Mai-Rede 2019
Bezirksmaifeier der SPÖ Tulln - Grußworte der Bundesrätin Doris Hahn
Bezirksmaifeier der SPÖ Tulln - Grußworte der Bundesrätin Doris Hahn
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<strong>Rede</strong> zum 1. <strong>Mai</strong><br />
<strong>Mai</strong>feier <strong>2019</strong> Zwentendorf<br />
Liebe Genossinnen und Genossen! Liebe Freundinnen und Freunde!<br />
Lasst mich an diesem 1. <strong>Mai</strong> einmal anders beginnen als gewohnt.<br />
Lasst mich beginnen mit einigen Textzeilen aus alten Arbeiterliedern:<br />
Da heißt es zum Beispiel im Solidaritätslied:<br />
„Unsre Herrn, wer sie auch sein, sehen unsere Zwietracht gern.<br />
Denn solang sie uns entzweien, bleiben sie doch uns´re Herrn.“<br />
Oder die „Edelweißpiraten“ – dort heißt es:<br />
„Sie stehen heute noch auf manchen schwarzen Listen. Ich möchte fast<br />
sagen, heut is wieder mal soweit.<br />
In Amt und Würden sitzen wieder mal Faschisten.“ Und so weiter.<br />
Letzte Woche waren wir zu Gast im Bezirk Hollabrunn bei einem roten<br />
Arbeiterliederarbend. Und ich muss sagen – abgesehen davon, dass<br />
das gemeinsame Singen einfach schön war und viel Spaß gemacht hat.<br />
Es war teilweise richtig beklemmend, wenn man sich die Texte der<br />
alten Lieder genauer durchüberlegt und erkennt:<br />
Sie sind aktueller denn je.<br />
Jeden Tag ein weiterer Einzelfall. Jeden Tag muss ich irgendwer von<br />
irgendwas distanzieren,<br />
Manchmal – so wie im Fall vom FPÖ-Funktionär in Braunau – sehr<br />
direkt und offen. Und mittlerweile wissen wir, dass das Rattengedicht<br />
letztendlich doch den Rücktritt des Verfassers zur Folge hatte.<br />
Manchmal – und das ist das ganz besonders Gefährliche – nicht<br />
offensichtlich sondern unterschwellig.<br />
Schriftsteller Michael Köhlmeier: (Veranstaltung im Gedenken an die<br />
Opfer des Nationalsozialismus)<br />
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<strong>Rede</strong> zum 1. <strong>Mai</strong><br />
<strong>Mai</strong>feier <strong>2019</strong> Zwentendorf<br />
„Zum großen Bösen kamen die Menschen nie mit einem Schritt,<br />
sondern mit vielen kleinen, von denen jeder zu klein schien für eine<br />
große Empörung. Erst wird gesagt, dann wird getan.“<br />
Jetzt macht sich sogar der Vizekanzler selbst tagtäglich zum Einzelfall,<br />
spricht vom Kampf gegen den Bevölkerungsaustausch – ein ganz<br />
eindeutiger rechtsextremer Kampfbegriff.<br />
Und was sagt der türkis-blaue Bundeskanzler Kurz dazu? Richtig, er<br />
schweigt. Wahrscheinlich war er gerade wieder zu sehr damit<br />
beschäftigt rote Linien zu ziehen.<br />
Geschätzte Genossinnen und Genossen!<br />
Und während dieser zahlreichen Einzelfalldiskussionen wird<br />
gleichzeitig leise, still und heimlich unser Staat, die<br />
Sozialpartnerschaft ein Stückchen mehr zerschlagen, unsere<br />
Demokratie ein Stückchen mehr abgebaut. Und viele merken es nicht.<br />
Das beginnt damit, dass Gesetze oft ohne jeglichen demokratiepolitisch<br />
üblichen Prozess durchgepeitscht werden. Da gibt es oft keine<br />
Begutachtung, kein Anhören von Experten, kein Miteinbeziehen von<br />
Bürgermeinungen und schon gar kein Sprechen mit der Opposition. Da<br />
werden Gesetze durchgepeitscht, die ganz eindeutig nur jenen Vorteile<br />
bringen, die zuvor im Wahlkampf fleißig für den Herrn Kanzler<br />
gespendet haben. Es profitieren die Pierers, die Benkos und viele mehr.<br />
Es geht um Macht und Einflussnahme in allen Bereichen, denken wir<br />
nur an die Diskussion um Armin Wolf. Kritischem Journalismus wird<br />
inzwischen ganz offen mit Konsequenzen gedroht.<br />
Und für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer?<br />
Da bleiben bestenfalls große Ankündigungen wie die Steuerreform von<br />
14 Mrd., die sie noch vor der Wahl versprochen haben und von der<br />
