syndicom magazin Nr. 10
Seit langer Zeit schon setzen wir uns für die Arbeitsrechte im Bereich Logistik, ICT und Medien ein. Gute Arbeitsbedingungen sind und waren dabei stets das Ergebnis von gemeinsamen Erfolgen. Sei Teil unserer Bewegung und gestalte mit uns deine Zukunft!
Seit langer Zeit schon setzen wir uns für die Arbeitsrechte im Bereich Logistik, ICT und Medien ein. Gute Arbeitsbedingungen sind und waren dabei stets das Ergebnis von gemeinsamen Erfolgen. Sei Teil unserer Bewegung und gestalte mit uns deine Zukunft!
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syndicom
Nr. 10 März–April 2019
magazin
Gebt
uns die
Kaufkraft
zurück!
Anzeige
Gestaltung: Agnes Weber
FRAUEN*STREIK
14. Juni 2019
LOHN.
ZEIT.
RESPEKT.
/
Inhalt
4 Unsere Besten
5 Kurz und bündig
6 Die andere Seite
7 Gastautor Hugo Fasel
8 Dossier: Mehr Lohn
16 Arbeitswelt
20 Ein Kodex für Mila
23 Die ILO und die Schweiz
25 Recht so!
26 Freizeit
27 1000 Worte
28 Bisch im Bild
30 Aus dem Leben von ...
31 Kreuzworträtsel
32 Inter-aktiv
Löhne rauf – jetzt!
Was sind «gerechte Löhne»? Diese Frage gehört
auch heute zu den zentralen Problemen der
Wirtschafts- und Sozialpolitik. Nach scharfen
sozialen Auseinandersetzungen und Streiks
wurde die Frage nach 1945 in einem impliziten
Gesellschaftsvertrag geregelt: Die Arbeitenden
sollten ihren Teil an der steigenden Produktivität
bekommen, in Form von regelmässig wachsenden
Löhnen. An der Verkleinerung der Kluft
zwischen Arm und Reich hängt der soziale
Frieden.
Heute aber hinken die Löhne wieder stark hinter
der wachsenden Arbeitsproduktivität her –
und die Einkommens- und Vermögensunterschiede
sind enorm. Das ist das Resultat
neoliberaler Politik und der Umverteilung nach
oben. Wenn wir nun Lohnerhöhungen um 1 Prozent
herum durchgesetzt haben, holt das nur
einen kleinen Teil der Rückstände ein.
Die Vorstellung der Neoliberalen, der Markt
sorge für «gerechte» Löhne, ist heute als Irrtum
erkannt und – zumindest in der Theorie – überwunden.
Die Frage nach einer gerechten Einkommensverteilung
muss deshalb heute von
der Wirtschafts- und Sozialpolitik neu gestellt
werden und sie bedarf dringend einer Beantwortung,
wenn es gelingen soll, eine dem Menschen
würdige Wirtschafts- und Sozialordnung
zu errichten. Generelle und gute Lohnabschlüsse
tragen einen entscheidenden Teil dazu bei.
4
8
23
Daniel Münger,
syndicom-Präsident
4
Werbung für die
Gewerkschaft
Das sind unsere Top 3 bei syndicom
Michelle Crapella-Papet (38)
Stammt aus Ennetbürgen (NW) und ist
als gelernte kaufmännische Angestellte
seit 2006 bei Swisscom im KMU-
Bereich tätig. Aktuell arbeitet sie als
Expertin im technischen Support. Seit
2010 Mitglied von syndicom. Sie ist im
Zentralvorstand und Sektorvorstand
ICT aktiv.
Patrick Roth (45)
Wohnt in Obdorf (SZ), ist gelernter
Informatiker. Er arbeitet seit 1996
bei Swisscom. Zurzeit amtet er als
Projekt leiter Infrastruktur und Scrum
Master. Erneut Mitglied von syndicom
seit 2012. Er gehört der GAV-Strategiegruppe
Swisscom an und wurde
im Januar in die Personalvertretung
gewählt.
Beat Saxer (44)
Wohnt in Winkel (ZH) und arbeitet als
gelernter uniformierter Postbeamter
seit 1991 bei der Post. Seit 2008 ist er
Postautofahrer in Winkel. Bei syndicom
seit 1991. Er ist Obmann der regionalen
Personalkommission PostAuto ZH und
Delegierter des syndicom-Firmenvorstands
PostAuto.
Text: Sébastien Bourquin
Bild: Alexander Egger
«Mitglieder werben
braucht Zeit. Wir
nehmen sie uns gern.»
Mit Werben haben wir begonnen,
seit wir aktiv in verschiedensten Gewerkschaftsgremien
mitmachen.
Am Puls des Geschehens versteht
man besser, wie wichtig die Anzahl
der Mitglieder für die Verbesserung
der Arbeitsbedingungen ist. Bei Gesamtarbeitsverträgen,
Lohnsystemen
und vielem mehr haben wir viel mehr
Erfolg, wenn die Gewerkschaft von
vielen Mitarbeitenden getragen wird.
Wir haben alle drei unsere eigenen
Werbestrategien. Einige von uns
nutzen die Gelegenheiten, die sich
in Pausengesprächen unter Arbeitskollegen
über die Arbeitssituation
ergeben. Wir klinken uns dann ins
Gespräch ein und zeigen auf, was die
Gewerkschaft im konkreten Fall tun
kann. Und wie sie erfolgreich ist,
wenn möglichst viele Arbeitnehmende
sich organisieren und ihr Schicksal
in die Hand nehmen.
Denn es ist wie bei den demokratischen
Rechten: Es macht keinen
Sinn, die Politik zu kritisieren, wenn
man selbst nicht abstimmen oder
wählen geht. So ist es auch bei der
Arbeit. Nur wer einer Gewerkschaft
angehört, kann in der Arbeitswelt
mitbestimmen.
Andere unter uns erstellen eigene
Flyer, mit denen wir die Arbeitskollegen
über syndicom informieren. Wir
merken alle, wie wenig die meisten
über die Gewerkschaften und die Sozialpartnerschaft
Bescheid wissen.
Unsere Hauptaufgabe besteht auch
vorwiegend in der Information unserer
KollegInnen. Oft braucht es mehrere
Gespräche, bis dann jemand aus
unserem Umfeld konkret wissen will,
wie er oder sie Mitglied werden kann.
In dem Stadium ist es dann meist
nur eine Formsache, bis das Beitrittsformular
ausgefüllt ist. Doch der
Weg dahin braucht viel Ausdauer.
Wir freuen uns, dass letztes Jahr
wieder mehr Mitglieder selber geworben
haben. Wir sind überzeugt,
dass syndicom noch viel mehr Erfolg
haben wird, wenn wir noch mehr
Mitglieder zum Werben aktivieren
können. Deshalb teilen wir unsere
persönlichen Erfahrungen gerne an
den regionalen Anlässen. Auch diesen
Frühling gibt es sie wieder für
Mitglieder, die letztes Jahr mindestens
zweimal geworben haben. Wir
selber werden auf jeden Fall weiterhin
werben.
Kurz und
bündig
syndicom wird Fusion Sunrise-UPC begleiten \ Zürich verlangt
den Stopp des Poststellenabbaus \ Erschöpfte ZustellerInnen
wollen Veränderungen \ Umfrage für den GAV Post 2021 \
5G und Service public \ Korrigenda
5
syndicom bleibt nach Fusion
Sozialpartnerin von Sunrise
Sunrise wird den Telekommunikationsund
Medienkonzern UPC Schweiz von
dessen Mutterkonzern Liberty Global
übernehmen – Schätzpreis: 6,3 Mrd. Fr.
syndicom pflegt mit Sunrise wie mit UPC
eine langjährige Sozialpartnerschaft mit
zwei praktisch gleichwertigen GAV. Die
Arbeitsbedingungen sind demnach auch
nach der Fusion gesichert. Gleichwohl
gibt es Befürchtungen über Arbeitsplatzabbau.
syndicom wird den Prozess
eng begleiten und sich gemeinsam mit
den Personalvertretungen für sichere
Arbeitsplätze und weiterhin gute Arbeit
im fusionierten Unternehmen einsetzen.
Zürcher Initiative
gegen Poststellenabbau
Der Kanton Zürich will mit einer
Standes initiative einen Stopp der
Schliessung von Poststellen fordern.
Anfang März hat das Parlament eine
parlamentarische Initiative vorerst
überwiesen, die das verlangt. Der Bundesrat
soll die Post-Leitung anweisen,
so lange keine Poststellen mehr zu
schliessen, bis eine nationale Poststellenplanung
vom Eidgenössischen Departement
für Umwelt, Verkehr, Energie und
Kommunikation (Uvek) genehmigt wird.
Zustellerinnen und Zusteller
«ausgepresst wie Zitronen»
Am 14. Februar hat syndicom bei der
Generaldirektion von PostMail in Neuenburg
ein Mandat mit über 300 Unterschriften
eingereicht. Es verlangt die
sofortige Aufnahme von Verhandlungen
über die Arbeitsbedingungen der ZustellerInnen
im Jurabogen. Diese sind mittlerweile
unzumutbar: Um die Leistungsanforderungen
zu erfüllen, müssen die
Zustellerinnen und Zusteller übermässig
Überstunden leisten und unter Bedingungen
arbeiten, die ihre Gesundheit
und Sicherheit gefährden. Grund dafür
ist personelle Unterbesetzung.
Manche berichten von elfstündigen Arbeitstagen,
andere arbeiten bis zu 15
Samstage hintereinander, wobei die Arbeitswochen
die im Arbeitsgesetz festgelegten
50 Stunden überschreiten
können, auch bei Lernenden. Dies betrifft
die ganze Schweiz. Eine Umfrage
von syndicom bei 1000 Zustellerinnen
und Zustellern hat gezeigt, dass 94 %
der Teilnehmenden Ende 2017 einen
Überstundensaldo auswiesen – bis zu
168 Stunden.
GAV Post 2021, die Umfrage
Im Sommer beginnen die Verhandlungen
für den neuen GAV Post. Mit einer
Umfrage will syndicom die Anliegen und
Bedürfnisse der Post-Angestellten an
den neuen Gesamtarbeitsvertrag erfassen.
Wie willst du deine Arbeitsbedingungen
verbessern? Mach mit:
syndicom.ch/gavpost.
5G kommt – syndicom will den
digitalen Service public
Sunrise will ab März die ersten 150
Städte/Orte in der Schweiz mit der
neuesten Mobilfunkgeneration 5G versorgen.
Rund 100 ausgewählte Privatund
Geschäftskunden werden dieses
Angebot nutzen können. Für syndicom
stellen sich hier grundlegende Fragen
nach dem Zugang, den Anwendungen,
die entwickelt werden, und der Kontrolle
über diese Anwendungen. Die Politik
muss hier Rahmenbedingungen für einen
digitalen Service public setzen.
Korrigenda
1: In der von Travail Suisse übernommenen
Grafik in unserer letzten Ausgabe
hatte sich ein Fehler eingeschlichen.
Die Schwyzer Kantonalbank
bietet seit 2015 ihren Mitarbeitenden
nicht fünf, sondern 10 Tage Vaterschaftsurlaub
an.
2: Ebenfalls in der letzten Ausgabe war
als Autorin des Porträts von Franco
Panzeri irrtümlich Sylvie Fischer angeführt.
Der wahre Autor war Giovanni
Valerio. Wir bitten um Entschuldigung.
Agenda
März/April
30.
SGB-Migrationskonferenz
2019
Das Thema der Migrationskonferenz
lautet «Migrationspolitik und Personenfreizügigkeit
– gewerkschaftliche
Visionen?» Beleuchtet werden der
internationale Zusammenhang (Migrationspakt
der UNO, Rahmenabkommen
mit der EU) sowie innenpolitische Probleme
wie die SVP-Begrenzungsinitiative.
Anmeldung:
bit.ly/2SOrwA8
23. bis 3. April
Jubiläums-Ausstellung
Foto macht Schule
Die Wanderausstellung zum 10. Geburtstag
des Projekts «Fotografieren
macht Schule» macht halt im Alten
Zeughaus Herisau, Poststr. 9. Es werden
153 Fotografien und 34 Buchzitate
von 52 Mitwirkenden gezeigt.
Mai
11.
Stadtrundgang «Winterthur
und der Kolonialhandel»
Das Team Kehrseite Winterthur lädt zu
dem Stadtrundgang um 14 Uhr, um
Schauplätze und Überreste eines vergessenen
Kapitels unserer Geschichte
zu entdecken. Die Verstrickungen der
Eulachstadt in den weltweiten Sklavenund
Kolonialhandel sind vielfältig. Auch
am 6. Juli, 14 Uhr. 25 Franken/Person.
Juni
22.
Delegiertenversammlung in
Bern, Stade de Suisse
Die Vorbereitungen für die Delegiertenversammlung
2019 sind angelaufen.
Bist du aktives Mitglied und möchtest
als Delegierte oder Delegierter mitbestimmen?
Dann melde deine Kandidatur!
Alle Infos: syndicom.ch/dv19.
syndicom.ch/agenda
6 Die andere
Tristan Pasquier
Seite
hat im April 2013 das Unternehmen Vélocité Riviera Sàrl in
Vevey eröffnet. Er beschäftigt 9 Teilzeitmitarbeitende und ist
selbst zu 30 % als Velokurier im Einsatz. Schon im Studium
(Nachhaltige Stadtentwicklung) arbeitete er als Kurier.
1
Weshalb war es für Sie wichtig, den
neuen GAV Velokuriere und urbane
Kurierdienstleistungen zu unterzeichnen?
Der GAV soll die Arbeitsbedingungen
der Arbeitnehmenden sichern. Für einen
Arbeitgeber geht es aber darum,
dass die Branche erhalten und als
eigener Berufsstand anerkannt wird.
Wir sind Liefer-Profis und haben einen
bestimmten Qualitätsanspruch.
2
Gehören niedrige Löhne zu Velokurierdiensten?
Als Dienstleistungserbringer sind wir
abhängig vom Auftragsvolumen. Man
vergisst manchmal die Kosten der
Lieferung: Löhne natürlich, aber
auch das Fahrmaterial, die Logistik,
die Buchführung und die Kundenbeziehungen
… Es ist deshalb schwierig,
ein ausgewogenes Verhältnis zu finden.
3
Fürchten Sie die Konkurrenz von
Uber Eats, der seit kurzem in Genf
tätig ist und seine KurierInnen als
Selbständige behandelt?
