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Berliner Zeitung 23.04.2019

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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 93 · D ienstag, 23. April 2019 15<br />

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Brandenburg<br />

Das Rätsel von Fürstenwalde<br />

In einer Jauchegrube wurde die Leiche einer jungen Frau entdeckt. Aber wer ist sie? Seit acht Jahren versucht die Mordkommission, das Verbrechen aufzuklären<br />

VonKatrin Bischoff, Frankfurt(Oder)<br />

Das Bild einer verbeulten<br />

Fischbüchse ist in der<br />

Fotosammlung der<br />

Mordermittler zu finden.<br />

Die angerostete Dose enthielt einst<br />

Seelachsstreifen. Der Schriftzug ist<br />

noch gut lesbar. Die Fischkonserve<br />

war haltbar bis 1976 und kostete 1,60<br />

Mark. Doch hat dieses Stück Blech<br />

etwas mit einem Tötungsdelikt zu<br />

tun, das die Ermittler der Mordkommission<br />

der Polizeidirektion Ost in<br />

Frankfurt (Oder) seit Jahren in mühevoller<br />

Kleinarbeit aufklären wollen<br />

–immer dann, wenn kein aktueller<br />

Fall ansteht? „Wir wissen es<br />

nicht“, sagt Maik Zimmermann, der<br />

Chef der Mordkommission.<br />

Mithilfe der Öffentlichkeit soll<br />

nun versucht werden, das Rätsel einer<br />

Toten zu lösen, die in einem<br />

Überlaufschacht einer Jauchegrube<br />

in Fürstenwalde (Oder-Spree) gefunden<br />

wurde.Am15. August 2011 hatte<br />

der Besitzer eines Grundstücks an<br />

der Uferstraße eine alte Sickergrube<br />

ausgehoben, um einen Brunnen zu<br />

bauen. Dabei stieß er in dem noch<br />

mit Fäkalien gefüllten Überlaufschacht<br />

auf menschliche Knochen<br />

und alarmierte die Polizei. Er war auf<br />

ein Jahrzehnte zurückliegendes Verbrechen<br />

gestoßen.<br />

Eingepflegtes Gebiss<br />

„Wir fanden in dem zwei bis drei Meter<br />

tiefen Schacht ein vollständiges<br />

Skelett“, sagt Kriminalhauptkommissar<br />

Zimmermann. Die Knochen<br />

seien allerdings stark verwest und<br />

bereits schwarzgewesen. Außerdem<br />

stießen die Ermittler auf die Fischbüchse<br />

mit Seelachsstreifen, auf einen<br />

Plüschteddy und Reste vonKleidungsstücken.<br />

In der später getrockneten<br />

Jauche, die dann gesiebt<br />

wurde, lagen zudem Knöpfe und<br />

eine Klemmgürtelschnalle.<br />

Die Gerichtsmediziner bekamen<br />

bei ihren Untersuchungen heraus,<br />

dass die Knochen schon sehr lange<br />

in der Jauche gelegen haben müssen.<br />

Sie stammten demnach von einer<br />

Frau, die etwa 20 Jahrealt geworden<br />

und 1,60 Meter groß war. Sie<br />

hatte bis auf eine kleine Zahnfüllung<br />

ein einwandfreies und sehr gepflegtes<br />

Gebiss.Verletzungen am Schädel<br />

deuteten darauf hin, dass die Frau<br />

erschlagen worden war.<br />

„Wir gehen davon aus, dass der<br />

Täter über gute Ortskenntnisse verfügte“,<br />

sagt der 55-jährige Chefermittler.<br />

Denn die Jauchegrube sei<br />

nicht für jedermann zugänglich gewesen.<br />

Aufdem Gelände befand sich<br />

einst eine Annahmestelle der Sekundärrohstofferfassung<br />

(Sero). Dort<br />

wurden zu DDR-Zeiten Flaschen,<br />

In diesem Überlaufschacht wurden im August 2011 die sterblichen Überreste einer jungen Frau gefunden. Die Frau wurde vor Jahrzehnten erschlagen und dortversenkt. POLIZEI (2)<br />

Gläser und Altpapier aufgekauft.<br />

1985 wurde die Jauchegrube mit<br />

Bauschutt zugeschüttet.<br />

Beider Mordkommission begann<br />

ein regelrechtes, jahrelang dauerndes<br />

Puzzlespiel, dessen Teile längst<br />

nicht alle gefunden und an der richtigen<br />

Stelle platziert werden konnten.<br />

„Die Frage, wer die Frau ist, beschäftigt<br />

uns bis heute“, erzählt Sven<br />

Niemack. Der Kriminaloberkommissar<br />

befasst sich am intensivsten<br />

mit dem unbekannten Verbrechensopfer.<br />

Sicher sei, dass die Tote zu<br />

DDR-Zeiten in der Jauchegrube versenkt<br />

wurde. Und auch der Tatzeitraum<br />

konnte eingegrenzt werden.<br />

Die Frau muss zwischen 1965 und<br />

1975 getötet worden sein.<br />

Der 52-jährige Sven Niemack erklärt,<br />

dass man das aufgrund der gefundenen<br />

Reste der Bekleidung herausgefunden<br />

habe. Zwar seien diese<br />

als Kleidungsstücke nicht mehr erkennbar<br />

gewesen –Niemack zeigt dabei<br />

Fotos vonetwas,das aussieht wie<br />

ein dunkles Grasbüschel. Doch habe<br />

das Bundeskriminalamt die Fasern<br />

analysiert. Demnach trug die Tote<br />

Malimo-Strickwaren, die erst Anfang<br />

bis Mitte der 1960er-Jahreinder DDR<br />

in die Serienproduktion gingen. Auch<br />

der Strumpfhalter, Reste der<br />

Frisur und Haarfarbe sind nicht klar –aber<br />

sonst könnte sie so ausgesehen haben.<br />

ODER-<br />

SPREE<br />

B168<br />

Spree<br />

Fürstenwalde<br />

A12<br />

Uferstr.<br />

Bad Saarow<br />

BLZ/GALANTY<br />

Sie wollen den Fall aufklären: Sven Niemack (l.) und Maik Zimmermann. BLZ/KATRIN BISCHOFF<br />

