen passieren<br />
mag gen Süden oder Norden, biegt kaum jemand ab in das<br />
37 Kilometer lange Seitental, das die Einheimischen Val<br />
da Mücc nennen. Dort, hinter dem Chaos und der Hektik,<br />
versteckt sich eine andere Welt – eine stille, archaische.<br />
Es ist vielleicht der wildeste, mit Sicherheit aber der unschweizerischste<br />
Winkel. Wo man es mit der Pünktlichkeit<br />
der Postautolinien, der Ausschilderung der Wege, den Öffnungszeiten<br />
von Restaurants nicht ganz so genau nimmt.<br />
DER KÄSE, DEN KEINER KENNEN KANN<br />
Das verschwiegene Tal gipfelt im Monte Generoso, den jeder<br />
Tessin-Fan kennt. Schliesslich klettert eine Zahnradbahn<br />
von Mendrisio auf den fulminanten Aussichtsberg, seit 2017<br />
gekrönt mit der «Steinblume» vom Tessiner Stararchitekten<br />
Mario Botta. Über seinen Sonnenhang vom Valle di Muggio<br />
erobert man sich den Generoso indes in völliger Einsamkeit.<br />
Schon der Ausgangspunkt Scudellate wirkt, als würde man<br />
am Ende der Welt stehen: Ein paar Steinhäuser klemmen<br />
am Steilhang, windschiefe Fensterläden, Rosenranken<br />
klettern über abblätternden Putz. Moos krallt sich in das<br />
Kopfsteinpflaster der engen Gassen, in die kaum ein Sonnenstrahl<br />
einzudringen vermag. An vorderster Front steht<br />
die Osteria Manciana – das Herz des 20-Seelen-Dorfes.<br />
Auch, wenn es nicht so wirkt: Auf der Alpe Nadigh am<br />
Monte Generoso wird noch gewirtschaftet.<br />
Piera Piffaretti, die Wirtin, hat ein offenes Ohr für alle Sorgen<br />
und Freuden, und in ihre Kochtöpfe kommt nur, was Garten<br />
und Tal hergeben. La cucina povera: einfach und währschaft.<br />
Legendär sind ihre Ossobuchi. Keine Kalbshaxen, wie in Italien<br />
beim Ossobuco üblich, sondern vom Schwein. «Kühe waren,<br />
aufgrund der Milch, viel zu wichtig, um geschlachtet zu werden»,<br />
sagt die resolute 70-Jährige. Über vier Stunden lässt<br />
sie das Fleisch in seinem Saft schmoren, es fällt förmlich<br />
vom Knochen. Dazu wird Polenta aus der Mühle von Bruzella<br />
gereicht. Um den Magen zu schliessen, folgt Käse, wie man<br />
ihn sonst nirgends kennt: Zu gering ist die Ausbeute, um<br />
ihn zu vermarkten. Zwischen den formaggini alti – kleinen,<br />
säuerlich schmeckenden Frischkäseleibchen von den<br />
Alpen des Monte Generoso – fällt der Zincarlin ins Auge.<br />
Der kegel förmige, gepfefferte Rohmilchkäse wird während<br />
seiner Reife zwei Monate täglich mit Weisswein eingerieben.<br />
In Kom bination mit Honig mildert sich seine Schärfe<br />
und sorgt für eine Geschmacksexplosion. 2004 wurde er<br />
als erstes Slow-Food-Produkt der Schweiz ausgezeichnet.<br />
Wenn sich Piera und ihr Mann Guerino an alte Zeiten<br />
erinnern, kommen sie um Schmugglergeschichten nicht<br />
herum. In den 1930er-Jahren zählte Scudellate noch<br />
um die 150 Einwohner. «So gut wie jeder im Dorf war<br />
13
WEGWEISER<br />
VALLE DI MUGGIO<br />
Gastwirte, Ladenbesitzer und Herbergseltern: An Piera und<br />
Guerino Piffaretti kommt man in Scudellate nicht vorbei.<br />
VALLE DI MUGGIO<br />
IN ZAHLEN<br />
72<br />
HÖHLEN SIND ALLEIN AUF DER<br />
SCHWEIZER SEITE DES MONTE<br />
GENEROSO BEKANNT. DER BERG<br />
WEIST DAS GRÖSSTE KARST-<br />
SYSTEM DER SÜDSCHWEIZ AUF.<br />
40<br />
KINDER DRÜCKTEN IN SCUDELLATE<br />
EINST DIE SCHULBANK. HEUTE DIENT<br />
DIE SCHULE ALS JUGI.<br />
70<br />
NEVÈRE, SOGENANNTE SCHNEE-<br />
HÄUSER, ZÄHLT DAS VALLE<br />
DI MUGGIO, SO VIELE, WIE SONST<br />
NIRGENDS IN DER SCHWEIZ.<br />
Das Valle di Muggio ist<br />
vielleicht der wildeste, mit<br />
Sicherheit aber der unschweizerischste<br />
Winkel<br />
der Schweiz.<br />
im Schmugglergeschäft tätig. Bis in die Siebzigerjahre<br />
ging das», erzählt Guerino. «Mit ‹peduli›, aus Jutesäcken<br />
zusammengenähten Schuhen, schlich man über die<br />
Grenze hinterm Dorf durch die Berge zum Comer See. Ein<br />
Sieben-Stunden-Marsch. Auf dem Buckel die ‹bricolla›,<br />
vollgestopft mit 700 Zigarettenpaketen. 70 Franken betrug<br />
der Lohn.» Piera und Guerino betreiben nicht nur die<br />
Osteria, sondern auch noch einen Krämerladen im selben<br />
Haus. Nach dem Zweiten Weltkrieg, als sich Chiasso und<br />
Mendrisio zu wirtschaftlichen Zentren entwickelten, kam<br />
die grosse Landflucht. Die Schule von Scudellate, wo einst<br />
40 Kinder die Schulbank drückten, gleich neben der Osteria,<br />
dient heute als Jugendherberge. Es liegt fast auf der<br />
Hand: Piera und Guerino sind die Herbergseltern.<br />
Auch Silvia Ghirlanda kommt immer wieder gerne für einen<br />
Schwatz und ein gutes Essen in die Osteria Manciana. Mit<br />
ihrem Mann Paolo Crivelli zählt sie zu den Pionieren des örtlichen<br />
Ecomuseums, das sich 1980 als Verein formierte. Das<br />
Museo etnografico della Valle di Muggio (MEVM) sah keinen<br />
Zweck darin, historische Gegenstände in einem Gebäude<br />
zu konservieren. Stattdessen bezog man das Kulturgut der<br />
Landschaft mit ein. Repräsentative Bauten und Produktionsstätten<br />
wurden restauriert, etwa die Mühle von Bruzella,<br />
die seit 1996 wieder den roten Tessiner Mais mahlt. Die<br />
Casa Cantoni, ein prächtiger Palazzo in Cabbio, richtete man<br />
als Informationszentrum her. Besucher können sich dort<br />
ein Bild verschaffen von den Schätzen des Valle di Muggio,<br />
die es zu entdecken gibt: wie den Graa, die Dörrhäuser, die<br />
Nevère, die Schneekeller, oder den Roccoli, die Vogelfangtürme.<br />
Silvia Ghirlanda, die viele Jahre als Kuratorin die<br />
Casa Cantoni verwaltete, sagt: «Vor allem wollten wir auch<br />
den Einheimischen zeigen, wie wertvoll und schützenswert<br />
ihr Tal ist. Sie dafür gewinnen, traditionell zu renovieren<br />
und nicht alle möglichen Stile einzuführen, wie diese geschmacklosen<br />
Betonklötze in Morbio am Eingang des Tals.»<br />
TÜRME FÜR DIE VOGELFÄNGER, KELLER<br />
FÜR DIE MILCHBAUERN<br />
Eine von Ghirlandas Lieblingstouren führt von Scudellate<br />
mehr oder weniger flach nach Erbonne. Das Dorf liegt<br />
bereits in Italien und ist nur zu Fuss erreichbar. Eine vom<br />
MEVM restaurierte Trockenmauer begleitet den einsamen<br />
Pfad, im Frühsommer wachsen wilde Erdbeeren in den<br />
Ritzen. Ahnungslose Wanderer wundern sich über das<br />
steinerne «Hochhaus», das sich auf halbem Weg im Wald<br />
versteckt. «Um das Überleben zu sichern, musste man hier<br />
in vielerlei Hinsicht erfinderisch sein», erzählt Ghirlanda.<br />
Ein gutes Zubrot ergab der Vogelfang. Mit Lockvögeln verführte<br />
man die Zugvögel zur Rast im Baumhain vor dem<br />
Turm und erschreckte sie dann derart, dass sie in aufgespannte<br />
Netze flogen. Wer den Roccolo, das dreistöckige<br />
Turmhaus des Vogelfängers, besichtigen möchte, kann sich<br />
den Schlüssel in der Osteria Manciana besorgen.<br />
Bei weniger Bewölkung reicht<br />
der Blick vom Höhenweg am<br />
Monte Generoso bis zu den<br />
Eisriesen der Walliser Alpen.<br />
Auch auf den Pfaden gen Monte Generoso stösst man auf<br />
überraschendes Kulturgut. Die Route über die Alpe di<br />
Sella führt über kahle Hänge, die den Weitblick bis zur<br />
Poebene öffnen. In den archaischen Alpsiedlungen, die<br />
der Weg streift, fallen kreisrunde Gebäude auf. Wer hineinlugt,<br />
sieht, dass sie zu drei Vierteln in den Untergrund<br />
gebaut sind, kunstvoll in Trockenmauermanier. In diese<br />
Nevère schaufelten die Bergbauern einst den letzten<br />
Frühjahrsschnee. Gepresst und verdichtet diente er bis<br />
in den Herbst zum Kühlen der Milch. Eine geniale Lösung<br />
für das Karstgebirge, in dem kühlendes Quellwasser<br />
fehlt. «Kreisrunde Schneehäuser – zumal in dieser Dichte<br />
– gibt es sonst nirgends in der Schweiz», betont Ghirlanda.<br />
Das MEVM inventarisierte rund 70 solcher Nevère, manche<br />
sind an die 200 Jahre alt. Die schönste Wanderzeit am<br />
Monte Generoso, schwärmt Ghirlanda, sei Ende Mai bis<br />
Anfang Juni. Dann leuchten die weissen Blütenkerzen des<br />
14<br />
INSPIRATION 02 / 2019<br />
15
WEGWEISER VALLE DI MUGGIO<br />
Ziegen und Schneehäuser<br />
für die Milch – auf der Alpe<br />
Nadigh ticken die Uhren<br />
noch etwas langsamer.<br />
PLATZ<br />
LASSEN<br />
Für viele Wanderer dürfte das<br />
Valle di Muggio eine terra incognita<br />
darstellen. Und auch, wer schon<br />
da war, nimmt lieber einen etwas<br />
grösseren Rucksack mit. So findet<br />
nicht nur genug Verpflegung für<br />
die reichlich vorhandenen Pausenplätze<br />
Platz, sondern auch das ein<br />
oder andere kulinarische Souvenir.<br />
«Ich liebe es, wenn ich<br />
in der Schweiz neue alte<br />
Welten entdecken kann.<br />
Das gibt mir ein Gefühl<br />
von Zeitlosigkeit.»<br />
GISELA SCHMID<br />
BERGSPORTBERATERIN<br />
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In die Nevère schaufelten<br />
Bergbauern einst den<br />
Frühjahrsschnee. Gepresst<br />
diente er bis in den Herbst<br />
zum Kühlen der Milch.<br />
Affodill aus den Trockenwiesen heraus, und die in dieser<br />
Höhe so seltenen wilden Pfingstrosen bilden rosafarbene<br />
Meere. Den aussergewöhnlichen floristischen Reichtum<br />
des Monte Generoso begründen Geologen mit seiner Inselfunktion<br />
während der Eiszeiten. Weil der Voralpenberg<br />
unvergletschert blieb, konnten diverse Arten überleben,<br />
und so bleibt der schweisstreibende Weg zum 1701 Meter<br />
hohen Gipfel ungemein abwechslungsreich. Rund um die<br />
Bergstation bleibt der übliche Rummel nicht aus, doch es<br />
gibt auch stille Aussichtsplätze entlang des bizarr modellierten<br />
Gipfelkammes, sobald der eine oder andere Pfad<br />
einen sicheren Tritt voraussetzt. Der Blick nach Westen<br />
steht ganz im Kontrast zur Sonnenseite. In senkrechten<br />
Felsfluchten stürzen zerklüftete Kalkwände in die Tiefe,<br />
wie eine Krake gräbt der Lago di Lugano seine stahlblauen<br />
Wasserarme ins Vorgebirge ein. Jenseits drapieren sich die<br />
Walliser Viertausender, das Monte-Rosa-Massiv sticht als<br />
weisse Torte heraus. Ver ständlich, dass diese Rundschau<br />
dem Monte Generoso seinen Bei namen «Rigi des Tessins»<br />
eingebracht hat.<br />
Schon ein paar Minuten unterhalb der Bergstation auf dem<br />
Weg zur Alpe Nadigh herrscht wieder purer Frieden. Gelber<br />
Ginster säumt den Weg, spitze Steinplatten ragen senkrecht<br />
aus dem Boden. «Damit trennte man das Vieh von den<br />
Weiden, die für das Abmähen bestimmt waren», weiss Silvia<br />
Ghirlanda, die sich mit ihrem Paolo auf der Alpe Genor eine<br />
Oase für den Lebensabend aufbaut. Der Kühlschrank ist<br />
quasi schon mitgeliefert, zwei Nevère gehören zum Grund.<br />
Auch die nahe Alpe Nadigh zählt zwei Schneehäuser, meist<br />
streunen neugierige Ziegen herum. Drei Brüder pflegen hier<br />
noch die traditionelle Alpwirtschaft. Zurück in Scudellate<br />
würde man gerne ein Bier trinken. Aber die Osteria Manciana<br />
zeigt sich verschlossen. Piera und Guerino kennen da kein<br />
Pardon. Sie gönnen sich ihre wohlverdiente Siesta. Und öffnen,<br />
wann es ihnen beliebt. Zeit geniesst hier eine andere<br />
Dimension – und das ist gut so.<br />
Informationen zum Valle di Muggio finden Sie unter:<br />