Diese Firmen unterbieten die Preise
und können sich das erlau ben, da sie
ihre Verantwortung gegenüber den
Kurieren nicht wahrnehmen (Arbeitsvertrag,
Mindeststundenlohn, Sozialabgaben,
Versicherungen …). Zwei
Drittel unserer Aufträge stammen
aber aus dem Bereich medizinische
Notfälle, und dafür braucht es zwingend
eine gewisse Garantie für Zuverlässigkeit
und Professionalität.
4
Denken Sie, dass im Zuge der Weiterentwicklung
des GAV die Allgemeinverbindlichkeit
möglich wird?
Ich bin nicht nur davon überzeugt,
sondern halte es für unbedingt notwendig.
Alle Velokurierdienste müssen
mitmachen und an einem Strick
ziehen. Ich bin ganz einfach der Meinung,
dass die Verbreitung der oben
erwähnten Firmen in der Schweiz,
zumindest in der aktuellen Form,
verhin dert werden muss.
Text: Sylvie Fischer
Bild: Yves Leresche
5
Wenige Frauen arbeiten als Velokurierinnen.
Meinen Sie, dank dem GAV
können mehr Frauen als Fahrerinnen
gewonnen werden?
Das ist möglich, aber meiner Meinung
nach ist der GAV nicht der entscheidende
Faktor. Ich glaube, der
Grund ist eher eine Fehleinschätzung
des Berufs. Wir ermutigen Frauen
aber mitzumachen. Es gibt keinerlei
Grund, dass es unter den Velokurieren
mehr Männer als Frauen hat.
6
Was halten Sie vom Mindeststundenlohn
von 18.27 Franken in der Logistik,
den die Postregulierungsbehörde
der Eidgenössischen Postkommission
(PostCom) festgelegt hat?
Ich denke, dass dieser Lohn zu tief
angesetzt ist. Er müsste zunächst bei
22 Franken pro Stunde und in naher
Zukunft bei 25 Franken liegen. Wer
in der Schweiz kann mit einem solch
tiefen Stundenlohn (18.27 Fr.) leben?
Bei Vélocité Riviera setzen wir alles
daran, den Mindestlohn zu garantieren,
das ist oberste Priorität.
Gastautor
Die Wirtschaft läuft, in der Schweiz
geht es allen gut – könnte man meinen.
Die Realität sieht jedoch anders aus: Gemäss
Bundesamt für Statistik zählt die Schweiz
650 000 Menschen, die in Armut leben, und
mehr als eine Million sind armutsgefährdet. Diese
bittere Wahrheit wird von der Politschweiz
aktiv verdrängt. So hat Bundesrat Berset das
Armutsprogramm des Bundes im letzten Jahr
auf weniger als 1 (!) Mio. Franken jährlich gekürzt,
und er hat die Armutspolitik weitestgehend
an die Kantone delegiert.
Die Gründe für Armut sind vielfältig: Jedes
Jahr werden 40000 Personen ausgesteuert
und die Arbeitslosenstatistik um diese Zahl
geschönt. Vielen Ausgesteuerten bleibt nur die
Sozial hilfe. In Armut geraten aber auch viele
Arbeitneh mende, die keinen existenzsichernden
Lohn erhalten. Working Poor sind nicht nur in
den klassischen Tieflohn branchen zu finden.
Immer öfter sind es «renommierte» Unternehmen,
die miserable Löhne zahlen. Dazu gehören
die Fluggesellschaften.
In der letzten Zeit kommt eine neue Armutsursache
dazu: Immer mehr Menschen können
ihre Krankenkassenprämien nicht mehr bezahlen.
Die Löhne steigen kaum, aber die Prämien
werden signifikant erhöht. Nach Gesetz müsste
diese Lücke durch die Prämienverbilligung gelöst
werden. Doch weit gefehlt! Die Mehrheit der
Kantone hat in den letzten Jahren ihren Anteil
an der Prämienverbilligung gekürzt. Die Steuern
wurden für die hohen Einkommen gesenkt und
die verlorenen Einnahmen bei der Prämienverbilligung
kompensiert. Die Situation ist dramatisch,
sie führt zum «Ausfransen» des unteren
Mittelstandes und treibt Familien in die Armut.
Vonseiten Caritas haben wir eine klare Forderung
an die Politik gestellt: Ein Monatslohn muss
genügen, um die Krankenkassenprämien zu bezahlen.
Was darüber liegt, muss durch die Prämienverbilligung
gedeckt werden!
Mit einem Monatslohn
muss es machbar sein!
Hugo Fasel, der dieses Jahr 64 wird, ist
seit September 2008 Direktor der Caritas
Schweiz. 2004 bis 2008 war er Präsident
von Travail Suisse, 1998 bis 2002
Co-Präsident der Gewerkschaft Syna.
Zuvor war er Zentralsekretär und Präsident
des Christlichnationalen Gewerkschaftsbundes
der Schweiz (CNG).
Hugo Fasel gründete mehrere Unternehmen:
sie bieten Lehrstellen an für
Jugendliche mit Lernschwierigkeiten
(fribap) oder führen Integrationsprogramme
durch für ausgesteuerte Personen
und SozialhilfeempfängerInnen
(Ritec) oder bieten aktive Arbeitsmarktmassnahmen
für arbeitslose Personen
(VAM).
7
Die Wirtschaft floriert, die Löhne stagnieren. Das muss sich ändern.
Lohnverhandlungen: Das hat syndicom erreicht.
Arbeit ist kein Kostenfaktor. Arbeit schafft den Wert.
Investitionen sinken und Dividenden explodieren.
Dossier 9
Mehr Rente,
mehr Lohn:
Unsere Kämpfe
und Erfolge
10 Dossier
Schluss mit dem Abbau von Löhnen und
Renten: Unsere Fortschritte
Etwas stimmt doch nicht: Wie kommt es, dass
die Schweizer Beschäftigten punkto Kaufkraft
(laut GFK) europa weit auf Platz 2 stehen,
man aber das Gefühl hat, am Monatsende
immer weniger im Portemonnaie zu haben –
wenn nicht eh schon alles ausgegeben ist?
Text: Sylvie Fischer
Bilder: François Graf
Solche Klassierungen geben eben ein falsches Bild, denn
sie berücksichtigen nicht die verschiedenen Ausgaben für
Krankenkasse und Gesundheitskosten oder Pensionskasse
und indirekte Steuern. So wie der Schweizer Medianlohn
2016 von 6502 Franken brutto (die Hälfte der Beschäftigten
verdient mehr, die andere Hälfte weniger) die
niedrige Entlöhnung der typischen Frauenberufe nicht
darstellt. 60 % der Stellen mit einem Lohnniveau tiefer als
4500 Franken brutto sind von Frauen besetzt. Und die
10 Prozent am schlechtesten bezahlten Lohnempfänger
Innen verdienen weniger als 4313 Franken brutto. Sinnvoller
wäre ein Vergleich der Nettolöhne, machen die
Sozial abgaben für Dreissigjährige doch etwa zwischen 13
und 17 Prozent des Bruttolohns aus.
Steigende Lasten und schwächelnde Löhne
Die Ausgaben der Arbeitenden in der Schweiz, die bereits
1,5- bis 2-mal höher sind als in den Nachbarländern (siehe
S. 15), werden immer noch höher. Früher war die Kehrichtabfuhr
durch die Steuern gedeckt. Heute kommen eine
Kopfgebühr und gebührenpflichtige Säcke hinzu. Zur Sanierung
der IV wurde zwischen 2011 und 2017 die Mehrwertsteuer
um 0,4 Prozentpunkte erhöht. Trotz der historisch
tiefen Hypothekenzinsen sind die durchschnittlichen
Mieten laut dem Mieterverband Asloca seit 2000 um über
50 Prozent angestiegen, in einigen Regionen noch stärker.
Innerhalb von zwanzig Jahren haben sich die Krankenkassenprämien
der Grundversicherung beinahe verdreifacht.
2006 betrugen die reglementarischen Beiträge
in die Pensionskasse rund 17,7 %. Seither sind sie jährlich
weiter gewachsen und werden sich dieses Jahr laut Prognose
des Gewerkschaftsbunds auf 19,5 % des versicherten
Lohns belaufen. Zugleich haben sich die Rentenperspektiven
mit der Senkung der Umwandlungssätze von durchschnittlich
6,4 % im Jahr 2013 auf 5,6 % im Jahr 2019 (ebenfalls
gemäss SGB) weiter verschlechtert. Nicht nur haben
die künftigen Rentnerinnen und Rentner viel mehr einbezahlt
als frühere Generationen, sie werden auch deutlich
tiefere Renten dafür erhalten.
Und schliesslich sind im letzten Jahr die Preise aufgrund
der teureren Mieten und Erdölprodukte offiziell
um 0,5 % angestiegen.
Gleichzeitig wachsen die Löhne kaum. Seit 2010 sind
die Nominallöhne in der Schweiz um weniger als 1 % pro
Jahr gestiegen. 2017 betrug die Zunahme nur 0,4 %, und
die Reallöhne sanken aufgrund der Teuerung sogar: um
0,1 Prozent. 2017 und 2018 gab es trotz Aufschwung nicht
mehr Reallohn. Für 2019 zeichnet sich keine wesentliche
Verbesserung ab. Sogar in Deutschland mit seiner Lohnzurückhaltung
ist das Lohnwachstum höher.
Am stärksten betroffen sind langjährige Mitarbeitende:
Gemäss der Lohnstrukturerhebung stiegen die Löhne
der Angestellten mit zwanzig oder mehr Dienstjahren zwischen
2010 und 2016 nur um 3,1 %. Bei den neu angestellten
Personen betrug die Zunahme hingegen 7,1 %.
Folglich haben viele Arbeitnehmende Mühe, mit ihrem
Lohn über die Runden zu kommen. Fast 40 Prozent
der Schweizerinnen und Schweizer geben an, dass sie ihren
Lohn komplett ausgeben. Beunruhigender noch: Eine
von fünf Personen in der Schweiz verfügt nicht über die
Mittel, um innerhalb eines Monats eine unerwartete Ausgabe
von 2500 Franken zu bewältigen.
Es ist Zeit, dass die LohnempfängerInnen
vom Wirtschaftswachstum profitieren
Aber der Wirtschaft geht es gut. 2018 ist das Bruttoinlandprodukt
um 2,5 % gewachsen. Und obwohl sich das Wachstum
verlangsamt hat, dürfte sich das BIP dieses Jahr um
weitere 1,5 % erhöhen. 2017 war bereits ein gutes Jahr für
die kotierten Schweizer Unternehmen, die 2018 mindestens
50 Milliarden an Dividenden ausschütten dürften. Es
ist Zeit, dass die Lohnempfängerinnen und Lohnempfänger
von den Früchten des Aufschwungs profitieren.
Anfang Jahr konnten bei den Lohnverhandlungen mit
syndicom bereits mehrere gute Fortschritte erzielt werden.
Bei der Post CH AG führten die Verhandlungen mit
syndicom und Transfair zu einer Lohnerhöhung von 1,4 %
(0,91 % generell, 0,49 % individuell). Zusätzlich werden die
Lohnbänder nach der Umsetzung der Lohnmassnahmen
um 1 % angehoben. Diese Massnahmen betreffen die rund
26 000 Mitarbeitenden im Gesamtarbeitsvertrag Post CH
AG. Bei der Zuteilung der individuellen Lohnmassnahmen
hat sich die 2018 eingeführte Systematik bewährt,
die einen Pflichtanteil enthält. Dieser ist ein geeignetes
Mittel für faire Lohnmassnahmen. Vor allem Mitarbeitende
mit Löhnen in tieferen Lagen des Lohnbands der jeweiligen
Funktion erhalten damit bei guter Leistung die
Chance, in der Lohnentwicklung überdurchschnittlich
aufzuholen (siehe Artikel auf S. 18).
Bei PostAuto konnten syndicom und Transfair einen
Lohnanstieg von insgesamt 1,2 % erzielen. Die Umsetzung
der Lohnmassnahmen erfolgt mit dem Aprillohn. Danach
werden die Lohnbänder um 1 % angehoben. Die beschlos
Der Wirtschaft
geht es prima.
Die Löhne
müssen folgen.
senen Lohnmassnahmen betreffen die 2200 Mitarbeitenden
von PostAuto im GAV und die rund 1700 Mitarbeitenden
der PostAutoUnternehmen mit Personalreglement
(PUP). Auch hier gewährleistet der Verteilmechanismus
bei der Zuteilung der individuellen Lohnmassnahmen,
dass Mitarbeitende mit Löhnen in tieferen Lagen des
Lohnbandes bei guter Leistung stärker profitieren.
Gehälter erhalten eine Einmalzahlung von 500 Franken.
Für IMS Clean (Unterhaltsreinigung) haben sich die Sozialpartner
auf eine Erhöhung um 0,4 % der Lohnsumme für
alle Mitarbeitenden über dem Medianlohn und um 0,8 %
für alle unter dem Medianlohn geeinigt. Die Lohnsumme
steigt so um 0,6 %. Ausbezahlt werden die höheren Löhne
erstmals im April.
Bis zu 2 Prozent höhere Mindestlöhne
Bei PostFinance hat syndicom für die Mitarbeitenden
eine Lohnerhöhung von 1,6 % ausgehandelt. Die 2500
dem GAV unterstellten Mitarbeitenden werden diese mit
dem Aprillohn ausbezahlt erhalten. Da es wünschenswert
ist, dass Personen mit tieferen Löhnen höhere Lohnerhöhungen
erfahren als besser bezahlte Angestellte, werden
0,8 % der Lohnsumme den Vorgesetzten mit einem nach
Lohnhöhe und Lage im Band errechneten Verteilmechanismus
als Orientierung vorgeschlagen. In einer Zeit, wo
rein individuelle Lohnerhöhungen ohne Orientierungspunkte
in allen Branchen zunehmen, was zu höherer Intransparenz
und oft zu Lohnungleichheit führt, kann mit
dieser Lösung Gegensteuer gegeben werden.
In der Contact und CallcenterBranche einigten sich
syndicom und die Arbeitgeberverbände CallNet.ch und
contactswiss auf eine Lohnerhöhung um 2 % auf den Mindestlöhnen.
Es waren die ersten Lohnverhandlungen, seit
der GAV vom Bundesrat per 1. Juli 2018 allgemeinverbindlich
erklärt wurde. Die Erhöhung bedeutet konkret zwischen
70 und 102 Franken mehr pro Monat auf den Mindestlöhnen.
