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Inkontakt Mai Juni E

„Weg der Hoffnung“ titelt diese Inkontakt-Ausgabe. Die Bibel schildert uns die Weggemeinschaft von zwei Männern. Nur einer von Beiden ist uns mit Namen bekannt: Kleopas. Sie befinden sich auf dem Weg nach Emmaus, ihrem Heimatort, ungefähr 11 Kilometer von Jerusalem entfernt.

„Weg der Hoffnung“ titelt diese Inkontakt-Ausgabe. Die Bibel schildert uns die Weggemeinschaft von zwei Männern. Nur einer von Beiden ist uns mit Namen bekannt: Kleopas. Sie befinden sich auf dem Weg nach Emmaus, ihrem Heimatort, ungefähr 11 Kilometer von Jerusalem entfernt.

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DIE HOFFNUNG<br />

STIRBT NICHT<br />

ZULETZT –<br />

Predigt zu Römer 8,18-25 von Stephanie Höhner<br />

Denn ich sage, dass die Leiden zu dieser Zeit<br />

nicht ins Gewicht fallen gegenüber der<br />

vorherbestimmten Herrlichkeit, die in uns<br />

offenbart wird. Denn das erwartungsvolle Harren<br />

der Schöpfung erwartet die Offenbarung der<br />

Söhne Gottes. Denn grundlos ist die Schöpfung<br />

unterworfen, nicht freiwillig, sondern durch den<br />

Unterwerfer, auf Hoffnung hin, weil auch die<br />

Schöpfung selbst befreit werden wird aus der<br />

Sklaverei der Vergänglichkeit zur Freiheit der<br />

Herrlichkeit der Kinder Gottes. Denn wir wissen,<br />

dass die ganze Schöpfung mitseufzt und in den<br />

Wehen liegt bis jetzt. Aber das nicht allein,<br />

sondern auch wir, die als Erstlingsgabe den<br />

Geist haben, auch wir selbst seufzen in uns<br />

(selbst), die Kindschaft erwartend, die Erlösung<br />

unseres Leibes. Denn wir sind gerettet auf<br />

Hoffnung hin. Aber Hoffnung, die man sieht, ist<br />

keine Hoffnung, denn was kann man hoffen, was<br />

man sieht? Wenn wir aber hoffen auf das, was<br />

man nicht sieht, so warten wir darauf mit Geduld.<br />

(Röm 8,18-25, Übersetzung der Verfasserin)<br />

Die Hoffnung stirbt zuletzt. Montagvormittag,<br />

Anfang September 2015. Ich sitze im ICE von<br />

Hamburg nach Kopenhagen. Mit mir im Zug:<br />

viele Flüchtlinge. Sie sind am Wochenende in<br />

Deutschland angekommen – endlich. Nach<br />

wochenlanger Flucht und schlaflosen Nächten.<br />

Jetzt sind sie auf dem Weg nach Schweden. In<br />

den Gesichtern sehe ich Müdigkeit, manchmal<br />

auch Unsicherheit. Mir schräg gegenüber sitzt<br />

eine Familie. Auf dem Tisch zwischen den<br />

Sitzbänken steht ein Tragekorb, in dem ein<br />

Säugling liegt. Wahrscheinlich ist er auf der<br />

Flucht zur Welt gekommen. Die Familie hat<br />

keine Reservierung, der Zug ist überfüllt und darf<br />

nicht losfahren. Viele Menschen auf den Gängen<br />

müssen den Zug verlassen. Die Familie mit dem<br />

Baby darf bleiben.<br />

Die Hoffnung stirbt zuletzt. Seit einem Jahr hat<br />

seine Frau die Diagnose Brustkrebs. Eine<br />

Chemotherapie folgt der nächsten, die<br />

Aussichten sind nicht gut. Ihr Körper ist<br />

schwach, ihr Kopf ist kahl. Wie schöne wäre es,<br />

wenn dieser falsche Film endlich zu Ende wäre,<br />

denkt er. Alles wieder wie früher.<br />

Doch seine Frau und er geben nicht auf. „Jeder<br />

Tag ein Geschenk“, so wollen sie die Zeit noch<br />

leben. Er nimmt jetzt vieles bewusster war.<br />

Versucht, jeden Moment auszukosten und nicht<br />

immer an den Krebs zu denken. Der Ausgang ist<br />

offen.<br />

Die Hoffnung stirbt zuletzt. Doch zu hoffen ist<br />

nicht immer leicht. Es gibt so viel Seufzen in der<br />

Welt, im Leben.<br />

Denn wir wissen, dass die ganze Schöpfung<br />

mitseufzt und in den Wehen liegt bis jetzt.<br />

Morgens seufzen die Zeilen in der Zeitung, wenn<br />

sie von Anschlägen in Paris und Afghanistan<br />

berichten. Abends seufzen die Bilder sinkender<br />

Flüchtlingsboote in den Nachrichten.<br />

Geschichten von Krankheit, Arbeitslosigkeit, Tod<br />

– sie sind zahlreich. Und sie seufzen.<br />

Gerade jetzt, wenn die Tage wieder kürzer<br />

werden, scheint das Seufzen noch deutlicher<br />

hörbar. Wieder ein Jahr vergangen. Es scheint<br />

endlos zu sein, das Leid. Die Schöpfung seufzt<br />

und wartet.<br />

Denn wir sind gerettet auf Hoffnung hin.<br />

Und doch leben wir weiter. Jeden Tag neu. Und<br />

es gibt Momente, in denen kein Seufzen liegt. Da<br />

sollte die Zeit stehenbleiben, weil es so schön ist.<br />

Könnte dieser Moment unendlich sein.<br />

Zurück im ICE. Unser Zug erreicht den Hafen.<br />

Auf der Fähre nach Dänemark sehe ich die<br />

Kinder toben, lachende Gesichter, die Eltern<br />

machen Selfies vor der Reling. Das Ziel scheint<br />

zum Greifen nah, die Hoffnung scheint erfüllt.<br />

Das Baby schläft friedlich im Tragekorb.<br />

Aber Hoffnung, die man sieht, ist keine<br />

Hoffnung, denn was kann man hoffen, was man<br />

sieht?<br />

Die Fähre legt an. Wir sitzen wieder im Zug und<br />

halten im ersten Bahnhof auf dänischem Boden.<br />

Am Bahnsteig stehen Polizisten, aber auch ein<br />

Fernsehteam mit Kamera. Stillstand. Nichts geht<br />

weiter, die Türen verschlossen. 3 ½ Stunden<br />

stehen wir dort. Ohne zu wissen warum. Ohne<br />

zu wissen, wie lange noch. Ratlosigkeit bei uns<br />

Fahrgästen.<br />

Stillstand. Sinnlosigkeit. Resignation.<br />

Das ist das Gegenteil von Hoffnung. Ohne<br />

Hoffnung geht es nicht weiter. Dann geht ein<br />

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