Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
8 FRANKFURT<br />
FOTO: BJÖ<br />
Es gibt eine große Erwartungshaltung an<br />
die Grünen, die vielen, drängenden Fragen<br />
anzupacken, und möglicherweise schneller<br />
anzupacken. Die Geschwindigkeit ist in<br />
Koalitionen nicht immer ganz einfach<br />
hinzukriegen.<br />
Jessica, wie siehst du die Aufgaben<br />
der Grünen heute?<br />
Jessica Purkhardt: Die Grünen kommen<br />
aus der Basisbewegung und den Initiativen,<br />
aus der Zivilgesellschaft. Wir haben<br />
Sachen, die auf der Straße erdacht wurden,<br />
in die Parlamente getragen. Diese Anknüpfungspunkte<br />
muss man halten. Was<br />
wir als Grüne nicht mehr machen können,<br />
ist monothematisch sein und nur eine<br />
bestimmte Klientelpolitik, wie es andere<br />
Parteien durchaus auch ganz gezielt machen,<br />
zu betreiben.<br />
Mit Jessica Purkhardt und<br />
Sebastian Popp lösen gleich<br />
zwei Grüne Fraktionsmitglieder den<br />
ehemaligen Fraktionsvorsitzenden<br />
Manuel Stock bei den Grünen im Römer<br />
ab. Wir haben die neue Doppelspitze<br />
zum Interview getroffen – ein<br />
Gespräch über politischen Generationswechsel,<br />
Eigenwahrnehmung und<br />
Erwartungshaltung an die Grünen<br />
Wie ist die Idee der Doppelspitze<br />
entstanden?<br />
Sebastian Popp: Als Manuel überlegt hat,<br />
nach Wiesbaden zu gehen, haben wir uns<br />
als Fraktion Zeit genommen und überlegt,<br />
wie die Führung der Frankfurter Fraktion<br />
in der Zukunft aussehen kann.<br />
Normalerweise trennt man in Fraktionsvorstand<br />
und Geschäftsführung, das hat<br />
es früher bei den Grünen auch schon<br />
gegeben. Jessica und ich hatten dann<br />
die Idee, dass man beides horizontal<br />
schneidet. Wir befanden das als eine sehr<br />
naheliegende Idee, denn ehrlicherweise<br />
im Jahr <strong>2019</strong> einen 80-Stunden-Job als<br />
Lösung zu positionieren hätte ich auch<br />
ein bisschen unsinnig gefunden.<br />
Und es war wichtig, dass wir uns das zusammen<br />
vorstellen können, also nicht<br />
mit irgendjemandem, sondern genau<br />
wir beide.<br />
Sebastian Popp und Jessica Purkhardt<br />
INTERVIEW<br />
GRÜNE IM RÖMER<br />
MIT DOPPELSPITZE<br />
Jessica Purkhardt: Gemeinsam hat man<br />
einfach doppelt so viele Perspektiven,<br />
auch weil sich unsere unterschiedlichen<br />
Talente und Blickweisen ergänzen, was<br />
das Ganze eigentlich zu einer Variante<br />
von Diversity-Management macht:<br />
Möglichst unterschiedliche Leute mit<br />
ihren Fähigkeiten und Talenten zu haben,<br />
die sich gegenseitig ergänzen.<br />
Wir arbeiten schon seit sieben Jahren<br />
gemeinsam in der Fraktion als Stadtverordnete,<br />
machen seit dieser Zeit beide<br />
auch Kulturpolitik und sind seit über zwei<br />
Jahren zusammen im Vorstand der<br />
AIDS-Hilfe.<br />
Wir haben so viele Anknüpfungspunkte<br />
in die Stadtgesellschaft hinein, ich bin in<br />
der Community verankert und Sebastian<br />
strahlt in die Kulturszene hinein, das sind<br />
doch beides urgrüne Milieus, in denen wir<br />
zu Hause sein müssen. Und das können<br />
wir jetzt doppelt so gut wie vorher.<br />
Die Grünen möchten sich erneuern<br />
– neben dem Generationswechsel<br />
bedeutet das vielleicht auch, zurück<br />
zu den politischen Wurzeln der Partei<br />
zu kehren?<br />
Sebastian Popp: Sowohl als auch. Es geht<br />
einerseits darum, zu schauen, wo wir in<br />
den letzten Jahren bestimmte Milieus<br />
vernachlässigt haben, und da müssen wir<br />
wieder anders in Kontakt treten, das wäre<br />
das Stichwort „back to the roots“.<br />
Wir sind in Frankfurt schon sehr lange an<br />
der Stadtregierung beteiligt und sehr etabliert,<br />
aber ich finde trotzdem, wer wenn<br />
nicht die Grünen, kann erklären, wie die<br />
Zusammenhänge sind, wie die Mechanismen<br />
funktionieren? Und wie man Sachen<br />
auch umsetzen kann, und dass das eben<br />
nicht nur in den Fraktionen und Vorständen<br />
diskutiert wird.<br />
Also, mehr Bürgernähe, Zuhören …<br />
Sebastian Popp: Absolut! Und auch das<br />
Gespräch mit denjenigen suchen, die<br />
vielleicht gar nicht mehr mit den Grünen<br />
sprechen wollen. Und die Grünen haben<br />
jetzt in den Zeiten der großen Vereinfacher<br />
in Deutschland die Rolle, , Europa und der<br />
Welt, immer wieder deutlich zu machen,<br />
dass die drängenden Probleme kompliziert<br />
sind und es keine einfachen Lösungen<br />
gibt. Das ist ja quasi unser Geschäft, in<br />
der Dreier-Koalition bestimmte Themen<br />
durchzusetzen, das ist viel Überzeugungsarbeit,<br />
und ohne Mehrheiten kann man<br />
nichts verändern.<br />
Deswegen haben die Grünen im Moment<br />
ja auch einen höheren Zuspruch als in der<br />
Vergangenheit. Natürlich hat Horst Seehofer<br />
an der ein oder anderen Ecke auch<br />
seinen Anteil daran, aber ich glaube, es<br />
gibt viele, die die Grünen wählen, weil sie<br />
wollen, dass es schneller geht, die wollen,<br />
dass die Grünen auf die schwierigen Fragen<br />
der Welt klare Antworten geben, ohne<br />
zu verheimlichen, dass es komplizierte<br />
Zusammenhänge gibt.<br />
www.gruene-frankfurt.de/fraktion<br />
Das komplette Interview mit<br />
Statements zu Frankfurt als<br />
fahrradfreundliche Stadt, bezahlbarem<br />
Wohnraum und der Zukunft der<br />
Städtischen Bühnen gibt’s unter<br />
www.blu.fm/gab