Die neuen Löhne gelten ab dem 1. Januar
2020 für die Jahre 2020 und 2021. Die Sozialpartner beantragen
die Allgemeinverbindlicherklärung auch für die
neu festgelegten Löhne.
Die Lohnverhandlungen mit der Post Immobilien Management
und Services AG haben eine Lohnerhöhung von
1,2 % der Gesamtlohnsumme für die 1200 Angestellten ergeben.
60 % davon werden über einen vereinbarten Verteilmechanismus
ausbezahlt. Je tiefer jemand eingestuft
ist, desto höher wird die Lohnerhöhung ausfallen. Die
restlichen 40 % werden individuell verteilt. Die höchsten
Swisscom: Löhne wachsen um 1,4 Prozent
Swisscom, syndicom und Transfair haben sich auf Lohnmassnahmen
von 1,4 % ab dem 1. April 2019 für rund
14 000 Mitarbeitende von Swisscom, die dem GAV unterstehen,
geeinigt. Die Mitarbeitenden erhalten eine generelle
Lohnerhöhung von mindestens 0,9 %, der Rest wird
individuell verteilt. Auch bei Sunrise (1,5 %) und UPC
(1,2 %, davon 0,9 % generell) steigen die Löhne (siehe Seite
17).
Höhere Löhne gibt es auch in der Buchbranche. Im
Deutschschweizer Buchhandel wurde eine Anhebung der
Mindestlöhne um 1 % vereinbart, während die Mitarbeitenden
von Payot generell 1 % mehr erhalten.
Bei Cablex wird eine Lohnerhöhung von insgesamt
1,2 %, davon 0,9 % als generelle Massnahme gewährt. Damit
diese Erhöhung wirksam werden kann, wird noch das
Ja der Entscheidgremien benötigt. Bei Localsearch wird
eine allgemeine Erhöhung für alle Angestellten nach GAV
von 0,8 % erwartet sowie individuelle Erhöhungen (nach
Redaktionsschluss). Schliesslich beträgt die Erhöhung
der Lohnsumme bei Naxoo per 1. Januar 1,2 %.
Unterstützung für die Rentnerinnen und Rentner
Aber nicht nur bei den Löhnen muss gehandelt werden.
2017 zeigte ein Bericht der OECD, dass die Schweizer Arbeitnehmenden,
die derzeit in den Arbeitsmarkt eintreten,
eine Rente von 45 % ihres letzten Lohnes erhalten werden.
Im OECDDurchschnitt sind es 63 %. Die Armut unter
den RentnerInnen ist in der Schweiz deutlich weiter verbreitet
als in den übrigen OECDLändern. Bei der Alters
12
Dossier
Die Krankenkasse darf nicht mehr als 10 %
des Haushaltseinkommens kosten.
armut liegt die Schweiz sogar an dritter Stelle, hinter Estland
und Lettland. Und dies obwohl die öffentlichen
Leistungen für Renten in der Schweiz höher sind (11 % des
BIP gegenüber 9 % in der OECD).
Für eine 13. AHV-Rente
Die Erhaltung des
Lebensstandards
mit der Rente
ist heute illusorisch.
Seit 2005 sind die durchschnittlichen Renten der zweiten
Säule um 9 % gesunken, und der Trend geht weiter (siehe
S. 15). Der Verfassungsauftrag, wonach Pensionskassen
und AHV zusammen die Fortsetzung der gewohnten Lebenshaltung
ermöglichen sollen, gerät zur Farce.
Für den SGB braucht es eine Stärkung der AHV, um den
künftigen RentnerInnen ein anständiges Rentenniveau
zu sichern. Er erarbeitet dazu eine Initiative für eine
13. AHVRente. Denn die AHV bietet für alle mit tiefen
und mittleren Löhnen das beste PreisLeistungsVerhältnis
in der Schweizer Altersvorsorge.
In der 2. Säule dürfen keine Gewinne auf Kosten der
Versicherten gemacht werden. Dazu braucht es Gewinnein
schrän kungen für Lebensversicherer, transparente
Verwaltungskosten und einheitliche, verständliche Vorsorgeausweise.
Die Umlagekomponente im BVG sollte gestärkt
werden. Denkbar wäre auch, dass die Einnahmen
der Nationalbank aus den Negativzinsen an die 2. Säule
ausgeschüttet werden.
Zusammen mit der Verbesserung der Lohnsituation
der Frauen – für die auch die im neuen Gleichstellungsgesetz
vorgeschriebenen Lohnkontrollen durchgeführt werden
müssen – gehört die Entlastung bei der Krankenkasse
zu den aktuellen Prioritäten. Es braucht mehr Prämienverbilligung
für Haushalte mit unteren und mittleren Einkommen.
Der SGB unterstützt die Volksinitiative, die fordert,
dass niemand mehr als 10 Prozent des verfügbaren
Haushaltseinkommens für die Krankenkasse ausgeben
muss (siehe Link).
Es muss also an mehreren Fronten gehandelt werden.
Angemessene Löhne können nur gesichert werden, wenn
die flankierenden Massnahmen im Rahmenabkommen
mit der EU erhalten werden – und damit der Schutz der
tiefen und mittleren Löhne bestehen bleibt. Ohne diese
flankierenden Massnahmen könnten sämtliche bilateralen
Abkommen auf der Strecke bleiben, da die Bürgerinnen
und Bürger darin keinen Vorteil mehr sähen.
PrämienEntlastungsInitiative:
bit.ly/2GTxUV9
Dossier
Wie ist das genau mit der Arbeit, dem
Lohn und der menschlichen Würde?
13
Der Wert, den die Arbeitenden herstellen,
wird immer ungerechter verteilt. Und mit der
Digitalisierung hat die grosse Ausmarchung
zwischen Kapital und Arbeit begonnen. Darum
müssen wir besser denken, wenn wir über
Lohn sprechen.
Text: Oliver Fahrni
Bilder: François Graf
Nur lebendige Arbeit schafft Wert.
Dass wir diese simple Grundtatsache der Ökonomie hier
wieder in Erinnerung rufen müssen, das liegt daran, dass
die Besitzenden und ihre Ökonomen uns täglich das Gegenteil
in die Köpfe hämmern. Sie sind damit so erfolgreich,
dass viele Arbeitende glauben, ihre Arbeit und der
Lohn, den sie dafür erhalten, seien ein «Kostenfaktor».
Falsch. Der Zins für das Kapital ist ein Kostenfaktor. Miete,
Hypothekenrate, Strom, Öl etc. sind Kostenfaktoren.
Der Preis für das Material ist ein Kostenfaktor. Arbeit aber
formt dies alles zu einem Produkt von höherem Wert um.
Arbeit allein schafft den Ertrag und schafft den Gewinn.
Arbeit ist ein Gewinnfaktor. Ganz abgesehen davon, dass
Arbeit mit sozialer Sicherheit, also menschlicher Würde
und Entfaltung zu tun hat.
Geld arbeitet? Tut es nicht!
Dennoch haben die meisten Menschen das Ammenmärchen
der Aktionäre verinnerlicht, Geld arbeite. Kürzlich
warb eine Bank mit dem Spruch: «Hier arbeitet Ihr Geld
für Sie.» Tut es nicht. Schon mal eine Hunderternote gesehen,
die auf der Baustelle die Schaufel schwingt? Geld
kann im besten Fall, wenn es denn investiert und dadurch
zu Kapital wird, die Umwandlungsprozesse der Arbeit
schmieren und beschleunigen. Geld kann aber auch ein
Hindernis der Arbeit sein, oder sogar Wert zerstören,
wenn es, statt in Investitionen, in spekulative Anlagen
oder Monsterboni gesteckt wird.
Gut, sagt da jemand, aber Maschinen arbeiten doch
auch und schaffen Wert, nicht nur Menschen? Manche
Produkte, etwa die Swatch, werden fast vollautomatisch
hergestellt. Das stimmt. Doch was ist eine Maschine, in
diesem Fall eine Werkzeugmaschine, ein Roboter oder sogar
eine ganze Fertigungsstrasse? Sie ist ein Konzentrat
menschlicher Arbeit. Nicht nur, weil die Maschine ebenfalls
gebaut werden musste. In einer Maschine arbeiten
das akkumulierte Wissen, die Handfertigkeit und das
Können von Generationen von Arbeitenden.
Die Maschine ist ein Konzentrat menschlicher Arbeit.
Das ist nicht so leicht zu erkennen, wird aber immer dann
sichtbar, wenn eine Maschine nicht genau das tut, wofür
sie gebaut ist.
Bei einem Zuger Roboterbauer wollte das Management
die Arbeit nach Fernost auslagern. Problem: Obschon
die Roboter aufs My genau hochtechnisch gleich
gefertigt wurden, funktionierten manche nur mit viel Ausschuss.
Ein Rätsel. Noch rätselhafter war: Besonders erfahrene
Arbeitende wussten schon vor Ende der Fertigstellung,
welche Roboter besser liefen ...
Warum reden wir über diese Geschichten? Weil es hier
darum geht, das Verhältnis zwischen Arbeit, Wert und
Lohn zu verstehen.
14
Dossier
Arbeit, Lohn und menschliche Würde
Wirtschaft scheint komplex. Doch in Wahrheit geht es
immer nur um das Problem, wie sich eine Gesellschaft organisiert,
um die Dinge herzustellen, die uns von Not befreien
und unsere Bedürfnisse befriedigen. Und wie man
die Dinge und den Wert unter den Mitgliedern der Gesellschaft
verteilt. Der Rest ist Sand, den die Aktionäre und
ihre Ökonomen uns in die Augen streuen, damit wir dieses
grundsätzliche Problem nicht mehr erkennen.
Im Kapitalismus braucht es ziemlich viel Sand und im
modernen Finanzkapitalismus enorme Haufen Propaganda,
um uns blind zu halten. Denn eins ist unbestreitbar:
Wir arbeiten, bekommen aber nur einen Teil des NettoWerts,
den wir herstellen. Den anderen Teil, den
Mehrwert, nimmt sich das Kapital. Etwas davon wird investiert.
Aber die Investitionen sind in den letzten Jahrzehnten
massiv zurückgegangen, und die Dividenden
sind explodiert. Zukunft, Nachhaltigkeit interessiert die
meisten Anleger kaum noch, die Finanzspekulanten und
Banken noch weniger. Sie wollen kurzfristig maximalen
Profit, und die fortschreitende Kapitalkonzentration ist
ein zwingender innerer Mechanismus des Kapitalismus.
Dies ist übrigens einer der Gründe, warum er die ökologische
Krise, die er produziert hat, nicht lösen kann.
Die «Lohnquote», unser Anteil am von uns
hergestellten Wert, sinkt und sinkt. Wieso?
Hier geht es um Lohn, also um den Anteil, den die Arbeitenden
aus der Wirtschaft ziehen können. Ökonomen
messen dies mit der «Lohnquote». In den USA, in Japan
und in den meisten Ländern Europas sinkt sie stark. In
Italien von 67 Prozent 1990 auf 53 Prozent 2008. In der
Schweiz bleibe sie konstant, behaupteten Ökonomen
2014. Tatsächlich ist sie im selben Zeitraum auch um fast
18 Prozent gesunken, wenn man das oberste Lohn und
Boniprozent rausrechnet. Einfacher gesagt: 99 Prozent
der Arbeitenden bekommen nur etwas über die Hälfte von
dem Wert, den sie produzieren. 45 Prozent schnappen
sich die Banken und Aktionäre. Das erklärt die 40 Milliarden
Franken oft steuerfreier Dividenden für 2017.
Dieser massive Rückgang, zu dem noch Dinge wie ungerechte
Steuerverteilung, höhere Lebenskosten der unteren
Einkommen etc. kommen (siehe Seiten 8 bis 12), ist
sozial explosiv, aber das Resultat einer gezielten Strategie.
Die neoliberale Revolution ab 1980 diente dem mächtigsten
1 Prozent genau dazu, einen höheren Anteil am produzierten
Wert zu konfiszieren.
Also dem Projekt, eine Umverteilung von unten nach
oben durchzuführen. Seit der Krise von 2008 hat sich das
beschleunigt. Fast alle Produktivitätsfortschritte der letzten
zehn Jahre nahm sich das Kapital: ein Bruch des ungeschriebenen
Gesellschaftsvertrags, der vorsieht, die wachsende
Produktivität für sozialen Fortschritt zu nützen.
Nicht immer in Form von höheren Löhnen. Auch kürzere
Arbeitszeiten sind denkbar oder mehr Ferien. Doch
heute sinken nicht nur die realen Löhne in vielen Bereichen,
auch die realen Arbeitszeiten nehmen wieder zu.
Hier entscheidet sich die Zukunft der Gesellschaftsform.
Mit den Mitteln der digitalen Revolution suchen die Besitzenden,
diese Wende nun erst richtig in Fahrt zu bringen.
Deshalb die Angriffe auf die gesetzliche Arbeitszeit.
Deshalb die rasche Zunahme von «untypischen Arbeitsformen»
(Zeitarbeit, Abruf, Heimarbeit, Stück arbeit im Auftragsverhältnis).
Plattform arbeit, so planen die Aktionäre,
soll die normalen Arbeitsverträge (auch die GAV) und das
schützende Arbeitsrecht nun ganz schleifen.
Auf diesem Terrain wird nicht nur der Kampf um die
Zukunft der geregelten Arbeit, des Lohnes und der Arbeitszeit
ausgetragen. Hier entscheidet sich auch die Zukunft
der Gesellschaftsform. Das ist die entscheidende
Front, auch für eine Gewerkschaft, die heute mehrheitlich
Arbeitende organisiert, die den Schutz eines GAV geniessen.
Es darf keine Arbeit ohne geschützten Vertrag geben.
Die Löhne müssen rauf, die Arbeitszeiten scharf verkürzt
werden. Nur wenn wir erkämpfen, dass die Produktivitätsgewinne
an die Arbeit gehen, können wir die notwendige
Rückverteilung in Gang setzen. Und die soziale Sicherheit
garantieren.
Der Kapitalismus stösst an die eigene Grenze. Und jetzt?
Es könnte der letzte Kampf des Wirtschaftssystems Kapitalismus
werden. Im Januar grassierte unter den Weltenlenkern
am WEF in Davos nicht nur die Angst vor Volksbewegungen
wie den Gelbwesten in Frankreich, es war auch
zu hören, man sei an einer inneren Systemgrenze angelangt:
Der Kapitalismus in seiner aktuellen Form produziere
schlicht nicht mehr genügend Massenkaufkraft, um
seine eigene Expansion zu sichern ...
