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Bayreuth Evangelisch Ausgabe 2 Maerz/April 2019

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Thema: Glaube und Politik<br />

dass Kirche immer politisch war<br />

und auch sein muss. Kirche<br />

muss sich in gesellschaftliche<br />

Entwicklungen einmischen und<br />

ihren Gläubigen die Sicht der<br />

Kirche zu diesen Entwicklungen<br />

darstellen und so auch Entscheidungshilfen<br />

geben. Kritiker<br />

befürchten wahrscheinlich, dass<br />

die Kirchen ihre Unabhängigkeit<br />

verlieren und evtl. zu viel Einfluss<br />

nehmen. Kirche sollte jedoch<br />

auf keinen Fall parteipolitisch<br />

agieren oder zu eng mit einer<br />

bestimmten Partei in Verbindung<br />

gebracht werden.<br />

Ulrike Gote (53), Diplom-<br />

Geoökologin<br />

Mein Engagement ist eher religionspolitisch<br />

als kirchlich,<br />

denn die Gleichstellung der<br />

Religionen und Weltanschauungen<br />

ist mir ein wichtiges<br />

Anliegen. Mein Engagement im<br />

Katholischen Frauenbund und<br />

beim Caritasverband <strong>Bayreuth</strong><br />

lässt sich sehr gut mit meinem<br />

politischen Engagement als<br />

Grüne ergänzen. Mein Engagement<br />

wird verbunden von Umweltthemen,<br />

Gerechtigkeit und<br />

der Gleichstellung von Frauen<br />

und Männern in allen Bereichen<br />

der Gesellschaft, Eintreten für<br />

Schwächere und der Einsatz für<br />

Geflüchtete und Migrant*innen.<br />

Meiner Ansicht nach beruht die<br />

Warnung vor einer Politisierung<br />

der Kirchen auf einem verkürzten<br />

oder falschen Verständnis<br />

der Rolle von Kirchen und Religionsgesellschaften,<br />

denn in<br />

unserem Land ist Religion eben<br />

nicht (nur) Privatsache. Die<br />

Foto: Hans-Jürgen Herrmann<br />

Kirchen übernehmen wichtige<br />

soziale und gesellschaftspolitische<br />

Aufgaben in unserem<br />

Gemeinwesen, deshalb sind<br />

sie per se auch politisch. Die<br />

politische Positionierung von<br />

Kirchenvertreter*innen sollte<br />

jedoch immer klar an konkreten<br />

inhaltlichen Fragestellungen orientiert<br />

sein. Die Kirchen sollten<br />

selbstverständlich nicht zu einer<br />

Partei oder politischen Gruppierung<br />

eine besondere Nähe entwickeln.<br />

Schwierig wird es da,<br />

wo Kirchenvertreter*innen die<br />

notwendige persönliche Distanz<br />

zur Macht vermissen lassen oder<br />

wenn vermeintliche (finanzielle)<br />

Abhängigkeiten den kritischen<br />

Diskurs mit der Regierungspolitik<br />

verhindern.<br />

Klaus Rettig (73), Pfarrer i.R.<br />

Ich habe als beauftragter Pfarrer<br />

für Kriegsdienstverweigerer<br />

und Zivildienstleistende, als<br />

Jugendpfarrer im Dekanat Weiden<br />

und auch bei den Protesten<br />

gegen die WAA Wackersdorf<br />

gearbeitet. Das alles bot reichlich<br />

Gesprächsstoff für kirchliche<br />

und politische Begegnungen<br />

und Konflikte. Aber der<br />

Schalom-Friede der Bibel ist<br />

umfassend - er ist nicht künstlich<br />

aufzuspalten in „Kirchlich“<br />

oder „Politisch“.<br />

Mit der Bergpredigt Jesu z.B.<br />

ist für mich das Pauluswort aus<br />

Phil 1, 27-29 wichtig, das in<br />

seiner Bedeutung nahezu unbekannt<br />

ist. Wo es in der alten Lutherübersetzung<br />

heißt „Wandelt<br />

nur würdig des Evangeliums“<br />

steht im griechischen Original<br />

Foto: Sonnenstatter<br />

das Wort „politheuesthai“, was<br />

genau unserem Wort Politisch-<br />

Sein entspricht. Also, ihr Christen<br />

mischt euch ein, wenn es<br />

zum Beispiel um die bedrohte<br />

