alpenblick, Ausgabe 2/2019
Das gemeinsame Mitgliedermagazin der Sektionen Augsburg und Friedberg des Deutschen Alpenvereins (DAV).
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Aus dem LLZ<br />
Die ParaVertikalen –<br />
Klettergruppe für<br />
Menschen mit<br />
Behinderung<br />
von Sarah Scheel<br />
Im Rollstuhl sitzen und trotzdem eine<br />
Wand hochklettern? Geht das überhaupt?<br />
Unvorstellbar!<br />
Und es geht doch. Seit Oktober 2018<br />
klettern in unserer Halle auch Menschen<br />
mit Beeinträchtigung. Speziell<br />
ausgebildete Trainer*innen begleiten<br />
die Sportler*innen auf dem Weg nach<br />
oben – Hand in Hand mit engagierten<br />
Sichernden. Die Teilnehmenden werden<br />
je nach gesundheitlichen Voraussetzungen<br />
und persönlichen Möglichkeiten<br />
mal mehr und mal weniger<br />
unterstützt. Alle zwei Wochen finden<br />
die Treffen statt. Die Anfrage ist hoch<br />
und die Gruppe ausgebucht.<br />
Fotos: Sarah Scheel<br />
Auf dem Weg zum Top<br />
Doch wie genau funktioniert das nun?<br />
Im Alltag fällt das Treppensteigen schwer<br />
und in der Halle erreichen sie das Top?<br />
Wie ist es körperlich und technisch möglich,<br />
Klettern – eine doch sehr anspruchsvolle<br />
Sportart – mit Handicap auszuüben?<br />
Da müssen unsere Trainer*innen kreativ<br />
werden. Einmal wird der zweifache<br />
Flaschenzug aufgebaut. Ein anderes Mal<br />
reicht schon eine Hand, die stützt und<br />
Sicherheit gibt. Kletterhilfen wie Brustund<br />
Komplettgurte oder spezielle Beinschlaufen,<br />
die das Hochheben des Beins<br />
erleichtern, werden nach Bedarf eingesetzt.<br />
Zusätzliche (braune) Klettergriffe<br />
wurden an der Wand angebracht – das<br />
hilft, die Stabilität zu halten.<br />
Wie an allen Ecken der Halle hört man<br />
natürlich auch Tipps von unten: „Stell<br />
das rechte Bein doch auf den großen<br />
roten Tritt.“ Und immer wieder kommt<br />
die Nachfrage: „Möchtest du runter<br />
oder geht es noch?“<br />
Und es geht erstaunlich viel<br />
Michael, ein Rollifahrer, der von Anfang<br />
an dabei ist, sagt stolz: „Ich mache das<br />
in Dreierschritten. Letztes Mal waren es<br />
drei Meter, heute kam ich schon sechs<br />
Oben: Nur noch der Knoten wird geprüft,<br />
dann kann es losgehen.<br />
Unten: Trotz Rollstuhl geht erstaunlich viel.<br />
Foto: Alex Märtl<br />
Manchmal reicht die unterstützende Hand.<br />
Meter hoch. Vielleicht werden es ja<br />
nächstes Mal dann neun?“ Und Corinna,<br />
die mit einer leichten halbseitigen Lähmung<br />
lebt, hat schon das erste Top erreicht.<br />
Überall strahlende Gesichter, alle<br />
kommen zufrieden von der Wand. Klettern<br />
macht einfach Spaß! In der Pause<br />
werden dann Knoten geübt, Klettertechniken<br />
besprochen oder es wird einfach<br />
gerne mal geratscht. Das schätzen „Die<br />
ParaVertikalen“ besonders.<br />
Dem Körper wieder vertrauen lernen<br />
Klettern stärkt das Selbstvertrauen, aber<br />
auch das Vertrauen zum Mitmenschen.<br />
Kaum eine andere Sportart schult die<br />
Bewegungsabläufe, das Körpergefühl<br />
und das Gleichgewicht so gut wie das<br />
Kraxeln an der Wand. Die Gangsicherheit<br />
und Standstabilität verbessert sich,<br />
genauso wie die Koordination und die<br />
Ansteuerung der Muskulatur. Und gerade<br />
Menschen mit Beeinträchtigung<br />
profitieren besonders von dieser positiven<br />
Wirkung.<br />
Bei den „ParaVertikalen“ geht es aber<br />
nicht nur ums Klettern, sondern auch<br />
um Austausch, gegenseitiges Verständnis,<br />
offene Ohren für die eigene Geschichte.<br />
All das, gepaart mit viel Humor<br />
und feinfühliger Unterstützung, macht<br />
die neue Gruppe aus. Die Vorfreude auf<br />
das nächste Treffen ist nicht zu übersehen.<br />
Foto: Sarah Scheel<br />
20 <strong>alpenblick</strong> 2 | <strong>2019</strong>