Sind wir gerüstet für dieses grosse Kräftemessen zwischen
Kapital und Arbeit?
Fotostrecke
Der Waadtländer Fotograf François Graf hat in Lausanne die
Bilder für dieses Dossier aufgenommen (Fotos auf der
Doppelseite 8–9 sowie auf den Seiten 11 bis 14). Von ihm
stammen auch das Titelbild und das kleine Foto auf Seite 3.
François Graf, * 15. September 1973 in Cali, Kolumbien, lebt in
Lausanne. Nach der Ausbildung Anfang der 90er-Jahre zum
Lithografen in der grafischen Industrie besuchte er 1997 die
Ecole de photographie in Vevey. Er ist Mitglied des Lausanner
Fotografenkollektivs Strates Photographies.
François Graf macht vor allem Reportagen und Porträts.
www.francoisgraf.ch
15
Veränderung des Nominal- und des Reallohnindexes
Veränderung in Prozent im Vergleich zum Vorjahr
Entwicklung der Reallöhne
Index: 2007 = 100 (2018 erste 3 Quartale)
1,4 %
1,2 %
1,0 %
0,8%
0,6%
0,4%
0,2%
0,0%
–0,2%
Seit 2010 steigen die
Nominallöhne in der
112
110
Schweiz mit einer
108
Zunahme von weniger
Schweiz
106
als 1% pro Jahr kaum.
2017 wuchsen sie um 104 Deutschland
nur 0,4 %, während die
Reallöhne in diesem
Jahr aufgrund der
Teuerung gar um
102
100
98
2012 2013 2014 2015 2016 2017 0,1% schrumpften.
2007 2008 2009 2010 2011 2012 2013 2014 2015 2016 2017 2018
Quelle: BFS 2018 – Schweizerischer Lohnindex (SLI)
Quelle: BFS, Destatis Berechnungen SGB (CH: Lohnindex, DE: Index der Bruttostundenverdienste)
Wie in den USA bilden die Gesundheitsausgaben
auch in der Schweiz eine erdrückende Last für die
Bürgerinnen und Bürger
Gesundheitsausgaben pro Kopf (in US-Dollar) 2017 Index: 1996 = 100
10000
8000
6000
4000
2000
0
Quelle: OECD-Gesundheitsstatistik 2018
Die Pensionskassenbeiträge steigen
seit 2006 stetig an …
Reglementarische Beiträge, in Prozent der versicherten Löhne
19,0 %
18,5%
18,0%
17,5%
17,0%
16,5%
USA
Schweiz
Deutschland
Österreich
Frankreich
Grossbritannien
OECD
Italien
Griechenland
Chile
Kolumbien
Die Krankenkassenprämien der
Grundversicherung haben sich in zwanzig
Jahren fast verdreifacht
2004 2006 2008 2010 2012 2014 2016 2018
2013 2014 2015 2016 2017 2018 2019
250
200
150
100
Quelle: BAG
… die zu erwartende Rente hingegen
wird immer kleiner
Umwandlungssätze der Schweizer Pensionskassen
6,4%
6,4%
1997
1999
2001
2003
2005
2007
2009
6,3% 6,3%
2011
2013
2015
2017
5,9%
Entwicklung der
Standardprämie:
Franchise
300 Franken
mit Unfall
Erwachsene ab
26 Jahren
5,8%
5,6%
Quelle: BFS-Pensionskassenstatistik, Berechnungen/Prognose SGB (2018/19: Schätzung bzw. Prognose)
Quelle: Untersuchung SGB (Mittelwert, gewichtet mit der Anzahl der aktiven Versicherten)
Derselbe Waren- und Dienstleistungskorb ist in der Schweiz
1,5- bis über 2-mal teurer als in den Nachbarländern
Stand 2017 (EU-Durchschnitt = 100)
Schweiz
Deutschland Frankreich
Italien Österreich
Bruttoinlandprodukt
152
107
110
99
111
Tatsächlicher Individualverbrauch
167
104
107
102
113
Nahrungsmittel und alkoholfreie Getränke
169
101
114
111
125
Alkoholische Getränke und Tabakwaren
128
95
109
95
94
Bekleidung und Schuhe
Wohnungswesen, Energie
Innenausstattung, Haushalt
Gesundheitspflege
Verkehr
Nachrichtenübermittlung
Freitzeit und Kultur
Erziehung und Unterricht
Gaststätten und Hotels
Sonstige Waren und Dienstleistungen
Tatsächlicher Kollektivverbrauch
Maschinen und Geräte
Baugewerbe
Software
Konsumausgaben der privaten Haushalte
147
180
124
208
120
123
158
232
162
168
180
112
175
97
160
105
111
102
102
106
101
104
115
110
99
123
98
139
98
104
104
114
106
99
106
97
109
101
118
104
128
106
119
102
110
104
91
105
122
101
109
102
96
105
100
110
97
77
102
101
105
101
108
123
107
84
115
166
106
110
117
108
111
98
109
Quellen: Eurostat, BFS 2018
0 100 200 0 100 200 0 100 200 0 100 200 0 100 200
16
Eine bessere
Arbeitswelt
Mehr Lohn, Zeit,
Respekt!
Am Freitag, dem 14. Juni 2019, kommt
der zweite Frauenstreik der Schweiz.
Die Gewerkschaften werden Lohn,
Zeit und Respekt auf die Transparente
bringen.
Apropos Lohn. Anfang Jahr erschien
die vom Bundesamt für Statistik
durchgeführte Analyse der Lohnstrukturerhebung
für 2016: Nach zwei
Jahren stieg der Lohnunterschied zwischen
Frauen und Männern wieder an
und liegt nun im privaten Sektor bei
knapp 20 Prozent. Die Medianlöhne
zeigen über den privaten und öffentlichen
Sektor gerechnet einen Unterschied
von 12 Prozent. Fast die Hälfte
dieser Lohnunterschiede ist unerklärt.
Im öffentlichen Sektor sank die Lohndiskriminierung
leicht – von 42 auf
35 Prozent. Fast zwei Drittel aller Vollzeitstellen
mit Bruttolöhnen unter 4000
Franken waren von Frauen besetzt.
Auch darum geht syndicom an den
Frauenstreik – mit dir! Wir führen diverse
Aktionen durch. Melde dich bei
uns, wenn du den Frauenstreik am
Arbeitsplatz zum Thema machen, an
einer Veranstaltung teilnehmen oder
Material bestellen möchtest!
Patrizia Mordini
Melde dich bei syndicom, wenn du auch beim Frauenstreik mitmachen willst! (© Annette Boutellier)
syndicom.ch/frauenstreik
Verbindliche
Lohnerhöhungen,
im GAV garantiert
Kollektive Lohnverhandlungen basieren
auf einem Gesamtarbeitsvertrag
(GAV). Fehlt in einem GAV die Pflicht zu
kollektiven Lohnverhandlungen, fehlt
ihm das Kern element. Denn die jährlichen
Lohn verhandlungen garantieren
die anteilsmässige Partizipation der
Beschäf tigten am Produktivitätsfortschritt.
Die Lohnverhandlungen sind ein
zentraler Bestandteil des gewerkschaftlichen
Handelns. Kollektive
Lohnverhandlungen sind Ausdruck
kollektiver Emanzipation der Angestellten
und Teil der demokratischen
Mitbestimmung in einem Unternehmen
oder in einer Branche. Über kollektive
Lohnverhandlungen erfolgt
jährlich eine direkte Umverteilung der
erwirtschafteten Betriebsgewinne an
die Beschäftigten.
Auch in diesem Jahr konnte syndicom
dank einer Vielzahl von GAV dazu
beitragen, dass Zehntausende in den
Genuss von Lohnerhöhungen kommen.
Jährliche Lohnerhöhungen stärken
die Binnenwirtschaft und damit
die Volkswirtschaft. Sie steigern die
Konsumnachfrage, schaffen Arbeitsplätze
und sorgen für Investitionen.
Giorgio Pardini, Leiter Sektor ICT und
Mitglied der Geschäftsleitung
«Nicht nur Arbeitende freuen sich über Lohnerhöhungen,
sondern auch Bund, Kantone und Gemeinden.» Franz Schori
17
Erhöhung der Kaufkraft
dient allen
Im Sektor ICT konnte syndicom für dieses Jahr Lohnsummenerhöhungen
zwischen 1,2 und 2,3 Prozent verhandeln. Damit
liegen die Lohnabschlüsse deutlich über der UBSPrognose von
1,0 Prozent, gleichen die Teuerung aus und erhöhen die Kaufkraft.
Firmenkonferenz Swisscom Group von syndicom am 8. Februar: Gegen 100 SwisscomMitarbeitende
stimmen dem Lohnabschluss grossmehrheitlich zu. (© Jens Friedrich)
Ein zentraler Bestandteil der Gesamtarbeitsverträge
ist die Verpflichtung
der Arbeitgeber, jedes Jahr mit der Gewerkschaft
Lohnverhandlungen zu
führen. Bei syndicom lässt der Sektor
ICT dazu jedes Jahr eine Studie zur
Entwicklung der Produktivität in der
ICTBranche erarbeiten. So bietet sich
ein grösserer Argumentationsspielraum
als nur die Teuerung – besonders
in teuerungsarmen Jahren. Zusätzliche
Einflussgrössen sind die
Unternehmens und Wirtschaftsentwicklung
und die Situation auf dem
Arbeitsmarkt.
Die Grossbank UBS veröffentlicht
jährlich eine Prognose zur Lohnentwicklung,
die auf einer Umfrage bei
Unternehmen beruht. So schätzte die
UBS im Oktober 2018 für die ICTBranche
die durchschnittliche Lohnerhöhung
im 2019 auf 1,0 Prozent, was
etwa der Jahresteuerung im 2018 von
0,9 Prozent entspricht. syndicom gelang
es bei den Lohnverhandlungen,
rundum bessere Abschlüsse zu erzielen
und die Teuerung grundsätzlich
auszugleichen:
– Swisscom: Lohnsumme plus 1,4 %,
für die LohnrundenBerechtigten
innerhalb der GAVPopulation 1,7 %,
davon 0,9 % generell. Mitarbeitende
im TopBereich mit guter Leistung
erhalten einmalig 900 Franken.
– Sunrise: Lohnsumme plus 1,5 %, individuelle
Verteilung.
– UPC: Lohnsumme plus 1,2 %, davon
0,9 % generell, 0,3 % individuell.
– Nicht zur ICT gehört der Zentralschweizer
Netzbauer Network 41.
Trotzdem ist der Lohnabschluss erwähnenswert;
denn mit einem Plus
von 2,3 % handelt es sich um den vermutlich
höchsten Lohnabschluss
dieses Jahres in der Schweiz.
Auch der Staat rechnet mit
Lohnerhöhungen
Nicht nur Arbeitnehmende freuen
sich über Lohnerhöhungen, auch die
öffentliche Hand. Bei den Budgetierungsprozessen
werden die Prognosen
von Banken und anderen spezialisierten
Instituten zu Rate gezogen.
Denn für einen millionenschweren
öffentlichen Haushalt haben Lohnerhöhungen
höhere Steuereinnahmen
zur Folge. Diese wiederum fliessen in
Infra strukturen, den Service public,
die Bildung, das Sozialwesen und andere
wichtige öffentliche Aufgaben.
Franz Schori
Zum Verhandlungsergebnis:
bit.ly/2Ugsdnn
Die PosthalterInnen
sollen verschwinden
Mitte Februar informierte die Post,
dass sie eine neue Teamorganisation
und Führungsstruktur im Poststel lennetz
einführen will. PostNetz streicht
die ganze Führungslinie der klassischen
Poststellenleitung. Die Öffentlichkeit
war ob der Neuigkeiten überrascht
– die grossen Tageszeitungen
berichteten über die Schicksale einzelner
PoststellenLeitender. Führt
die Post das Konzept in der präsentierten
Form ein, werden die klassischen
Posthalterinnen und Posthalter von
der Bildfläche verschwinden.
Die Mitarbeitenden sind stark verunsichert.
Schon im Vorfeld hatte syndicom
wiederholt auf Schwierigkeiten
bei der Umsetzung hingewiesen; die
Post nahm die Bedenken teilweise auf.
Allerdings gibt es bei solchen ReorganisationsVorhaben
keine durch den
GAV abgesicherte Mitsprache. So hat
syndicom dem Projekt nie zugestimmt,
hat aber auch keine Mittel, es
zu verhindern.
syndicom kritisierte PostNetz öffentlich:
PostNetz vermengt die Poststellen,
die einen vollen Service anbieten,
mit ganz anderen Diensten wie
den MyPost24Automaten. Beide Angebote
nennt die Post «Zugangspunkte»
und täuscht damit eine Gleichwertigkeit
vor, die in keiner Art und Weise
gegeben ist. Für syndicom stellt sich
also die Frage, ob dieses Projekt auch
dazu dient, einen weiteren PoststellenAbbau
besser zu verschleiern.
Zentralsekretär David Roth dazu:
«Grundsätzlich muss ich betonen,
dass PostNetz – im Gegensatz zu anderen
Bereichen des Konzerns – an einem
Austausch immer interessiert gewesen
ist. syndicom wird die Post aber
an den Resultaten messen.» Die Milizgremien
von syndicom fordern von
den Verantwortlichen wirksame Massnahmen,
um die vielen Härtefälle abzufedern.
Dazu soll der seit 2012 geltende
Lohndeckel verhandelt und
gestrichen werden. Matthias Loosli
syndicom.ch/aktuell/post
18 Arbeitswelt
«Nichts ist motivierender, als gemeinsam zu kämpfen,
sich durch gemeinsame Ziele verbunden zu fühlen.»
Teilnehmerin am neuen Kurs für Aktivisten im Tessin
Lohnrunde 2019
bei der Post
Winterzeit ist Verhandlungszeit –
1,2 %, 1,4 % und 1,6 %, das sind die
Lohnerhöhungen in den drei Konzernbereichen
der Post. Die Ergebnisse
spiegeln die wirtschaftliche Situation
der Konzernbereiche. So konnte
bei PostFinance das beste Resultat erzielt
werden. Die 1,2 Prozent bei Post
Auto sind gar einer der höchsten Abschlüsse
im Transportwesen in der
Schweiz in diesem Jahr.
