Berliner Zeitung 17.04.2019
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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 90 · M ittwoch, 17. April 2019 3 *<br />
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Der Brand von Paris<br />
ZITIERT<br />
„Es ist wirklich unfassbar.<br />
Mit diesem Brand sind<br />
unschätzbare Kunstwerke<br />
und ein jahrhundertealtes<br />
Bauwerk, ein Wahrzeichen<br />
unserer Partnerstadt<br />
Paris, verloren gegangen.<br />
Das erschüttert nicht<br />
nur die Pariser, sondern<br />
Menschen weltweit.<br />
Wir wollen alles tun,<br />
um zu helfen und<br />
haben zu einer Spendensammlung<br />
aufgerufen.“<br />
Michael Müller,<br />
Regierender Bürgermeister von Berlin<br />
Die brennende Kathedrale –das Feuer brach am Montag kurz nach der Abendmesse aus.<br />
von zehn Metern völlig zerstört ist. Das gesamte<br />
Ausmaß der Schäden kann wohl erst<br />
in den kommenden Tagen und Wochen ermittelt<br />
werden. „Die Hauptstruktur ist gerettet,<br />
aber die Lage bleibt unstabil“, sagte der<br />
französische Kulturminister Franck Riester<br />
im Radio. „Zwei Drittel des Dachs sind verbrannt,<br />
der Spitzturmstürzte ins Innere, was<br />
ein Loch in das Kreuzgewölbe gerissen hat.“<br />
Die Vierung, wo das Haupt- und das Querschiff<br />
der Kirche zusammentreffen, sei teilweise<br />
zusammengebrochen, ebenso wie das<br />
nördliche Querschiff. DieArchitekten vorOrt<br />
seien sehr besorgt, da das angekohlte Holz<br />
auf derWölbung mitWasser vollgesogen und<br />
sehr schwer sei. „All das ist sehr fragil, und<br />
sobald ein Teil zusammenbricht, droht dies<br />
den gesamten Bauzustören.“<br />
Wettkampf der Groß-Spender<br />
Selbst wenn es so weit nicht kommt –der<br />
Wiederaufbau des mehr als 850 Jahre alten<br />
Gebäudes wird Jahrzehnte dauern und viele<br />
Millionen Euro verschlingen. Noch in der<br />
Nacht wurden Spendenaktionen lanciert,<br />
bei denen Privatpersonen Geld geben konnten.<br />
Innerhalb weniger Stunden kamen viele<br />
Euro zusammen, fast zwei Millionen Euro allein<br />
nach einem Spendenaufruf der Stiftung<br />
für das französische Kulturerbe. Die Präsidentin<br />
der Hauptstadtregion Ile-de-France,<br />
Valérie Pécresse, kündigte zehn Millionen<br />
Euro für den Wiederaufbau an, Bürgermeisterin<br />
Hidalgo 50 Millionen für die Stadt, der<br />
Milliardär François-Henri Pinault, Chef des<br />
Luxus-Modekonzerns Kering, versprach 100<br />
Millionen Euro. Daraufhin verkündete sein<br />
ewiger Rivale Bernard Arnault, Chef des Luxuskonzerns<br />
LVMH (Louis Vuitton Moët<br />
Hennessy), 200 Millionen Euro zu geben.<br />
Auch der ErdölkonzernTotal will 100 Millionen<br />
Euro spenden.<br />
Paris<br />
Frankreich<br />
Arc de Triomphe<br />
Eiffelturm<br />
Élysée-<br />
Palast<br />
Gare<br />
Montparnasse<br />
DieKathedrale,dieVictor Hugo in seinem<br />
Roman„Der Glöckner vonNotre-Dame“ verewigt<br />
hat, gehört zum nationalen Kulturgut<br />
Frankreichs. Nach dem Ende des 100-jährigen<br />
Krieges 1430 wurde hier der neunjährige<br />
HenriVI., König von England, zum französischen<br />
König gesalbt. DerProtestant Henride<br />
Navarre1572 vermählte sich dortmit der katholischen<br />
Marie deValois, und Napoleon<br />
setzte sich 1804 in dem Sakralbau in Anwesenheit<br />
von Papst Pius VII. selbst die Kaiserkrone<br />
aufs Haupt. Nach der Befreiung von<br />
Paris 1944 von den deutschen Besatzern ließen<br />
die Orgeln vonNotre-Dame tagsüber die<br />
Marseillaise erklingen. Und nach dem Tod<br />
der Präsidenten Charles de Gaulle, Georges<br />
Pompidou und François Mitterrand fanden<br />
hier nationale Trauerfeiernstatt.<br />
In Anspielung an diese bewegte Geschichte<br />
der Kathedrale, die jährlich von 13<br />
Millionen Menschen besucht wir, versprach<br />
Gare du Nord<br />
Louvre<br />
Großbrand<br />
Notre-Dame<br />
Gare de l‘Est<br />
Place de<br />
la République<br />
PARIS<br />
Place de<br />
la Bastille<br />
Seine<br />
2,5 km<br />
Place de<br />
la Nation<br />
BLZ/GALANTY<br />
Präsident Emmanuel Macron noch in der<br />
Nacht, siewieder aufzubauen –und zwar gemeinsam.<br />