baechli-bergsport.ch/valledimuggio<br />
DOPPEL<br />
SIEG<br />
Auf der letzten OutDoor-Messe in Friedrichshafen<br />
hat dieses Rucksack-Pärchen den begehrten<br />
Industry-Award abgeräumt. Herzstück<br />
der beiden Trekkingrucksäcke ist die<br />
FreeFloat-Aufhängung: Die Hüftgurte sind<br />
so flexibel befestigt, dass sie den Körperbewegungen<br />
beim Wandern folgen. Gute<br />
Ventilation durch abgespannten Netzrücken,<br />
grosser rundumlaufender U-Reissverschluss<br />
ermöglicht schnellen Zugriff an der Front.<br />
Integrierte Regenhülle, praktische Mesh-Einschübe<br />
an Front und Seiten sowie grosse<br />
Hüftgurttaschen, in denen sogar Kompaktkameras<br />
Platz finden, komplettieren die Ausstattung.<br />
Für mehrtägige Hüttentouren oder<br />
grosse Tagestouren.<br />
ZULU 40 / JADE 38<br />
GREGORY<br />
Gewicht 1,34 kg / 1,30 kg<br />
Preis CHF 189.–<br />
ALPINER<br />
ALLROUNDER<br />
Die Atom-Serie von Arc’teryx ist der Inbegriff<br />
einer Ganzjahresjacke: technisch ausgereifte,<br />
gut kombinierbare Midlayer mit leichter<br />
Synthetik-Isolierung. Die steckt zudem unter<br />
einer DWR-imprägnierten Hülle aus 20D-<br />
Nylon. Am Rumpf wärmt 40 g/m2 leichtes Coreloft<br />
– ein gekräuseltes, silikonisiertes Polyestergarn,<br />
das feuchtigkeitsunempfindlich, leicht<br />
und wasserdampfdurchlässig ist. Die Polygiene-<br />
Ausstattung reduziert Gerüche. Der Schnitt<br />
ist recht körpernah, die seitlichen Stretcheinsätze<br />
und Unterarmzwickel bieten viel Bewegungsfreiheit.<br />
Mit Windschutz am Kinn und<br />
ungefütterter Kapuze. Komprimiert ist die<br />
Atom SL in etwa so gross wie eine Grapefruit.<br />
ATOM SL HOODY<br />
ARC’TERYX<br />
Gewicht ca. 230 g (Grösse M)<br />
Preis CHF 215.–<br />
SICHERER<br />
AUFTRITT<br />
Seit fast zwei Jahrzehnten sorgt Meindls «Air<br />
Revolution»-Technologie für gut belüftete<br />
Wanderfüsse. Sie basiert auf einer dreilagigen<br />
Zunge, deren Materialkombination dampfdurchlässig<br />
und dauerhaft polsternd ist. Die<br />
Zunge ragt über den Schaft hinaus und ist<br />
unten nur punktuell fixiert – das fördert die<br />
Luftzirkulation im Schuh. Die bewährte Technik<br />
steckt in einem zeitgemässen Schuh: Der<br />
durchgehende PU-Dämpfungskeil verleiht<br />
dem bayerischen Trekkingschuh viel Stabilität,<br />
zugleich federt er die Lastspitzen effektiv<br />
ab. Eine Gore-Tex-Membran macht den<br />
Schuh wasserdicht, ohne dass das Fussklima<br />
darunter leidet. Und die Multigrip-3-Sohle<br />
von Vibram passt durch ihren definierten Hakenabsatz<br />
und das selbstreinigende Profil genau<br />
zum Einsatzzweck: bequemes Wandern<br />
bis hinauf in leichtes alpines Gelände.<br />
AIR REVOLUTION 3.7 LADY<br />
MEINDL<br />
Gewicht 1100 g / Paar (Grösse 8)<br />
Preis CHF 319.–<br />
16<br />
17
EXPERT LEICHTE BERGSCHUHE<br />
LEICHT<br />
ZU HABEN<br />
«300 Gramm weniger am Fuss spürt man genauso wie zwei Kilo<br />
weniger im Rucksack» – sagt Produktberater Ernst Schärer von<br />
Bächli Bergsport. Schön, dass das Angebot an leichten Bergschuhen<br />
so vielfältig ist wie nie – die Auswahl muss damit aber noch<br />
sorgfältiger getroffen werden.<br />
ILLUSTRATION: SOPHIE KETTERER<br />
TEXT THOMAS EBERT<br />
Hand aufs Herz: Wir Bergsteiger haben<br />
fast alle unsere Leichen im Keller. Ganz<br />
egal, ob es die eigenen sind oder die<br />
vom Grossvater: Ihre Entsorgung fällt einfach<br />
schwer. Zu schön sind die Leichen aus braunem<br />
Leder, mit ihren silbernen Ösen und roten<br />
Schnürsenkeln – aber nicht nur schön, sondern<br />
auch schön schwer. Selbst entstaubt bringt so<br />
ein Bergschuh aus den 70er- oder gar 60er-<br />
Jahren schnell mal das doppelte Gewicht eines<br />
modernen Modells auf die Waage. Ein gut gemeinter<br />
Rat: Lassen Sie Ihre Leichen dort unten<br />
ruhen – es ist besser für alle Beteiligten.<br />
«300 Gramm weniger am Fuss spürt man<br />
genauso wie zwei Kilo weniger im Rucksack»<br />
– Bächli-Produktberater Ernst Schärer führt<br />
die entscheidende Faustregel für leichte Bergschuhe<br />
gleich ins Feld. Warum sich das Leben<br />
schwer machen, wenn es auch leichter geht?<br />
So rhetorisch, wie diese Frage wirkt, ist sie gar<br />
nicht: «In der Schweiz verkaufen wir immer<br />
noch viele schwere Lederschuhe. Das hat mit<br />
Tradition zu tun – man ‹braucht› eben einen<br />
Lederschuh, wenn man in die Berge geht», erklärt<br />
Schärer den Zeitgeist. Dennoch gehe der Trend<br />
klar in Richtung Schuh-Diät: «Im heutigen<br />
Bergsport geht es um Tempo. Es gibt Profis, die<br />
teilweise mit besseren Turnschuhen über die<br />
Viertausender rennen. Und die Schuhbranche<br />
hat derzeit den Antrieb, das auch für den Normalbergsteiger<br />
umzusetzen.»<br />
Nur ein Beispiel: Zum kommenden Sommer<br />
bringt Lowa gemeinsam mit Spitzenbergsteiger<br />
David Göttler einen «athletischen, extrem leichten<br />
Profibergstiefel, reduziert auf das Nötigste»<br />
an den Start. Knöchelhoch und mit Kerbe für<br />
Kipphebel-Steigeisen soll er in Grösse acht nur<br />
1100 Gramm wiegen – pro Paar, wohlgemerkt.<br />
So mancher Zustiegsschuh wiegt da mehr.<br />
Wie sind solche Gewichtsersparnisse möglich?<br />
«Leichter werden Bergschuhe derzeit vor allem<br />
dadurch, indem man das Leder oder die Sohle<br />
etwas dünner macht. Komplett neue Materialien,<br />
wie etwa bei den Skitourenschuhen mit Grilamid<br />
und Carbon, gibt es bei den Bergschuhen eher<br />
nicht», sagt Ernst Schärer. Tatsächlich sind leichte<br />
Futterstoffe aus Synthetik, Ösen aus Kunststoffen<br />
oder hauchdünne, wasserdichte Membranen im<br />
Schuhbau keine Revolution mehr. Für echten<br />
Fortschritt muss man sich schon etwas einfallen<br />
lassen, wie der Sohlenspezialist Vibram, der<br />
im Sommer 2018 seine Litebase-Technologie<br />
einführte. In Litebase-Sohlen wird ein vorgummiertes<br />
Gewebe einvulkanisiert, welches die<br />
Verbindung zwischen Profilstollen und Laufsohle<br />
verstärkt. Im Gegenzug darf die Laufsohle<br />
dünner werden: «Die Stärke wird dabei um bis zu<br />
50 Prozent reduziert, also von 1,7 mm auf 0,5 –<br />
0,9 mm, abhängig vom Sohlentyp. Das Gesamtgewicht<br />
reduziert sich daher um bis zu 30 Prozent.<br />
Im Ergebnis können wir somit eine professionelle<br />
Vibram-Sohle bieten, die in punkto Grip, Traktion<br />
und Haltbarkeit dieselben Eigenschaften bietet<br />
wie eine herkömmliche Vibram-Sohle», erläutert<br />
Davide Canciani, Global Marketing Director von<br />
Vibram, die Technologie. Hersteller wie Scarpa,<br />
Mammut und Dynafit nutzen die Technologie bereits,<br />
das angesprochene Leichtmodell von Lowa<br />
fusst ebenfalls auf einer Litebase-Sohle. Auch<br />
Hanwag feilt an der Sohle, um Gewicht zu sparen:<br />
Am überarbeiteten Alverstone II kommt die<br />
hauseigene «3D Prism Base Technologie» zum<br />
Einsatz, bei der die Laufsohle nicht eben, sondern<br />
prismenförmig strukturiert ist. Das spart<br />
Material und dadurch Gewicht – laut Hanwag<br />
bis zu 32 Prozent.<br />
AUF LEICHTEN SOHLEN<br />
Wie sieht die Kehrseite der Medaille aus? Welche<br />
Einbussen sind durch Sparmassnahmen<br />
am Schuh in Kauf zu nehmen? Zum einen der<br />
naturgemässe Gegenspieler jeder Gewichtsreduktion<br />
– die Haltbarkeit. «Je leichter, desto<br />
weniger robust – das ist definitiv so», sagt Ernst<br />
Schärer. Denn dünneres und damit leichteres<br />
Leder bedeutet natürlich auch, dass die Schuhe<br />
schneller in Mitleidenschaft gezogen werden.<br />
Bei manchem Modell wird der für Bergschuhe<br />
typische und eminent wichtige Geröllschutzrand<br />
gar nicht mehr als Stück montiert, sondern<br />
INSPIRATION 02 / 2019<br />
19
Mit ihrem leichten Gewicht<br />
sind heutige Bergschuhe –<br />
anders als die steifen, schweren<br />
Schuhe von früher – auch<br />
beim Wandern ein Genuss.<br />
MÄCHTIGER<br />
MIX<br />
Immerhin 15 Prozent Gewicht konnte Hanwag beim Alverstone II GTX<br />
im Vergleich zum ledernen Vorgänger sparen. Erreicht wurde das<br />
durch den neuen Vibram Integral Light Sohlenaufbau – der Gummi<br />
wird in speziellen Prismen geformt. Auch beim Material wurde viel<br />
getüftelt: Neben äusserst robustem Perwanger-Leder kommt nun<br />
auch Microfaser zum Einsatz. Hanwags LFX-Technologie verbessert<br />
zudem die Beweglichkeit im Knöchelbereich. Die Gore-Tex-Membran<br />
hält die Füsse von innen und aussen trocken. Praktische Click Clamps<br />
ermöglichen die getrennte Schnürung von Vorfuss und Schaft.<br />
LEICHTES<br />
LEDER<br />
Mit der Entwicklung der Ribelle-Serie hat Scarpa vor knapp zwei Jahren<br />
einen Volltreffer gelandet. Jetzt gibt es den leichten Allround-Bergschuh<br />
auch mit einem Innenfutter aus Leder, welches nicht nur sehr bequem<br />
ist, sondern auch für ein ausgeglichenes Fussklima sorgt. Aussen schützt<br />
robustes Perwanger-Leder (2,4 – 2,6 mm stark) den Fuss, die OutDry-<br />
Membran hält ihn dabei trocken. Die Pentax Precision III Sohle von Vibram<br />
ist für den Einsatz in Fels und Eis konzipiert. Die 4 mm starke Zwischensohle<br />
aus Fiberglass sorgt für ordentlich Torsionssteifigkeit auf kleinen<br />
Tritten. Geeignet für Steigeisen mit Kipphebelbindung.<br />
RIBELLE HD LEATHER<br />
SCARPA<br />
Gewicht ca. 1450 g / Paar (Grösse 42)<br />
Preis CHF 439.–<br />
aufgespritzt – eine Zuspitzung des Trends, den<br />
Schärer gegenwärtig im Schuhbau erkennt:<br />
«Bergschuhe werden immer häufiger gebaut wie<br />
Wanderschuhe, nur mit einer Bergsohle.» Zum<br />
anderen kann Leichtbau auch einen Verlust von<br />
Steifigkeit bedeuten. Denn natürlich funktioniert<br />
das Prinzip auch umgekehrt: In Form steigeisenfester<br />
Bergschuhe, deren weiche Sohle zwar<br />
wunderbar abrollt und beim Wandern ein Genuss<br />
ist, auf kleinen Tritten oder im Eis aber die<br />
letzten Prozent Steifigkeit vermissen lässt.<br />
PASSEN MUSS ER – AUCH ZUM ZWECK<br />
Klar ist: Das eigentliche «Problem», den die<br />
fortschreitende Diversifizierung des Bergschuhregals<br />
mit sich bringt, besteht in der Qual der<br />
Wahl. «Leider ist es so, dass viele Leute mit zu<br />
leichtem, zu weichem Schuhwerk unterwegs<br />
sind – angesichts der Touren, die sie angehen»,<br />
sagt Schärer, «bei Damen ist das noch eher der<br />
Fall als bei Herren, die nebenbei oft noch einen<br />
härteren Schuh haben.» Mit ihrer gestrobelten<br />
Machart und angespritzten Sohle überzeugen<br />
Leichtbergschuhe im Laden auf Anhieb: Sie sind<br />
am Fuss kaum spürbar und vor allem bequem –<br />
und erfüllen damit das jahrzehntelange Mantra<br />
des Schuhverkäufers: «Passen muss er!» Das<br />
stimmt. Passen müssen heutige Multifunktionsmodelle<br />
aber nicht nur am Fuss des Kunden,<br />
sondern auch zum Einsatzzweck und zum<br />
individuellen Leistungsvermögen. «Im weglosen<br />
Geröll wird die Standhaftigkeit mit einem zu<br />
leichten Schuh sehr schnell schwierig, und anstrengend<br />
noch dazu», so Schärer. «Jemand mit<br />
gut ausgebauter Muskulatur, der schnell und oft<br />
geht, fühlt sich in solch einem Gelände auch mit<br />
leichteren Schuhen wohl. Der Durchschnittsbergsteiger<br />