Gute Wirkung der Lohnmatrix
Dank der Lohnmatrix verkleinern wir
die grossen Unterschiede zwischen
tiefen und hohen Löhnen. Der
Pflichtanteil ist mit 0,91 % bei Post CH
am höchsten (0,84 % bei PostAuto).
Auch bei PostFinance, die keinen
Lohnabschlüsse 2019 bei der Schweizerischen Post
Konzernbereich Total Für individuelle
Massnahmen
Für generelle
Massnahmen
PostAuto AG 1,20 % 0,36 % 0,84 %
Post CH AG 1,40 % 0,49 % 0,91 %
PostFinance AG 1,60 % 0,80 % 0,80 % (Vorschlagswert)
Quelle: syndicom
Pflichtanteil kennt, konnte ein Erfolg
verbucht werden: Neu wird für jede
Person ein Vorschlagswert errechnet.
Dieser dient den Vorgesetzten als
Richtwert für einen Teil der Lohnerhöhung,
Abweichungen müssen begründet
werden.
Matteo Antonini, Leiter Sektor Logistik,
ist zufrieden: «Mit der diesjährigen
Lohnrunde konnten wir wieder
einen Schritt in Richtung Transparenz
machen. Das gilt gerade für Post
Finance mit den neuen Vorschlagswerten.
Die Lohnerhöhungen können
die steigenden Lebenshaltungskosten
für die Mehrheit der PostAngestellten
kompensieren, das ist erfreulich.»
Matthias Loosli
Berechne deine Lohnerhöhung:
syndicom.ch/lohn19
Die Gewerkschaft sind wir
Die neuen Schulungen für AktivistInnen der Sektion Tessin vermitteln
Instrumente für die gewerkschaftliche Organisation in
den Unternehmen. Und holen das Solidaritätsgefühl zurück.
«Ich bin hier, weil ich an die Gemeinschaft
glaube.» – «Ich möchte meine
Streittechnik verfeinern und lernen,
Gewerkschaftsarbeit gibt positive Energie, das sieht man den Teilnehmenden an. (© Sandro Mahler)
wie ich mir Respekt verschaffen kann.»
Oder auch: «Ich möchte wissen, wie
man Konflikte besser bewältigt.» Das
sagen Teilnehmende an der neuen
Schulung für Aktivistinnen und Aktivisten,
die im Februar bei syndicom
Tessin und Moesano stattfand.
Rund fünfzehn Mitglieder sind da:
Postboten, Chauffeure, Swisscom
Leute, Drucker, Logistik personal und
eine Korrektorin. Es gibt einen Workshop
zur Rolle der Personalkommission,
Rekrutierungsübungen, eine
(spannende) Lektion über die «Geschichte
und Errungenschaften der
Gewerkschaftsbewegung», ein Referat
über Privatisierung. Abends wird ein
Dokumentar film über die Arbeitsbedingungen
in Schweden gezeigt, das
bei Wohlstand und Gewerkschaft einen
weltweiten Spitzenplatz belegt ...
Instrumente und Ideen
Es liegt positive Energie in der Luft.
Am Tisch vergleichen die KollegInnen
ihre Erfahrungen. Auch das ist gewerkschaftliche
Organisation: sich als
Teil von etwas Grösserem zu fühlen,
die verloren geglaubte Zusammengehörigkeit
wieder zu spüren, zu einer
Denkfabrik zu werden.
«Das ist unser dritter Kurs für Aktivistinnen
und Aktivisten», erzählt Regionalsekretär
Marco Forte. «Es war
schon lange nötig, unseren Vertreter
Innen in den Betrieben rechtliche und
technische Instrumente an die Hand
zu geben. Wir vertiefen gesetzliche
und vertragliche Aspekte, damit sie
gewerkschaftliche Arbeit leisten können.
Und wir geben ihnen die Mittel,
um mit guten Argumenten neue Mitglieder
zu gewinnen, wir vermitteln
Techniken zum öffentlichen Sprechen.
Wir haben immer sehr positive
Feedbacks bekommen.»
Pflege der Solidarität
Bislang haben etwa 50 Aktivistinnen
und Aktivisten an den Kursen teilgenommen.
Eine Teilnehmerin kommentiert:
«Es gibt nichts Motivierenderes,
als gemeinsam zu kämpfen,
sich durch gemeinsame Ziele verbunden
zu fühlen – und auch das Solidaritäts
und Schutzgefühl.» Angestrebt
wird eine partizipative und gemeinsam
getragene Gewerkschaft. «Die
Motivation bringt oft neue Mitglieder.
Jedes neue Mitglied ist ein kleiner
Beitrag zur Verbesserung der Gesellschaft»,
sagt Forte zufrieden. Ein solcher
Kurs könnte bald auch in der
Westschweiz organisiert werden.
Giovanni Valerio
Mehr über die Kurse (in Italienisch):
bit.ly/2StfBHu
«Positiv daran ist, dass der Firmenvertrag auf der Basis des
GAV steht, aber für alle gilt.» Angelo Zanetti
19
GAV für alle: Firmenvertrag für die
Mitarbeitenden der Stämpfli AG
Die Geschäftsleitung der Stämpfli AG hat mit der Verhandlungsdelegation
von syndicom und der Arbeitnehmervertretung den
ersten FirmenGesamtarbeitsvertrag der Branche Grafische
Industrie unterzeichnet.
Die Mitarbeitenden haben den neuen Firmenvertrag mit grosser Mehrheit angenommen. (© Stämpfli AG)
Errungenschaften für die
ganze Firma
Am 1. April tritt der soeben verhandelte
FirmenGAV bei der Stämpfli AG in
Kraft. 83 % der Beschäftigten haben
sich in einer Urabstimmung für den
neuen GAV ausgesprochen, bei 53 %
Stimmbeteiligung. Der auf dem Gesamtarbeitsvertrag
der grafischen Industrie
basierende Firmenvertrag weitet
den bestehenden Geltungsbereich
auf alle Mitarbeitenden der Stämpfli
AG aus und gilt so neu für rund 330 Beschäftigte.
So gelten die Bedingungen
des BranchenGAV, wie etwa eine 6.
Ferienwoche ab 50 oder der 4wöchige
Vaterschaftsurlaub, neu für die ganze
Stämpfli AG. Einige der Errungenschaften
konnten sogar noch verbessert
werden. So gilt der Vaterschaftsurlaub
etwa auch bei Adoption, und die
verlängerten Kündigungsfristen für
ältere Arbeitnehmende gelten bereits
ab dem 55. und nicht erst ab dem 60.
vollendeten Lebensjahr. Im Gegenzug
musste die Erhöhung der Arbeitszeit
auf eine 42StundenWoche akzeptiert
werden. Der FirmenGAV hat eine
Laufdauer von 2 Jahren.
Der Branchen-GAV als Basis für
den Firmen-GAV
Nötig geworden war die Verhandlung
auf Betriebsebene bei der Stämpfli
AG, als nach dem Scheitern des Antrages
auf die Allgemeinverbindlicherklärung
des Gesamtarbeitsvertrags der
grafischen Industrie Viscom die eigene
Organisation durch die Gründung
von «Print and Communication» (P+C)
mit einem SchwesterArbeitgeberverband
erweitert hatte, analog der Struktur
von Swissmem. Entsprechend dem
Modell Swissmem sieht der Teilverband
P+C keine institutionalisierte
Sozialpartnerschaft vor, was übersetzt
bedeutet: keinen GAV für seine Mitglieder.
Es gab zwar keinen Massenexodus,
aber bedeutende Unternehmen wie
Orell Füssli, Swissprinters, Haller &
Jenzer und St. Paul wechselten von
Viscom zu P+C oder schieden, wie die
Stämpfli AG, ganz aus dem Arbeitgeberverband
aus. syndicom versuchte
zusammen mit den betroffenen Belegschaften,
wo immer diese das wollten,
einen Verbleib im GAV zu erkämpfen.
Ausser bei Stämpfli bisher aber leider
ohne Erfolg.
Mit dem sich weiterhin zur Sozialpartnerschaft
bekennenden Teilverband
Viscom haben die Gewerkschaften
syndicom und Syna letztes Jahr
erfolgreich einen neuen GAV abgeschlossen,
der, wie bereits berichtet,
etwa mit dem neu eingeführten Vaterschaftsurlaub
zum ersten Mal seit langem
wieder ausgebaut werden konnte.
Er ist im Januar für eine Dauer von
drei Jahren in Kraft getreten.
Klar ist für die Gremien von syndicom,
dass auch für eventuelle weitere
Firmenverträge der BranchenGAV jeweils
die Basis sein muss. Analog dem
Beispiel von Stämpfli könnte wiederum
die Ausweitung des Geltungsbereiches
auf alle Beschäftigten zu einem
der grossen Ziele für den BranchenGAV
in den nächsten Verhandlungen
werden.
Angelo Zanetti
Zentralsekretär Grafische Industrie
und Verpackungsdruck
Medienpolitik für die
ganze Branche
Die tiefen Einstiegslöhne und Honorare
werden im Journalismus zum
Problem. Tageseinkommen von 150
Franken sind für Freischaffende bei
Zeitungen keine Seltenheit. Auch
beim Berufseinstieg mit zweijährigem,
berufsbegleitendem Stage werden
viele junge Medienschaffende
nach dem Studium mit kaum 3000
Franken abgespeist. Tieflohnpolitik
rächt sich, wenn der Beruf immer weniger
attraktiv und durch Abwanderung
der regelmässigen Freien entprofessionalisiert
wird.
Viele Verlage reagierten bisher nur
mit Stellenabbau, Fusionen, Zentralisierung,
Ausdünnen und Dumping
auf die Medienkrise. Um aus dieser
verheerenden Spirale auszubrechen,
muss sich die gesamte Branche zusammenraufen:
Indem sie einsteht
für einen angemessenen GAV, der die
Arbeitsbedingungen, die Löhne und
Honorare vor Erosion schützt. Und indem
sie sich in Politik und Öffentlichkeit
einsetzt für eine sinnvolle, zielgerichtete
JournalismusFörderung,
indirekt und neu auch direkt, finanziert
aus einem Mix von öffentlichen
Geldern (nicht nur die Haushaltsabgabe)
und unter reguliertem Beizug von
Google, Facebook, Amazon, den
mächtigen Treibern und Abschöpfern
des digitalen Medienwandels.
So wird es den Sozialpartnern gelingen,
im Interesse aller für eine gesunde
Medienbranche zu sorgen.
Stephanie Vonarburg leitet die Branche Presse
und elektronische Medien und ist Mitglied der GL.
20 Arbeitswelt
«Damit in der flexiblen digitalen Arbeitswelt nicht die
soziale Absicherung vergessen geht.» Lena Allenspach
Vorwärts mit der Regulierung von
CrowdworkPlattformen
Erste Schritte mit dem neu unterzeichneten Code of Conduct
zwischen der CrowdworkPlattform Mila und syndicom.
Irgendwas stimmt da nicht. Meine
SwisscomTVBox hängt sich immer
wieder auf. Den Anfang der «Tagesschau»
habe ich jetzt sicher fünfmal
gesehen. Ein Problem am Gerät kann
ich nicht erkennen. Ich brauche technische
Unterstützung. Sofort. Ich
schaue mich online nach Hilfe um
und sehe zwei Möglichkeiten: Ich melde
mich direkt bei Swisscom, oder ich
buche jemanden über Mila.
Mila ist eine CrowdworkPlattform,
auf der einfache technische Arbeiten
an Crowdworker vergeben und
von ihnen vor Ort erledigt werden können.
Die Plattform verspricht schnelle
und zeitlich flexible Ausführung kleiner
Aufträge durch eine Person aus
der Umgebung bzw. ein lokales Unternehmen.
Swisscom hat unterdessen
100 % der Anteile am Startup Mila
übernommen und steigt mit dieser Investition
in die PlattformÖkonomie
ein.
Mehr Schein als Sein
Klingt gut? Ist aber leider mehr Schein
als Sein. Denn obschon die neue
Arbeits form Crowdwork sich längst in
der Schweiz etabliert hat, fehlt es nach
wie vor an spezifischen kollektiven
Absiche rungen, Regulierung und
Sozial versiche rungs ansprüchen für
Crowdworker. Sozial abgesichert sind
vor allem Arbeitnehmende, die in einem
Betrieb mit Gesamtarbeitsvertrag
beschäftigt sind. Es ist also unabdingbar,
dass die Gewerkschaft
syndicom versucht, solche Plattformen
zu regulieren und einen verbindlichen
Rahmen für gute Arbeitsbedingungen
zu schaffen.
Genau dies ist das Ziel des kürzlich
unterzeichneten Code of Conduct
(Verhaltenskodex) mit der Plattform
Mit der Vereinbarung sind die PlattformArbeitenden
besser geschützt. (© Tom Kawara)
Mila. Unterzeichnet von Mila und syndicom,
ist er der erste seiner Art und
ermöglicht die Regelung einer digitalen
Plattform für ihre Tätigkeiten in
der Schweiz. Der Kodex enthält die
Verpflichtung der Plattform, die Aufträge
auf ihre Gesetzeskonformität zu
prüfen, und die Verpflichtung, die
Crowdworker über die Gesetzeslage
aufzuklären. So kann Mila u. a. von
den Crowdworkern den Nachweis
über die Anmeldung und korrekte Abrechnung
bei den Sozialversicherungsbehörden
verlangen.
Die Plattform verpflichtet sich, die
(inter)nationale Rechtsordnung und
das Recht auf kollektive Vertretung
der Crowdworker zu achten sowie klare
Aufgaben und einen angemessenen
Zeitraum zu ihrer Erfüllung zu definieren.
Weiter enthalten sind Regelungen
zum Datenschutz und Schutz
der Privatsphäre.
syndicom hat den Grundstein gelegt
syndicom nimmt mit diesem Code of
Conduct eine Vorreiterrolle bei der
Regulierung von digitalen Plattformen
ein. Die starke Sozialpartnerschaft
mit Swisscom und der vorbildliche
Gesamtarbeitsvertrag bilden
eine gute Grundlage, um den Code of
Conduct weiterzuentwickeln. Der Abschluss
ermöglicht ein Monitoring
der Arbeitsbedingungen bei Mila und
bei Bedarf auch Interventionen. Damit
in der Arbeitswelt von morgen der
Wunsch nach Flexibili tät nicht auf
Kosten der Arbeitsbedingungen und
der sozialen Absicherung realisiert
wird!
