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Thema: 100 Jahre Grundschule. Ein Grund zum Feiern?<br />

Michael Töpler<br />

Elternarbeit / Elternmitwirkung<br />

in der Grundschule<br />

… historisch betrachtet und in die Zukunft gedacht<br />

Die Zusammenarbeit von Schule und Elternhaus wurde lange unter dem Begriff<br />

»Elternarbeit« behandelt. Das ist grundsätzlich nicht falsch, da es eine durchaus<br />

für beide Seiten anstrengende Tätigkeit sein kann. In jüngerer Zeit tritt der<br />

Aspekt der Zusammenarbeit in den Fokus, Eltern werden als Mitwirkende im<br />

Bildungssystem wahrgenommen.<br />

D<br />

ie Gesetzestexte sprechen sogar<br />

vielfach von der »Bildungsund<br />

Erziehungspartnerschaft«<br />

von Schule und Elternhaus. Unabhängig<br />

vom Begriff geht es mir um die<br />

Gestaltung in der Praxis. Die Zusammenarbeit<br />

von Elternhaus und Schule<br />

gilt heute als wichtige Unterstützung für<br />

den Bildungsweg der Kinder. Die Verteilung<br />

der Aufgaben wird unterschiedlich<br />

interpretiert, rein rechtlich gilt in<br />

den meisten deutschen Bundesländern<br />

die »Bildungs- und Erziehungspartnerschaft«<br />

als anzustrebendes Ziel.<br />

Partnerschaft unter Ungleichen?<br />

Wenn man die Zusammenarbeit von<br />

Elternhaus und Schule historisch<br />

be trachtet, treten in einigen Bereichen<br />

heute immer noch aktuelle Konfliktlinien<br />

hervor. Für das Verhältnis von<br />

Elternhaus und Schule sind die jeweiligen<br />

ökonomischen, politischen und<br />

sozialen Gegebenheiten entscheidend.<br />

So hatte im 18. und 19. Jahrhundert insbesondere<br />

die ländliche Bevölkerung ein<br />

Problem, wenn sie die Kinder für die<br />

Dauer der Schule als Arbeitskräfte verlor.<br />

Als stabil kann lediglich die grundsätzlich<br />

konfliktbehaftete Ausgestaltung der<br />

Beziehung von Elternhaus und Schule<br />

gelten. Das ist insbesondere durch schulische<br />

Strukturen bedingt, die historisch<br />

betrachtet stark auf Repression und Ausgrenzung<br />

gesetzt haben. Der Fokus der<br />

Eltern auf ihr jeweiliges Kind oder ihre<br />

Kinder fordert aber im Gegensatz eine<br />

Anerkennung von Vielfalt und Verschiedenheit,<br />

damit die Bildungseinrichtung<br />

jedem Kind gerecht werden kann.<br />

In einem stark hierarchisch geprägten<br />

Staat war klar, dass der Staat die Bildung<br />

und Erziehung überwacht, eine Mitwirkung<br />

der Eltern war im Kaiserreich und<br />

im Nationalsozialismus nicht erwünscht.<br />

Die häusliche Lebenswelt der Kinder, die<br />

Sprache (insbesondere Dialekte) und die<br />

Alltagskultur wurden abgewertet.<br />

In der Weimarer Republik waren Mitwirkungsrechte<br />

von Eltern ein Thema,<br />

aber diese sollten sich auf Beratung beschränken.<br />

Auch in der Bundesrepublik<br />

war eine partnerschaftliche Zusammenarbeit<br />

nicht von Beginn an gesetzt, so<br />

forderte der Deutsche Bildungsrat 1973<br />

unter anderem mehr Teilhabe am Schulgeschehen<br />

für Lehrer, Eltern und Schüler.<br />

In bestimmten Bereichen hat eine<br />

Verschiebung der Zuständigkeiten von<br />

Elternhaus und Schule bereits stattgefunden.<br />

Insbesondere in den Bereichen<br />

Gesundheit und Sexualkunde ist heute<br />

die Schule eindeutig mitverantwortlich.<br />

Die Pluralität von Werten und Lebensentwürfen<br />

führt in der heutigen Zeit<br />

notwendig zu Spannungen, die gemeinsam<br />

bearbeitet und aufgelöst werden<br />

sollen. Wie das genau geschehen soll, ist<br />

aber meist unklar.<br />

Interessant sind auch die Bilder von<br />

»guten Eltern«. Die regelmäßige Anwesenheit<br />

der Kinder in der Schule ist<br />

ein bereits im 18. Jahrhundert etabliertes<br />

Kriterium. Mögliche Gründe für ein<br />

Fernbleiben von Kindern aus unteren<br />

sozialen Schichten wurden nicht anerkannt,<br />

stattdessen wurden die Eltern<br />

als nicht an ihren Kindern und deren<br />

Schulbildung Interessierte stigmatisiert.<br />

Wir sollten auch heute sehr aufmerksam<br />

sein, wenn Eltern als unwillig oder unfähig<br />

abgestempelt werden. Kritik ist in<br />

vielen Fällen berechtigt, aber eine pauschale<br />

Abwertung ganzer Bevölkerungs-<br />

GS aktuell 146 • Mai 2019<br />

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