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WIRTSCHAFT<br />
INNER CIRCLE<br />
Kemfert: Autonom fahren auf langen<br />
Strecken geht doch heute schon! Die<br />
Bahn fährt heute vollelektrisch nach<br />
Paris, ohne dass Sie etwas dazu tun müssen.<br />
Aber im Ernst: Wir werden viel früher<br />
autonom fahren, als wir glauben. Die<br />
technischen Fortschritte sind riesig. Gerade<br />
im ländlichen Raum, wo es sich nicht<br />
lohnt, den Schienenverkehr oder ÖPNV<br />
auszubauen, gibt es Pilotvorhaben mit<br />
autonom fahrenden Kleinbussen.<br />
Hochgeschurtz: Die Projekte hören sich<br />
gut an, aber das sind Ausnahmen. In 90<br />
Prozent des ländlichen Raumes tragen<br />
sich solche Angebote nicht. Zudem ist es<br />
nicht für jeden günstiger, mit Carsharing,<br />
Uber oder mit den öffentlichen Verkehrsmitteln<br />
zu fahren. Für eine vierköpfige<br />
Familie mit mittlerem Einkommen,<br />
die auf dem Land<br />
wohnt, gibt es kein günstigeres<br />
Transportmittel als<br />
das eigene Auto.<br />
Kemfert: Aber der Preis<br />
fürs heutige Autofahren bildet<br />
nicht ansatzweise die<br />
Kosten ab, die verursacht<br />
werden. Wenn wir die<br />
Schäden durch fossile Autoemissionen<br />
einpreisen würden,<br />
dann wäre das Bahnfahren<br />
viel billiger.<br />
Brauchen wir also eine CO 2-<br />
Steuer, wie es auch Kanzlerin<br />
Angela Merkel fordert?<br />
Kemfert: Die Ökosteuer<br />
sollte konsequenter an Klimazielen<br />
ausgerichtet sein.<br />
Die Dieselsteuer sollte an<br />
die Benzinsteuer angepasst<br />
werden. Fossile Energien<br />
müssen stärker besteuert<br />
werden, Strom hingegen<br />
muss entlastet werden.<br />
Hochgeschurtz: Widerspruch! Wir dürfen<br />
das nicht über eine Steuer regeln, die<br />
der Staat festsetzt. Das ist nicht effizient.<br />
Ich bevorzuge eine marktwirtschaftliche<br />
Lösung. So erreichen wir, dass dort CO 2<br />
reduziert wird, wo es volkswirtschaftlich<br />
am effektivsten ist. Das ist die gerechteste<br />
und wirksamste Methode für mehr<br />
Klimaschutz.<br />
Die traditionellen Autohersteller hinken<br />
aber bei der E-Mobilität ziemlich hinterher.<br />
Hochgeschurtz: Die Technologie verbessert<br />
sich rasant, allein wenn man auf die<br />
Reichweiten der Batterien schaut. Wir<br />
haben zuerst über 80 bis 100 Kilometer<br />
gesprochen. Jetzt reden wir über 400 bis<br />
E-Lastenräder sind die<br />
Alternative für Logistiker<br />
500 Kilometer. Aber wir sollten auch an<br />
Wasserstoff, Gas und synthetischen Kraftstoffen<br />
weiterforschen. Man muss schon<br />
Technologieoffenheit bewahren, vor allen<br />
Dingen in der Forschung.<br />
Kimmel: Moderne E-Bikes schaffen<br />
bereits bei flachen Strecken im Sport -<br />
modus 120 Kilometer Reichweite. Wir bieten<br />
ein E-Lastenrad an, mit dem Sie 240<br />
Kilogramm transportieren können. Das ist<br />
eine Alternative für Logistiker, um Kleintransporter<br />
von der Straße zu bekommen,<br />
die den Verkehr oft blockieren.<br />
Glauben an die automobile Zukunft<br />