ist da schneller ermüdet.»<br />
Es ist gut, dass wir die Zeit der bleischweren<br />
und bocksteifen Schuhe, die völlig geländeunabhängig<br />
auf jeder Bergtour zum Einsatz kamen,<br />
hinter uns gelassen haben. Die riesige Auswahl<br />
von heute bedeutet aber auch: Der Schuhkauf ist<br />
beratungsintensiver denn je. Beim Blick auf die<br />
kommenden Kollektionen ist Schärer einerseits<br />
begeistert, andererseits auch etwas besorgt.<br />
«Nehmen wir beispielsweise den Veloce GTX von<br />
Dolomite. Das ist ein tiefes Modell, aber mit<br />
steigeisenfester Sohle und kleiner Gamasche.<br />
Theoretisch könnte man mit dem Velo zum Berg,<br />
dann Wandern, über Felsgelände aufsteigen und<br />
mit Steigeisen über einen Firngrat zum Gipfel –<br />
alles mit einem Schuh. Aber für mich ist das ein<br />
Spezialistenschuh – ich denke nicht, dass jeder<br />
damit umgehen kann.» Neben einem ehrlichen<br />
Blick auf das eigene Können hat Schärer aber<br />
auch noch einen konkreten Tipp parat: «Für einen<br />
sicheren Abstieg rate ich wirklich stark zu einem<br />
Schuh mit Absatz. Der bringt einfach sehr viel<br />
Halt gegen Rutschen.»<br />
FOTO: LOWA / BERND RITSCHEL<br />
ALVERSTONE II GTX<br />
HANWAG<br />
Gewicht 1460 g / Paar (Grösse 8)<br />
Preis CHF 335.–
RUBRIK UNTERRUBRIK<br />
WEGWEISER GRAT-KLETTERN<br />
GIB MIR<br />
DIE KANTE<br />
GRANDS CHARMOZ –<br />
AIGUILLE DU GRÉPON<br />
IN HISTORISCHE HÖHEN<br />
Charakter: Lang, anstrengend, und die gesamte<br />
Klaviatur des Alpinismus bespielend. Die Überschreitung<br />
von Charmoz und Grépon gehört zu<br />
den grossen Touren oberhalb von Chamonix –<br />
trotz ihrer relativ geringen Gipfelhöhe (3482 m).<br />
Schwierigkeiten: Firn bis 45°, Stelle VI (5c),<br />
z.T. anstrengende Riss- und Verschneidungskletterei.<br />
Lang!<br />
Ausrüstung: Doppelseil (50 m), 8-10 Expressschlingen,<br />
Bandschlingen, Satz Keile, Satz<br />
Friends (1-3), Abseilgerät.<br />
Beste Jahreszeit: Mitte Juni bis Anfang August,<br />
zuvor liegt zu viel Schnee, danach wird der Bergschrund<br />
heikel.<br />
Abstieg: Abseilpiste vom Grépon, dann über<br />
Gletscher und Wanderweg zurück zur Midi-Bahn.<br />
nismus darstellt. Mit der Begehung des Mummery-Risses<br />
wurden Schwierigkeiten bewältigt, die man bis dato nicht<br />
für vorstellbar hielt. Steckt man heute im ebenso abweisenden<br />
wie berühmten Mummery-Riss, kann man sich<br />
wiederum nicht vorstellen, wieso dieser Riss früher nur<br />
mit dem IV. Grad bewertet wurde. «Gefühlt 6b», orakelte<br />
ein Begeher nach vollbrachter Tat. Letztlich ist der Mummery-<br />
Riss aber nur der Höhepunkt der Tour; das i-Tüpfelchen<br />
in einem der schönsten und komplettesten Wege im gesamten<br />
Mont-Blanc-Gebiet. Charmoz-Grépon – eigentlich<br />
nur zwei kurze Worte. Und doch spiegeln sie die ganze<br />
Welt des Alpinismus oberhalb von Chamonix wieder.<br />
Hat man den Mummery-Riss<br />
geschafft, wartet die Belohnung<br />
in Form eines ebenen Standoder<br />
besser: Sitzplatzes.<br />
TEXT & FOTOS RALF GANTZHORN<br />
Feldspat, Quarz und Glimmer – die vergess’ ich nimmer! Wer für<br />
die Bestandteile von Granit einen Merkspruch braucht,<br />
sollte diese vier Granit-Grate unter die Sohlen nehmen. Eindrücklicher<br />
kann man die Geologie der Alpen schlicht nicht studieren.<br />
Kurz vor dem Gipfel von Turm<br />
2 bei der Überschreitung des<br />
Salbitschijen-Westgrates. Die<br />
Urner Zentralalpen mit Galenstock<br />
(ganz links), Dammastock<br />
und Sustenhorn im Hintergrund.<br />
Als Albert Frederick Mummery zum dritten Mal auf<br />
der Aiguille du Grépon stand, prägte er scherzhaft<br />
die drei Stadien eines jeden Berges: «Ein unersteigbarer<br />
Gipfel – die schwierigste Route in den Alpen –<br />
an easy day for a lady». Hintergrund dieses wunderbaren<br />
Ausspruchs war, dass die stolze Granitnadel über Chamonix<br />
im 19. Jahrhundert jahrelang vergeblich versucht<br />
wurde. Bis zum 5. August 1881, als Mummery, geführt<br />
von den Schweizer Bergführern Burgener und Venetz, als<br />
erster den Gipfel des Grépon erreichte. Nur wenige Jahre<br />
später führte Mummery zwei der ersten fünf Wiederholungen<br />
durch, diesmal als Erster am Seil. Die Leichtigkeit,<br />
mit der Miss Bristow, eine seiner Seilpartnerinnen in jenen<br />
Tagen, die Schlüsselstelle der Tour, eben den «Mummery-<br />
Riss» meisterte, könnte den o.g. Ausspruch geprägt haben.<br />
Zumal Miss Bristow auch noch einen der damals unglaublich<br />
unförmigen Fotoapparate durch die Tour mitschleifte,<br />
und damit Mummery in seinem berühmten Riss<br />
für die Ewigkeit festhielt. Andererseits schrieb Mummery<br />
nur wenige Zeilen später, dass er die Route als eine der<br />
Schwierigsten betrachte, die er jemals gemacht habe.<br />
Was also erwartet einen bei der Überschreitung von Grands<br />
Charmoz und Grépon? Fakt ist, dass die Erstbesteigung<br />
des Grépon den Beginn einer neuen Entwicklung im Alpi-<br />
«Gefühlt 6b: Kaum<br />
vorstellbar, dass der<br />
Mummery-Riss<br />
früher mit dem IV. Grad<br />
bewertet wurde.»<br />
22 INSPIRATION 02 / 2019<br />
23
WEGWEISER<br />
GRAT-KLETTERN<br />
SCIORA DAFORA –<br />
FUORIKANTE<br />
DER JÜNGSTE GRANIT<br />
DER ALPEN<br />
Hinweis: Seit dem Bergsturz am Cengalo ist das<br />
Bondasca-Tal offiziell gesperrt!<br />
Charakter: Herrlich ausgesetzte Kletterei an<br />
einer (gefühlt) rasiermesserscharfen Kante.<br />
Schwierigkeiten: VII+ oder VI, A1; 21 Seillängen.<br />
Die unteren 12 Seillängen wurden 1998 mit<br />
Bohrhaken eingerichtet.<br />
Ausrüstung: Doppelseil, 10 Expressschlingen,<br />
Bandschlingen, Satz Keile, Satz Friends, Abseilgerät.<br />
Beste Jahreszeit: Juli bis September.<br />
Die Tour: Die Kletterei folgt im unteren Teil den<br />
Bohrhaken. Der obere Teil ist unglaublich ausgesetzt<br />
und verläuft direkt auf der Kante bzw. etwas<br />
links davon. Schlüsselstelle ist eine Bohrhakenreihe,<br />
die mithilfe von Schlingen überwunden<br />
wird. Frei ist diese Seillänge mit VII+ eingestuft.<br />
Abstieg: Der Abstieg erfolgt entweder klassisch<br />
über den Normalweg am Ostgrat und den<br />
Cacciabella-Pass (lang) oder abseilend über die Via<br />
Noemi am Torre Innominata. Auch hier muss man<br />
durch Bergsturzgelände queren. Achtung! Manchmal<br />
müssen noch Schneefelder gequert werden,<br />
die Mitnahme eines Pickels erscheint ratsam.<br />
Eine der luftigsten<br />
Kletterstellen der<br />
Alpen: Micha Stacheder<br />
an der Fuori-Kante.<br />
GROSS FURKAHORN –<br />
OSTSÜDOSTGRAT<br />
HIMMELSLEITER IM<br />
HERZ DER ALPEN<br />
Charakter: Wunderschöne Genusskletterei in<br />
bestem Furka-Granit. Aufgrund der relativ geringen<br />
Schwierigkeiten an sonnigen Wochenenden<br />
ziemlich beliebt. Der perfekte Einstieg in die Welt<br />
der alpinen Granitgrate.<br />
Schwierigkeiten: IV+, rund 750 Klettermeter.<br />
Ausrüstung: Seil (50 m), 6-8 Expressschlingen,<br />
Bandschlingen, Satz Keile, 3-4 mittlere Friends<br />
(1-3), Abseilgerät.<br />
Beste Jahreszeit: Anfang Juli – Mitte September.<br />
Die Tour: Der Einstieg zum Grat befindet sich<br />
ostseitig wenige Meter rechts der Kante. Danach<br />
folgt man durchgehend der Kante. Ausnahme ist<br />
ein roter Turm nach ca. sechs Seillängen, der im<br />
Normalfall südseitig umgangen wird. Die Gipfelnadel<br />
erreicht man von Norden.<br />
Abstieg: Von der Gipfelnadel nach Süden abseilen.<br />
Anschliessend über Geröll und Blöcke zum<br />
grossen Band in der Südwand. Nochmals 40 m<br />
bzw. 20 m abseilen und über einen steilen Graspfad<br />
zum Einstieg. Anschliessend auf bekanntem<br />
Weg zurück zum Pass.<br />
Schaut man auf eine Karte der Alpen, fällt der Blick<br />
aller Wahrscheinlichkeit nach ohne grosse Umschweife<br />
auf das Gross Furkahorn. Nicht, dass es<br />
als solches irgendwie markiert wäre und man es damit<br />
einwandfrei lokalisieren könnte, nein – dafür ist der<br />
Berg nicht bedeutend genug. Aber das Furkahorn hat einen<br />
Vorteil – es liegt nämlich mittendrin. Heisst, von<br />
seinem Gipfel kann man so ziemlich alles, was Rang und<br />
Namen hat, prima erkennen. Vom Finsteraarhorn über<br />
die Walliser Riesen bis hin zum nahe gelegenen Galenstock<br />
macht das Gipfelpanorama (besser Nadelpanorama)<br />
einiges her. Mittendrin heisst aber auch, dass sich<br />
so ziemlich jede Regenwolke, egal ob von Süden oder<br />
Norden kommend, hier entleert. Man studiere also gut<br />
den Wetterbericht, bevor man sich in die Furkaregion<br />
aufmacht. Stabiles Hochdruckwetter ist Pflicht. Scheint<br />
jedoch die Sonne, erlebt man Klettergenuss, wie man<br />
ihn angesichts des von unten etwas schrofig wirkenden<br />
Berges nicht vermuten würde.<br />
Bester Granit, wahrscheinlich vom vielen Wasser poliert,<br />
erwartet den Aspiranten. Nie wirklich schwer und voller<br />
griffiger Überraschungen. Schön auch, dass sich Berge<br />
steigern können, denn die schönsten Meter kommen zum<br />
Schluss: Die Gipfelnadel verdient ihren Namen, bietet sie<br />
doch nicht mal Platz für eine Seilschaft. Schade, denn<br />
mittendrin geniesst man die Aussicht besser zu zweit.<br />
Die Bondasca: Ein Tal von herber, nordisch anmutender<br />
Schönheit oberhalb von pittoresken Dörfern,<br />
mit wundervollen Kastanienhainen und einem<br />
Hauch mediterranen Charmes. Zentraler Blickpunkt im<br />
Kranz seiner Umrahmung ist natürlich der berühmte Piz<br />
Badile, aber die Natur hat auch einen zauberhaften Kontrapunkt<br />
gesetzt: Die Nadeln und Türme der Sciora-<br />
Gruppe. Sciora Dafora, Punta Pioda, Ago di Sciora. Und<br />
dazwischen der höchste Berg der Gegend: der Piz<br />
Cengalo. Der hat in den letzten Jahren leider mehrfach<br />
für negative Schlagzeilen gesorgt, zuletzt 2017.<br />
Am 23. August brachen über 3 Millionen Kubikmeter Gestein<br />
aus einer instabilen Zone der Nordwand, Muren<br />
verwüsteten das gesamte Bondasca-Tal. Acht Menschen<br />
gelten seitdem als vermisst. Dieses Ereignis hat das Leben<br />
im Bergell nachhaltig verändert. Der Piz Cengalo ist<br />
noch immer nicht zur Ruhe gekommen, die Zufahrtsstrasse<br />
ins Tal ist zerstört und die beiden Ausgangshüt-<br />
ten für sämtliche Kletterrouten im Gebiet, die Sasc-Furäbzw.<br />
die Sciora-Hütte, sind bis auf weiteres geschlossen.<br />
Ob sich das 2019 ändern wird, ist derzeit unklar. Und somit<br />
ist auch der Zustieg zu unserer Route an der Sciora<br />
Dafora im Moment nur über das Albigna-Tal und den<br />
Cacciabella-Pass möglich. Und sie erfordert ein Biwak.<br />
Wer diese Mühen auf sich nimmt, darf sich auf die vielleicht<br />
spektakulärste Kante der Alpen freuen. Der untere<br />
Teil wurde 1998 durchgehend mit Bohrhaken eingerichtet.<br />
Man umgeht damit einen weiteren Bergsturz,<br />
der Ende der 60er-Jahre die ursprüngliche Route verwüstete.<br />
Weiter oben wird die Hakendichte deutlich geringer,<br />
dafür warten einige sehr luftige Kletterstellen auf<br />
den Vorsteiger. Nur mit Samtpfoten mag man sich dort<br />
festhalten, denn genau von hier lösten sich damals die<br />
jetzt im Tal befindlichen Felsbrocken. Ein mulmiges Gefühl,<br />
