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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 80 · F reitag, 5. April 2019 – S eite 20 *<br />
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Sport<br />
Wenn die Verlierer jubeln, ist auch beim Sieger irgendetwas schiefgelaufen: die Heidenheimer nach dem 4:5 im Pokal-Viertelfinale beim FC Bayern<br />
DPA/SCHULDT, IMAGO IMAGES<br />
Groteske Generalprobe<br />
Das wilde 5:4 im Pokalviertelfinale gegen Heidenheim fördert bei den Bayern im Hinblick auf das Duell gegen Dortmund die allgemeine Verunsicherung<br />
VonMaik Rosner,München<br />
Auch am Donnerstagnachmittag<br />
wirkte der irrwitzige<br />
Vorabend noch nach. Niko<br />
Kovac klang weiterhin<br />
recht kratzig, was vor allem daran<br />
lag, dass der Trainer des FC Bayern<br />
beim grotesk wilden 5:4 (1:2) im Pokalviertelfinale<br />
gegen den Zweitligisten<br />
1. FC Heidenheim seine Stimmbänder<br />
einer ähnlichen Belastungsprobe<br />
hatte aussetzen müssen wie<br />
seine Nerven. „Will ich verteidigen<br />
oder nicht? Bin ich mir zu schade<br />
oder nicht?“ Daswaren nur zwei der<br />
vielen Fragen, die Kovac mit Blick auf<br />
seine Spieler zwei Tage vordem Ligagipfel<br />
gegen den Tabellenführer Borussia<br />
Dortmund aufwarf. Seine Kicker<br />
verglich er dabei mit Kindern,<br />
denen man manche Dinge auch immer<br />
wieder argumentativ erklären<br />
müsse. „Natürlich wird man wahnsinnig“,<br />
sagte Kovac nach dem wiederholt<br />
instabilen Vortrag und bemängelte<br />
die Einstellung seiner Profis,„aber<br />
ich werdenicht aufgeben.“<br />
Für Uli Hoeneß steht ohnehin<br />
fest: „Am Samstag, 18.30 Uhr, darfes<br />
keine Ausreden geben. Da muss gegen<br />
Dortmund geliefertwerden.“ An<br />
eine Niederlage denke er gar nicht.<br />
„Wir müssen gewinnen, dazu gibt es<br />
„Am Samstag, 18.30 Uhr, darf eskeine<br />
Ausreden geben. Da muss gegen Dortmund<br />
geliefert werden.“<br />
Uli Hoeneß macht deutlich, was er im Spitzenspiel<br />
von seinen Bayern-Profis erwartet.<br />
für mich keine Alternative“, sagte der<br />
Präsident,„unsereMannschaft muss<br />
mit einem Sieg gegen Dortmund zeigen,<br />
dass sie Meister werden will.“<br />
Kovac gab sich optimistisch, dass<br />
auch die Angeschlagenen, Torwart<br />
Manuel Neuer und Linksverteidiger<br />
David Alaba, fit werden.<br />
Eigentlich sollte es nun nur um<br />
das Topspiel gehen, das die zwei<br />
Punkte hinter dem BVB zurückliegenden<br />
Bayern mit einem Sieg als<br />
Erster beschließen würden, musste<br />
erst einmal hinter der Aufarbeitung<br />
des äußerst zittrigen Halbfinaleinzugs<br />
im DFB-Pokal zurückstehen.<br />
1:0, 1:2, 4:2, 4:4, 5:4 lautete dabei die<br />
Torfolge aus Sicht der Bayern, die<br />
wegen der Roten Kartegegen Innenverteidiger<br />
Niklas Süle (15.) nach einer<br />
Notbremse gegen Robert Andrich<br />
zu zehnt in ein wogendes Spektakel<br />
geraten waren, das trotz der<br />
Willensleistung zu Beginn und am<br />
Ende der zweiten Halbzeit nicht gerade<br />
als Bestärkung für denVergleich<br />
mit dem BVBzuwerten war.<br />
„Dass wir nach einer 4:2-Führung<br />
auf 4:4 gehen, kann uns nicht gefallen“,<br />
sagte Thomas Müller.„Wenn du<br />
4:2 führst, ist es egal, ob du mit sieben,<br />
elf oder 15 Mann spielst. Das<br />
musst du über die Zeit bekommen“,<br />
ergänzte Süle schärfer. Und Sportdirektor<br />
Hasan Salihamidzic befand<br />
auch wegen der anstehenden Verabredung<br />
mit Dortmund: „Wenn man<br />