Lena Allenspach
Aktuelle Infos zum Crowdworking:
bit.ly/2GOC3JI
Praktika – Lohndruck
durch die Hintertür
Eins vorneweg: Natürlich gibt es Praktika,
deren AbsolventInnen gleich
eine Festanstellung bekommen. Und
insbesondere für StudentInnen sind
Praktika wichtig, um berufliche Erfahrungen
zu sammeln.
Doch die Situation ist nicht rosig.
Denn es gibt schweizweit keine Regeln,
wie ein Praktikum zu gestalten
ist. Eigentlich sollte es darum gehen,
im Betrieb neue Fähigkeiten zu lernen
und anzuwenden. Aber viel zu oft ist
dies nicht der Fall. Es gibt keine Regeln,
wie im Praktikum diese Ausbildung
zu erfolgen hat. Es gibt auch keine
Regeln, wie lange ein Praktikum
dauern darf. Oder wann jemand vor
und nach Lehre oder Studium noch
ein Praktikum machen soll.
Im gewerkschaftlichen Alltag stossen
wir immer wieder auf Fälle, in denen
PraktikantInnen nichts Neues
lernen – sondern ab dem ersten Tag
als produktive Arbeitskräfte eingesetzt
werden. Bezahlt wird nur ein
Hungerlohn. Oder wir sehen junge
Leute, die ein Praktikum nach dem
anderen absolvieren. Und das immer
öfter nicht nur nach der Hochschule,
sondern auch nach der Lehre.
Uns, die bereits fest im Berufsleben
stehen, darf dies nicht egal sein.
Im schlimmsten Fall stellen Arbeitgeber
billige PraktikantInnen an und ersetzen
damit reguläre Angestellte –
das spart massiv Lohnkosten. Was in
anderen Ländern bereits Tatsache ist,
kommt auch in der Schweiz immer
mehr vor. Bestes Beispiel: Kinderkrippen,
die von jungen Menschen verlangen,
für kaum Geld bereits vor der Lehre
ein Praktikum zu absolvieren.
Als Gewerkschaften müssen wir
hier ansetzen. Praktika gehören reguliert
– zum Schutz der jungen Menschen
und zum Schutz der regulär
Angestellten. Der SGBKongress hat
deshalb im Winter auf Antrag der Gewerkschaftsjugend
in einer Resolution
gefordert, dass Praktika strenger reguliert
werden müssen. Dafür müssen
wir uns jetzt einsetzen.
Dominik Fitze
Junge im SGB:
Gewerkschaftsjugend.ch
«Es ist unsere kumulierte Kaufkraft, die unsere Lebensräume
verändert – momentan gerade drastisch.» Michael Moser
21
Die Prämienverbilligung
wird jetzt breiter gestreut
Luzern hat das Recht auf Zuschüsse zur Krankenversicherung
zu sehr eingeschränkt, so das Bundesgericht. syndicom hält
ihre Mitglieder und potenziellen Begünstigten – auch in andern
Kantonen – auf dem Laufenden.
Über 8000 Luzerner
Familien erhalten jetzt
Prämienverbilligung –
auch rückwirkend. Es
freuen sich David Roth
(Präsident SP Luzern)
mit Nationalrätin Nadine
Masshardt und
SPVizepräsidentin
Barbara Gysi.
(© Keystone)
Die Stärkung der Kaufkraft unserer
Mitglieder – das ist unser Ziel bei
Lohn verhandlungen. Nicht selten
wird aber die Lohnerhöhung durch
steigende Krankenkassenprämien bereits
aufgefressen. Besonders gravierend
ist das für Familien mit Kindern
und Jugendlichen.
Ein wegweisendes Urteil des Bundesgerichts
dürfte vielen syndicom
Mitgliedern mit Familien ebenfalls
zugutekommen: Familien, die ein
Haushaltseinkommen unter dem Median
haben, müssen künftig Prämienverbilligung
erhalten.
Die SP Kanton Luzern hat Einsprache
gegen die Luzerner Verordnung
zur Prämienverbilligung gemacht.
Hintergrund war, dass der Kanton die
Einkommensschwelle für den Erhalt
von Prämienverbilligung für Familien
mit Kindern und Jugendlichen unter
25 Jahren auf 63 000 Franken abgesenkt
hatte. Um Recht zu erhalten,
musste die SP bis vor Bundesgericht.
Dieses hat nun unzweideutig festgehalten:
Die Luzerner Regelung widerspricht
Bundesgesetz. Dort steht
nämlich, dass Familien mit «tiefen
und mittleren Einkommen» entlastet
werden sollen. Der Median des mittleren
Einkommens liegt in Luzern aber
bei 87 000 Franken. Entsprechend
musste der Kanton Luzern rückwirkend
auf 2017 die Verordnung anpassen,
und mehr als 8000 Familien erhalten
rückwirkend und in Zukunft
mehr Prämienverbilligung.
syndicom wird die Mitglieder im
Kanton Luzern über dieses Urteil informieren,
damit sie ihren rechtmässigen
Anspruch auf Prämienverbilligung
geltend machen. Denn bereits
heute beantragen 25 Prozent der Berechtigten
keine Prämienverbilligung.
Dabei kann das schnell mehrere
tausend Franken ausmachen. Die Entwicklung
in allen anderen Kantonen
wird syndicom im Auge behalten, um
auch dort zeitnah zu informieren.
David Roth
Im Lichte dieses Urteils legen auch
die Kantone Aargau, Bern, Glarus,
beide Appenzell, Wallis und Neuenburg
fragwürdige Einkommensschwellen
für den Bezug von Prämienverbilligung
fest. Laut SDA
fordert die SP eine Überprüfung
und wird rechtliche Schritte einleiten,
sollte es keine Anpassungen
geben.
Das Urteil im Volltext:
bit.ly/2GAlTUe
Wie unsere KaufKraft
die Welt gestaltet
Kaufkraft bedeutet nicht nur, wie viel
Geld wir zur Verfügung haben und was
wir uns alles leisten können, sondern
KaufKraft bezeichnet auch unseren
Einfluss auf die Welt, in der wir leben.
Wie unser Kaufverhalten sich auswirkt,
wurde kürzlich wieder sichtbar,
als das traditionsreiche Warenhaus
Loeb in Bern bekannt gab, den bestehenden
Mietvertrag mit der Buchhandlung
Orell Füssli Thalia nicht zu
erneuern, sondern ab 2022 lieber den
LebensmittelDiscounter Lidl zu beherbergen.
Dieser Vorgang mag mich als syndicomZentralsekretär
der Branche
Buch und Medienhandel und langjähriger
Kunde dieser Buchhandlung persönlich
stärker betreffen als andere,
aber in allen Lebensräumen der Leser
Innen dieser Zeilen finden momentan
gleichartige Prozesse statt. Sei es die
Poststelle, das Dorflädeli, die Kleiderboutique
oder die Buchhandlung: das
Erscheinungsbild unserer Lebensräume
verändert sich gerade drastisch.
Diese Veränderungen passieren nicht
als Naturgesetz, und es ist auch nicht
einfach die Digitalisierung, sondern es
ist unser kumuliertes Kaufverhalten –
eben unsere KaufKraft –, die diese
Prozesse auslöst, formt und momentan
gerade beschleunigt.
Ob ich meine Bücher also online
bestelle, mein Logo auf 99Designs kreieren
lasse und mein Essen bei Uber
Eats bestelle, statt den Buchladen
meines Vertrauens, den Grafiker mit
dem schönen Büro oder das charmante
Gartenrestaurant zu unterstützen,
spielt eine Rolle. Wir haben mit unserem
Kaufverhalten mehr Macht und
Kraft, als uns manchmal lieb ist.
Michael Moser
Zentralsekretär Buch/Visuelle Kommunikation
22 Politik
Unseren Lohnschutz
rührt keiner an!
Die Schweiz liegt mitten in
Europa – und in der EU. Klar
brauchen wir darum exzellente
Beziehungen zur EU.
Und eine starke Europapolitik.
Dazu gehört: Personen
sollen sich frei bewegen können.
Das ist eine grosse Errungenschaft
für die Menschen
und für die Schweiz.
Ohne Personenfreizügigkeit,
das müssen die Briten gerade
lernen, ist auch alles andere
nicht zu haben, auf dem
unser Wohlstand baut.
Nur gibt es ein Problem:
Schweizer Löhne sind die
höchsten in Europa.
Text: Corrado Pardini,
Nationalrat SP und Gewerkschafter
Bild: zVg
Das ist gut für uns. Darum haben
wir die Flankierenden Massnahmen
(FlaM) erkämpft. Sie verhindern,
dass profitgierige Unternehmer ausländische
Kolleginnen und Kollegen
in der Schweiz zu Dumpinglöhnen
arbeiten lassen. Dass sie uns also
gegeneinander ausspielen. Wir kontrollieren
das.
In jeder fünften Kontrolle stossen
wir auf Missbräuche und greifen
ein. Darum sind die FlaM ein Erfolgsmodell.
Lohndumping wird
meist verhindert. Und dank der
FlaM gibt es bessere Gesamtarbeitsverträge,
mehr Normalarbeitsverträge
und Mindestlöhne.
Das genau stört einige Konzerne,
neoliberale Ideologen von SVP,
FDP, GLP, die Banken und ihre verblendeten
Marktanbeter-Freunde in
Brüssel. Sie möchten unseren Lohnschutz
und die Kontrollen schon lange
kippen. Wir haben das verhindert.
Ohne Lohnschutz
kein Wohlstand
und kein
sozialer Frieden.
Doch nun glauben die Lohnschutzfeinde,
einen Trick gefunden zu
haben. Sie wollen den Lohnschutz
auf dem Umweg über den Rahmenvertrag
mit der EU aushebeln.
Ein Rahmenvertrag ist nützlich,
weil wir dann unsere Beziehungen
leichter den Entwicklungen
anpassen können. Manche Dinge
aber gehören nicht in den Rahmenvertrag,
weil sie allein uns in der
Schweiz etwas angehen. Zum Beispiel
die FlaM. Das hat nichts mit
gewerkschaftlicher Sturheit oder
mit Privilegien zu tun. Es ist ganz
einfach: Wir haben nicht nur die
höchsten Löhne, sondern auch die
höchsten Preise, Mieten und Krankenkassenprämien.
Fällt der Lohnschutz,
entsteht ein riesiger Druck
auf die Löhne. Wer bezahlt dann
die Mieten? Den Arzt? Ohne Lohnschutz
gibt es keinen Wohlstand
und keinen sozialen Frieden. Das ist
elementare Innenpolitik.
Also hatte der Bundesrat eine
rote Linie gezogen: Über die FlaM
diskutieren wir nicht. Weil er weiss,
dass der Rahmenvertrag sonst vor
dem Volk durchfällt. Das wäre wirklich
schlimm für unsere Beziehungen.
Warum sollten wir dieses Risiko
eingehen?
Doch dann signalisierte FDP-
Aussenminister Cassis der EU, die
FlaM stünden doch zur Disposition.
Zweimal liess sich die EU nicht bitten.
Jetzt sollen wir einen Vertrag
akzeptieren, der verlangt, dass wir
uns an die EU-Entsenderichtlinien
anpassen. Dabei geht es keineswegs
nur um «Details» (etwa die 8-Tage-
Regel), wie Economiesuisse und ihr
Sprachrohr Libero uns einreden
wollen. Würden wir zustimmen, hätte
künftig der Europäische Gerichtshof
das letzte Wort, wenn es Streit
um Lohn- oder Sozialdumping in
der Schweiz gibt. No deal. Unser Modell
geht anders: Bei uns werden die
Löhne und Arbeitsbedingungen sozialpartnerschaftlich
ausgehandelt.
Wer diesen schlechten Rahmenvertrag
durchstiert, macht das Volk
zu Feinden guter Beziehungen mit
der EU. Der Bundesrat hat nicht unterschrieben.
Vernünftig. Jetzt
braucht es einen kühlen Kopf und
tragfähige Mehrheiten für gute Lösungen.
Jetzt braucht es verstärkte
FlaM, zum Beispiel ein Verbot von
Subunternehmerketten, wie es unsere
Initiative im Kanton Bern vorsieht.
Wir wollen einen Rahmenvertrag.
Wir wollen Personenfreizügigkeit.
Wir akzeptieren ein Schiedsgericht.
Aber über unsere Löhne
entscheiden wir allein. Früher oder
später wird die EU das verstehen.
Auch in der EU wogt der Streit zwischen
neoliberalen Interessenvertretern
und Vernünftigen. Wir sind
für ein Europa, das die Menschen
und nicht nur den Profit in den Mittelpunkt
stellt. Wir kämpfen gemeinsam
mit unseren europäischen
Gewerkschaftskolleginnen und
- kollegen für ein soziales Europa!
Die FlaM, das sagen unsere europäischen
Freunde, könnten sogar ein
Modell für Europa sein.
Darum ist die ILO so
wichtig für die Schweiz
23
1919 wurde die Internationale
Arbeitsorganisation (ILO)
gegründet, vor 100 Jahren.
Dieses Jubiläum soll zum
Anlass genommen werden,
die Bedeutung dieser für die
Arbeitnehmenden einzigartigen
UN-Organisation
herauszustellen. So wirken
die von der ILO geschaffenen
und ständig weiterentwickelten
Normen: in der Schweiz,
in der Auslegung der Europäischen
Menschenrechtskonvention,
in der UNO-Agenda
2030 für nachhaltige Entwicklung.
Text: Luca Cirigliano,
Zentralsekretär SGB
Bild: ILO
Das ILO-Dossier des SGB:
bit.ly/2VnhreZ
ILO-Völkerrecht und die Schweiz
In der Schweiz entspricht das aktuelle
Kündigungsrecht nicht den
ILO-Konventionen (wie nach einer
Beschwerde des SGB festgestellt
wurde). Gerade hier soll das 100-
Jahr-Jubiläum der ILO dazu dienen,
gesetzliche Verbesserungen für den
Schutz von gewerkschaftlich und
betrieb lich engagierten Arbeitnehmenden
einzuführen: für Vertrauensleute
in den Betrieben, für Mitglie
der von Personalkommissionen
und für Stiftungsräte von Pensionskassen.
Es darf nicht sein, dass das
ILO-Gastgeberland sich um verbindliches
Völkerrecht foutiert. Hier hat
das Bundesgericht im Dezember
2018 mit dem Leitentscheid 144 I 50
über die direkte Anwendbarkeit
von ILO-Standards den Weg geebnet
für eine längst fällige grundrechtskonforme
Auslegung des Schweizer
Kündigungsrechts, sollten Bundesrat
und Gesetzgeber weiterhin passiv
bleiben.
