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Fedora 2 Wurzel der Dunkelheit

Nach der Infektion durch das Blut ihrer Schwester gibt es für Sophie keine Sicherheit mehr. Außer der einen: Sie muss lernen, die Infektion zu beherrschen, oder wird sich selbst verlieren! Helfen soll ihr dabei ein Vampir, der ebenfalls von Virtus mit der Saat des Bösen infiziert wurde. Doch ist Riaan wirklich gewillt, ihr zu helfen, oder verfolgt er einen anderen Zweck? Für Sophie und das Rudel stehen unsichere Zeiten bevor.

Nach der Infektion durch das Blut ihrer Schwester gibt es für Sophie keine Sicherheit mehr. Außer der einen: Sie muss lernen, die Infektion zu beherrschen, oder wird sich selbst verlieren!
Helfen soll ihr dabei ein Vampir, der ebenfalls von Virtus mit der Saat des Bösen infiziert wurde. Doch ist Riaan wirklich gewillt, ihr zu helfen, oder verfolgt er einen anderen Zweck? Für Sophie und das Rudel stehen unsichere Zeiten bevor.

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Jeanette Peters<br />

<strong>Wurzel</strong> <strong>der</strong> <strong>Dunkelheit</strong><br />

<strong>Fedora</strong> Chronik II


F e d o r a C h r o n i k I I : W u r z e l d e r D u n k e l h e i t<br />

© 2 0 1 8 J e a n e t t e P e t e r s<br />

C o v e r g e s t a l t u n g : J e a n e t t e P e t e r s<br />

Te x t : J e a n e t t e P e t e r s<br />

Te x t g e s t a l t u n g : J e a n e t t e P e t e r s<br />

L e k t o r a t : A n n a Te r e s<br />

B i l d m a t e r i a l : p i x a b a y . c o m ; A d o b e s t o c k<br />

J e a n e t t e P e t e r s<br />

D ö r w e r s t r a ß e 6 8<br />

4 4 3 5 9 D o r t m u n d<br />

G e r m a n y<br />

I S B N : 9 7 8 1 7 9 3 1 7 7 5 7 5<br />

E m a i l : L e s e e u l e n – v e r l a g @ g m x . d e


Für Dani,<br />

Deine Kraft und dein Durchhaltevermögen inspirieren mich immer<br />

wie<strong>der</strong> auf ein neues.


<strong>Fedora</strong><br />

7


8


Prolog<br />

ie spürte es schon seit geraumer Zeit. Etwas näherte sich<br />

ihnen. Ein Umschwung, verbunden mit <strong>der</strong> <strong>Dunkelheit</strong>. Es<br />

wogte heran und seit einigen Tagen nahm es an Intensität zu.<br />

Was immer es war, bald schon würden sie alle eine harte Prüfung<br />

bestehen müssen.<br />

Die Tür ging auf und ihr Bru<strong>der</strong> trat ein. Sie fuhr zu ihm herum<br />

und betrachtete ihn. Das helle, beinahe weiße Haar, welches ihrem<br />

so sehr ähnelte, klebte in nassen Strähnen an seinem Kopf. In den<br />

hellblauen Augen stand Besorgnis. Doch er trug ein überhebliches<br />

Lächeln zur Schau.<br />

»Wir bekommen Besuch«, erklärte er, während er neben sie trat.<br />

Sie seufzte tief. »Ich weiß, Bru<strong>der</strong>. Ich weiß.«<br />

»Wirst du sie empfangen?«<br />

Sie dachte einen Augenblick über die Frage hinter seiner Frage<br />

nach. Sollten sie die Besucher passieren lassen o<strong>der</strong> sie töten? Ihre<br />

Instinkte flüsterten ihr seit langer Zeit zu. Sie zu ignorieren wäre<br />

töricht.<br />

»Nein, lass sie herkommen«, antwortete sie. »Ich bin gespannt,<br />

was sie herführt.« Sie zögerte. »Schaff die Blutspeicher weg. Wir<br />

wollen unsere kleinen Gäste doch nicht verschrecken.«<br />

»Wie du wünschst, Schwester.« Er verließ den Raum wie<strong>der</strong> und<br />

ließ sie zurück.<br />

Sie drehte sich zum Fenster um und sah nach draußen. Unter<br />

sich konnte sie den Wald erkennen. Was dort wohl vor sich ging?<br />

9


Seit Dekaden hatte sie die Burg schon nicht mehr verlassen. Vielleicht<br />

war es an <strong>der</strong> Zeit, dem Ruf zu folgen und dem<br />

Umschwung entgegenzutreten.<br />

»Sieh an, <strong>der</strong> Alpha des Rudels sucht mich auf. Willkommen,<br />