Strümpfe und der Lederschuhe deuten<br />

auf Material, das vor einem halben<br />

Jahrhundertverwendet wurden.<br />

Experten konnten auch die DNA<br />

der Toten entschlüsseln. Der sogenannte<br />

genetische Fingerabdruck<br />

wurde mit weit mehr als 100 Vermisstenfällen<br />

abgeglichen, die zwischen<br />

1960 und dem Verfüllen der<br />

Jauchegrube 1985 anfielen. Darunter<br />

waren auch vermisste Frauen aus<br />

Westdeutschland. „Es gab leider keinerlei<br />

Übereinstimmung“, sagt Maik<br />

Zimmermann, der Chef der Mordermittler.<br />

Offenbar sei die Tote nie als<br />

vermisst gemeldet worden.<br />

Doch war das in einem Staat wie<br />

der DDR überhaupt möglich? Das<br />

fragten sich auch die Mordermittler.<br />

„Eine Theorie von uns ist, dass die<br />

Frau illegal in den Westen gehen<br />

wollte,und die Familie sie deswegen<br />

nicht vermisst gemeldet hat“, sagt<br />

Zimmermann. Doch hätte sich die<br />

Frau dann nicht bei ihren Verwandten<br />

gemeldet, wenn ihre Republikflucht<br />

erfolgreich war – spätestens<br />

aber nach dem Ende der DDR? Zimmermann<br />

sagt dazu: „Wir behalten<br />

durchaus auch im Auge,dass die Angehörigen<br />

der Frau vielleicht selbst<br />

in das Verbrechen verwickelt sein<br />

können.“<br />

Wieextrem aufwendig die Ermittlungen<br />

sind, zeigen die in dem Überlaufschacht<br />

ebenfalls gefundenen<br />

Schnipsel eines Magazins.Die Fahnder<br />

kamen aufgrund der noch lesbaren<br />

Satzbausteine darauf, dass es<br />

sich um Teile einer „Armeerundschau“<br />

handeln könnte.Sie machten<br />

einen Sammler der zu DDR-Zeiten<br />

monatlich erschienenen Soldatenzeitschrift<br />

ausfindig, der sämtliche<br />

Ausgaben besaß und verglichen Ausgabe<br />

für Ausgabe. Die Papierfetzen<br />

stammten aus dem Juni-Heft des<br />

Jahres 1965. Aber haben sie etwas<br />

mit dem Verbrechen zu tun?<br />

Noch sind die Fahnder mit ihren<br />

Ermittlungen nicht am Ende. Sven<br />

Niemack fragt sich derzeit durch die<br />

Archive. Er will an die Personalunterlagen<br />

– die früheren Kaderakten –<br />

der Beschäftigten gelangen, die zum<br />

fraglichen Zeitpunkt bei Sero in<br />

Fürstenwalde arbeiteten. „Das ist<br />

nicht so einfach, weil es seit der Abwicklung<br />

durch die Treuhand verschiedene<br />

Eigentümer gegeben hat“,<br />

sagt er.Auch gingen die Mordermittler<br />

die einstigen Meldeunterlagen<br />

der Stadt Fürstenwalde durch –und<br />

achteten auf Meldekarten, auf die<br />

„unbekannt verzogen“ geschrieben<br />

worden war.„So hatten wir 80 bis 90<br />

Namen von Menschen, von denen<br />

wir nicht wussten, wo sie heute wohnen,<br />

und ob sie überhaupt noch leben“,<br />

sagt der Kriminaloberkommissar.<br />

Eine Sisyphos-Arbeit. Die Überprüfung<br />

vonzehn dieser„unbekannt<br />

verzogenen“ Frauen stehe noch aus.<br />

18 Hinweise auf Phantombild<br />

Mittlerweile hat die Polizei von der<br />

unbekannten Toten ein Phantombild<br />

erstellen können –mit Hilfe der<br />

sogenannten Weichteil-Rekonstruktion.<br />

Die Haarfarbe ist auf dem Bild<br />

dunkel. „Doch wir wissen zur Haarfarbe<br />

überhaupt nichts, auch nicht<br />

zur Länge der Haare. Wir sagen nur,<br />

so könnte die Tote zu Lebzeiten ausgesehen<br />

haben“, sagt Sven Niemack.<br />

Die Mordkommission hat des<br />

Phantombild unlängst veröffentlicht.<br />

Seitdem sind 18 Hinweise beeingegangen,<br />

elf davon mit konkreten<br />

Namen. „Sechs der genannten<br />

Frauen waren uns schon bekannt,<br />

keine von ihnen ist die Tote“, sagt<br />

Niemack. Er hofft nun auf Hinweise<br />

aus Polen, Tschechien oder Russland.<br />

Dorthin seien Rechtshilfeersuchen<br />

gegangen.<br />

„Wenn wir erst einmal wissen,<br />

wer die Tote ist, dann erfahren wir<br />

auch Näheres zu ihrem Umfeld“, ist<br />

sich Niemack sicher. Dann könne<br />

man vielleicht auch den Täter ermittelt.<br />

„Wir wissen, dass die Tatschon<br />

sehr lange zurückliegt“, sagt der Ermittler.„Aber<br />

Mord verjährtnicht.“<br />

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