Freihandelsverträge und ILO
Das Gastgeberland
der ILO muss sich
ans Völkerrecht
halten.
In Zeiten der Globalisierung, der
Digitali sierung und der Herausforderungen
durch reaktionäre Politik
gewinnt eines der Leitprinzipien der
ILO immer mehr an Aktualität:
Arbeit ist und bleibt keine Ware.
Dies wurde erstmals 1944 von der
ILO in der wegweisenden Deklaration
von Philadelphia festgehalten –
sie ist eines der ersten Menschenrechtswerke
der UN-Familie.
Um dieses fundamentale Prinzip
gerade im Warenverkehr zwischen
Staaten sicherzustellen, muss
jedes neue Freihandelsabkommen,
welches die Schweiz abschliesst,
Mindestbestimmungen in Hinsicht
auf Menschen- und Arbeitsrechte
enthalten. Dafür sind die entsprechenden
ILO-Standards einzubauen.
Denn es gibt keine nachhaltige,
breit abgestützte Globalisierung
ohne soziale Gerechtigkeit. Dies gilt
besonders für eine offene, vernetzte
Wirtschaft wie die der Schweiz.
ILO in der UNO-Agenda für
nachhaltige Entwicklung
Die UNO hat sich zum Ziel gesetzt,
menschenwürdige und gute Arbeit
für alle zu erreichen. Dafür sind die
17 Ziele für nachhaltige Entwicklung
mit ihren 169 Unterzielen in
der «Agenda 2030» festgelegt worden.
Sie tragen der wirtschaftlichen,
sozialen und ökologischen Dimension
der nachhaltigen Entwicklung
in ausgewogener Weise Rechnung
und führen zum ersten Mal Armutsbekämpfung
und nachhaltige Entwicklung
in einer Agenda zusammen.
Im Kapitel 8 geht es um die
Umsetzung unter anderem der
ILO-Standards in allen Mitgliedsländern.
Hier bleibt immer noch viel zu
tun für die Schweiz: denn auch in
der Schweiz geniessen längst nicht
alle Arbeitnehmenden die von der
ILO garantierten Rechte. So zum
Beispiel fehlt der oben erwähnte
effektive Schutz gegen missbräuchliche,
antigewerkschaftliche Kündigungen.
24
Schweizer Multis
unter Schweizer Recht!
Ex-Ständerat Dick Marty ist
Kopräsident der Konzernverantwortungs-Initiative:
Konzerne
mit Sitz in der Schweiz
sollen in den Ländern, in denen
sie tätig sind, Menschenrechte
und Umweltstandards
beachten – und dafür in der
Schweiz juristisch verantwortlich
sein. Und nun verlangt
die ständerätliche
Kommission für Rechtsfragen,
dass Geschädigte vor
einem Schweizer Gericht
beweisen, dass ein seriöses
Verfahren in ihrem Heimatland
unmöglich ist. Dick
Marty: «Regeln gegen Menschenrechtsverletzungen
geben nur Sinn, wenn ihre
Missachtung Konsequenzen
hat. Sollte der Ständerat dies
nicht korrigieren, braucht es
eine Volksabstimmung.»
Gespräch: Giovanni Valerio mit
Alliance Sud
Bild: Alliance Sud
In seinem kürzlich erschienen Buch
Une certaine idée de la justice (Eine
bestimmte Idee von Gerechtigkeit)
spricht Dick Marty von der Notwendigkeit,
weiter für eine gerechtere
Welt zu kämpfen, und nennt als Beispiel:
«Unsere Mobiltelefone funktionieren
nur dank seltener Erze
wie Coltan und Kobalt, die in Afrika,
insbesondere in Kongo, vorkommen.
Ich war vor Ort: Die lokale Bevölkerung
hat keinen Vorteil aus
diesem immensen Reichtum. Ihr
bleiben nur die ökologischen und
sozialen Katastrophen, während die
enormen Gewinne von den westlichen
Konzernen eingestrichen werden.»
Im Gespräch erzählt er mehr
über die Konsequenzen, die wir ziehen
müssen.
Was ist der Hintergrund der
Konzernverantwortungs-Initiative?
Multinationale Unternehmen sind
oft in armen und fragilen Ländern
tätig. Diese Konzerne werden nicht
von ethischen Prinzipien geleitet.
Der Druck der Aktionäre sowie das
Manager-Vergütungssystem, das sie
zur Gewinnmaximierung antreibt,
führen zu einer extremen Ausbeutung
dieser Länder und halten sie so
dauerhaft in einem Zustand der
Schwäche. Es ist paradox und vor allem
skandalös, dass die Länder, die
am meisten Rohstoffe besitzen, oft
die ärmsten sind. Der lokalen Bevölkerung
bleiben nur die Umweltschäden
und die aus Frustration entstehende
Gewalt.
Was kann unser Land tun?
Die Schweiz ist stark betroffen von
dem, was in diesen Ländern geschieht.
Unser Land beherbergt
einige der wichtigsten Akteure im
internationalen Rohstoffhandel.
Deshalb erscheint es mir ganz natürlich,
dass diese Unternehmen –
wie in einem Rechtsstaat selbstverständlich
– für ihr Handeln weltweit
verantwortlich sind und zu dieser
Verantwortung auch verpflichtet
sind. Mein Engagement gilt aber
nicht nur den Menschen, die weit
entfernt von uns leben, sondern
auch der Nachhaltigkeit und Glaubwürdigkeit
unserer Wirtschaft und
dem Image der Schweiz in der Welt.
Warum braucht es eine solche
Initiative jetzt?
Wir alle stellen fest, dass die Globalisierung
das wirtschaftliche Gleichgewicht
im internationalen Handel
und die Regeln, auch für die KonsumentInnen,
grundlegend verändert
hat. Es sind Wirtschaftskonzerne
entstanden, die über eine noch nie
da gewesene Macht verfügen. Wir
haben eine zunehmend international
organisierte, grenzüberschreitende
Wirtschaft, während die
Gesetz gebung in wesentlichen
Punkten in engen nationalen Korsetts
gefangen bleibt.
Viele Konzerne haben – abgesehen
von juristischen und logistischen
Aspekten – keine wirklichen
Verbindungen mehr zu dem Land,
in dem sich ihr Hauptsitz befindet.
Gleichzeitig können sie jedoch
durch ihre weltumspannenden Aktivitäten
in vielen Ländern von erheblichen
Gesetzeslücken profitieren.
Dem müssen wir jetzt abhelfen.
Dick Marty: «Das Nichtrespektieren von Regeln muss Konsequenzen haben.»
Hintergrund und Argumente:
konzern-initiative.ch
Recht so!
25
Hallo!
Ich bin 55 und arbeite seit 20 Jahren beim gleichen Arbeitgeber.
Ich habe in dieser Zeit mehrere Löhnerhöhungen erhalten
und war anfänglich mit meinem Lohn auch zufrieden.
Nun sind meine beiden Kinder in der Ausbildung und mein
Einkommen reicht zwischenzeitlich kaum mehr, um die
monatlichen Kosten zu decken. Neben den Krankenkassenprämien
sind auch die Lebenshaltungskosten immer stärker
angestiegen. Mein Lohn ist aber nicht entsprechend erhöht
worden. Von einem Kollegen habe ich erfahren, dass er jedes
Jahr einen Teuerungsausgleich erhält. Kann ich einen
solchen von meinem Arbeitgeber verlangen?
Vor zwei Jahren habe ich die letzte Lohnerhöhung erhalten.
Diese fiel jedoch eher gering aus. Gibt es keine gesetzliche
Regelung, dass die Lohnerhöhung zumindest der Teuerung
entsprechen sollte? Oder auf was stützt sich der Arbeitgeber
bei der Festlegung der Lohnerhöhung?
Mir ist zudem aufgefallen, dass ich trotz meiner letzten
Lohnerhöhung seit dem letzten Jahr netto weniger Lohn
ausbezahlt erhalte als noch im Vorjahr. Also bringt mir auch
ein Teuerungsausgleich nicht unbedingt mehr Lohn. Wie ist
dies möglich?
Antwort des syndicom-Rechtsdienstes
Nein, denn der Teuerungsausgleich
ist gesetzlich nicht vorgeschrieben.
Dagegen kann er in einem Einzelarbeitsvertrag
oder in einem Gesamtarbeitsvertrag
(GAV) geregelt werden.
GAV sehen vielfach Lohnverhandlungen
oder individuelle Lohnmassnahmen
vor. Bist du einem solchen GAV
unterstellt, verhandeln die Sozialpartner
(Gewerkschaft, Arbeitnehmervertretung
und Arbeitgeber) die
Lohnerhöhung jedes Jahr. Gewährt
ein Arbeitgeber jedes Jahr einen
Teuerungsausgleich, dann hast du
auch ohne Regelung in einem Einzeloder
Gesamtarbeitsvertrag zukünftig
Anspruch darauf.
Auch dafür gibt es keine Regelung im
Gesetz. Bei den jährlichen GAV-Lohnverhandlungen
orientieren sich die
Sozialpartner am Landesindex der
Konsumentenpreise. Auch der Arbeitgeber
stützt sich bei der Festlegung
eines Teuerungsausgleichs darauf ab.
Dabei wird jedoch nicht der Jahresdurchschnitt
genommen, da der Arbeitgeber
die Löhne vor Jahresende
festlegt. Oft wird daher auf den
November index abgestellt. Wichtig
ist, dass der Arbeitgeber immer den
gleichen Index verwendet.
Mit 55 Jahren werden die gesetzlich
festgelegten Sparbeiträge für die Pensionskasse
von 15 % auf 18 % erhöht.
Bis zur Pensionierung mit 65 Jahren
bleibt es dann bei den 18 % (im
BVG-Obligatorium, im Überobligatorium
kann es mehr sein). Da diese
Beiträge mindestens hälftig von dir
bezahlt werden, wird dir 1,5 % mehr
vom Lohn abgezogen. D. h. ab 55 hast
du bei gleichem Lohn weniger Geld
zur Verfügung. Deswegen ist es so
wichtig, dass möglichst viele Gesamtarbeitsverträge
ausgehandelt und
abgeschlossen werden, die jährliche
Lohnverhandlungen vorsehen. Dann
kann der stetige Kaufkraftverlust
zumindest teilweise ausgeglichen
werden.
syndicom.ch/recht
26 Freizeit
Tipps
Drei Kurse für die
Gewerkschaftsarbeit
Es ist nicht immer einfach, gewerkschaftliche
Arbeit im Betrieb zu leisten.
Man braucht Mut, um sich zu
exponieren und die einem zustehenden
Rechte einzufordern. Der Kurs
«Zivilcourage im Gewerk schafts alltag»
mit dem Soziologen Andi Geu
und der Erwachsenenbildnerin
Katalin Suter findet an zwei Tagen
(14. 5. und 11. 6.) im Berner Vatter
Business Center statt. Die Teilnehmenden
werden nach einer Einführung
ins Thema Zivilcourage an
praktischen Beispielen lernen, wie
man mit schwierigen Situationen
im Betrieb umgehen kann. Sie werden
in Zukunft besser reagieren,
Eskala tion und Deeskalation beherrschen
und im Umgang mit Vorgesetzten,
HR, KollegInnen wirksamer
werden (kostenlos für
Mitglieder, sonst 920 Fr. inkl. Essen).
Gewerkschaftsarbeit ist effizienter,
wenn sich Gruppen im Betrieb
organisieren und nicht eine Person
ganz allein für ihre Rechte kämpfen
muss. Das Seminar «Mitglieder werben,
Gewerkschaft im Betrieb stärken»
(Männedorf ZH, Hotel Boldern,
27. 5./28. 5.) unterstützt die Teilnehmenden
in ihrer gewerkschaftlichen
Arbeit am Arbeitsplatz: Sie entwickeln
neue Ideen, um Neumitglieder
zu werben, und üben in Gesprächen
mit einer Schauspielerin und
Erwachsenenbildnerin, wie sie noch
nicht organisierte Mitarbeitende
überzeugen können, der Gewerkschaft
beizutreten.
Vergesst auch nicht die Tagung
von SGB und Movendo «100 Jahre
Erfolgsgeschichte für Arbeitnehmende:
die International Labour Organisation»,
wo die Teilnehmenden
die Rolle der ILO in den aktuellen
Debatten und der Entwicklung von
Gewerkschaftsrechten kennen und
schätzen lernen (am 25. 6. in Bern,
Hotel Kreuz).
Alle Kurse und Anmeldung:
movendo.ch
© Haffmanns
Gleichheit ist Glück
Wann zerbricht der Kapitalismus?
Das war die Frage, die im Januar
am Weltwirtschaftsforum WEF die
Salongespräche befeuerte. Denn die
Konzernherren und Weltenlenker,
die sich in Davos zur grossen Wir-regieren-die-Welt-Party
trafen, wissen,
was sie tun: Sie zerstören Klima und
Erde. Und das Leben der Menschen.
Sie haben so viel Ungleichheit geschaffen,
dass sie sich wundern,
warum die Völker sie nicht längst
weggefegt haben. 26 Milliardäre besitzen
inzwischen mehr als die Hälfte
der Menschheit (Oxfam-Studie:
bit.ly/2tHB8lV). Ihr Reichtum ist das
Elend der Welt.
Ungleichheit ist mörderisch. In
den sehr ungleichen USA ist die Lebenserwartung
neun Jahre geringer
als im egalitären Japan. Menschen
mit tiefen Einkommen sterben in
Grossbritannien im Schnitt 11 Jahre
früher als die oberen zehn Prozent.
Das gilt für alle Länder, wie Richard
Wilkinson und Kate Pickett nach
jahrzehntlanger Forschung in ihrer
Studie «Gleichheit» zeigen. Ungleiche
Gesellschaften sind kränker,
krimineller, psychotischer. Und sie
sind ökonomisch weniger kreativ
und weniger dynamisch als Gesellschaften,
die sich um Ausgleich und
Chancengleichheit bemühen.
Gerechtigkeit lässt die Menschen
glücklicher leben. Eigentlich
wissen das viele. Doch nun entlarven
Millionen ausgewerteter Daten
die neoliberale Ideologie der Weltenlenker
auch wissenschaftlich als
nackte Rechtfertigung von Raub
und Mord.
Die Studie:
Richard Wilkinson, Kate Pickett:
Gleichheit. Warum gerechte Gesellschaften
für alle besser sind.
