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WIRTSCHAFT<br />
INNER CIRCLE<br />
A<br />
ls die Familie Altmaier 1964<br />
ihr erstes Auto bekam, einen<br />
weißen Ford 20 M, spürte<br />
der kleine Peter die große<br />
Freiheit. Eben mal zu den<br />
Großeltern zu fahren war<br />
auf einmal kein Problem<br />
mehr. Sondern ein Vergnügen.<br />
Sein Vater, ein einfacher Bergmann,<br />
dessen Bein amputiert war, musste nicht<br />
mehr zur Bushaltestelle humpeln. „Plötzlich<br />
hatten wir grenzenlose Mobilität“,<br />
erinnert sich 55 Jahre später der große<br />
Peter – Peter Altmaier (CDU), Bundesminister<br />
für Wirtschaft und Energie. Ein klares<br />
Statement fürs Auto zum Auftakt des<br />
<strong>FOCUS</strong> <strong>Inner</strong> <strong>Circle</strong>, bei dem die Mobilitätsexperten<br />
Uwe Hochgeschurtz (Renault<br />
Deutschland), Claudia Kemfert<br />
(Deutsches Institut für<br />
Wirtschaftsforschung), Klaus<br />
Kimmel (Zweirad-Einkaufs-<br />
Genossenschaft) und Christoph<br />
Weigler (Uber Deutschland)<br />
darüber diskutierten,<br />
was uns künftig bewegt.<br />
Denn die automobile Freiheit<br />
aus Altmaiers Kindertagen<br />
stößt längst an ihre<br />
Grenzen. Autos verstopfen<br />
die Innenstädte, verschmutzen<br />
die Luft. Daimler steht<br />
gerade am Pranger wegen<br />
möglicher Diesel-Schummeleien.<br />
Und die Kanzlerin<br />
überlegt, den CO 2 -Ausstoß<br />
von Autos mit Abgaben zu<br />
belegen. „Weiter so“ geht<br />
jedenfalls nicht. Das sehen<br />
Fachleute und Politiker so,<br />
aber vor allem die Wähler:<br />
Deren Gesinnung wird<br />
immer grüner. Eine neue<br />
Mobilität muss her.<br />
Seit 20 Jahren sei klar, so Altmaier, dass<br />
alternative Antriebe wichtig würden. Die<br />
deutsche Autoindustrie warnte er, den<br />
Anschluss nicht zu verpassen. „Die Segelschiffhersteller<br />
haben nicht die Dampfschiffe<br />
gebaut.“ Bei der E-Auto produktion<br />
liegt mit der Batterieherstellung bereits ein<br />
großer Teil der Wertschöpfung im Ausland.<br />
Das gefiel ihm nicht. Ebenso wenig wie<br />
Mobilitätskonzepte, die auf Verzicht setzen.<br />
„Wir sollten das hohe Maß an individueller<br />
Mobilität, das wir errungen haben,<br />
verteidigen“, forderte Altmaier. „Ist das<br />
realistisch?“, fragte <strong>FOCUS</strong>-Chefredakteur<br />
Robert Schneider, der den <strong>Inner</strong> <strong>Circle</strong><br />
moderierte.<br />
Autonomes Fahren<br />
ermöglicht mehr Autos<br />
auf den Straßen<br />
Frau Kemfert, worauf müssen wir verzichten,<br />
wenn wir eine klimafreundliche<br />
und umweltgerechte Mobilität wollen?<br />
Kemfert: Wir müssen unser Mobilitätsverhalten<br />
ändern. Das geht nur, indem<br />
die Anzahl der umweltschädlichen Fahrzeuge<br />
vermindert wird. Gerade im Straßenverkehr<br />
muss sich dringend etwas<br />
verändern. Wir brauchen weniger Verkehr<br />
auf der Straße, mehr Verkehr auf der<br />
Schiene und mehr E-Mobilität.<br />
Plädoyer für andere Mobilitätsformen – bloß welche?<br />
Klaus Kimmel, Christoph Weigler, Claudia Kemfert, Uwe Hoch geschurtz<br />
und <strong>FOCUS</strong>-Chefredakteur Robert Schneider (v. l.) diskutieren auf dem<br />
Podium darüber, wie wir uns zukünftig fortbewegen werden<br />
Hochgeschurtz: Einspruch! Ich denke<br />
nicht, dass wir weniger Autos brauchen.<br />
Autos bedeuten Mobilität. Und je größer<br />
die Mobilität, umso leichter können Menschen<br />
gute Jobs ausüben, was zu mehr<br />
Wachstum und Wohlstand führt.<br />
Klar, dass Sie das als Autohersteller<br />
sagen müssen.<br />
Hochgeschurtz: Ich sage das, weil es<br />
stimmt. Durch autonomes Fahren werden<br />
mehr Fahrzeuge im Straßenverkehr möglich.<br />
Das heißt, wir können auch mehr<br />
Menschen und Waren transportieren.<br />
Diese Fahrzeuge dürfen dann natürlich<br />
nicht mit fossilen Brennstoffen unterwegs<br />