denn selten wird einem so drastisch vor Augen geführt,<br />
dass auch der jüngste Granit der Alpen (mit 30<br />
Millionen Jahren) vergänglich ist.<br />
Freude jetzt, Pause später! An<br />
der Gipfelnadel des Gross Furkahorn.<br />
Sitzen geht erst nach<br />
der Abseilerei...<br />
24 INSPIRATION 02 / 2019<br />
25
WEGWEISER GRAT-KLETTERN<br />
SALBITSCHIJEN-<br />
WESTGRAT<br />
TRUMPF IM GRAT-<br />
QUARTETT<br />
Charakter: Der «Rolls-Royce» unter den Granitgraten,<br />
ein extravagantes Klettervergnügen für<br />
ausdauernde und schnelle Seilschaften.<br />
Schwierigkeiten: VII, A1, ca. 34 SL. Obwohl die<br />
Tour mit Bohrhaken eingerichtet ist, definitiv<br />
kein Plaisir-Vergnügen.<br />
Ausrüstung: Doppelseil (50 m), 10-12 Expressschlingen,<br />
Bandschlingen, Satz Keile, Satz<br />
Friends (1-3), Abseilgerät.<br />
GESTEIN<br />
OHNE<br />
GNADE<br />
Rauhe Granitrouten fordern ihren<br />
Tribut von Mensch und Material.<br />
Wer sich durch gemeine Offwidth-<br />
Risse quält und über rasiermesserscharfe<br />
Himmelsleitern tanzt,<br />
braucht ordentliche Ausrüstung.<br />
Unsere Tipps für Klettern im Granit.<br />
«Granitgrate sind für mich<br />
Abenteuer pur! Auf dem Gipfel<br />
entlädt sich die hohe Anspannung<br />
von unterwegs und macht<br />
tiefer Genugtuung Platz.»<br />
ANDREA GREINER<br />
BERGSPORTBERATERIN<br />
FILIALE AARAU<br />
BÄCHLI<br />
ON TOUR<br />
Lust auf Granitgrate, aber noch nicht das<br />
nötige Know-how? Bächli Bergsport bietet<br />
mehrmals im Jahr Grundkurse für das Klettern<br />
von Mehrseillängen-Routen. Dabei<br />
stehen von der Materialkunde über die richtige<br />
Taktik bis zum Standplatzbau viele Inhalte<br />
auf dem Lehrplan – etwa vom 25. bis 26. Mai<br />
2019 im Tessiner Maggiatal. Alle Infos und<br />
noch mehr Kurse und Tourenangebote unter:<br />
baechli-bergsport.ch/<br />
de/baechliontour<br />
Der Swing an der Gipfelnadel<br />
ist der Höhepunkt<br />
jeder Begehung des<br />
Salbitschijen.<br />
Beste Jahreszeit: Mitte Juni bis Anfang September.<br />
Zuvor liegt zu viel Schnee, danach werden<br />
die Tage zu kurz.<br />
Abstieg: Auf abgesichertem Weg zunächst am<br />
Ostgrat und dann nach Norden zurück zur Hütte.<br />
Achtung bei Neuschnee!<br />
W<br />
enn es einen Preis für die schönsten Klettergrate<br />
der Alpen geben würde – der «Salbit»<br />
wäre mit Süd- und Westgrat gleich doppelt unter<br />
den Top 5. Welcher ist der Schönere? Deutlich kürzer<br />
und harmonischer ist der Südgrat, eine «Symphonie in<br />
Granit», wie ihn Hans Berger einst betitelte, der ehemalige<br />
Hüttenwart der Salbithütte und Hausmeister des Gebietes.<br />
Sehr viel länger und schwerer, teils aber auch recht<br />
ruppig, ist der Salbit-Westgrat. Er wäre der Trumpf in jedem<br />
Grat-Quartett: Über 30 Seillängen, nicht wenige im<br />
VI. Grad und darüber, knapp 1400 Klettermeter und sieben<br />
Abseilstellen, verteilt auf sechs Türme. Beginnen sollte<br />
man daher in der Dämmerung. Ob man vom Biwak direkt<br />
unterhalb des Grates startet oder von der etwa anderthalb<br />
Stunden entfernten Hütte, ist Geschmackssache. Letztere<br />
bietet ein gutes Frühstück und wird beim Abstieg über den<br />
Normalweg ohnehin passiert. Ab etwa Mitte Juli gibt es<br />
im Biwak keinen Schnee mehr, das Wasser muss dann<br />
selbst mitgebracht werden.<br />
Wach wird man gleich in der ersten Seillänge. Der siebte<br />
Grad erfordert herzhaftes Zupacken im Schein der Stirnlampe.<br />
Wer hier Schwierigkeiten hat, sollte abseilen. Danach<br />
wird es etwas gemütlicher und man erreicht den<br />
ersten Turm. Auf den zweiten gelangt man durch einen<br />
traumhaften Riss – vielleicht der edelste Teil des Gesamtkunstwerkes.<br />
Die schwierigste Stelle ist in den meisten<br />
Topos gar nicht markiert: ein kleines, ca. fünf Meter hohes<br />
Wändchen auf dem Weg zum dritten Turm. Ich persönlich<br />
kenne niemanden, der hier nicht in den optimal angebrachten<br />
Haken gegriffen hat. Höhepunkt am Salbit ist<br />
die Gipfelnadel, wo sich die beiden Grate zum absoluten<br />
Höhepunkt treffen. Wie am Furkahorn ist auch diese Nadel<br />
zu spitz für Gipfelgenuss in Zweisamkeit.<br />
Informationen zum Grat-Klettern<br />
finden Sie unter:<br />
baechli-bergsport.ch/grat-klettern<br />
SCHLAUE<br />
SCHALE<br />
Der Mammut Wall Rider MIPS ist als erster<br />
Helm mit der patentierten und preisgekrönten<br />
(ISPO Award 2018) MIPS-Technologie ausgestattet.<br />
Dabei wird eine 0,5 bis 0,7 mm dünne,<br />
reibungsarme Gleitschicht im Helm verbaut,<br />
die seitlich auftreffende Kräfte – niemand<br />
stürzt immer kerzengerade – teilweise umlenken<br />
kann. Das reduziert vor allem die Gefahr<br />
einer Hirnverletzung. Beim Tragen merkt man<br />
davon aber nichts: Der Wall Rider MIPS ist<br />
komfortabel wie eh und je und auch das Gewicht<br />
wird durch die MIPS-Technologie kaum<br />
höher. Die MIPS-Technologie wird seit 1996 in<br />
Schweden erforscht. Mit Clips zur Stirnlampenbefestigung,<br />
zertifiziert nach EN 12492.<br />
WALL RIDER MIPS<br />
MAMMUT<br />
Gewicht 225 g<br />
Preis CHF 205.–<br />
GRANIT<br />
GREIFER<br />
Camalots, wie Black Diamond seine Klemmgeräte<br />
nennt, haben einen legendären Ruf.<br />
Der Grund: Mit ihren zwei Achsen setzte der<br />
C4 neue Masstäbe, weil er einen grösseren<br />
Klemmbereich abdeckte. Bei der überarbeiteten<br />
Version ermöglichen optimierte Ausfräsungen<br />
an den Klemmbacken ein geringeres<br />
Gewicht bei gleicher Festigkeit. Weitere News:<br />
Die kleinen Grössen haben nun zweifarbige<br />
Schlingen. Und die grossen Grössen No. 4, 5<br />
und 6 können mithilfe einer Klammer nun im<br />
gespannten Zustand fixiert werden. Ein leichter<br />
Zug am Klemmbügel löst die Klammer<br />
wieder und das Klemmgerät kann sofort platziert<br />
werden. Das verringert den Platzbedarf<br />
am Klettergurt und erleichtert die Handhabung<br />
am Fels enorm.<br />
CAMALOT C4<br />
BLACK DIAMOND<br />
Gewicht 124 g (No. 1)<br />
Preis ab CHF 72.–<br />
ROT UND<br />
ROBUST<br />
Dann empfiehlt sich eine Hose wie die Mantra,<br />
bei der La Sportiva den Fokus auf die beiden<br />
wichtigsten Dinge gelegt hat: Bewegungsfreiheit<br />
und Langlebigkeit. Erreicht wird das aus<br />
einem Materialmix aus 96 Prozent Nylon und<br />
vier Prozent Spandex, der zudem leicht und<br />
schnelltrocknend ist. Der elastische Taillenbund<br />
sitzt bequem und rutscht nicht, vorgeformte<br />
Kniepartien erleichtern das Klettern in<br />
akrobatischen Zügen. Die seitliche Tasche für<br />
die Boulder-Bürste und die integrierte Schlaufe<br />
für den Magnesiabeutel machen die Mantra<br />
Pants zur ersten Wahl fürs Bouldern oder<br />
Klettern. Hier stimmen Funktion und Farbe!<br />
MANTRA W PANTS<br />
LA SPORTIVA<br />
Gewicht ca. 416 g<br />
Preis CHF 125.–<br />
26<br />
27
EXPERT BERGSTEIGERHELME<br />
SCHÜTZENDE<br />
SCHALE<br />
TEXT ALEXANDRA SCHWEIKART<br />
Es knallt, es rasselt, instinktiv drückt sich der Körper<br />
gegen den Fels. Ein dumpfer Schlag knallt gegen<br />
den Helm. Der Kopf brummt. Am Berg kommt<br />
nicht alles Gute von oben: Steine, Eisschlag oder<br />
der Karabiner des Seilpartners. Daher gehören<br />
Schutzhelme schon seit langer Zeit zur Standardausrüstung<br />
in den Bergen. Der Helm gehört zur<br />
sogenannten persönlichen Schutzausrüstung, kurz<br />
PSA, der Kategorie zwei. Definiert als Ausrüstung,<br />
die Bergsteiger vor «grossen Gefahren» bewahren<br />
soll. Die Zeiten, dass der Helm wie ein überdimensioniertes<br />
Plastik-Ei am Kopf drückte, sind glücklicherweise<br />
lange vorbei. Heute werden verschiedenste<br />
Materialien und Technologien aus der Kunststoffindustrie<br />
verwendet, die die Helme leicht und<br />
extrem robust machen. So verbaut Mammut seit<br />
diesem Jahr erstmals das in Bike- und Skihelmen<br />
längst etablierte MIPS-System in seinem Topmodell.<br />
Auch für die Puristen unter den Sportkletterern<br />
gibt es also keine Ausreden mehr.<br />
keine Verletzungen an Kopf und Halswirbelsäule<br />
erleidet. Ebenfalls wird die Energieaufnahme von<br />
der Seite, von vorne und von hinten gemessen. Einen<br />
Durchschlagstest mit einem spitzen Kegel<br />
aus einem Meter Höhe muss jeder Helm ebenfalls<br />
absolvieren. Ein weiterer Test prüft die Festigkeit der<br />
Bänder und Schnallen und den Halt des Helmes<br />
auf dem Kopf, wenn daran gezogen wird.<br />
«Ob man eher einen robusten Hartschalenhelm<br />
oder einen federleichten<br />
In-Mold-Helm mit grossen Belüftungsöffnungen<br />
braucht, hängt vom Einsatzort<br />
ab. Bei alpinen, steinschlaggefährdeten<br />
Touren empfehlen wir eher kleine Öffnungen<br />
für maximalen Kopfschutz.»<br />
Für die meisten Kletterer gehört er fix zur Tour: der Helm.<br />
Manche Modelle sind wahre Multisportler, andere sind eher etwas<br />
für Grammjäger. Das passende Modell hängt nicht nur<br />
vom persönlichen Einsatz ab, sondern vor allem von der Passform.<br />
ILLUSTRATION: SOPHIE KETTERER<br />
Expertentipp: In den Bergen herrscht keine «allgemeine<br />
Helmpflicht». Experten raten aber dazu,<br />
in allen Fällen einen Helm zu tragen, in denen<br />
Stein- oder Eisschlag vorkommen kann oder aber<br />
die Möglichkeit von unkontrollierten oder weiten<br />
Stürzen nicht ausgeschlossen werden kann.<br />
«Ich hab doch schon einen Helm zum Biken, braucht<br />
es da einen zusätzlichen zum Klettern?», mag<br />
manch einer sich fragen. Die Antwort ist kurz und<br />
eindeutig: Ja! Zum einen ist ein Bergsteigerhelm<br />
kein klassischer Sturzhelm, sondern schützt von seiner<br />
Machart her gegen herabfallende Gegenstände.<br />
Im Gegensatz zu einem Velo-Helm ist er daher nicht<br />
rund herum belüftet, sondern verfügt nur über mehr<br />
oder weniger grosse Öffnungen an den Seiten. Im<br />
Zentral- und Stirnbereich ist die Schale von Bergsteigerhelmen<br />
geschlossen, da hier die Hauptaufprallstellen<br />
für herabfallende Gegenstände oder<br />
Steinschlag sind. Der Kopfschutz für alpine Disziplinen<br />
muss die Normprüfung nach EN 12492 und die<br />
strengere, jedoch freiwillige UIAA-Norm 106 bestehen.<br />
Hier müssen die Helme den definierten Aufprall<br />
eines aus zwei Meter vertikal fallenden Prüfkörpers<br />
mit 5 Kilogramm standhalten. Die übertragene Energie<br />
auf den Kopf darf maximal 10 kN (EN) beziehungsweise<br />
8 kN (UIAA) betragen, damit der Träger<br />
MATTHIAS SCHMID<br />
PRODUKTMANAGER<br />
PASSFORM<br />
Entscheidend für den Komfort auf einer langen<br />
Tour ist die richtige Passform des Helmes, die<br />
Polsterung – und natürlich auch das Gewicht.<br />
Viele Helme gibt es in zwei verschiedenen Grössen.<br />
Für einen perfekten Sitz lassen sich die Gurte an<br />
den Ohren und am Kinn sowie das Kopfband am<br />
Hinterkopf anpassen. Nicht jeder Helm passt auf<br />
jeden Kopf, daher ist es sinnvoll, verschiedene Modelle<br />
vor dem Kauf anzuprobieren und ihn auch<br />
mit Mütze zu testen, falls ein Einsatz im Winter<br />
oder in den Übergangsjahreszeiten vorgesehen<br />
ist. Denn nur, wenn ein Helm passt und angenehm<br />
sitzt, ist er automatisch mit dabei. Denn ein Helm<br />