Christoph Weigler, Deutschland-Chef von Uber, und Uwe Hochgeschurtz,<br />
Vorstandsvorsitzender von Renault Deutschland, setzen auf Elektromobilität<br />
und autonomes Fahren, vernetzt mit ÖPNV und Fahrrad<br />
ONLINE<br />
Die Leserdebatte<br />
von <strong>FOCUS</strong> ONLINE<br />
Hilft eine CO 2 -Steuer,<br />
Umwelt und Klima besser<br />
zu schützen?<br />
In unserem Meinungsforum debattieren<br />
unsere Leser das Thema der Woche.<br />
Eine Auswahl der Texte drucken wir<br />
nächste Woche auf der Leserdebatten-<br />
Seite ab. Bedingung: Sie schreiben<br />
unter Ihrem echten Namen.<br />
Beiträge: www.focus.de/magazin/debatte<br />
Mails an: debatte@focus.de<br />
Kemfert: Es muss einen gesunden Mix<br />
geben, das E-Lastenrad gehört dazu. Das<br />
Elektroauto ist für den Individualverkehr<br />
unschlagbar. Es hat Wirkungsgrade von<br />
80 Prozent. Wenn Sie erst mal Kraftstoffe<br />
herstellen müssen – Wasserstoff, Brennstoffzelle,<br />
Power-to-Gas –, brauchen Sie<br />
achtmal so viel Energie! Das ist nur für<br />
Bereiche sinnvoll, wo es keine Alternativen<br />
gibt: im Schiffsverkehr, teilweise im<br />
Flugverkehr und für schwere Lkws.<br />
Kimmel: Außerdem ist E-Bike-Fahren<br />
gesund. Wer ein E-Bike vor der Tür stehen<br />
hat, steigt eher aufs Fahrrad. Unterm<br />
Strich bewegen sich die Leute mehr – und<br />
verzichten aufs Auto. Dazu machen wir<br />
gerade eine Studie mit der Medizinischen<br />
Hochschule Hannover.<br />
Weigler: Die Kunden nehmen<br />
Elektroautos übrigens<br />
super an. Das haben wir<br />
vergangenes Jahr in München<br />
getestet. Dort konnten<br />
Kunden über unsere<br />
App gezielt ein Elektroauto<br />
bestellen. Die Leute waren<br />
bereit, zu gleichen Kosten<br />
fünf Minuten länger zu warten,<br />
um ein Elektroauto zu<br />
bekommen. Das ist eine<br />
echte Präferenz für Elektromobilität.<br />
Aber haben die europäischen<br />
Autohersteller denn noch<br />
Chancen aufzuholen gegenüber<br />
den Asiaten?<br />
Hochgeschurtz: Wenn Sie<br />
die Batterie einkaufen, die<br />
Elektronik und die Plattform,<br />
dann bleibt Ihnen<br />
am Ende noch ein bisschen<br />
Elektromotor für die Wertschöpfung.<br />
Eine Kupferspule<br />
mit zwei Magneten,<br />
ein ganz, ganz einfaches Objekt. Heißt<br />
also im Klartext, dass wir fast 100 Prozent<br />
der Wertschöpfungskette in der Automobilindustrie<br />
verlieren könnten.<br />
Das klingt bedrohlich!<br />
Hochgeschurtz: Deshalb müssen wir hier<br />
in Forschung investieren. In Forschung an<br />
Feststoffbatterien. Dann lösen wir auch<br />
das Problem, von den Rohstoffen anderer<br />
abhängig zu sein, und müssen uns keine<br />
Sorgen mehr machen, unter welchen sozialen<br />
Bedingungen Rohstoffe wie Lithium<br />
oder Kobalt abgebaut werden. Höhere<br />
Reichweite, niedrigerer Preis. Aber der<br />
Forschungsaufwand ist extrem hoch. Da<br />
muss auch der Staat helfen. <br />
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66 <strong>FOCUS</strong> <strong>17</strong>/2019