sein, sondern mit erneuerbarer Energie.<br />
Weigler: Das sehe ich genauso. Es ist<br />
wichtig, dass wir keine Angst vor Autos<br />
schüren und nicht mit Verboten kommen.<br />
Mobilität muss sich entsprechend der<br />
Bedürfnisse der Menschen entwickeln<br />
und darf nicht verordnet werden.<br />
Wo soll in unseren Städten noch Platz<br />
für weitere Fahrzeuge sein?<br />
Kemfert: Da ist kein Platz mehr. Statistisch<br />
gesehen stehen 90 Prozent der<br />
Fahrzeuge 23 Stunden am Tag nur herum.<br />
Und dann fahre ich statistisch gesehen<br />
20 Kilometer damit. Das heißt, wir haben<br />
keine Fahrzeuge, wir haben Stehzeuge.<br />
Weigler: Wenn wir weniger Autos in den<br />
Städten wollen, müssen wir Alternativen<br />
zur Verfügung stellen, die dazu motivieren,<br />
das eigene Auto auch mal stehen zu<br />
lassen. Dazu gehört ein gut<br />
ausgebauter ÖPNV. Dazu<br />
gehören aber auch Carsharing,<br />
Bikesharing, das klassische<br />
Taxi und eben Fahrdienstvermittler<br />
wie wir.<br />
Kimmel: Vor allem gehört<br />
das Fahrrad immer mehr<br />
dazu. Die Branche hat allein<br />
im vergangenen Jahr über<br />
30 Prozent mehr Elektrofahrräder<br />
verkauft, fast eine<br />
Million. Nicht weil irgendein<br />
Politiker das gefordert<br />
hätte. Sondern weil die<br />
Menschen erkannt haben,<br />
dass das Rad die Probleme<br />
der innerstädtischen Mobilität<br />
lösen kann.<br />
Weigler: Das Fahrrad ist<br />
für die Innenstadt eigentlich<br />
eines der besten Verkehrsmittel.<br />
Deshalb können<br />
unsere Kunden in<br />
Berlin auch bereits seit 2018<br />
per Uber-App unsere Jump-<br />
E-Bikes buchen. Gerade auf kurzen Strecken<br />
ist das attraktiv. Viele Kunden, die<br />
vielleicht früher ein Auto bestellt hätten,<br />
um zwei Kilometer zu fahren, nutzen jetzt<br />
ein Pedelec.<br />
Herr Kimmel, wird es künftig auch<br />
autonome Fahrräder geben?<br />
Kimmel: Als Forschungsprojekte gibt es<br />
die schon. Wir wollen, dass Fahrräder mit<br />
Autos und Fußgängern kommunizieren.<br />
Das macht Fahrradfahren sicherer und<br />
komfortabler. Ich glaube übrigens, beim<br />
Auto wird es noch sehr lange dauern,<br />
bis wir damit autonom und elektrisch<br />
unterwegs sind – vor allem auf langen<br />
Strecken.<br />
Fotos: Benjamin Zibner (7), Jens Oellermann (6)/beide HBM, Markus C. Hurek für <strong>FOCUS</strong>-Magazin<br />
Fernsehmoderatorin Annika de Buhr<br />
mit Moderator Tim Niedernolte<br />
BurdaNews-Chef Burkhard Graßmann und<br />
Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU)<br />
Fashion-Expertin Gitta Banko und<br />
Fotograf Carsten Sander<br />
Ein Thema – rund 150 Gäste<br />
aus Politik, Wirtschaft und Kultur<br />
Highlights des Abends im Video: http://bit.ly/ficm2019<br />
Marc Sauber (BMW)<br />
und die verkehrspolitische<br />
Sprecherin<br />
von CDU/CSU,<br />
Daniela Ludwig<br />
VDA-Geschäftsführer<br />
Martin<br />
Koers und Tamari<br />
Bulia, Managerin<br />
bei ESMT<br />
Paul Kowitz vom<br />
CDU-Wirtschaftsrat<br />
mit Unternehmenspsychologin<br />
und<br />
Schauspielerin<br />
Michèle Fichtner<br />
Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) mit Mario Ohoven, Präsident des<br />
Bundesverbands mittelständische Wirtschaft<br />
<strong>FOCUS</strong>-Chefredakteur Robert<br />
Schneider und David Knower,<br />
Chef von Cerberus Deutschland<br />
Gero Schließ (Deutsche<br />
Welle) und CDU-Politiker<br />
Christoph Ploß (CDU)<br />
Anja Heyde (ZDF/MDR),<br />
Martin Zimmermann (Renault),<br />
Annika Zimmermann (ZDF)<br />
Andreas Kraus<br />
(Berater RPP),<br />
Joerg Wittemann<br />
(Tesla) und Judith<br />
Kleinemeyer (Ford)<br />
Heinz Scheiner (Burda) mit<br />
Klaus Kimmel (ZEG)<br />
Oliver Santen (Bundesverband<br />
deutscher Banken) und Julian<br />
Geist (Kekst CNC)<br />
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