zuhause im Schrank schützt nicht.<br />
Expertentipp: Man sollte verschiedene Helme in einer<br />
der zwölf Bächli Bergsport Filialen anprobieren,<br />
auf seinen Kopf einstellen und damit umhergehen.<br />
Wichtig ist, dass der Helm nicht verrutscht und<br />
dass man nach oben blicken kann, ohne dass er die<br />
Sicht einschränkt. Und: Auch mit Mütze muss der<br />
Helm gut passen, wenn man an kalten Tagen oder<br />
in Eis und Schnee unterwegs sein möchte.<br />
28<br />
INSPIRATION 02 / 2019<br />
29
EXPERT BERGSTEIGERHELME<br />
RÜCKZUG AUS DER WAND<br />
WIE LANGE HÄLT<br />
EIN KLETTERHELM?<br />
Generell gilt die Angabe des Herstellers in der<br />
Gebrauchsanleitung, die dem Helm beiliegt<br />
oder online gelesen werden kann. Meistens<br />
wird dort eine maximale Lebensdauer von<br />
zehn Jahren ab Herstellung angegeben. Hier<br />
gibt es zweierlei zu beachten: das Datum des<br />
Kaufs und das Datum der Herstellung sind<br />
nicht dasselbe. Zweitens gilt die maximale<br />
Lebensdauer nur, solange das Produkte keine<br />
Schäden durch Stürze, Steinschlag, Chemikalien,<br />
Batteriesäure, Hitze oder scharfe Kanten<br />
erlitten hat. Nach solch einer Beschädigung<br />
muss der Helm sofort getauscht werden. Die<br />
Lebensdauer des Helmes kann sich also auf<br />
eine einzige Bergtour reduzieren!<br />
Als Faustregel gilt: Hegt man den geringsten<br />
Zweifel an der Sicherheit eines Helms, sollte<br />
man sich einen neuen zulegen. Daher sollte<br />
der Kletterhelm regelmässig überprüft werden,<br />
jedoch mindestens einmal pro Jahr. Zur Überprüfung<br />
kann man entweder die nächste Bächli<br />
Bergsport Filiale aufsuchen oder folgendermassen<br />
vorgehen:<br />
1. Überprüfung der Kennzeichnung<br />
und des Herstellungsjahres<br />
(Aufdruck oder Aufkleber im Helm):<br />
Hier sind die Basisinformationen aufgelistet:<br />
Hersteller, Handelsname, Typ, Modellbezeichnung,<br />
EN 12492, Herstellungsjahr und Quartal,<br />
Grösse oder Grössenbereich, CE-Kennzeichnung.<br />
Manche Hersteller haben eine spezielle Seriennummer,<br />
die sich mit Hilfe der Gebrauchsanleitung<br />
entziffern lässt.<br />
2. Sicht- und Funktionsprüfung:<br />
DIE VERSCHIEDENEN HELMTYPEN<br />
Hartschalenhelme<br />
Hartschalenhelme, wie beispielsweise der Petzl Elia,<br />
bestehen aus einer harten Kunststoffschale mit einem<br />
Tragesystem aus Bandmaterial. Bei einem Aufprall<br />
dehnen sich die Bänder und die Schale wird<br />
elastisch verformt – die Aufprallenergie wird so absorbiert.<br />
Diese Helme halten auch sogenannten<br />
Multi-Impact-Situationen stand, wie einem schwereren<br />
Steinschlag. Oft haben diese Helme einen zusätzlichen<br />
Einsatz aus EPS oder EPP im Zentrum,<br />
der zusätzlich die Aufprallenergie absorbiert.<br />
robuste Helme, Multi-Impact-resistent<br />
schwer, oft nicht so gut belüftet<br />
Hybridhelme<br />
Hybridhelme, wie der Petzl Boreo, verfügen über<br />
eine harte Kunststoffschale aussen, kombiniert mit<br />
einem Hartschaumeinsatz aus EPP und/oder EPS.<br />
Die Aufprallenergie wird absorbiert, indem die<br />
Schale die auftretende Kraft verteilt und der Hartschaum<br />
der Innenschale sich plastisch verformt.<br />
Vorsicht: Diese Helme können nach einem Aufprall<br />
äusserlich völlig intakt aussehen, durch die Aufprallenergie<br />
ist der Schaum im Inneren aber beschädigt.<br />
Unbedingt nach einem Aufprall überprüfen. Spannend:<br />
Mammut hat seit 2018 einen Helm namens<br />
«Wall Rider» mit MIPS-Technologie im Programm,<br />
das den Kopf und speziell das Gehirn bei schrägen<br />
Aufprallszenarien besser schützt.<br />
leicht<br />
Beschädigungen im Inneren<br />
sind nicht so einfach zu sehen<br />
Grym Evo Jacket<br />
Der ideale Partner für alle kommenden Trekkingausflüge.<br />
Die robuste und hochfunktionelle 3-Lagen-Shelljacke ist<br />
aus sorgfältig ausgewählten, nachhaltigen Materialien<br />
gefertigt. Ausgestattet mit der Haglöfs eigenen<br />
PROOF ECO-Technologie aus recyceltem Polyamid mit<br />
Ripstop besticht die Jacke durch seine herausragende<br />
Wetterfestigkeit und Langlebigkeit – und nutzt eine<br />
fluorcarbonfreie DWR. Haglöfs arbeitet bei der neuen<br />
Jacke mit flachen, ultraschallverschweißten Nähten,<br />
für einen optimalem Schutz und ein gleichzeitig stets<br />
angenehmes Tragegefühl.<br />
Our most sustainable<br />
waterproof technology<br />
Hier wird der Helm genau untersucht. Die<br />
Schnalle muss sich öffnen und schliessen lassen,<br />
die Bänder müssen verstellbar sein, dürfen<br />
sich nicht von allein öffnen. Die Befestigungen<br />
der Bänder am Helm dürfen nicht gebrochen<br />
sein und die Bänder selbst dürfen keinerlei<br />
Beschädigungen oder Schnitte aufweisen. Die<br />
Aussenschale muss von aussen und innen kontorolliert<br />
werden, dabei sollte man auf Kratzer,<br />
Deformationen, Einschlagstellen, Risse, Brandstellen<br />
und Abnutzungserscheinungen achten.<br />
Die Innenschale oder der Hartschaumeinsatz<br />
wird ebenfalls auf Risse oder Deformationen<br />
untersucht. Kommt es zu Verfärbungen durch<br />
intensive UV-Strahlung, Chemikalien oder<br />
Farben, sollte der Helm ebenfalls getauscht<br />
werden. Schaumstoffpolster sind oft abnehmbar<br />
und können gewaschen werden.<br />
In-Mold-Helme<br />
Bei der Konstruktion dieser Helme (z. B. Black Diamond<br />
Vector) wird im Spritzgussverfahren der EPSoder<br />
EPP-Hartschaum in eine Schale (meistens aus<br />
Polycarbonat) gespritzt. Die einzige Möglichkeit, die<br />
Aufprallenergie zu absorbieren, liegt bei den Helmen<br />
dieser Machart darin, dass sich der Hartschaum<br />
plastisch verformt. Etwa wie bei einem Apfel, der<br />
auf den Boden fällt: Die Schale reisst nicht ein, aber<br />
es entsteht eine braune Delle im Fruchtfleisch.<br />
leicht, gut belüftet<br />
manchmal schon nach einem leichten Treffer beschädigt,<br />
empfindlich im Rucksack oder Reisegepäck<br />
30<br />
www.haglofs.com<br />
Dalarna Sweden Est.1914
GIPFELTREFFEN TAMARA LUNGER<br />
Ganz entspannt – nach<br />
harten Routen an den Achttausendern<br />
hat Tamara<br />
Lunger erkannt: «Ich<br />
muss nicht immer den<br />
härtesten Weg gehen.»<br />
GIULIANO CAMERONI<br />
«ICH FOLGE MEINEN<br />
SCHMETTERLINGEN»<br />
Für Höhenbergsteigerin Tamara Lunger (33) werden die Berge,<br />
die sie getrieben haben, sich selbst zu treiben, mehr und<br />
mehr zu einem Ruhepol. Die Südtirolerin über Schattenseiten<br />
des Alpinismus und die Sonnenseiten des Berglebens mit<br />
Helikopter, Paraglide-Schirm und Schmetterlingen im Bauch.<br />
INTERVIEW CHRISTIAN PENNING<br />
Tamara, deine Welt sind die Berge.<br />
Tatsächlich warst du schon als Kind<br />
ein Fan von Heidi – wie kommt’s?<br />
Ach, man sieht’s ja im Film. Wenn<br />
sie oben ist am Berg, strahlt sie, ist<br />
glücklich und lacht. Die Stadt dagegen<br />
erdrückt sie. So geht’s mir halt auch.<br />
Auch jetzt noch, mit 33?<br />
Ja. Aber ich habe aufgehört, mich mit<br />
Heidi zu vergleichen (lacht) ..., weil ich<br />
der Meinung bin, dass jeder speziell<br />
und einzigartig ist. Jeder muss rausfinden,<br />
wie er sein Leben am besten<br />
lebt. Und da nützt auch kein grosses<br />
Vorbild. Ich muss zuerst mich kennenlernen<br />
und tief in mich hineinhören.<br />
Was kann ich gut? Was wünsche ich<br />
mir? Wo fühle ich die Schmetterlinge<br />
im Bauch? Und dann geht’s auf ...<br />
... zu den höchsten Gipfeln der Erde?<br />
Die Achttausender haben die vergangenen<br />
zehn Jahre eine sehr zentrale<br />
Rolle in meinem Leben gespielt. In<br />
der Öffentlichkeit bin ich das Mädel<br />
von den Achttausendern. Da höre<br />
ich ständig die gleiche Frage: Was<br />
ist das nächste Projekt? Es ist, als<br />
wäre ich eine Maschine, die immer<br />
nur liefern, liefern, liefern muss. Ich<br />
möchte nicht alleine darauf reduziert<br />
werden. Es gibt noch so viel mehr als<br />
die Berge, was die Schmetterlinge in<br />
mir fliegen lässt. Wenn ich mit dem<br />
Hubschrauber fliege oder male, fühle<br />
ich ähnlich. Ich probiere alles zu tun,<br />
was ich mir wünsche.<br />
Du hast den Pilotenschein für<br />
Hubschrauber. Wie bist du darauf<br />
gekommen Heli zu fliegen?<br />
Das spukte mir schon mit 14 Jahren<br />
durch den Kopf. Aber ich war lange<br />
nicht wirklich bereit, die Ausbildung<br />
durchzuziehen. Als ich 2015 starke<br />
Knieprobleme hatte, kam mein Bergsteigerkollege<br />
und Expeditionspartner<br />
Simone Moro auf mich zu. Er flog<br />
damals schon sechs Jahre lang selbst<br />
FOTO: CHRISTIAN PENNING<br />
32 INSPIRATION 02 / 2018<br />
33
GIPFELTREFFEN<br />
TAMARA LUNGER GIPFELTREFFEN<br />
Helikopter. Er sagte: «Ich kann dir<br />
deine Knieschmerzen nicht nehmen.<br />
Aber wenn du willst, lehre ich dich<br />
das Fliegen.» Und da habe ich die<br />
Schmetterlinge wieder gespürt. Ich<br />
hatte wieder etwas, wo ich meine<br />
ganze Energie, Konzentration und<br />
Passion hineinstecken konnte.<br />
Im Herbst 2017 hast du mit dem<br />
Gleitschirm die Sechstausender<br />
im indischen Himalaya umkreist.<br />
Siehst du dir die Berge mittlerweile<br />
lieber von oben an?<br />
Ich bin mit Aaron Durogati aus Meran<br />
im Tandem geflogen. Aaron ist zweifacher<br />
Weltmeister im Paragliden.<br />
Mir war zu diesem Zeitpunkt wichtig,<br />
ohne grosses Ziel der Zeit ihren Lauf<br />
zu lassen. Einen Monat lang haben wir<br />
uns einfach treiben lassen. Ein tolles<br />
Abenteuer, auch wenn es ganz anders<br />
war als meine Achttausender-Expedi-<br />
Lunger während der<br />
ersten Winterbesteigung<br />
des Nanga Parbat<br />
2016, die sie denkbar<br />
knapp aufgeben musste:<br />
«Am Gipfeltag habe<br />
ich nur gelitten.»<br />
tionen. In Zukunft ergeben sich sicher<br />
gute Möglichkeiten, Bergsteigen und<br />
Paragliden zu kombinieren. Dieser<br />
Trip hat mir ein Stück mehr Freiheit<br />
eröffnet.<br />
Ein paar Monate zuvor warst du<br />
auf Achttausender-Expedition am<br />
Kangchenjunga, wolltest danach<br />
kürzer treten, dem Körper eine Pause<br />
gönnen. Doch es gab noch andere<br />
Gründe, die höchsten Himalaya-<br />
Gipfel hinter dir zu lassen.<br />
Wir sind in Indien über wilde Berge<br />
geflogen, über Klöster und steile<br />
Schluchten, sind mit Adlern durch die<br />
Lüfte geschwebt. Dieser Trip hat mir<br />
gezeigt, dass ich nicht nur auf 8000<br />
Meter meine Freiheit und innere Ruhe<br />
finden kann, sondern auch in anderen<br />
Gegenden fernab der Zivilisation. Ich<br />
habe bei meinen Achttausender-<br />
Expeditionen immer wieder gespürt,<br />
«Immer öfter<br />
suche ich die<br />
Einsamkeit. Ich<br />
freue mich auf<br />
das, was mich der<br />
Berg lehrt.»<br />
dass in der Beziehung zwischen den<br />
Bergen und den Menschen, die aus<br />
aller Welt dort hin pilgern, etwas nicht<br />
stimmt. Diese Berggiganten ziehen<br />
Leute an, die zuhause vielleicht gar<br />
keine Berge besteigen und damit auch<br />
keine entsprechenden Wertvorstellungen<br />
entwickelt haben. Rücksicht<br />
ist für viele ein Fremdwort. Egal ob<br />
gegenüber der Natur oder gegenüber<br />
anderen Bergsteigern. Kameradschaft?<br />