Haffmanns, 2016. 376 S., Fr. 19.90.
© Museum für Kommunikation/digitalemassarbeit
So tönt Stille im Museum für
Kommunikation
Das Museum für Kommunikation in
Bern wurde gerade vom Kulturausschuss
der Parlamentarischen Versammlung
des Europarats (PACE)
mit dem Museumspreis 2019 ausgezeichnet
– unter anderem, weil es
sich um ein sehr interaktives, alle
Sinne ansprechendes Museum
handle. Das beweist das Museum
einmal mehr mit seiner jüngsten
Ausstellung, «Sounds of Silence».
Den Kopfhörer auf dem Kopf,
der je nach Position im Raum verschiedene
Klanglandschaften hörbar
macht, begeben sich die Besucherinnen
und Besucher auf ihren
Rundgang durch die Ausstellung –
grafische Muster in Schwarz und
Weiss, eine Schneelandschaft, ein
Zimmer in New York mit Blick auf
die nächtliche Skyline – und entdecken,
dass selbst in der Stille viel
zu hören ist. Erstmals in der Schweiz
eingesetzt, ermöglicht diese Technologie
ein dreidimensionales Hörerlebnis.
Schritte im Schnee, Vogelstimmen,
Staubsauger oder Automotoren
sind zu hören, und auch eine
Aufnahme von John Cages «4’33’’»,
einem lautlosen Stück, das 4 Minuten
und 33 Sekunden dauert. Und
das aus den Umgebungsgeräuschen
besteht, welche die ZuhörerInnen
während der Spieldauer hören oder
selbst erzeugen.
In einer zunehmend lauteren
und geschwätzigeren Welt lädt diese
Ausstellung zum Nachdenken darüber
ein, welchen Platz die Stille in
unserem eigenen Leben einnimmt.
Bis zum 7. Juli 2019.
Webseite des Museums mit allen Infos:
mfk.ch
1000 Worte
Ruedi Widmer
27
28 Bisch im Bild Im Februar und März 2019 stand syndicom an der Seite ...
... der FahrerInnen, die Europas ersten GAV für Velokuriere ratifiziert haben
... der ZustellerInnen vom Jurabogen, die bessere Arbeitsbedingungen brauchen
... der Fahrerdelegation von Winkel-Embrach für ein besseres Arbeitsklima
1
2
3
4
1. Luzerner Fahrradkuriere zufrieden mit ihrem neuen Gesamtarbeitsvertrag.
2. Dasselbe in Zürich …
3. … in Basel …
4. … in Genf …
5. … und in Lausanne.
6. Die Unterzeichnenden des GAV (von links): Christian Schutter (Veloblitz Zürich), Matteo Antonini, Leiter Sektor Logistik syndicom,
Hans Ulrich Köhli, Präsident swissmessengerlogistics, und David Roth, Zentralsekretär syndicom.
7, 8 Auf Initiative von Regionalsekretär Jean-François Donzé reichte syndicom bei der PostMail-Direktion in Neuenburg ein Mandat mit
über 300 Unterschriften ein. Es verlangt sofortige Neuverhandlung der Arbeitsbedingungen der ZustellerInnen im Jurabogen.
9. Die Verhandlungsdelegation Winkel-Embrach setzt sich für ein gutes Arbeitsklima ihrer FahrerInnen ein. (© Marcel Luethy)
29
5
6
8
7
9
30
Aus dem
Leben von ...
Barbara Saladin:
Je mehr Fantasie, desto weniger Geld
Barbara Saladin ist 1976 geboren und
wohnt mit ihrem Partner im Oberbaselbiet.
Nach der Handelsschule arbeitete
sie als kaufmännische Angestellte.
In der Zeit begann Barbara Saladin
litera risch zu schreiben und stieg
später quer in die Redaktion einer Lokalzeitung
ein. Dort arbeitete sie während
sieben Jahren zwischen 60 und
80 Prozent – bevor ihre Stelle definitiv
gestrichen wurde. Seit einem Krimi-
Stipendium auf der ostfriesischen Insel
Juist ist sie – literarisch gesehen – sowohl
im Baselbieter Jura als auch auf
den Nordseeinseln zu Hause. 2017 wurde
Barbara Saladin mit dem Kulturpreis
der Basellandschaftlichen Kantonalbank
ausgezeichnet. Sie ist Mitglied
der Kommission der freien Medienschaffenden
von syndicom.
Text: Mireille Guggenbühler
Bild: Markus Forte
«Die meisten Zeitungen
bezahlen Freie längst
nicht mehr fair.»
«Mein Büro ist bei mir zu Hause.
Ich wohne in einem kleinen Dorf,
und in die Stadt ist es ein langer
Weg. Deshalb arbeite ich lieber daheim
als in einem Coworking-Space.
Auch wenn ich den fachlichen Austausch
mit Kolleginnen und Kollegen
in einer Bürogemeinschaft sehr
schätzen würde. Dieser fehlt mir
manchmal schon etwas. Wobei ich ja
längstens nicht immer nur zu Hause
bin. Es gibt Wochen, in denen ich
viel unterwegs bin und solche, in denen
ich vorwiegend von zuhause aus
arbeite. An meiner Arbeit gefällt mir
genau diese Abwechslung – die örtliche
und die inhaltliche. Mein Geld
verdiene ich mit einem Mix aus Journalismus,
literarischem Schreiben,
dem Ver fassen von Sachbüchern und
lokalhistorischen Texten, aber auch
klassischen PR-Texten. Zudem mache
ich Pressearbeit für kulturelle
Ver eine, halte Lesungen und biete
mit einer Freundin Themenwanderungen
an. Und ich arbeite zeitweise
in einem Kino.
Dies habe ich mir zu Beginn meiner
Selbständigkeit vor viereinhalb
Jahren nicht so zurechtgelegt.
Eigent lich bin ich ein Mensch, der
Pläne nicht so mag. Ich hatte zwar
Ideen, denen ich als Selbständigerwerbende
nachgehen wollte. Alles
Weitere hat sich dann aber ergeben.
Bis 2014 arbeitete ich bei einer
kleinen Lokalzeitung und wurde
dann aus Spargründen wegrationalisiert.
Ich stand nun vor der Frage, ob
ich zurück in meinen ursprünglich
erlernten kaufmännischen Beruf
gehe oder mir wieder eine Stelle auf
einer Redaktion suchen will. Ersteres
kam nicht in Frage und auch beim
zweiten Punkt war relativ schnell
klar: Ich habe genug von diesem
Stress und grundsätzlich wenig Lust
auf Tagesjournalismus. Ich ziehe
Texte mit längerer Halbwertszeit vor.
Dass ich heute als Selbständige
von meinem Einkommen leben
kann, führe ich auf meinen Schreibmix
zurück. Ich bin dadurch relativ
breit abgestützt. Generell habe ich
festgestellt: Je mehr Kreativität und
Fantasie ich beim Schreiben einbringe,
desto schlechter werde ich bezahlt.
Oder anders ausgedrückt:
Beim Krimischreiben verdiene ich,
gemessen am Aufwand, im Normalfall
verschwindend wenig, für einen
PR-Text kann ich über 100 Franken
pro Stunde verlangen. Für Zeitungen
schreibe ich nicht mehr oft. Einzelne
Redaktionen entlöhnen Freie noch
fair, die meisten aber längst nicht
mehr. Würde ich von der journalistischen
Arbeit alleine leben wollen,
bräuchte ich so viele Aufträge, dass
ich das Pensum gar nicht bewältigen
könnte.
Zurzeit möchte ich mich nicht
fest anstellen lassen, ich bin zufrieden
mit meinem ‹Sammelsurium›.
Ich schliesse dies nicht generell aus.
Das Stellenprofil müsste aber schon
sensationell sein, quasi die Jahrhundertgelegenheit,
dass ich dafür meine
Selbständigkeit aufgeben würde.»
barbarasaladin.ch
Impressum
Redaktion: Sylvie Fischer, Giovanni Valerio,
Marc Rezzonico, Marie Chevalley
Tel. 058 817 18 18, redaktion@syndicom.ch
Mitarbeit: Rieke Krüger
Porträts, Zeichnungen: Katja Leudolph
Fotos ohne ©Copyright-Vermerk: zVg
Druck, Layout und Korrektorat: Stämpfli AG, Bern
Adressänderungen: syndicom, Adressverwaltung,
Monbijoustrasse 33, Postfach, 3001 Bern
Tel. 058 817 18 18, Fax 058 817 18 17
Inserate: priska.zuercher@syndicom.ch
Abobestellung: info@syndicom.ch
Abopreis ist im Mitgliederbeitrag inbegriffen. Für
Nichtmitglieder: Fr. 50.– (Inland), Fr. 70.– (Ausland)
Verlegerin: syndicom – Gewerkschaft
Medien und Kommunikation, Monbijoustr. 33,
Postfach, 3001 Bern
Das syndicom-Magazin erscheint sechsmal im Jahr.
Ausgabe Nr. 11 erscheint am 29. Mai 2019,
Redaktionsschluss: 15. April 2019.
31
Das syndicom-Kreuzworträtsel
Zu gewinnen gibt es diesmal eine
ferientaugliche Hotelcard. Das Lösungswort
wird in der nächsten Ausgabe zusammen
mit dem Namen der Gewinnerin
oder des Gewinners veröffentlicht.
Lösungswort und Absender auf einer
A6-Postkarte senden an: syndicom-
Magazin, Monbijoustrasse 33, Postfach,
3001 Bern. Einsendeschluss: 15. 4. 19.
Der Gewinner
Die Lösung des Kreuzwort rätsels aus
dem syndicom-Magazin Nr. 9 lautet:
INTEGRATION.
Gewonnen hat Anton Rohrer aus Münchenbuchsee.
Die Reka-Checks sind
unterwegs. Wir gratulieren herzlich!
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Verlangen Sie Ihren Kartenantrag beim Zentralsekretariat
+41 (0)58 817 18 18 - mail@syndicom.ch
32 Inter-aktiv
syndicom social
Gesamtarbeitsvertrag
für Velokuriere 4.2.2019
syndicom und Swissmessengerlogistic
haben im Februar in Bern Europas ersten
GAV für Velokuriere abgeschlossen! Der
Vertrag ist ein Instrument gegen Dumping-Plattformen
und prekäre Arbeitsbedingungen.
syndicom fordert, dass
auch NoTime – dessen Mehrheitsaktionärin
die Post ist – den GAV unterzeichnet.
ComCom hat die Frequenzen
für 5G versteigert 8.2.2019
Die 5G-Frequenzen wurden an
Swisscom, Salt und Sunrise
vergeben. Für syndicom wird
der gleiche Zugang zu digitalen
Techniken für die gesamte Bevölkerung
und die gesamte Wirtschaft
nur durch die Stärkung
des Service public und der Netzneutralität
möglich.
Cybermobbing, Sexismus, Homophobie Februar 2019
Ein Skandal erschüttert Frankreich: die «Ligue du LOL»,
eine Facebook-Gruppe von Medienschaffenden, hat offenbar
jahrelang auf sozialen Netzen vor allem Journalistinnen
und feministische Aktivistinnen herabgewürdigt.
syndicom begrüsst Revision
des Urheberrechts 12.2.2019
Die Kulturkommission des Ständerats sagt
Ja zur Entschädigung von JournalistInnen
und Verlagen durch Google & Co. Starke Antwort
auf die Krise der Informationsmedien.
Verbrechen gegen Medienschaffende 7.2.2019
Die Internationale Föderation der JournalistInnen (IFJ)
hat ihren 29. Bericht über die 2018 bei Ausübung ihrer
Arbeit getöteten Journalisten und Medienschaffenden
publiziert.
Den kompletten Bericht (in englischer Sprache) findet
ihr hier: bit.ly/2Bpnc49
Frauenstreik2019.ch 14.6.2019
Hier könnt ihr das Manifest einsehen, das die 19 (!)
Gründe für diesen Streik darlegt. Weitere Dokumente,
darunter ein Appell in 11 Sprachen, sind in Kürze verfügbar.
Der 2. Frauenstreik ist inspiriert von dem
vom 14. Juni 1991, aber auch von der Erneuerung des
Feminismus in der ganzen Welt.
LOL-Liga droht auch in der Schweiz 16.2.2019
Wie Le Temps schreibt, hatten auch in der Schweiz
«mindestens zwischen 2010 und 2012 mehrere einflussreiche
Westschweizer Journalisten eine Facebook-Gruppe,
über die sie sich systematisch über die
Artikel von Kolleginnen und Kollegen lustig machten».
212 Tage des Wartens für die
41 du Matin 19.2.2019
Schon 212 Tage warten die 41 entlassenen
Mitarbeitenden des Matin auf einen
Sozialplan von Tamedia – und es geht
weiter. Abonniert ihre Twitter-Nachrichten
(@41dumatin) oder folgt dem Hashtag
#les41dumatin. Unterstützt sie!!
ICT-Ausbildung: We have a problem 31.12.2018
Ende 2017 zählte das Bundesamt für Statistik
fast 25 000 ICT-Lernende und -Studierende.
1990 hatte diese Zahl noch unter 2000 gelegen.
Dieses Wachstum scheint logisch, dahinter
verbirgt sich aber ein ernsthaftes Problem: Seit
2003 ist der Anteil der Frauen bei 12 % abgeschlossenen
Ausbildungen stehen geblieben. In
Bezug auf die Integration und das nicht genutzte
Rekrutierungspotenzial ist dies alarmierend.
Hackt das schweizerische
E-Voting-System! 14.2.2019
Die Post lässt ihr System für die elektronische
Stimmabgabe von Hackern auf Schwachstellen
prüfen. Das soll die Systemsicherheit verbessern.
Für gefundene Sicherheitslücken winken Preissummen
zwischen 100 und 50 000 Franken. Fragt
sich nur, ob festgestellte Lücken wirklich gemeldet
werden … Die Aktion läuft noch bis 24. März.
Wer hat Angst vor dem Roboter? 15.2.2019
Anlässlich ihres 100-Jahr-Jubiläums hat die Gewerkschaft
Angestellte Schweiz den Roboter Pepper als Mitglied aufgenommen.
Der Verband will so herausfinden, wie es um die Akzeptanz
der Roboter bei der Bevölkerung und am Arbeitsplatz bestellt ist.
Ein neuer Schritt nach der Monopolisierung des Internets, den
Online-Arbeitsplattformen und der Gig-Economy.