so ein Spiel sieht, dann muss man<br />
nachdenklich sein.“ Daseinzig Positive<br />
sei, das Halbfinale erreicht zu<br />
haben, das am Sonntag ausgelost<br />
wird. „Alles andere sollten wir vergessen,<br />
schnell löschen“, empfahl<br />
Salihamidzic.<br />
Dasdürfte in der Unruhe leichter<br />
gesagt sein als getan. Denn die Hei-<br />
denheimer hatten in ihrem „Spiel für<br />
die Ewigkeit“ (Dreifachtorschütze<br />
RobertGlatzel) einen weiteren Beleg<br />
erbracht, dass sogar ein scheinbar<br />
aussichtsloser Außenseiter die Bayernmit<br />
Mutund zügigem Umschaltspiel<br />
in defensiveTurbulenzen in Seriestürzenund<br />
den Branchenkrösus<br />
beinahe ganz havarieren lassen<br />
kann. Dass es nicht so weit kam, lag<br />
an Torwart Sven Ulreich, der beim<br />
Stande von4:4 gegen den freistehenden<br />
Denis Thomalla das fünfte Gegentor<br />
verhinderte (82.). Und eslag<br />
an Robert Lewandowski, der zunächst<br />
leicht kränkelnd geschont<br />
und wie Kingsley Coman erst zur<br />
zweiten Halbzeit eingewechselt worden<br />
war. Müllers 2:2 legte der Pole<br />
auf (53.), danach traf er zum 3:2 (56.)<br />
und per Handelfmeter zum 5:4 (84.).<br />
„Samstag gegen Dortmund ist es ein<br />
komplett anderes Spiel. Die ganze<br />
Mannschaft muss defensiv besser<br />
werden“, sagte Lewandowski. Dabei<br />
hatte es mit Leon Goretzkas 1:0 (12.)<br />
standesgemäß begonnen, ehe Süle<br />
nach einem Videobeweis vom Platz<br />
gestellt wurde und Heidenheim begann,<br />
die Münchner voneiner Verlegenheit<br />
in die nächste zu bringen.<br />
Glatzel glich aus (26.), Marc Schnatterer<br />
erzielte das 1:2 (39.). Undnachdem<br />
der Favorit durch Serge Gnabrys<br />
4:2 (65.) scheinbar vorentscheidend<br />
davongezogen war,trafder gebürtige<br />
Münchner Glatzel noch<br />
zweimal (74. und 77./Foulelfmeter).<br />
Undjetzt gegen den BVB? „Eines<br />
ist klar: Wir müssen die Kompaktheit<br />
herstellen“, hatte Kovac schon<br />
am Mittwoch maximal verärgertgesagt<br />
und seine unsouveräne Belegschaft<br />
angezählt, weil dieser die<br />
zwei Tore Vorsprung entglitten waren:<br />
„Dass man vier Stück kassiert,<br />
geht bei allem Respekt vor Heidenheim<br />
nicht, auch nicht in Unterzahl.“<br />
Tagtäglich versuche er,seinen<br />
Spielernseine Vorgaben „einzuimpfen“,<br />
sagte der frühere defensive<br />
Mittelfeldspieler, schließlich brauche<br />
auch die Abwehr „ein gutes Gefühl“.<br />
Aber, ergänzte er zum Verteidigen<br />
unterVerweis auf„Verantwortung<br />
und Disziplin“ am Donnerstag:<br />
„Man muss es auch aus sich<br />
heraus wollen.“<br />
Offenbar findet er wenig Gehör,<br />
wovon auch seine Stimmbänder<br />
kündeten, die er fast schon verzweifelnd<br />
schreiend während des aberwitzigen<br />
Viertelfinals ausbelastet<br />
hatte, ähnlich wie zuvor in der Liga<br />
beim enttäuschenden 1:1 in Freiburg.<br />
Nach dem zwischenzeitlichen<br />
Aufschwung steht der 47 Jahre alte<br />
Kroate nun wieder ähnlich stark in<br />
der Kritik wie im Krisenherbst. Damals<br />
hatten die Dortmunder neun<br />
Punkte Vorsprung. Nach dem Spiel<br />
am Sonnabend könnten es deren<br />
fünf sein, falls sich die zurückgekehrte<br />
Instabilität in der Defensive<br />
fortsetzen sollte.<br />
Maik Rosner<br />
wird Sie am Sonntag über<br />
das Topspiel informieren.<br />
Lust und Frust<br />
Während Werder Bremen von der Rückkehr in den Europapokal träumt, steht Schalke-Coach Huub Stevens nach dem Aus im Pokal-Viertelfinale vor einem Scherbenhaufen<br />