In den Hochlagern wird gestohlen:<br />
Essen, Gas, Ausrüstung. Einige<br />
sind sogar so gewitzt, dass sie sagen:<br />
Ich bin leicht und schnell unterwegs.<br />
Ich verzichte auf ein Zelt. Dann legen<br />
sie sich einfach ins Zelt eines anderen.<br />
Mir ist das tatsächlich passiert. Dann<br />
die ganzen Reibereien, Streitereien,<br />
Eifersüchteleien, der Neid ...! Brutal!<br />
Mir nimmt das viel Energie. Energie,<br />
die ich eigentlich für den Berg bräuchte.<br />
Auch eine Form von «urban mountaineering».<br />
Da hat sich die Stadtwelt<br />
auf die höchsten Berge verlagert.<br />
All die Probleme der Gesellschaft<br />
sind mittlerweile auch an diesen<br />
heiligen Orten angekommen. Ich<br />
versuche immer, eine Verbindung mit<br />
dem Berg aufzubauen. Wenn ich<br />
mich dann in so negativen Situatio-<br />
FOTO: PRIVATARCHIV TAMARA LUNGER<br />
FOTO: ARCHIV THE NORTH FACE / MATTEO ZANGA<br />
nen wiederfinde, fühle ich mich dem<br />
Berg gegenüber schuldig für die<br />
Menschheit.<br />
Dabei wird Bergsteigen immer als Paradedisziplin<br />
des Teamgeists zitiert.<br />
Bisweilen ist da wenig dran. Höhenbergsteigen<br />
kann eine brutal egoistische<br />
Sache sein. Das Leben eines<br />
anderen zählt oft weniger als der<br />
Gipfel. Am Kangchenjunga war ein<br />
Sherpa einer anderen kommerziellen<br />
Expedition im Hochlager 4 in Not.<br />
Er konnte nicht mehr gehen. Als der<br />
Sherpa-Chef im Basislager davon hörte,<br />
spielte er auf seinem Smartphone<br />
weiter in Facebook, anstatt sich um<br />
die Rettung zu kümmern.<br />
Stress am Berg gibt es nicht nur an<br />
den Achttausendern. Im März 2018<br />
warst du Teil eines internationalen<br />
Athletenteams bei der von Red Bull<br />
organisierten Ost-West-Alpendurchquerung<br />
«Der lange Weg» von Wien<br />
nach Nizza – 1721 Kilometer und fast<br />
90̦000 Höhenmeter. Als ehemalige<br />
U23-Weltmeisterin im Skibergsteigen<br />
eigentlich genau dein Ding ...<br />
Für mich war diese Durchquerung<br />
das schlimmste Erlebnis in meinem<br />
Leben. Ich hatte Alpträume und<br />
jeden Tag 24 Stunden Stress. Zehn<br />
Tage lang habe ich mich mit einer<br />
Sehnenscheidenentzündung gequält.<br />
Nach drei Wochen bin ich ausgestiegen.<br />
Aber das war nicht das<br />
eigentliche Problem. Täglich gab es<br />
Streit, wie weit es gehen sollte. Die<br />
einen wollten 70 Kilometer machen,<br />
die anderen 45 oder 50. Von den 21<br />
Tagen sind wir 16 oder 17 nur nach<br />
GPS gegangen, weil das Wetter so<br />
schlecht war. Nebel links, Nebel<br />
rechts, von der Bergwelt haben wir<br />
nichts gesehen. Ich habe mich oft<br />
gefragt, was tu’ ich da eigentlich?<br />
Mein Weg, die Berge zu leben und zu<br />
erleben, ist ein ganz anderer.<br />
Was suchst du am Berg?<br />
Ich suche immer mehr die Einsamkeit.<br />
Es geht mir darum, Zeit zu<br />
haben für mich. Darum, mehr über<br />
mich zu lernen, mich zu verstehen<br />
und mich besser in die Natur eingliedern<br />
zu können. Ich meditiere, versuche<br />
mich mit der Energie am Berg<br />
zu verbinden. Was soll ich tun, was<br />
kann ich tun? Ist die Situation günstig<br />
oder ungünstig? Bei aller Faszination<br />
der Einsamkeit finde ich es natürlich<br />
schön, mit einem Team unterwegs<br />
zu sein. Das muss aber ein Team sein,<br />
das ich mir ausgesucht habe, mit<br />
dem ich mich super verstehe.<br />
Eiskalt – bei ihrer jüngsten<br />
Expedition zum Goa Pobeda in<br />
Sibirien drohten Temperaturen<br />
bis minus 70 Grad. Am Ende<br />
waren es «nur» minus 50.<br />
34 INSPIRATION 02 / 2019<br />
35
GIPFELTREFFEN TAMARA LUNGER<br />
In den Videos der Expeditionen mit<br />
Simone Moro (51) wirkt ihr beide wie<br />
ein lustiges Dreamteam.<br />
(Lacht). Anfangs war das gar nicht so.<br />
Er hat mich 2009 auf meine erste Höhenexpedition<br />
zum Island Peak mitgenommen,<br />
aber er war wie ein Vater.<br />
Er hat mir immer gesagt, Tamara, du<br />
musst dies tun, du musst jenes tun.<br />
Er wollte einen zweiten Simone aus<br />
mir machen. Beim Versuch unserer<br />
Winterbesteigung des Manaslu 2015<br />
schliesslich hat es sehr viel geschneit.<br />
So hatten wir viel Zeit zu reden: über<br />
Werte, übers Leben, über Einstellungen<br />
– darüber, wie der Mensch am<br />
Berg funktioniert. Wir haben herausgefunden,<br />
dass wir einfach perfekt<br />
zusammenpassen. Die Expedition war<br />
zwar nicht so erfolgreich, aber für<br />
mich war es trotzdem ein Erfolg: Wir<br />
haben uns wirklich kennengelernt.<br />
Deine aktuelle Expedition heisst<br />
Gesundheit. Klingt erst mal nicht so<br />
aufregend wie ein Achttausender.<br />
Für mich ist das ein ganz spannender<br />
neuer Weg. Seit meiner Jugend<br />
an der Sportoberschule habe ich<br />
meinen Körper geschunden. Mein<br />
Körper war der Sklave meiner<br />
mentalen Stärke, meines Kopfes,<br />
der ihm keine Ruhe gönnen wollte.<br />
Ich war total süchtig. Ich habe ja<br />
Sport studiert und weiss, man muss<br />
Pausen einhalten. Aber für mich<br />
galt das nicht. Das ist doch krank!<br />
Meine Knie, mein ganzer Körper<br />
haben gelitten. Die Schmerzen<br />
wurden immer häufiger und stärker.<br />
Aber ich wollte es nicht einsehen –<br />
bis mich im vergangenen Sommer<br />
ein guter Freund zu einem intensiven<br />
sportmedizinischen Check schickte.<br />
Und das Ergebnis?<br />
Die Ärzte haben mir sofort gesagt:<br />
«Nein, du gehst diesen Winter nicht<br />
auf Expedition.» Meine erste Reaktion<br />
war: «Ha, das werden wir schon<br />
sehen!» Aber nach einigen Stunden<br />
der Reflexion habe ich mir gesagt:<br />
«Ich habe genau zwei Möglichkeiten:<br />
Entweder ich richte mich selbst<br />
zugrunde. Oder ich bin das erste Mal<br />
in meinem Leben gescheit genug<br />
und entscheide mich für die Gesundheit.»<br />
Das habe ich getan. Es war<br />
ein Glücksgefühl, wie ich es selten<br />
erlebt habe.<br />
War das wirklich eine so spontane<br />
Entscheidung? Oder ist da etwas in<br />
dir gereift?<br />
Das Umdenken hat 2016 begonnen,<br />
als ich 70 Meter unterhalb des Nanga<br />
Parbat Gipfels umgekehrt bin. Ich<br />
hatte mich beim Aufstieg ins letzte<br />
Lager gut gefühlt. Doch am Gipfeltag<br />
habe ich nur gelitten, musste mich<br />
immer wieder übergeben. Kurz vor<br />
dem Gipfel war es, als hätte mich<br />
eine virtuelle SMS erreicht, in der<br />
stand: «Wenn du weitergehst, wirst<br />
du deine Familie nie mehr sehen.»<br />
Obwohl ich sonst oft Entscheidungsschwierigkeiten<br />
habe – in diesem<br />
Moment war mir absolut klar, was<br />
zu tun ist: Runtergehen! Absteigen!<br />
«Letzendlich hatte ich unendlich<br />
Glück.» Alex Txikon, Tamara Lunger,<br />
Simone Moro und Ali Sadpara (v.l.)<br />
im Februar 2016 am Nanga Parbat.<br />
MEHR ALS NUR<br />
ACHTTAUSENDER<br />
Tamara Lunger zählt zu den<br />
stärksten Alpinistinnen der Welt.<br />
Seit ihrer Jugend hat sie Wettkampfsport<br />
betrieben. 2008 holte<br />
sie den Weltmeistertitel im Skibergsteigen<br />
in der U23-Klasse.<br />
Zwischen 2010 und 2017 hat<br />
sie jedes Jahr mindestens eine<br />
Achttausender-Expedition unternommen.<br />
Ihr grösster Erfolg:<br />
Die Besteigung des K2 ohne<br />
Sauerstoff.<br />
Alles über ihre Expeditionen<br />
und Projekte:<br />
www.tamaralunger.com<br />
Lesestoff:<br />
Tamara Lunger, Meine Glückseligkeit<br />
an der Grenze zum Tod,<br />
Tappeiner Verlag.<br />
Video:<br />
Paragliden im Himalaya mit Aaron<br />
Durogati und Tamara Lunger,<br />
https://youtu.be/iByBNlojrQk<br />
FOTO: PRIVATARCHIV TAMARA LUNGER<br />
FOTO: CHRISTIAN PENNING<br />
Trotzdem hätte der Abstieg um ein<br />
Haar tödlich geendet.<br />
Beim Sprung über eine Gletscherspalte<br />
bin ich gestrauchelt und den<br />
Berg hinabgestürzt. Letztendlich<br />
hatte ich unendlich Glück. Nach 200<br />
Metern kam ich zum Stillstand –<br />
ehe ich in 3000 Meter tiefes Absturzgelände<br />
gerutscht wäre.<br />
Wird man nach solch einem Erlebnis<br />
noch demütiger, was schwierige<br />
Projekte am Berg betrifft?<br />
Die Natur ist eine so grosse Kraft.<br />
Man muss sich mit ihr verbünden,<br />
darf nicht gegen sie arbeiten. Das<br />
probiere ich gerade. Ich muss nicht<br />
immer den härtesten Weg gehen, wie<br />
ich es mein bisheriges Leben lang<br />
gemacht habe. Am Anfang hat mich<br />
diese Erkenntnis fast erschreckt.<br />
Aber ich bin zu 100 Prozent davon<br />
überzeugt: Wenn ich von meiner<br />
Expedition Gesundheit zurückkehre,<br />
gehe ich ganz anders auf die Berge.<br />
Ich bin nicht mehr auf dem Ego-Trip,<br />
sondern auf dem Seelen-Trip. Ich<br />
folge meinen Schmetterlingen. Und<br />
da bin ich auf dem richtigen Weg.<br />
Keine Angst vor Veränderungen:<br />
Ihre Expeditionen haben Tamara<br />
Lungers Urvertrauen gestärkt.<br />
„Bergerlebnisse mit meiner Familie sind mir<br />
genauso wertvoll wie Unternehmungen an Bergen<br />
weltweit wie dem Fitz Roy. Deuter ist für mich eine<br />
Marke mit Vergangenheit – und Zukunft!“<br />
MICHI BÜCKERS MIT DEM NEUEN TRAIL 30<br />
36
HOCHGENUSS WEIN IN DEN BERGEN<br />
«LA LISTE»<br />
12 GEHEIMTIPPS FÜR VINOPHILE HÖHENFLÜGE<br />
Genuss mit Tradition:<br />
Wein und Berge<br />
haben eine lange gemeinsame<br />
Geschichte<br />
– nur der Rahmen ist<br />
heute würdevoller.<br />
TEXT THORSTEN KALETSCH<br />
Alkohol auf der Bergtour?<br />
Dagegen gibt es viele Argumente.<br />
Nach der Tour ist gegen ein<br />
gutes Glas Wein nichts einzuwenden.<br />
Doch wie sieht es mit<br />
dem Angebot in den Bergen aus?<br />
<strong>Inspiration</strong> präsentiert eine<br />
Auswahl der zwölf besten Weinkarten<br />
auf über 2000 Metern.<br />
GUTER KELLER, EXKLUSIVE AUSWAHL<br />
Warme Dusche, Doppelzimmer, WLAN: Was den Komfort<br />
der bergsteigenden und wandernden Gäste betrifft, hat<br />
sich in den vergangenen Jahren in vielen SAC-Hütten einiges<br />
geändert. Doch finden sich auch Hütten mit einer<br />
Weinkarte, die diesen Namen tatsächlich verdient? Aber<br />
sicher! Zum Beispiel die Silvrettahütte, unterhalb des<br />
Silvrettagletschers, östlich von Klosters. Hüttenwart<br />
Marco Brot hat auf 2341 Metern über Meer in drei Jahren<br />
mit viel Herzblut eine Karte mit über 20 Weinen zusammengestellt.<br />
«Das Leben ist zu kurz, um schlechten<br />
Wein zu trinken», lautet sein Credo. Doch er gibt auch<br />
zu: «Natürlich brauchen wir hauptsächlich die günstigeren<br />
Weine, die um 25 Franken kosten. Es gibt aber immer<br />
wieder Gäste, die auch etwas Exklusiveres schätzen.»<br />
Warum Marco Brot diesen Aufwand betreibt? Der<br />
Hüttenwart findet, Wein sei einfach ein spannendes Gebiet<br />
und er habe auch das Glück, in der Hütte über einen<br />
guten Keller zu verfügen.<br />
FOTO LINKS: CHEZ VRONY, RECHTS: DIAVOLEZZA LAGALB AG / GIAN GIOVANOLI<br />
Den Gipfelwein, den lasse sein: Einen feinen Tropfen<br />
auf dem Gipfel zu entkorken, würde heute mindestens<br />
ein ungläubiges Kopfschütteln der anderen<br />
Bergsteiger provozieren. Doch in den Zeiten des Eroberungsalpinismus<br />
im 19. Jahrhundert war dies gang und<br />
gäbe. Damals prosteten sich die reichen Engländer auf<br />