Luc.« Sie betrachtete den Werwolf. Die Angst in den dunklen<br />

Augen war ein Grund zur Besorgnis. Die Schwingungen, die von<br />

dem Mädchen in seinen Armen ausgingen, noch viel mehr. Sie<br />

betrachtete die beiden eingehen<strong>der</strong>. Der Alpha hatte also seine<br />

Gefährtin gefunden. Als sie auf das Mädchen zutrat, um diese seltsamen<br />

Schwingungen genauer zu untersuchen, begann <strong>der</strong> Wolf<br />

leise zu knurren.<br />

»Reiß dich zusammen, Luc«, warnte sie ihn ruhig. Sie betrachtete<br />

das Mädchen, ohne es zu berühren. Es war nicht schwer zu<br />

erraten, warum sie nicht bei Bewusstsein war. Die Färbung an<br />

ihrem Arm wies klar darauf hin. »Du bringst einen <strong>der</strong> Infizierten<br />

zu mir?«<br />

Der Wolf erwi<strong>der</strong>te ihren Blick mit stoischer Ruhe. »Ich habe<br />

gehofft, du könntest ihr Helfen.«<br />

»Wie lange ist es her?« Sie streckte die Hand aus und legte eine<br />

Hand auf die Stirn des Mädchens. Verwun<strong>der</strong>lich. Sie bekam alles<br />

mit, was um sie herum geschah. Sie war jedoch unfähig, ihren<br />

Körper zu bewegen.<br />

»Drei Tage.«<br />

Ein Keuchen entfuhr ihr. »Und sie hat sich bisher nicht verwandelt?«<br />

»Nein. Die Färbung ihres Armes ist das einzige Anzeichen. Sie<br />

geht jedoch schon wie<strong>der</strong> zurück.«<br />

»Erstaunlich.« Sie betrachtete den Alpha. »Wir haben uns vor<br />

einigen Jahren verbündet. Doch dies bedeutet nicht, dass meine<br />

Hilfe umsonst sein wird.«<br />

»Das ist mir bewusst.«<br />

Sie nickte zufrieden. »Wir werden später über meine For<strong>der</strong>ungen<br />

sprechen. Folge mir.«<br />

Der Wolf zögerte. »Ich würde lieber erst wissen, womit ich<br />

bezahlen soll.«<br />

10


»Wie erfrischend. Obwohl dieses Mädchen deine Gefährtin ist,<br />

steht bei dir <strong>der</strong> Schutz des Rudels immer noch an erster Stelle«,<br />

bemerkte sie. Der Wolf nickte angespannt. »Ich verspreche dir, ich<br />

werde nichts verlangen, was dir o<strong>der</strong> den deinen schadet. Alles<br />

an<strong>der</strong>e klären wir später, Wolf.«<br />

Sie sprach das letzte Wort mit Absicht spöttisch aus. Mal sehen,<br />

wie gut er sich unter Kontrolle hatte. Doch er zitterte nicht einmal.<br />

Stattdessen wan<strong>der</strong>te sein Blick zu dem Mädchen in seinen<br />

Armen. »Wie du wünschst.«<br />

»Nun folge mir. Mein Bru<strong>der</strong> wird sich <strong>der</strong>weil um deine<br />

Begleiter kümmern«, for<strong>der</strong>te sie ihn erneut auf und ging voran,<br />

ohne sich noch einmal umzudrehen.<br />

Dieses Spiel würde interessant werden. Und die Verän<strong>der</strong>ungen,<br />

die es mit sich bringen würde, ganz bestimmt auch.<br />

11


12


Bewegungslos<br />

s war ein eigenartiges Gefühl. Sie konnte alles um sich herum<br />

hören. Besser sogar, als je zuvor. All ihre Sinne schienen effektiver<br />

zu arbeiten. Sie nahm die Schritte einer Person wahr,<br />

schon ehe sich die Tür öffnete. Sie registrierte sämtliche Gerüche<br />

um sich herum. Ihre geschlossenen Augen waren ärgerlich. Sie<br />

nicht öffnen zu können zermürbend. Sie war gefangen in einer<br />

Welt vollkommener <strong>Dunkelheit</strong> und ohne die Möglichkeit ihren<br />

