Die Malteser-Zeitung 1/2019
Berichterstattung über nationale und internationale Tätigkeiten des Souveränen Malteser-Ritter-Ordens und seiner Werke sowie religiöse, karitative und soziale Fragen aller Art.
Berichterstattung über nationale und internationale Tätigkeiten des Souveränen Malteser-Ritter-Ordens und seiner Werke sowie religiöse, karitative und soziale Fragen aller Art.
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IMFOKUS<br />
„NÄCHSTES JAHR<br />
IN JERUSALEM!“<br />
In Jerusalem erlebt man die Gläubigen der drei monotheistischen<br />
Religionen, die dieselbe Stadt aufsuchen und dort zu unterschiedlichen<br />
Orten gehen, um durch Gott ihr Leben erneuern zu lassen.<br />
Von Konstantin Spiegelfeld<br />
„Nächstes Jahr in Jerusalem!“ ist der traditionelle<br />
Wunsch am Schluss des jüdischen Sederabends und des<br />
Versöhnungstags Jom Kippur. In allen Kulturen der Welt<br />
gibt es Stätten, Orte des Heils, die Menschen aller Zeiten<br />
aufsuchten und hofften, damit ihren Lebensweg günstig<br />
zu beeinflussen. Im ersten Bund des Volkes Israel war es<br />
Pflicht, dreimal im Jahr zu Fuß nach Jerusalem zu gehen.<br />
Auch die Heilige Familie hielt sich an diesen Brauch. Er erinnerte<br />
das Volk Israel an sein unstetes Nomadenleben in<br />
der Folge Abrahams und an das Umherirren in der Wüste,<br />
wo Gott Mose unterwies. Im Islam gibt es den Haddsch<br />
als eine der vorgeschriebenen Wallfahrten zur Kaaba in<br />
Mekka. Hindus suchen bekannterweise Städte entlang<br />
des Ganges auf, etwa Varanasi. Buddhisten pilgern zu den<br />
Heiligen Stätten des Lebens von Buddha.<br />
Eine besondere Form des „Peregrinus“-Gedankens<br />
Wie aber hat sich die katholische Wallfahrt entwickelt?<br />
<strong>Die</strong> ersten Apostel, besonders der Heilige Paulus, haben<br />
große Distanzen überwunden, Gefahren auf sich genommen,<br />
um die Frohe Botschaft von Jesus Christus zu verbreiten,<br />
zu verkünden und zu bezeugen. Seit dem ersten<br />
Jahrhundert waren die Gräber der Apostel, vor allem<br />
in Rom, Ziel von Wallfahrten. Später haben iroschottische<br />
Asketen vom sechsten bis zum achten und im elften<br />
Jahrhundert auf ihren lebenslangen Wegen durch<br />
West- und Zentraleuropa eine ganz besondere Form des<br />
„Peregrinus“-Gedankens verwirklicht, nämlich die einsame<br />
Pilgerschaft des Fremdseins auf Erden um Christi<br />
Willen.<br />
Ein bedeutender Einschnitt entstand in der ersten Hälfte<br />
des elften Jahrhunderts. <strong>Die</strong> hochmittelalterliche Hauptverkehrsachse<br />
Nordspaniens, die von den Pyrenäen zum<br />
Jakobusgrab in Santiago de Compostela in Galicien führt,<br />
wird als Jakobsweg bezeichnet. 1211 wurde die große<br />
Kathedrale geweiht. Im Mittelalter pilgerten unzählige<br />
Menschen auf den vielen Wegen quer durch Europa nach<br />
Spanien. <strong>Die</strong> Jakobsmuschel wurde zum wichtigsten Erkennungszeichen<br />
dieser Pilger. <strong>Die</strong>se Bewegung hatte für<br />
die kirchliche, geistige und kulturelle Entwicklung des<br />
Kontinents eine enorme nachhaltige Bedeutung. Ab 1970<br />
wurden die Pilgerrouten wiederbelebt.<br />
Betreutes Wallfahrts- und Prozessionswesen<br />
Nachdem in der Zeit der Reformation alle Prozessionen,<br />
Reliquienkulte und Ablasstage in Europa in Frage<br />
gestellt und zum Teil verboten wurden, stellte die katholische<br />
Kirche in der katholischen Gegenreformation<br />
ein gezielt betreutes Wallfahrts- und Prozessionswesen<br />
in den <strong>Die</strong>nst der Volkskatechese und des öffentlichen<br />
Bekentnisses des katholischen Glaubens. Nach teilweisen<br />
Verboten von Wallfahrten, etwa durch Kaiser Joseph II.,<br />
ist seit dem 19. Jahrhundert wieder ein steter Anstieg<br />
der Pilgerreisen und Wallfahrten zu beobachten. Zahlreiche<br />
Marienwallfahrtsorte, wie zum Beispiel Mariazell,<br />
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DIE MALTESER 1/<strong>2019</strong>