dem Gipfel mit einem Glas Wein zu, steckten eine Visitenkarte<br />
in die leere Flasche und deponierten diese als<br />
Besteigungsbeweis auf dem Berg. Ambitionierten Berggängerinnen<br />
und Berggängern ist heute völlig klar, dass<br />
man auf Alkohol während der Tour verzichten sollte. Er<br />
vermindert nicht nur die Leistungsfähigkeit, sondern vor<br />
allem auch die Aufmerksamkeit. Und das kann sich<br />
beim Abstieg fatal auswirken.<br />
WANDERN IM AUFTRAG DES GESCHMACKS<br />
Doch nach der Tour oder dem Gipfelerfolg spricht nichts<br />
gegen den Genuss eines guten Tropfens beim fröhlichen<br />
Zusammensitzen in einer Berghütte oder einem Bergrestaurant.<br />
Aber wo lohnt sich der Blick in die Weinkarte in<br />
der Höhe ganz besonders? <strong>Inspiration</strong> hat sich auf den<br />
Weg gemacht und nach den zwölf besten Weinkarten auf<br />
über 2000 Metern über Meer gesucht. Klar, eine Recherche<br />
im Auftrag des guten Geschmacks ist anstrengend<br />
und aufwändig – das geflügelte Wort von der «Qual der<br />
Wahl» ist hier mehr als passend. Zugegeben, die vorliegende<br />
Top12-Liste ist eine subjektive Selektion. Es finden<br />
sich Beispiele aus drei Kategorien: Klassische Ausflugsziele,<br />
also Restaurants oder Hütten, die mit Bergbahnen<br />
oder über Skipisten erreichbar sind, Restaurants auf<br />
Pässen – und natürlich Berghütten.<br />
In der Chamanna Coaz in der Berninagruppe setzt man<br />
auf exquisite Tropfen. «Es gibt Gäste, die sich ärgern,<br />
wenn ihnen in einer SAC-Hütte Weine für über 40 Franken<br />
angeboten werden, aber es gibt auch die anderen, die<br />
gerne einen etwas edleren Wein bestellen», sagt Hüttenwartin<br />
Ursula Schranz. «Wir möchten, dass bei uns beide<br />
Lager auf ihre Rechnung kommen.» Obwohl es nicht einfach<br />
ist, die Weine in die Berghütten zu transportieren,<br />
gibt es noch weitere SAC-Hütten, die diesen zwei Beispielen<br />
folgen. Und Gäste, die zum Abendessen einen wirklich<br />
guten Tropfen schätzen, gibt es definitiv auch!<br />
Wer die Chamanna Coaz ganz am Ende<br />
des Val Roseg in der Bernina-Gruppe erreicht<br />
hat, hat sich Hochgenuss wahrlich verdient.<br />
38 INSPIRATION 02 / 2019<br />
39
HOCHGENUSS<br />
WEIN IN DEN BERGEN<br />
BERGHÜTTEN<br />
1. Silvrettahütte SAC (2341 m)<br />
Für die regionalen Speisen vom Holzherd<br />
und das selbstgemachte Brot ist<br />
die Hüttencrew bekannt – das Fünfgangmenü<br />
mit Weinbegleitung ist legendär.<br />
Der Satz auf der Website «In<br />
keiner anderen SAC-Hütte triffst du<br />
auf eine geschmackvollere Weinkultur»<br />
ist nicht übertrieben. Auf der Weinkarte<br />
gibt es über 20 Positionen, vor<br />
allem Weine aus der Region Österreich<br />
und Norditalien, die meisten zwischen<br />
25 und 50 Franken. Trouvaillen sind<br />
der Jeninser Blauburgunder von<br />
Gianbattista von Tscharner oder die<br />
Weine von Maurice Gay.<br />
2. Chamanna Coaz SAC (2600 m)<br />
Das Essen in der Hütte oberhalb des<br />
Lej da Vadret im Val Roseg ist für die<br />
Hüttenwarte Ursula und Ruedi Schranz<br />
und die Assistentin Priscilla Nussbaumer<br />
wichtig. Wenn immer möglich,<br />
wird auf dem Holzofen gekocht. Highlights<br />
sind neben der Gerstensuppe vor<br />
allem die Pizzoccheri, als Dessert die<br />
Schneecrème und der selbst angesetzte<br />
Schnaps Iva. Auch das Weinangebot<br />
mit zwei Weiss- und drei Rotweinen<br />
lässt sich sehen, darunter auch ein<br />
Syrah von Jean-René Germanier.<br />
PÄSSE<br />
3. Alpinhotel Grimsel Hospiz (1969 m)<br />
30 Höhenmeter fehlen dem sorgfältig<br />
restaurierten Viersternehotel zu 2000<br />
Meter-Marke. Sein Felsenkeller mit<br />
rund 300 Weinen gehört aber zum<br />
Besten, was es auf dieser Höhe in der<br />
Schweiz gibt. Attraktive Auswahl an<br />
Offenweinen und viele Trouvaillen,<br />
zum Beispiel ein Riesling Spätlese<br />
von Gantenbein. Exzellenter Querschnitt<br />
des Schweizer Weinschaffens,<br />
dazu tolle Bordeaux, Burgunder und<br />
Italiener sowie ein paar echte Raritäten<br />
aus den 70er- und 80er-Jahren.<br />
Ein gutes Glas<br />
Rotwein, wie hier<br />
im Berghaus Diavolezza,<br />
schmeckt<br />
auf fast 3000 Metern<br />
über Meer.<br />
4. Restaurant Vecchia Sosta,<br />
Gotthardpass (2114 m)<br />
Im ehemaligen Pferdestall in der «Alten<br />
Sust» werden jetzt Gerichte für Feinschmecker<br />
serviert, welche die traditionelle<br />
Passroute unter die Füsse<br />
oder unter die Räder genommen haben.<br />
Auch die Weinkarte genügt höheren<br />
Ansprüchen und enthält die eine oder<br />
andere Trouvaille.<br />
5. Albergo della posta,<br />
Splügenpass (2113 m)<br />
Gepflegter Speiseservice mit attraktiver<br />
Weinkarte in der Albergo und als Zugabe<br />
auf der italienischen Seite des<br />
Passes die «Enoteca da Fausto», die<br />
höchstgelegene Weinhandlung Europas.<br />
Und allein deren Angebot an italienischen<br />
Weinen ist eine Reise wert!<br />
AUSFLUGSZIELE<br />
6. Panoramarestaurant<br />
Muottas Muragl (2456 m)<br />
Seit Jahren bekannt für seine atemberaubende<br />
Weinauswahl. Weinliebhaber<br />
aus der ganzen Welt pilgern<br />
auf den Ausflugsberg im Oberengadin.<br />
Highlights: das Who is who aus<br />
der Bündner Herrschaft und alles,<br />
was das Herz von Wein-Fans begehrt,<br />
Pétrus und Pingus inklusive.<br />
7. Berghaus Diavolezza (2978 m)<br />
Im «Stübli» und auf der Panoramaterrasse<br />
gibt es schöne Offenweine,<br />
Bündner Herrschäftler, Walliser und<br />
vor allem Italiener, darunter ein<br />
Tignanello 2014 für 128 Franken. Und<br />
8. Moosalp VS (2048 m)<br />
Viele Walliser Spezialitäten, neben<br />
Petite Arvine, Heida, Ermitage, Resi,<br />
Humagne Rouge und Cornalin auch lokale<br />
Verrücktheiten wie ein Tempranillo<br />
oder ein Malbec. Daneben eine kleine<br />
Auswahl aus Italien, Spanien, Frankreich<br />
und Portugal, darunter auch ein<br />
Amarone von Corteforte für 89 Franken.<br />
9. Wasserngrat, Gstaad (1920 m)<br />
Das Lokal oberhalb von Gstaad liegt<br />
zwar knapp nicht auf 2000 Metern,<br />
wegen seiner exquisiten Weinkarte<br />
drängt es sich aber als Ausnahme für<br />
diese Top12-Liste auf. Exzellente Auswahl<br />
von Schweizer Spitzenweinen,<br />
dazu tolle Burgunder, Bordeaux und<br />
Italiener, Rieslinge und Trouvaillen,<br />
wie etwa ein 1989 Richebourg von<br />
DRC oder ein Vega Sicilia Unico 1990.<br />
10. Bergrestaurants Trutz, Suvretta<br />
(2211 m) und Chasellas (1936 m)<br />
Im Pistenrestaurant Trutz ist zwar<br />
Self-Service angesagt, trotzdem finden<br />
sich hier ansprechende Weine von<br />
FOTO: SWISS-IMAGE.CH / CHRISTOF SONDEREGGER<br />
Winzern wie Fromm, Heinrich oder<br />
Antinori. Unternehmerisch gehört der<br />
Betrieb zum 5-Sterne-Hotel Suvretta<br />
House in St. Moritz. Genauso wie das<br />
Restaurant Chasellas, das alles bietet,<br />
was die Herzen von Weinkennern höherschlagen<br />
lässt – Top Bordeaux und<br />
Supertoskaner inklusive.<br />
11. Hotel Chetzeron,<br />
Crans-Montana (2112 m)<br />
Im Luxushotel hoch über Crans-Montana<br />
spielt der Genuss eine grosse<br />
Rolle. Das spiegelt sich auch in der<br />
Weinkarte, die vor allem attraktive<br />
Gewächse aus dem Mittel- und dem<br />
Unterwallis umfasst. Auch ein paar<br />
gute Bordeaux sind zu finden, diese<br />
jedoch zu stattlichen Preisen.<br />
Die Karte für Wein-Highlights<br />
Bern<br />
4 5<br />
9<br />
3<br />
11<br />
8<br />
1<br />
6<br />
7<br />
10 2<br />
40 INSPIRATION 02 / 2019<br />
41
RUBRIK UNTERRUBRIK<br />
PARTNERCHECK TERNUA<br />
P A R T N E R C H E C K<br />
DER BASKISCHE<br />
LEUCHTTURM<br />
Das baskische Unternehmen Ternua schickt sich an, höchste<br />
Ansprüche an Nachhaltigkeit und Funktion in Einklang zu bringen.<br />
Eine Erfolgsformel lautet: Regional denken!<br />
TEXT THOMAS EBERT<br />
T E R N U A<br />
Plastico! Plastico!», ruft der Junge im Ausguck der<br />
«Mater». Ein Dutzend 15-jähriger Jungen und<br />
Mädchen beugt sich über die Reling und stochert<br />
aufgeregt mit Keschern im Atlantik herum. Dann ist<br />
der «Fang», ein ziegelsteingrosses Stück Styropor, im<br />
Netz. Es bleibt die einzige nennenswerte Ausbeute, die<br />
die Schülerinnen und Schüler aus San Sebastian heute<br />
an Bord der «Mater» ziehen. «Normalerweise fangen<br />
wir mehr. Der starke Südwind der letzten Tage hat den<br />
Müll weit hinaus auf das Meer getrieben», meint Izaskun<br />
Suberbiola. Die Vorsitzende des Vereins «Itsas Gela»<br />
koordiniert die Ausflüge mit dem alten Fischerkahn und<br />
zeigt Touristen, wie man die Meere sauber hält – und<br />
Schülern, für die das sogar Teil des Lehrplans ist.<br />
Aber was hat eine nach Plastik fischende Schulklasse<br />
mit der baskischen Outdoormarke Ternua zu tun? Dazu<br />
muss man etwas weiter ausholen. Als die Firma 1994<br />
gegründet wurde, erinnerte man sich an baskische Walfänger,<br />
die im 16. Jahrhundert sogar bis Neufundland<br />
– auf Spanisch «Terranova», auf Baskisch «Ternua» –<br />
vorstiessen. Natürlich sei es nicht Ternuas Ziel, den um<br />
1900 eingestellten Walfang wiederzubeleben, sagt Imanol<br />
Muñoz, Global Marketing Director bei Ternua. Vorbildhaft<br />
war eher der Wagemut der Fischer gewesen, neue Wege<br />
zu beschreiten: «Die Gründer wollten ein Unternehmen<br />
formen, das anders ist. Zurück zur Natur, das war der<br />
Grundgedanke», erzählt Muñoz. Noch im Gründungsjahr<br />
übernahm Ternua bei der «Whale and Dolphin Conservation»<br />
die Patenschaft für vier Buckelwale, die allesamt<br />
noch in den Weltmeeren unterwegs sind.<br />
DER KREISLAUF ALS MASSSTAB<br />
Vor allem aber schrieb Ternua den Begriff der Nachhaltigkeit<br />
dick und fett in die Unternehmensstrategie. Und<br />
weil man im eingeschworenen Baskenland gerne regional<br />
denkt, setzt man diese Strategie bei Ternua als erstes vor<br />
der Haustüre um. Mit dem Red-, dem Nut- und dem Sea-<br />
Cycle fahren die baskischen Bekleidungshersteller gleich<br />
drei Programme, die zur Verbesserung der Produktions-<br />
42 INSPIRATION 02 / 2019<br />
43
PARTNERCHECK TERNUA<br />
Entwicklungschef Eduardo «Edu»<br />
Uribesalgo und ein Ballen Wolle<br />
vom oveja latxa, um den sich der<br />
nächste Wirtschaftskreislauf von<br />
Ternua drehen soll.<br />
«Wir wollen, dass die Menschen<br />
ihre Kleidung mit<br />
Stolz tragen. Einen anderen<br />
Weg als Nachhaltigkeit<br />
sehen wir nicht.»<br />
EDUARDO URIBESALGO<br />
INNOVATION DIRECTOR TERNUA<br />
und Umweltbedingungen beitragen sollen. Der SeaCycle<br />
etwa schliesst am EU-Projekt «Life Lema» an, dessen Ziel<br />
es ist, innert drei Jahren 100 Tonnen Plastikmüll aus dem<br />
Golf von Biskaya zu fischen. Baskische Fischer montieren<br />
dafür Netze für Grob- und Mikroplastik an ihren Booten –<br />
so, wie es auch auf der «Mater» anschaulich demonstriert<br />
wird. Noch im Baskenland wird der Meeresmüll zu Flakes<br />
geschreddert, später zu neuem Garn verarbeitet – und aus<br />
diesem stellt Ternua beispielsweise T-Shirts her. Um das<br />
2019 auslaufende Projekt am Leben zu halten, hat Ternua<br />
es der European Outdoor Conservation Association zur<br />
Förderung vorgeschlagen.<br />