Körper zu bewegen, war sie hilflos.<br />

Immer noch spürte sie, wie das klebrige, dunkle Zeug versuchte,<br />

sich ihrer zu bemächtigen. Aber Sofie hatte schnell festgestellt, wie<br />

viel es einfacher war, dagegen anzukämpfen, wenn sie sich auf ihre<br />

Verbindung zu Luc konzentrierte. Ihr Arm fühlte sich taub und<br />

eigenartig kalt an. Es war fast, als würde er nicht mehr zu ihrem<br />

Körper gehören. Ob man ihn amputieren musste, um sie zu<br />

retten? Sie konnte genau spüren, wo sich das schwarze Zeug verteilte<br />

und es gelang ihr an mancher Stelle, es zurückzudrängen.<br />

Eine Tür öffnete sich und allein an dem Atmen erkannte sie Luc.<br />

Ihr Herz machte einen Satz. Es dauerte nur einen Augenblick, da<br />

konnte sie seine Hand auf ihrer Wange spüren. »Wenn du weißt,<br />

warum sie sich nicht bewegen kann, wieso machst du nichts<br />

dagegen?«, erkundigte er sich mit unterdrückter Wut in <strong>der</strong><br />

Stimme. Sie konnte das Grollen wahrnehmen. Nicht mehr lange<br />

und er würde beginnen zu knurren.<br />

13


»Beruhige dich, Wolf«, antwortete eine weibliche Stimme. Sofie<br />

hatte sie nun schon häufiger wahrgenommen. Sie wirkte kalt und<br />

gefühllos. Doch es war auch die Stimme, die zu den Händen<br />

gehörten, die sich um sie kümmerten. Dies war ihr bewusst. Und<br />

aus diesem Grund war sie sich noch nicht sicher, ob sie die Person<br />

dahinter mochte o<strong>der</strong> nicht. Wenn sie nur die Augen <strong>der</strong> Frau<br />

sehen könnte … Als Luc tatsächlich begann zu knurren, konnte<br />

sie die Frau leise lachen hören. »Du wirst von deinen Gefährteninstinkten<br />

getrieben. Wie erfreulich. Doch ich sage es dir nur einmal.<br />

Ich gebe die Nervenbahnen noch nicht frei, weil es ihr hilft.<br />

Im Augenblick würde sie wahrscheinlich unsagbare Schmerzen<br />

haben, wenn ihre Nerven arbeiten könnten. Wer immer sie blockiert<br />

hat, hat ihr einen Gefallen getan.«<br />

»Und was soll das bringen?«<br />

»Mal abgesehen davon, dass sie keine Schmerzen hat? Sie<br />

braucht all ihre Konzentration dazu, um gegen das anzukämpfen,<br />

was sie zu korrumpieren versucht. Ich habe solche Dinge schon zu<br />

oft erlebt. Dieses Zeug nimmt nach und nach deinen Körper und<br />

Geist in Besitz und verän<strong>der</strong>t beides zum absolut bösen.«<br />

Sofie hörte, wie Luc winselte. Wie gerne hätte sie nach seiner<br />

Hand gegriffen. »Also kannst du es nur hinauszögern?« Die Resignation<br />

in seiner Stimme brach ihr beinahe das Herz.<br />

»Ich kann die keine Versprechnungen machen, Luc«, erklärte die<br />

Frau plötzlich ungewöhnlich sanft. »Es bleibt uns nur abzuwarten.<br />

Aber die Tatsache, dass sie sich bisher nicht verwandelt hat,<br />

könnte bedeuten, dass sie die Kraft besitzt sich dagegen zu wehren<br />

und es zu besiegen. Vielleicht spielt auch eure Gefährtenbindung<br />

eine Rolle dabei. Ich brauche mehr Informationen über sie und<br />

ihre Vergangenheit. Jedes bisschen kann helfen.«<br />

»Es gibt da etwas«, gestand Luc leise. »Anscheinend hat ihr Vater<br />

versucht, ihre Gene zu verän<strong>der</strong>n. Sie trägt genetische Merkmale<br />

