Berliner Kurier 25.03.2019
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
16 BRANDENBURG BERLINER KURIER, Montag, 25. März2019<br />
Verfallene Häuser und keine Handwerker in Sicht.<br />
15 Bewohner leben noch in der ehemaligen<br />
Bergwerkssiedlung.<br />
Die großen Pläne<br />
sind bis heute<br />
eine Luftnummer<br />
geblieben. DasDorf<br />
Alwine kommt immer<br />
mehr herunter.<br />
Fotos: Camcop Media/Andreas Klug (3), ZB<br />
Ein Dorf wartet<br />
auf die Zukunft<br />
Voreinem Jahr ersteigerte ein <strong>Berliner</strong> den OrtAlwine. Er hatte große Pläne. Passiertist seitdem fast nichts<br />
Alwine/Berlin – Der Verkauf<br />
erregte viel Aufsehen: Vor<br />
einem Jahr wurde die Südbrandenburger<br />
Siedlung Alwine<br />
von einem <strong>Berliner</strong><br />
Kaufmann ersteigert. Ein Erfinderdorf<br />
sollte entstehen.<br />
Und nun? Pustekuchen!<br />
Die Sonne hat Alwine in ein<br />
freundliches Licht getaucht.<br />
Sie wärmt die Frühblüher in<br />
den wenigen Vorgärten der<br />
Siedlung und lässt die maroden,<br />
mit Efeu zugewachsenen<br />
Fassaden der Häuser an der<br />
Straße fast romantisch aussehen.<br />
Doch das Bild trügt. Vor<br />
einem Jahr war Alwine versteigert<br />
worden. Ein <strong>Berliner</strong><br />
Kaufmann, der bis heute anonym<br />
bleiben will, hatte die<br />
Siedlung bei Uebigau-Wahrenbrück<br />
(Landkreis Elbe-Elster)<br />
erworben. Er wollte die Häuser<br />
sanieren und dem kleinen Ort<br />
ein neues Gesicht geben. Was<br />
ist seitdem passiert?<br />
15 Bewohner leben noch in<br />
der ehemaligen Bergwerksiedlung.<br />
Sie sind vom Investor informiert<br />
worden, dass die Siedlung<br />
nach der Sanierung ihrer<br />
Häuser ein Erfinderdorf werden<br />
soll. Gestalten sollen das<br />
zwei Unternehmer, die der<br />
Kaufmann mit an Bord geholt<br />
hat. Gerhard Muthenthaler<br />
und Marijan Jordan betreiben<br />
einen Erfinderladen inBerlin.<br />
Ihre Idee: Das ehemalige Bergwerksdorf<br />
soll ein Erfinderdorf<br />
werden – eine Art bewohnbarer<br />
Testplatz für Innovation.<br />
Muthenthaler nennt es<br />
auch einen Open-Air-Showroom<br />
für Kreativlinge, die dort<br />
ihre Ideen zeigen können –von<br />
Wasseraufbereitungsanlagen<br />
über eine wärmereflektierende<br />
Gebäudebeschichtung bis hin<br />
zu Dachziegeln mit Solarfunktion.<br />
„Je mehr Erfinder kommen,<br />
desto besser.“<br />
Der Bürgermeister von Uebigau-Wahrenbrück,<br />
Andreas<br />
Klaus, fand die Idee gut. Das sei<br />
eine Hoffnung für die Siedlung,<br />
hatte er im vergangenen Jahr<br />
vorsichtig optimistisch gesagt.<br />
„Zu allererst aber müssen die<br />
Wohnungen der Mieter in Alwine<br />
saniert werden.“ Hinter<br />
einem zweistöckigen Mehrfamilienhaus<br />
hackt Paul Urbanek<br />
Holz für seinen Ofen. „Sechs<br />
Familien leben noch in der<br />
Siedlung. Ich bleibe auch“, sagt<br />
der über 70-Jährige mit fester<br />
Stimme. Dann zeigt er die Löcher<br />
im Dach. Urbanek ist<br />
zwiegespalten, was die Sanierung<br />
und das Erfinder-Projekt<br />
angeht. „Ich weiß nicht, was<br />
ich noch glauben soll.“Daseien<br />
schon einige mit Ideenund Plänen<br />
nach Alwine gekommen,<br />
erinnert er sich. „Geändert hat<br />
sich für uns nichts.“ Der aktuelle<br />
Besitzerwollte nach eigenen<br />
Angaben imvergangenen Jahr<br />
mit den Bauarbeiten beginnen.<br />
Im September wurden erst einmal<br />
alte Badewannen und Toiletten<br />
aus den unbewohnbaren<br />
Wohnungen herausgerissen.<br />
Baumaterial wurde angefahren,<br />
darunter WC-Becken und<br />
rote Dachziegel. „Seitdem ist<br />
aber nichts mehr passiert“, erzählt<br />
Urbanek. In Berlin gibt<br />
sich der Besitzer von Alwine<br />
hilflos. „Ich habe auch Aufträge<br />
rausgeschickt und dann Monate<br />
vergeblich gewartet, dass<br />
sich eine Firma meldet.“ Vielleicht<br />
liegedas ja auch an dem<br />
Fachkräftemangel. BürgermeisterClaus<br />
sieht das anders.<br />
Claus findet die Vorgehensweise<br />
unprofessionell. Dachdecker<br />
und Elektriker bräuchten Leistungsbeschreibungen,<br />
bevor<br />
sie ein Angebot erstellen könnten.<br />
Silke Nauschütz