Der NutCycle basiert auf der Technik des Schweizer<br />
Unternehmens Archroma, das aus organischen Resten<br />
Färbemittel für Bekleidung herstellt. Die pflanzenbasierten<br />
Farbstoffe belasten die Umwelt weniger, zudem<br />
verbraucht die Methode weniger Wasser als die chemische<br />
Färbung. Das Ausgangsmaterial fand Ternua in<br />
den tief in der baskischen Kultur verankerten Sidrerías,<br />
wo im Frühjahr nicht nur hektoliterweise Apfelwein<br />
verkostet wird. Sondern auch rund 55'000 kg Walnüsse,<br />
deren Schalen sich zum Färben eignen. Ternua stellte<br />
gemeinsam mit der regionalen Umweltbehörde von<br />
Gipuzkoa Behälter in die Cidre-Bars, um den Rohstoff<br />
einzusammeln. «Wir haben selbst nur rund 500 kg der<br />
gesammelten Schalen verwendet und damit 4500 Oberteile<br />
gefärbt», erzählt Edu Uribesalgo, der «berrikuntza<br />
zuzendaria», wie der Entwicklungschef auf Baskisch<br />
heisst. «Wir wollen vor allem zeigen, dass das kein Müll<br />
ist.» Tatsächlich greifen neben Ternua auch Patagonia<br />
und das Unterwäschelabel Calida auf die EarthColors<br />
von Archroma zurück. Weil künftig noch weitere organische<br />
Stoffe zur Färbung dienen sollen, wird Ternua<br />
seinen NutCycle in ColorCycle umbenennen.<br />
NICHT NUR NACHHALTIG, SONDERN AUCH FUNKTIONELL<br />
Es sind solche Leuchtturm-Projekte, mit denen Ternua<br />
Stück für Stück ein Bewusstsein für mehr Nachhaltigkeit<br />
schaffen will. Den nächsten Kreis möchte Uribesalgo mit<br />
Wolle schliessen. Im Baskenland weiden unzählige Schafe,<br />
die oveja latxa. Das Problem: Ihre Wolle ist zu rauh.<br />
Rauher jedenfalls als die feine, langfaserige Merinowolle,<br />
die derzeit in aller Munde ist. Seit die Wolle der oveja<br />
latxa nicht einmal mehr als Dämmmaterial für Häuser<br />
ver wendet wird, ist sie faktisch ein Abfallprodukt – was<br />
Uribesalgo sichtlich missfällt, während er durch einen<br />
Ballen Latxa-Wolle kämmt. «Hier stehen wir noch ganz<br />
am Anfang», sagt Uribesalgo, «wir brauchen stärkere<br />
Aussenmaterialien, damit die Wolle nicht durchsticht.<br />
In Serie lässt Ternua in Asien produzieren –<br />
entwickelt und entworfen wird aber nach wie<br />
vor in der eigenen Näherei in Arrasate.<br />
MEILENSTEINE<br />
1986 1994 2004 2008<br />
2015 2016 2017<br />
2018<br />
Eröffnung des<br />
Arrasate Kirolak. Aus<br />
dem Sportgeschäft<br />
entsteht später die<br />
Ternua Group.<br />
Zur Gründung der<br />
Marke Ternua werden<br />
vier Wale über<br />
das WDC-Programm<br />
adoptiert.<br />
Umzug der Produktion<br />
nach Asien.<br />
40 % der Stoffe<br />
stammen weiterhin<br />
aus Europa.<br />
Neues Hochregallager<br />
mit automatischer<br />
Kommissionierung<br />
und Platz für<br />
4000 Paletten.<br />
FOTOS: THOMAS EBERT / ARCHIV: TERNUA<br />
Der baskische<br />
Socken hersteller<br />
Lorpen wird übernommen<br />
und Teil<br />
der Ternua Group S.L.<br />
ISPO Gold Award für die<br />
von der Füllung bis zur<br />
Hülle recycelten, wasserdichten<br />
Daunenjacke<br />
Terranova Jacket.<br />
Die Ride On Pants aus<br />
recycelten Fischernetzen<br />
gewinnt den<br />
OutDoor Industry<br />
Award in Gold.<br />
45 % der Bekleidung<br />
sind aus recycelten<br />
Materialien, alle Imprägnierungen<br />
frei<br />
von PFC und PFOA.<br />
44 INSPIRATION 02 / 2019<br />
45
PARTNERCHECK TERNUA<br />
FALKE · P.O.BOX 11 09 · D-57376 SCHMALLENBERG / GERMANY<br />
UNTERRUBRIK RUBRIK<br />
Auf dem Schulschiff «Mater<br />
Museoa» erfahren Schulklassen,<br />
wie an der baskischen<br />
Küste nach Plastikmüll<br />
gefischt wird. Der Fang wird<br />
zu Polyester aufbereitet.<br />
Funktionell und nachhaltig: Mit<br />
dem Skitouren-Rennanzug<br />
«Blackcomb» räumte Ternua auf<br />
der ISPO 2019 einen Award ab.<br />
Auch er besteht teilweise aus recycelten<br />
Fischernetzen.<br />
Aber nächstes Jahr werden wir zwei Jacken anbieten,<br />
die mit dieser Wolle gefüllt sind.» Die Liste der Nachhaltigkeits-Projekte<br />
bei Ternua liesse sich noch weiter<br />
fortsetzen: Vom RedCycle, der ausgediente Fischernetze<br />
in baskischen Häfen sammelt und der Firma Aquafil<br />
zur Wiederverwertung zuführt; über Neokdun-Daunen, die<br />
aus aussortierten Kissen und Bettdecken stammen und<br />
wiederaufbereitet und PFC-frei imprägniert in den Expeditionsausrüstungen<br />
von Ternua stecken – unter anderem<br />
im 1300 Gramm leichten Overall des 8000er-Sammlers<br />
Alberto Iñurrategi; bis hin zur PFC- und PFOA-freien<br />
Produktion, die 2018 erreicht wurde. Bemerkenswert ist,<br />
dass bei all dem Fokus auf Nachhaltigkeit auch die Funktion<br />
nicht ausser Acht gelassen wird. Die Bergsport-<br />
Kollektionen «ProTech» und «Adrenalite» sind gespickt<br />
mit feinsten Materialien: Laminate von Gore-Tex, Aussenhüllen<br />
aus Pertex Quantum, Füllungen aus Primaloft<br />
Black Eco. Vergessen darf man darüber nicht, dass die<br />
Ternua Group mit ihren drei Marken Ternua, die 2015<br />
erworbene Firma Lorpen (hochtechnische Outdoor-Socken)<br />
und die Gründungsmarke Astore (Bekleidung für den<br />
baskischen Volkssport – Pelota) mit 175 Angestellten<br />
und 35 Mio. Euro Umsatz im Jahr noch nicht in der ganz<br />
oberen Liga mitspielt. Eine eigene, heimische Produktion<br />
ist wirtschaftlich nicht darstellbar, «zumal nach dem<br />
Niedergang der Textilindustrie in Spanien auch nicht mehr<br />
die Technologien da sind, um mit Asien mitzuhalten», sagt<br />
Imanol Muñoz. Seit 2004 werden die Bekleidungskollektionen<br />
von Ternua in Asien produziert, Lorpen fertigt seine<br />
Socken weiterhin im baskischen Etxalar sowie in Mexiko.<br />
GENUSS<br />
MITTEL<br />
Färben mit Walnussschalen – das kennt manch einer vielleicht<br />
noch von den Ostereiern zuhause. Aber wie funktioniert<br />
das Färben von Bekleidung? Zum Saisonstart am 3. Mai<br />
(Zürich) und 4. Mai (Basel) führt Ternua in den Bächli-Filialen<br />
vor, wie man aus organischen Abfällen Farbe erzeugt. Dazu<br />
werden galizische Spezialitäten wie Schinken, Käse und Cider<br />
serviert – und natürlich Walnüsse.<br />
TERNUA<br />
BEI BÄCHLI<br />
baechli-bergsport.ch/De/Marken/ternua<br />
46 INSPIRATION 02 / 2019<br />
FOTOS: THOMAS EBERT / ARCHIV: TERNUA<br />
AUF EIGENEN WEGEN<br />
In 50 Ländern ist Ternua inzwischen präsent –<br />
Herz und Seele der Ternua Group sind unzweifelhaft<br />
in Mondragon-Arrasate verankert. Mitten im baskischen<br />
Hügelland, auf halbem Weg zwischen Bilbao<br />
und San Sebastian, befindet sich die Zentrale der<br />
spanischen Outdoor-Ausrüster. Mitbegründer Edu<br />
Uribesalgo, dessen Geschwister Josu, Esteban,<br />
Jose und Nerea ebenfalls bei Ternua arbeiten, erklärt<br />
die spezielle Identität so: «Hier sind die<br />
meisten Unternehmen entweder familiengeführt oder<br />
als Kooperativen organisiert, in denen das Kapital<br />
den Arbeitern gehört.» Und so verwundert es nicht,<br />
dass Uribesalgo neben noch mehr Nachhaltigkeit<br />
vor allem technische Unabhängigkeit zum strategischen<br />
Ziel ausruft: «Die bekannten Markenzulieferer<br />
sind nicht schlecht, aber das können wir<br />
selber auch», gibt Uribesalgo selbstbewusst zu<br />
Protokoll. Eigene Technologien wie «Shellstretch<br />
ProWool» oder «Dryshell Active Flex» sollen nur<br />
der Anfang sein. Den Weg dorthin sollen Begriffe<br />
wie «Open Innovation» und «Co-Creation» ebnen:<br />
Beim lokalen Trailrunning-Event Gorbeia Suzien<br />
stattete Ternua kurzerhand alle Starter mit einem<br />
Jacken-Prototyp und Fragebogen aus. 350 Rückmeldungen<br />
flossen in die Produktion ein, so dass<br />
die Dulau Jacket nun andere Taschen und eine<br />
tiefere Kinnpartie besitzt. Dass sie aus recycelten<br />
PET-Flaschen besteht, die mit wiederverwertetem<br />
Kaffeesatz noch funktioneller gemacht wurden, ist<br />
man von den Basken ja beinahe schon gewohnt.<br />
FALKE TK2 Melange<br />
· Bester Komfort für Wanderungen in leichtem Gelände<br />
bei jeglichen Wetterbedingungen<br />
· Merinowoll-Mix für gute Wärmeisolation<br />
· Mittlere Polsterung für angepassten Schutz und guten<br />
Schuhkontakt<br />
· Perfekte Temperatur und Feuchtigkeitstransport durch<br />
dreilagige Konstruktion<br />
· Optimale Passform durch rechte und linke Polsterung<br />
sowie Zehenbox
AUSSTIEG<br />
TEXT RABEA ZÜHLKE,<br />
FOTO UIAA / LEVI HARRELL<br />
EIN BILD UND<br />
SEINE GESCHICHTE<br />
Yannick Glatthard positioniert den<br />
linken Fuss, spreizt den rechten<br />
auf das Volume aus. Atmet ein,<br />
atmet aus. Und springt: Die Eisgeräte<br />
landen präzise und elf Sekunden<br />
schneller als die des Russen Nikolai<br />
Kuzovlev auf dem letzten Griff – Gold!<br />
Der Sieg beim Eiskletter-Weltcup in<br />
Denver Ende Februar bedeutet die Krönung<br />
einer herausragenden Saison.<br />
Der 21-jährige Glatthard, der zuvor<br />
schon im Parkhaus von Saas-Fee triumphierte,<br />
schliesst sie auf dem dritten<br />
Rang in der Gesamtwertung ab.<br />
«Denver war mein Saison-Highlight.<br />
Allein durch die vielen Zuschauer – es<br />
ist der komplette Gegensatz zum<br />
Bergsteigen», sagt Glatthard. Letzteres<br />
ist die eigentliche Leidenschaft<br />
des jungen Meiringers, der gerade<br />
die Bergführer-Ausbildung absolviert.<br />
Schon sein Grossvater Arnold Glatthard<br />
gründete die erste Bergsteigerschule<br />
der Welt, bildete Everest-Erstbesteiger<br />
Tenzing Norgay aus und war<br />
im Jahr 1936 beim berühmten Rettungsversuch<br />
des in der Eiger-Nordwand<br />
verunfallten Toni Kurz beteiligt.<br />
«Das Wettkampfklettern ist ein Sprungbrett,<br />
das mir ermöglicht, neue Orte<br />
zu sehen, Kontakte zu knüpfen und<br />
durch das Training fit zu bleiben», sagt<br />
Glatthard. Doch allein das Wettkampfklettern<br />
scheint den Schweizer keineswegs<br />
auszulasten. Statt an Ruhetage<br />
zu denken, klettert Glatthard zwei<br />
Tage vor dem Weltcup in Denver mit<br />
«Saphira» (M15-) mal eben eine der<br />
schwierigsten Mixed-Routen weltweit.<br />
Natürlich onsight.<br />
Impressum<br />
«<strong>Inspiration</strong>», die Kundenzeitschrift der<br />
Bächli Bergsport AG, erscheint 4 x jährlich<br />
und ist in allen Filialen kostenlos erhältlich.<br />
Auflage: 130’000 Exemplare<br />
Herausgeber<br />
Bächli Bergsport AG<br />
Gewerbestrasse 12, 8606 Nänikon<br />
Telefon 044 826 76 76<br />
E-Mail info@baechli-bergsport.ch<br />
Redaktion, Layout & Konzept<br />
Outdoor Publishing GmbH<br />
Eichbergerstrasse 60, 9452 Hinterforst<br />
Telefon 071 755 66 55<br />
E-Mail redaktion@outdoor-publishing.com<br />
Aboverwaltung & Information<br />
E-Mail info@baechli-bergsport.ch<br />
Druck<br />
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Telefon 055 251 30 30<br />
E-Mail info@bruhin-spuehler.ch<br />
Copyright<br />
Alle Beiträge sind urheberrechtlich geschützt.<br />
Jede Verwendung ist ohne Zustimmung des<br />
Herausgebers unzulässig und strafbar. Das gilt<br />
insbesondere für Vervielfältigungen, Übersetzungen<br />
und die Einspeicherung und Verarbeitung in<br />
elek tronischen und multimedialen Systemen.<br />
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