von uns allen in sich.«<br />

»Von allen?« Die Frau klang überrascht.<br />

»Vampir, Werwolf, Ghoul. Ihr Vater scheint in Zusammenhang<br />

zu Virtus zu stehen. Wie haben jedoch keine Ahnung, wie weit<br />

diese Verbindung geht. Wir müssen davon ausgehen, dass es sehr<br />

14


weit ist. Sofies Schwester scheint inzwischen für Virtus zu arbeiten.<br />

Auch sie wurde infiziert. Gaian war bei dem Angriff auf Sofie<br />

dabei. Die Schwester hat sich ebenfalls nicht vollständig verwandelt,<br />

kann ihren Körper jedoch auf Wunsch gezielt verän<strong>der</strong>n.«<br />

»Wie meinst du das?«<br />

»Ihr Arm und ihre Finger haben sich in Tentakel verwandelt.<br />

Solche, wie wir sie schon bei einigen Leichen gefunden haben.<br />

Nur sie konnte sie bewusst wie<strong>der</strong> zurückverwandeln. Mal abgesehen<br />

von ihrem Geruch sah sie vollkommen normal aus, wenn<br />

man Gaian glauben kann.«<br />

»Von Derartigem habe ich noch nie gehört«, gestand die Frau<br />

wie<strong>der</strong>.<br />

»Ich auch nicht. Und es jagt mir Angst ein, wie es mit Sofie<br />

weitergeht. Seit wir sie gerettet haben, hat sich ihr gesamtes<br />

Wissen immer wie<strong>der</strong> als falsch herausgestellt. Dennoch hat sie es<br />

immer geschafft, sich neu zu orientieren. Sie hat die außergewöhnliche<br />

Gabe ihre eigene Angst und Panik zurückzustellen, um<br />

an<strong>der</strong>e zu beruhigen. Sie will jeden um sich herum beschützen.«<br />

»Du weißt, dies alles kann sich än<strong>der</strong>n. Es geht nicht nur um die<br />

Infektion. Ich habe noch nie von einem Lebewesen gehört, das die<br />

Gene aller vier Spezies in <strong>Fedora</strong> in sich trägt. Dazu kommt eure<br />

Gefährtenverbindung, die automatisch dazu führen wird, dass ihre<br />

Wolfsgene erwachen. Die Infektion kann auch die an<strong>der</strong>en Gene<br />

aktivieren. Wir wissen nicht, welche Auswirkungen das gesamte<br />

Zusammenspiel haben wird. Und ich kenne bisher nur einen, dem<br />

es gelungen ist, erfolgreich gegen die Infektion anzukämpfen.«<br />

»Dein Bru<strong>der</strong>«, sagte Luc.<br />

»Das ist korrekt. Riaan kann mir nicht erklären, warum o<strong>der</strong> wie<br />

es ihm gelungen ist. Und selbst heute noch gibt es Momente, in<br />

denen er stark damit zu kämpfen hat. Es ist ein lebenslanger<br />

Kampf. Glaubst du, deine Gefährtin ist dafür stark genug?«<br />

»Das ist sie.« Die Überzeugung in Lucs Stimme ließ Sofie Hoffnung<br />

schöpfen.<br />

»Nun denn, wir wollen es hoffen. Ich werde die Nervenbahnen<br />

noch bis morgen blockiert lassen. Sollte die sichtbare Verfärbung<br />

dann nicht weiter vorangeschritten sein, können wir sie<br />

15


versuchsweise wie<strong>der</strong> reaktivieren. Ich hoffe für dich, du irrst dich<br />

nicht in deiner Einschätzung.«<br />

»Ich glaube fest an sie«, erklärte Luc immer noch voller Zuversicht.<br />

»Also gut, kommen wir zu dem Preis, den du zu zahlen hast.«<br />

Sofie erstarrte innerlich. Als sie hier angekommen waren, war<br />

schon einmal die Rede davon gewesen. Doch zu diesem Zeitpunkt<br />

war sie <strong>der</strong>maßen mit dem Kampf in ihrem Inneren beschäftigt,<br />

dass sie nur wenig davon mitbekommen hatte.<br />

»Was verlangst du?«<br />

»Einen Platz in deinem Dorf, sowie einen deiner Wölfe.«<br />

Sofie spürte ein starkes Zittern, welches durch ihre Gefährtenbindung<br />

ging und in <strong>der</strong> nächsten Sekunde hörte sie das düstere<br />

Knurren eines Wolfes.<br />

»Ach, ihr Wölfe. Es ist immer wie<strong>der</strong> erfrischend mit euch. Vielleicht<br />

solltest du mich erst einmal meinen Wunsch bis zum Ende<br />

hören. Nun hast du deine Kleidung zerrissen, dabei ist es vollkommen<br />

unnötig.« Die Frau lachte. »Ich will Zwei meiner Vampire<br />

als Vermittler in deinem Dorf haben. Und ich möchte dasselbe<br />

hier bei uns. Einen Wolf, <strong>der</strong> uns eure Gepflogenheiten<br />

nahebringt. Zudem sollen sie als Vermittler dienen, damit <strong>der</strong><br />