Er lud„Talente aus aller Welt“ein,<br />
sich daran zu beteiligen. „Das ist zweifellos<br />
ein Teil des französischen Schicksals und ein<br />
Projekt, das wir in den nächsten Jahren habenwerden.“<br />
Eigentlich hätte Macron am Montagabend<br />
in einer zuvor aufgezeichneten FernsehanspracheMaßnahmen<br />
ankündigen sollen, um<br />
Schlüsse aus den zuvor im Land organisierten<br />
Bürgerdebatten zu ziehen und um die durch<br />
die Protestbewegung der Gelbwesten entstandene<br />
soziale Krise einzudämmen. Die<br />
Ausstrahlung der Ansprache wurde verschoben,<br />
die Parteien setzten den Europawahlkampf<br />
aus. Selbst scharfe Gegner Macrons<br />
wie Jean-Luc Mélenchon, Chef der linksradikalen<br />
Partei Unbeugsames Frankreich, stellten<br />
die politischen Kämpfe zurück. „Notre-<br />
Dame ist das Metronom der Franzosen und<br />
DDP/CAMERA PRESS/ROBERTO FRANKENBERG<br />
ein Mitglied unserer Familie“, erklärte<br />
Mélenchon.„Wir sind in Trauer.“<br />
DemPräsidenten verschafft der Brand zumindest<br />
eine kurze Pause von seinen aktuellen<br />
Kämpfen. Undeine Gelegenheit, die Franzosen<br />
zu Einheit und Zusammenhalt aufzurufen.<br />
In einer Fernsehansprache am Dienstagabend<br />
sagte Macron, Notre-Dame solle<br />
innerhalb der nächsten fünf Jahrewieder aufgebaut<br />
werden und dann noch schöner sein<br />
als vorher.„Wirwerdenhandeln. Undwir werden<br />
Erfolg haben“, so der Präsident.<br />
Widerstand gegen den Präsidenten<br />
Die Rolle als Vater der Nation wollte Macron,<br />
der bei seinem Amtsantritt vor zwei Jahren<br />
erst 39 Jahre alt war, stets einnehmen. Viele<br />
Franzosen mögen sie ihm aber nicht zuerkennen.<br />
Die Proteste der Gelbwesten brachten<br />
nicht nur die Konflikte zwischen Stadt und<br />
Land, zwischen gut ausgebildeten Globalisierungsgewinnern<br />
und schlechter gestellten<br />
Menschen, die sich abgehängt fühlen, ans<br />
Licht. Die Proteste entwickelten sich auch zu<br />
einer umfangreichen Widerstandsbewegung<br />
gegen den Präsidenten selbst, den seine Gegner<br />
als Vertreter einer abgehobenen Elite ablehnen.<br />
Es handelt sich um eine heftige Ablehnung,<br />
die dazu führte,dass in den zurückliegenden<br />
Monaten Banken und Geschäfte<br />
vor allem auf den Champs Élysées verwüstet<br />
wurden, dass Autos brannten und dass Polizisten<br />
attackiert wurden. Nun war es der<br />
Brand von Notre-Dame, der die Franzosen<br />
dazu gebracht hat, gemeinsam innezuhalten.<br />
Zumindest für eine Nachtund einen Tag.<br />
Birgit Holzer wartete am Montagabend<br />
auf die Ansprache Macrons, als<br />
die Nachricht vomBrand kam.<br />
„Notre-Dame ist einer der<br />
größten Schätze der Welt,<br />
und wir fühlen mit dem<br />
französischen Volk. Esliegt<br />
in unserer Naturzutrauern,<br />
wenn wir sehen, wie<br />
Geschichte verloren geht –<br />
aber es liegt ebenso in<br />
unserer Natur, Zerstörtes<br />
wieder aufzubauen, so gut<br />
wir können.“<br />
Barack Obama,<br />
ehemaliger Präsident der USA,<br />
postete auf Twitter ein Foto, das ihn mit seiner Familie<br />
bei einem früheren Besuch der Kathedrale zeigt.<br />
„Meine Gedanken sind bei<br />
den Franzosen und den<br />
Einsatzkräften, die das<br />
schreckliche Feuer in der<br />
Kathedrale Notre-Dame<br />
bekämpfen.“<br />
Theresa May,<br />
britische Premierministerin, via Twitter<br />
„Ich bin entsetzt über die<br />
Bilder des Feuers aus Paris,<br />
das die Kathedrale Notre-<br />
Dame erfasst hat –ein<br />
einzigartiges<br />
Welterbe-Juwel.“<br />
Antonio Guterres,<br />
UN-Generalsekretär<br />
„Ich fühle mit Paris.<br />
Notre-Dame ist ein Symbol<br />
für unsereFähigkeit, uns als<br />
Menschheit für ein höheres<br />
Ziel zu verbünden und<br />
etwas Atemberaubendes zu<br />
erschaffen, das niemand<br />
allein hätte erschaffen können.<br />
Ich wünsche<br />
Frankreich Kraft in Zeiten<br />
der Trauer und<br />
des Wiederaufbaus.“<br />
Kritisch –Spezialisten begutachten das Dach.<br />
DPA/MARCEL KUSCH<br />
Kräftig –Feuerwehrmänner mit Schläuchen<br />
AP/BENOIT MOSER<br />
Hillary Clinton,<br />
ehemalige Außenministerin der USA, via Twitter