InGedanken war Max Kruse schon<br />
in Berlin. „Ein NordderbyimFinale<br />
wäre nicht schlecht“, sagte Werder<br />
Bremens Offensivspieler schmunzelnd.<br />
Nach dem 2:0 im Viertelfinale<br />
bei Schalke 04 darfbeim Bundesligasechsten<br />
geträumt werden –von der<br />
Rückkehr in den Europacup und vom<br />
Endspiel im DFB-Pokal, gerne gegen<br />
den Hamburger SV. Neun Jahre nach<br />
den letzten Spielen in der Champions<br />
League und zehn Jahre nach dem<br />
sechsten Pokaltriumph beginnt die<br />
Bremer Zukunft jetzt.<br />
„Ich will nicht auf das nächste<br />
Jahr warten“, sagte Trainer Florian<br />
Kohfeldt nach dem zwölften Pflichtspiel<br />
2019 ohne Niederlage. Die<br />
forsch formulierte Zielsetzung, nach<br />
Europa zurückzukehren – in der<br />
Winterpause auf Platz zehn noch belächelt<br />
–wirdimmer realistischer.<br />
Dort, wo die Hanseaten stehen,<br />
wollte Schalke nach seinem Selbstverständnis<br />
eigentlich auch sein –<br />
mindestens. Stattdessen steht Huub<br />
Stevens vor einem Scherbenhaufen.<br />
Werden hinterlassen hat, weiß der<br />
Interimstrainer natürlich. Öffentlich<br />
sagen will er es nicht. Schließlich ist<br />
der Schalker Jahrhunderttrainer, der<br />
in seiner dritten Amtszeit den Abstieg<br />
verhindern soll, auch Mitglied<br />
des Aufsichtsrates.<br />
„Ich weiß, woran es liegt“, sagte<br />
Stevens und fügte grummelnd<br />
hinzu:„Ich kann nicht mehr dazu sagen,<br />
ich bin doch nicht verrückt.“<br />
Auf die Frage, obdie Fehler in der<br />
Vergangenheit liegen, antwortete<br />
der Nachfolger des gefeuerten Domenico<br />
Tedesco ironisch: „Ich habe<br />
in den drei Wochen viele Fehler gemacht,<br />
ich weiß nur nicht, welche.“<br />
WerdersMilot Rashica jubelt, die Schalker lamentieren.<br />
AP/MEISSNER<br />
Werdie zwar bemühte, aber spielerisch<br />
arg limitierte Schalker Mannschaft<br />
bei ihrer wettbewerbsübergreifend<br />
zehnten Heimpleite der Saison<br />
sah, wusste genau, was der Niederländer<br />
meinte. Für 160 Millionen<br />
Euro hatte der inzwischen zurückgetretene<br />
Manager Christian Heidel das<br />
Team in knapp drei Jahren umgebaut.<br />
ZumVergleich: Werder gab in derselben<br />
Zeit 67 Millionen aus.Die Folgen<br />
der verfehlten Schalker Personalpolitik<br />
zeigen sichWoche fürWoche.<br />
Mitbeschränkten Mitteln<br />
Gegen Bremen verstolperte der 28<br />
Millionen Euro teure Rekordeinkauf<br />
Breel Embolo regelmäßig den Ball<br />
oder spielte haarsträubende Fehlpässe.<br />
Der vermeintliche Naldo-<br />
Nachfolger Salif Sané bewies neben<br />
Wacklerninder Abwehr wie beim 0:2<br />
durch Davy Klaassen (72.) erneut, wie<br />
harmlos er vordem gegnerischen Tor<br />
ist. Und der erschreckend schwache<br />
Linksverteidiger Bastian Oczipka leitete<br />
mit einem katastrophalen Fehlpass<br />
das 0:1 durch Milot Rashica (65.)<br />
ein. Zu viele Ausfälle, um die vage<br />
Hoffnung auf ein Happy End einer<br />
verkorksten Saison zu erhalten.<br />
Stevens muss mit beschränkten<br />
Mitteln den Super-GAU verhindern.<br />
Denn trotz mittlerweile wieder sechs<br />
Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz<br />
ist der Abstiegskampf noch<br />
nicht vorbei. Eine weitere Heimpleite<br />
am Sonnabend (15.30 Uhr) gegen<br />
Eintracht Frankfurt würde die<br />
Lage erneut verschärfen. Bremen<br />
dagegen kann am Sonntag (18 Uhr)<br />
bei Borussia Mönchengladbach den<br />
nächsten Schritt Richtung Europa<br />
machen. (sid)