Informationsaustausch mit weniger Misstrauen einhergeht.«<br />

Sofie hörte die Worte und fand die Idee gar nicht verkehrt. Was<br />

sprach dagegen? Doch sie konnte immer noch das Knurren hören,<br />

welches den Raum erfüllte. Sich auf ihre Gefährtenbindung besinnend,<br />

versuchte sie zu erahnen, was in ihm vorging. Doch es<br />

gelang ihr nicht.<br />

»Wie dem auch sei. Ich werde dir erst einmal die Zeit geben,<br />

darüber nachzudenken. Vielleicht willst du dich auch erst mit<br />

deinem Rudel besprechen? Es spielt keine Rolle. Ich werde mich<br />

weiter um das Mädchen kümmern. Aber den Preis wirst du zahlen<br />

müssen. Wenn du dich auf mein Angebot nicht einlassen möchtest,<br />

solltest du dir Gedanken um etwas vergleichbares machen.«<br />

Sofie hörte nicht, wie die Frau sich bewegte, doch sie vernahm<br />

das Öffnen und Schließen <strong>der</strong> Tür. Sie hatte den Raum verlassen.<br />

16


Ein Kampf fur die<br />

Ewigkeit?<br />

angsam gewöhnte Sofie sich an das Gefühl des klebrigen<br />

Zeugs. Sie ließ es nicht gewähren, noch tiefer in sie hervorzudringen,<br />

doch sie lernte, es zu akzeptieren. Wenn sie die<br />

Worte <strong>der</strong> Frau richtig verstand, musste sie auf ewig dagegen<br />

ankämpfen.<br />

Ihre Schwester hatte vollkommen normal ausgesehen, bis zu<br />

dem Augenblick, in dem sich ihr Arm verformt und verwandelt<br />

hatte. Ob ihr dies auch gelingen konnte?<br />

Sobald sie die Frage in ihren Gedanken geformt hatte, spürte sie,<br />

wie die schwere in ihrem Arm abnahm und sich an einen Punkt<br />

sammelte. Sofie registrierte schnell, dass dies <strong>der</strong> Punkt war, an<br />

dem Bea ihr die Spritze in den Arm gerammt hatte. War das möglich?<br />

Konnte sie die dunkle Masse wirklich allein durch ihren<br />

Willen steuern?<br />

Nein, das wäre zu einfach. Es konnte nicht <strong>der</strong>art leicht sein.<br />

Doch im Augenblick fühlte sie sich ausgeglichen, trotz allem, was<br />

um sie herum geschah. War dies <strong>der</strong> Grund, warum es ihr gelang,<br />

besser mit <strong>der</strong> Infektion umzugehen? Es waren zu viele Fragen, auf<br />

die sie keine Antwort fand. Wenn sie nur sprechen könnte. Doch<br />

sie war immer noch in dieser Starre gefangen.<br />

17


Es war ärgerlich, <strong>der</strong>maßen eingeschränkt zu sein. Sobald sie<br />

ihrem Ärger nachgab, spürte sie, wie die Taubheit in ihrem Arm<br />

wie<strong>der</strong> zunahm. Sofie versuchte ihre Gedanken unter Kontrolle zu<br />

bringen. Es war ein ewiges Auf und Ab, mit dem sie sich auseinan<strong>der</strong>setzen<br />

musste. Doch was konnte sie dagegen tun? Es gab niemanden<br />

auf <strong>der</strong> Welt, <strong>der</strong> seine Gefühlen immer vollends unter<br />