Schöpfung geht, wenn die Gerechtigkeit<br />

vernachlässigt wird,<br />

wenn den nachfolgenden Generationen<br />

die Grundlagen des<br />

Lebens geraubt werden.<br />

Die Warnungen vor einer Politisierung<br />

der Kirche sind mir seit<br />

Jahrzehnten sattsam bekannt.<br />

Ich höre mir die Vorwürfe an<br />

und natürlich lasse ich mich als<br />

Demokrat befragen und „abklopfen“<br />

- wenn ich dann meinerseits<br />

Fragen stelle, bleiben sie mir<br />

meist die Antwort schuldig. Mein<br />

Leitsatz heißt zu allen Äußerungen:<br />

„Was-würde-Jesus-dazusagen?“<br />

(Martin Niemöller).<br />

Anna Westermann (55), M.A.,<br />

Beauftragte für Flüchtlingsarbeit<br />

Als Beauftragte für Flüchtlingsarbeit,<br />

angegliedert am <strong>Evangelisch</strong>en<br />

Bildungswerk Oberfranken-Mitte,<br />

bin ich jeden Tag mit<br />

den Folgen der sich verschärfenden<br />

Asylpolitik konfrontiert, die<br />

nicht nur Geflüchtete trifft, sondern<br />

zunehmend auch Ehrenamtliche<br />

empört. Große Sorge<br />

bereiten uns im Moment auch<br />

die negativen Asylbescheide und<br />

Gerichtsurteile, mit denen unseren<br />

Getauften aus dem Iran ihr<br />

christlicher Glaube abgesprochen<br />

wird. Wer Schutz sucht,<br />

soll ihn erhalten. Bei vielen Fällen<br />

fragen wir uns: Was sind das<br />

für Menschen, die so etwas entscheiden?<br />

Wir alle leben aus der<br />

Foto: privat<br />

Menschenfreundlichkeit Gottes.<br />

Nächstenliebe und Barmherzigkeit<br />

sind Grundlage unseres<br />

Handelns und ohne den Glauben<br />

als Kraftquelle könnte ich meine<br />

Arbeit nicht machen. Viele Ehrenamtliche<br />

verstehen ihr Engagement<br />

als gelebtes Evangelium<br />

und erwarten zu Recht, dass sich<br />

unsere christlichen Werte auch<br />

in politischen Entscheidungen<br />

und Kurskorrekturen widerspiegeln.<br />

Denn Migration hat es zu<br />

allen Zeiten gegeben, unsere Bibel<br />

ist ein Buch voll von Fluchtgeschichten.<br />

Jesus selbst hat gesagt:<br />

„Ich war fremd und ihr<br />

habt mich aufgenommen.“ Unter<br />

diesem Bibelvers aus Matthäus<br />

25,35 haben wir im Oktober<br />

2017 den Verein matteo –<br />

Kirche und Asyl e.V. gegründet.<br />

Vor meinem Büro hängen die<br />

Worte unseres Landesbischofs<br />

und Ratsvorsitzenden der <strong>Evangelisch</strong>en<br />

Kirche, Heinrich Bedford-Strohm:<br />

„‚Macht Eure Gottesdienste<br />

und überlasst uns die<br />

Politik.‘ Solche Stimmen sind kein<br />

Einzelfall. Doch gerade weil der<br />

Gott, an den die Christenmenschen<br />

glauben, sich von der Welt<br />

nicht ab‐, sondern ihr zuwendet,<br />

hat das Evangelium stets auch<br />

politische Bedeutung.“<br />

Kirchen sind Räume der Begegnungen,<br />

mit Gott und mit anderen<br />

Menschen. Auf der ganzen<br />

Welt haben Veränderungen oft<br />

in Kirchen begonnen und sich zu<br />

bedeutenden Bewegungen entwickelt.<br />

Das hat den politisch<br />

Verantwortlichen nicht immer<br />

gefallen, weil sie ihre eigene<br />

Macht gefährdet sahen. Es ist<br />

wichtig, sensibel zu bleiben, damit<br />

wir mit sachlichen Argumenten<br />

überzeugen, gleich-zeitig<br />

aber den Mut haben, zu widersprechen,<br />

wenn wir Ungerechtigkeiten<br />

wahrnehmen. Es<br />

gibt Grenzen, die wir aufzeigen<br />

müssen, wenn menschenfeindliche<br />

Parolen, Hass und Hetze<br />

verbreitet werden.<br />

Die Interviews führte<br />

Anne Müller<br />

<strong>Bayreuth</strong> <strong>Evangelisch</strong> | März - <strong>April</strong> <strong>2019</strong> 7

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