Kontrolle hatte. Und sie? Sie war in den letzten Monaten <strong>der</strong>art<br />

vielen negativen Dingen ausgesetzt gewesen …<br />

Doch es gab auch Positives. Sie hatte Luc getroffen. Und das<br />

Rudel. In Jalina hatte sie ihre erste wirkliche Freundin gefunden.<br />

Und diese würde bald ein Baby bekommen. Sie würde das Kleine<br />

gerne sehen. Doch dies wäre nur möglich, wenn sie den Kampf in<br />

ihrem inneren gewann. Und auch nur dann könnte sie einer<br />

Zukunft mit Luc entgegenblicken.<br />

Es war entschieden. Sie musste einen Weg finden, damit umzugehen.<br />

Doch wie sollte es funktionieren? Sie konnte ihre Gefühle<br />

nicht immer kontrollieren. Es waren Empfindungen, die vollkommen<br />

unwillkürlich auftauchten. Es gab natürlich immer einen<br />

Auslöser, doch wie sollte sie sämtliche negative Dinge von sich<br />

fernhalten?<br />

Es war nicht verwun<strong>der</strong>lich, dass Beatrice nachgegeben und sich<br />

hatte korrumpieren lassen. Wenn es Luc nicht gäbe … Da wäre<br />

nichts gewesen, an dem sie sich hätte festkrallen können. Doch<br />

war dies ausreichend?<br />

Noch fühlte sie sich wie sie selbst, auch wenn sie nicht umhinkam,<br />

die dunkle Woge zu spüren, die immerzu über sie hinwegzuströmen<br />

drohte. Wenn sie nur sprechen könnte. Vielleicht<br />

würde es ihr helfen.<br />

Dann fielen ihr die Worte <strong>der</strong> Frau wie<strong>der</strong> ein. Unsägliche<br />

Schmerzen … Wäre es wirklich so? Würde sie Schmerzen erleiden?<br />

Könnte sie damit umgehen? Dies waren Dinge, bei denen Luc ihr<br />

nicht direkt helfen konnte. Es lag ganz allein an ihr, sich damit<br />

auseinan<strong>der</strong>zusetzen und sie auszuhalten.<br />

Die Verbindung zu Luc half ihr, sich an ihr Selbst zu erinnern.<br />

Doch im Augenblick strömten auch keinerlei negativen Reize von<br />

außerhalb auf sie ein. Sie war gefangen in sich selbst. Alles was sie<br />

18


körperlich wahrnahm, erschien gedämpft. Ihre an<strong>der</strong>en Sinne<br />

waren zwar geschärft, doch die Reize waren auf ein Minimum<br />

reduziert worden.<br />

Sie befanden sich bei Vampiren. Dies war eines <strong>der</strong> Dinge, die<br />

sie bewusst mitbekommen hatte. Luc war <strong>der</strong> Auffassung gewesen,<br />

man könne ihr hier besser helfen. Warum war das <strong>der</strong> Fall? Was<br />

wusste sie eigentlich über Vampire?<br />

Nicht viel. Dies war etwas, was sie sich eingestehen musste.<br />

Wenn die Informationen über die Vampire, die sie aus Lovlin<br />

erhalten hatte, ebenso falsch waren, wie jene über die Werwölfe<br />

musste sie einsehen, gar nichts über sie zu wissen.<br />

Doch sie könnte es lernen. Sie hatte auch viel über die Werwölfe<br />

gelernt. Und sie lerne stetig dazu. Dies war doch vielversprechend,<br />

wenn es darum ging, mit <strong>der</strong> Infektion fertig zu werden.<br />

Sie kam mit neuen Dingen gut zurecht, konnte sich darauf einstellen,<br />

selbst, wenn sie einmal von Selbstzweifeln geplagt wurde.<br />

War sie in den letzten Monaten mal gestrauchelt, dann war Luc<br />

stets da gewesen, um sie aufzufangen. Und ihre Bindung zueinan<strong>der</strong><br />

wuchs mit jedem Tag.<br />

Sie würde daran festhalten. Sie konnte nicht einfach aufgeben.<br />

Es war ihr gelungen <strong>der</strong>art viele Dinge zu überstehen und sich mit<br />

den Verän<strong>der</strong>ungen, die sie mit sich brachten, klarzukommen,<br />

wieso sollte sie nicht auch das hier schaffen können? Schließlich<br />

war sie die Gefährtin des Alphas. Sie konnte das bewerkstelligen.<br />

O<strong>der</strong>?<br />

Am liebsten hätte sie geseufzt. Doch auch diesmal Versagte ihr<br />

Körper den Gehorsam. Wenn es nur endlich ein Ende nehmen<br />

würde. Ihren Körper nicht unter Kontrolle zu haben war zermürbend.<br />

Es war eine Art von Kontrollverlust, mit dem sie nur schwer<br />

umgehen konnte. Hoffentlich entschied die Vampirin sich bald<br />

dazu, es zu än<strong>der</strong>n. Wenn Sofie es richtig verstanden hatte, war sie<br />

in <strong>der</strong> Lage dazu. Im Augenblick war sie bereit jede Art von<br />

Schmerzen in Kauf zu nehmen, wenn sie sich nur wie<strong>der</strong> bewegen<br />

könnte.<br />

19


20


Licht in <strong>der</strong> <strong>Dunkelheit</strong><br />

chritte!<br />

Anhand des Rhythmus erkannte sie Luc. Es war seltsam. Seit<br />

sie ihre Augen nicht öffnen konnte, achtete sie viel mehr auf<br />

<strong>der</strong>lei Nuancen. Einzig bei den Vampiren gelang es ihr nicht, sie<br />

vorher zu hören. Irgendwie besaßen sie die Fähigkeit, sich vollkommen<br />

lautlos zu Bewegen. Ob es ein Teil ihrer Natur war?<br />

Die Tür öffnete sich und sie vernahm den Atem zweier Personen.<br />

Also war Luc nicht alleine. Ob es die Vampirfrau war? Während<br />

sie auf Luc lauschte, <strong>der</strong> sich ihr gleich näherte, versuchte sie<br />

irgend ein weiteres Geräusch zu vernehmen. Etwas, was auf die<br />

Vampire hinwies Bis auf ein leises, regelmäßiges Atmen war<br />

jedoch nichts zu hören.<br />

Mit ihrem gedämpften Tastsinn spürte sie, wie Luc nach ihrer<br />

Hand griff. Als nächstes hörte sie ihn Keuchen. »Lenaya, sieh!«,<br />

rief er überrascht aus.<br />

Panik befiel Sofie. Was war los? Hatte sich etwas verän<strong>der</strong>t?<br />

Würde sie sterben? Warum sagte Luc nichts?<br />

Sie konnte ein weiteres paar Hände spüren, welches ihren Arm<br />

berührte. »Unfassbar! Das ist wirklich interessant«, murmelte die<br />

Stimme <strong>der</strong> Vampirin. Sie klang nicht panisch. Die Ruhe in den<br />

Worten <strong>der</strong> Frau beruhigte auch Sofie. Und noch etwas an<strong>der</strong>es<br />

wurde ihr bewusst. Sie kannte nun ihren Namen. Lenaya. Luc<br />

21


hatte ihn bisher nicht ausgesprochen. Doch in seiner Angst hatte<br />

er wohl nicht darüber nachgedacht.<br />

»Das ist gut, o<strong>der</strong>?«, fragte Luc immer noch leicht verunsichert.<br />

»Sehr gut. Es heißt sie scheint effektiv gegen die Infektion zu<br />

arbeiten. Das bedeutet nicht, dass es einfach wird. Wer weiß,<br />

wodurch <strong>der</strong> Rückgang beeinflusst wurde. Doch ich denke, wir<br />

können nun beginnen die Nervenbahnen stückweise freizugeben.<br />

Auf diese Weise kann ich sie im Notfall wie<strong>der</strong> blockieren.«<br />

Notfall? Wahrscheinlich wenn die Infektion sich erneut ausbreitet<br />

und die Überhand gewinnen sollte. Es war nicht leicht. Sie versuchte<br />

es bewusst zu steuern, doch sie fand den Auslöser einfach<br />

nicht.<br />

»Wann fängst du an?«, hörte sie Luc fragen.<br />

»Sofort, es gibt keinen Grund noch länger zu warten. Sei so nett<br />

und lösche das Licht.«<br />

Sofie bekam dumpf mit, wie sich eine kalte Hand auf ihre Stirn<br />

legte, gleich darauf zog ein unangenehmes Prickeln durch ihren<br />

Körper. Erschrocken sog sie die Luft ein und öffnete verwun<strong>der</strong>t<br />

die Augen. Sie musste mehrfach blinzeln, bis sich ihre Augen an<br />

die Helligkeit gewöhnten. Sie konnte wie<strong>der</strong> bewusst tief durchatmen<br />

und ihre Li<strong>der</strong> heben und senken. Ihre lebenswichtigen<br />

Funktionen waren nicht nur mehr ihren Instinkten unterworfen.<br />

Erleichtert suchte sie Lucs Blick. Sie hätte gerne seine Hand<br />

ergriffen, doch alles unterhalb ihres Halses gehorchte nach wie vor<br />

nicht ihrem Willen.<br />

Luc jedoch lächelte liebevoll. »Wie geht es dir?«, fragte er.<br />

»Seltsam«, antwortete sie, ohne nachzudenken. Ihre Stimme<br />

klang belegt. Dies war nicht verwun<strong>der</strong>lich, wenn sie bedachte,<br />

dass sie seit Tagen nicht ein Wort gesprochen hatte. Sie hielt ihren<br />

Blick auf Luc gerichtet. »Wasser«, bat sie.<br />

Er nickte und stand auf. Sie konnte spüren, wie ihre Hand<br />

bewegungsunfähig auf das Laken unter ihr fiel. Nun, wo ihre<br />

Augen nicht mehr auf Luc gerichtet waren, sah sie sich in dem<br />

Raum um. Es war ein Raum, dessen Wände, Boden und Decke<br />

aus barem Stein bestand. Das Mobiliar war aus schweren dunklen<br />

Holz gefertigt. Es gab ein Fenster, welches kein Glas besaß. Sofie<br />

22


erkannte den Nachthimmel. Das Laken, auf dem sie lag, schien<br />

aus feinem Stoff zu bestehen. Sie konnte trotz <strong>der</strong> <strong>Dunkelheit</strong> in<br />

dem Raum den Glanz erkennen, <strong>der</strong> von ihm ausging.<br />

Als sie ihren Blick weiter schweifen ließ, blieb er an <strong>der</strong> Frau<br />

hängen, <strong>der</strong>en Stimme sie in den letzten Tagen schon häufiger<br />

gehört hatte. Sofie hielt inne. Zum ersten Mal sah sie einen<br />

Vampir aus <strong>der</strong> Nähe. Sie hatte sie sich an<strong>der</strong>s vorgestellt. Ihre<br />

Gestalt war menschlich, was das anging, gab es keinen Unterschied.<br />

Doch ihre Haut … sie war weiß und mit dunklen feinen<br />

A<strong>der</strong>n durchzogen. Die Augen waren Schwarz mit einer roten Iris.<br />

Das Haar war ebenfalls schneeweiß. Als die Vampirin lächelte,<br />

erkannte Sofie die scharfen Reißzähne.<br />

»Wo bin ich?«, fragte Sofie mit heiserer Stimme, da ihr nichts<br />

besseres einfiel.<br />

»Du bist in meinem Beffroi. Hier herrsche ich. Du solltest mir<br />

also den entsprechenden Respekt engegenbringen«, antwortete die<br />

Frau.<br />

Sofie nickte, fühlte sich aber zu überrumpelt, um etwas zu sagen.<br />

Luc trat in diesem Augenblick wie<strong>der</strong> zu ihr und hielt ihr einen<br />

Kelch an die Lippen, <strong>der</strong> mit Wasser gefüllt war. Dankbar nahm<br />

Sofie einen Schluck und seufzte dann erleichtert. Sie fühlte sich<br />

schon gleich viel besser.<br />

Luc fuhr ihr mit <strong>der</strong> freien Hand sanft durch das Haar, dann<br />

drehte er sich zu <strong>der</strong> Vampirin herum. »Können wir die Höflichkeiten<br />

vielleicht auf später verlegen? Ich denke dafür zu Sorgen,<br />

dass Sofie sich wie<strong>der</strong> bewegen kann, hat Vorrang.«<br />

»Beherrsche dich, Wolf. Auch wenn ich es deiner Gefährtin für<br />

den Augenblick nachsehe, werde ich Respektlosigkeiten von<br />

deiner Seite in keiner Weise tolerieren.«<br />

Sofie beobachtete erstaunt, wie Luc den Blick senkte. »Verzeih<br />

mir, Lenaya.«<br />

»Gewährt, aber erinnere dich an deine Position hier«, erklärte<br />

die Vampirin kalt. Dann betrachtete sie Sofie. »Nun, du scheinst<br />

du selbst zu sein. Bevor ich die Starre vollständig löse, solltest du<br />

mir einige Fragen beantworten. Wenn mir deine Antworten nicht<br />

gefallen …«<br />

23


Sofie nickte. Ihr war klar, wie <strong>der</strong> Satz endete. Gefielen Lenaya<br />

die Antworten, die sie ihr gab nicht, würde sie sie einfach in <strong>der</strong><br />

Bewegungslosigkeit verharren lassen. Nervös schluckte Sofie. Hoffentlich<br />

war sie dazu in <strong>der</strong> Lage, die richtigen Antworten zu<br />

finden.<br />

24

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