heute nicht mehr viel übrig ist außer viel Mediengetöse. Und die wir<br />
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<strong>Rede</strong> zum 1. <strong>Mai</strong><br />
<strong>Mai</strong>feier <strong>2019</strong> Zwentendorf<br />
uns mit der kalten Progression selbst bezahlt haben, bevor sie zu<br />
greifen beginnen könnte.<br />
Erinnern wir uns an den 30. Juni im vorigen Jahr: Da sind wir<br />
gemeinsam mit über 100.000 Menschen auf die Straße gegangen und<br />
haben gegen das Arbeitszeitgesetz demonstriert. Gegen den 12h-Tag,<br />
gegen die 60-Stunden-Woche.<br />
Mittlerweile ist das Gesetz Realität. Die Höchstarbeitszeit wurde also<br />
ausgeweitet und das obwohl Österreich im EU-Vergleich schon eine<br />
weit höhere Durchschnittsarbeitszeit hat wie die meisten anderen<br />
Länder. Und in keinem Land Europas werden mehr Überstunden<br />
geleistet. Überstunden, für die jetzt noch weniger Zuschläge fällig sind<br />
wie vor dem Gesetz. Eines ist klar: Es leiden Gesundheit, Freizeit und<br />
Familienleben massiv unter überlangen Arbeitszeiten. Und wer<br />
profitiert? Jene, die das Gesetz bestellt haben, nämlich die Industrie.<br />
Auf die Interessen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer wird<br />
keine Rücksicht genommen. Ein faires Miteinander in der Arbeitswelt<br />
sieht anders aus, liebe Genossinnen und Genossen! Ein faires<br />
Miteinander ist ein partnerschaftliches Verhandeln auf Augenhöhe und<br />
kein einseitiges Diktat der Unternehmer!<br />
Von der mehr als skurrilen Diskussion rund um den Karfreitag rede ich<br />
jetzt schon gar nicht mehr. Da gab es eine Entscheidung des<br />
Europäischen Gerichtshofes (!) , dass der Karfreitag für alle<br />
Arbeitnehmerinnen frei sein soll. Was hat Türkis-Blau daraus gemacht?<br />
Einen „persönlichen Feiertag“, den ich lange im Vorhinein ankündigen<br />
muss und vor allem, den ich aus meinem eigenen Urlaubskontingent<br />
nehmen muss. Verkauft wird er als zusätzlicher Urlaubstag, den es<br />
aber in dieser Form schlicht und einfach nicht gibt.<br />
Und auch hier: Kein Verhandeln mit den Sozialpartnern.<br />
Ein weiteres Beispiel ist die Kassenreform:<br />
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<strong>Rede</strong> zum 1. <strong>Mai</strong><br />
<strong>Mai</strong>feier <strong>2019</strong> Zwentendorf<br />
Die Gesundheitsversorgung der ÖsterreicherInnen ist das höchste Gut,<br />
das wir haben. Aber die völlig einseitige Interessenspolitik der<br />
Regierung gefährdet es mutwillig, um die Position der<br />
Regierungsparteien und der Arbeitgebervertreter in den Gremien der<br />
Sozialversicherung zu stärken – zulasten der<br />
ArbeitnehmerInnenvertreter. Dass das in direkter Folge zu<br />
Leistungskürzungen führen wird, liegt auf der Hand Ṡelbstbehalte,<br />
Ambulanzgebühren und Privatisierungen drohen. Denn: Neue<br />
Machtverhältnisse – neue Entscheidungen. In dem Fall zugunsten von<br />
Industriellenvertretung und Co. Damit nicht genug, wird der Apparat<br />
der Sozialversicherung auf Kosten der Patientinnen und Patienten und<br />
der Versicherten aufgebläht, 48 neue Posten werden geschaffen und<br />
Führungspositionen sind künftig in Händen der Wirtschaftsvertreter.<br />
Dass bei dieser Kassen-Fusion auch die von der Regierung behaupteten<br />
Einsparungen nirgends zu finden sind, hat schon der Rechnungshof<br />
festgestellt und heftig kritisiert. Aber die Regierung nennt das Reform.<br />
Wir nennen das Zerschlagung bewährter Strukturen, üble<br />
Klientelpolitik und Verschwendung von Steuergeldern!<br />
In Wahrheit wird das Gesundheitssystem zerstört und es werden der<br />
Sozialversicherung Milliarden entzogen und ihre Strukturen<br />
zerschlagen. Den Preis dafür bezahlen die sieben Millionen<br />
Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer sowie ihre Angehörigen in Form<br />
von drittklassigen Leistungen.<br />
Die SPÖ hat daher die sogenannte „Reform“ der Sozialversicherungen<br />
vor den Verfassungsgerichtshof gebracht. Betriebswirtschaftlich spricht<br />
alles gegen die Kassenfusion. Es besteht die Gefahr, ein gut<br />
funktionierendes System zu zerschlagen. Die Parität zwischen<br />
Dienstgebern und Dienstnehmern in den Gremien kann nicht<br />
verfassungskonform sein – die Dienstgeber zahlen nur 28,9 Prozent<br />
ein. Das ist weniger als ein Drittel! Trotzdem will die schwarz-blaue<br />
Regierung, dass es gleich viele Arbeitgeber-Vertreter wie<br />
Arbeitnehmer-Vertreter in den Gremien gibt. Damit nicht genug, soll<br />
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<strong>Rede</strong> zum 1. <strong>Mai</strong><br />
<strong>Mai</strong>feier <strong>2019</strong> Zwentendorf<br />
im Verwaltungsrat zuerst ein Dienstgeber den Vorsitz führen und die<br />
Ministerin in fast alle Geschäfte eingreifen können.<br />
Und brandaktuell: Die Sozialhilfe neu<br />
Kaum eine Maßnahme der schwarz-blauen Regierung zeigt die Kälte<br />
und den Zynismus der Rechten so deutlich wie die Sozialhilfe Neu, die<br />
die Mindestsicherung ersetzt. Ein Feuerwerk der Unmenschlichkeit! Es<br />
beginnt bei der ersatzlosen Streichung der Notstandshilfe. Nach dem<br />
Arbeitslosengeld landet man damit direkt in der Sozialhilfe. Im Grunde<br />
eine noch verschärfte Variante zum Deutschen Hartz IV-Modell.<br />
Weiter geht’s mit der Staffelung der Sozialhilfe Neu nach Anzahl der<br />
Kinder. Ab dem dritten Kind beträgt die Sozialhilfe nur noch 1,50 Euro<br />
pro Tag. Wie soll man für diesen Betrag Essen, Kleidung, Schulhefte<br />
etc. besorgen? Ein Ding der Unmöglichkeit! Schwarz-Blau macht<br />
Österreich zu einem Land der Kinderarmut! Aber diese Regierung setzt<br />
noch eins drauf. Sogar Spenden sollen, wenn es nach dem Wunsch von<br />
Schwarz-Blau geht, von der Sozialhilfe abgezogen werden! Trotz der<br />
Versprechen, dieses völlig unsoziale Gesetz zu reparieren, ist nach wie<br />
vor unklar, inwieweit Leistungen der öffentlichen Hand bzw. private<br />
Spenden künftig bei der Sozialhilfe zu berücksichtigen sind. Diese<br />
Regierung schafft Armut statt sie zu bekämpfen! Denn bei der<br />
Mindestsicherung galt bisher: Wer arm ist, dem muss geholfen<br />
werden, bis er sich aus eigener Kraft wieder ernähren kann. Jetzt gilt:<br />
Wer arm ist, nutzt den Staat aus und will auch nicht arbeiten. Das ist<br />
das Motto von Schwarz-Blau: Spalten, Entsolidarisieren, Kürzen!<br />
Ich könnte noch vieles weitere Beispiele aufzählen, in der die<br />
Regierung ihr wahres Gesicht zeigt:<br />
Die neu installierten Generalsekretäre in den Ministerien, die<br />
Weisungen erteilen können.<br />
Die Statistik Austria, die nun dem Bundeskanzleramt vorgelagert wird,<br />
damit auch nur jene statistischen Zahlen und Daten nach außen<br />
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<strong>Rede</strong> zum 1. <strong>Mai</strong><br />
<strong>Mai</strong>feier <strong>2019</strong> Zwentendorf<br />
dringen, die durch die Message Control von türkis-blau freigegeben<br />
werden.<br />
Die Diskussion rund um die Senkung der Arbeiterkammerumlage, nur<br />
weil einem Herrn Wöginger das Ergebnis der Arbeiterkammerwahlen<br />
nicht passt und weil sie die Arbeiterkammer schlicht und einfach<br />
aushöhlen wollen.<br />
Und erinnert euch an das, was sich sozusagen als Drohszenario am<br />
letzten 1. <strong>Mai</strong> angekündigt hat:<br />
- Der Familienungerechtigkeitsbonus Plus<br />
- Die Verschärfung der Zumutbarkeitsbestimmungen für Arbeitslose<br />
- Die Erweiterung der Mangelberufsliste – und die Öffnung des<br />
Arbeitsmarktes für Drittstaatenangehörige<br />
- Die Senkung der Körperschaftssteuer für Konzerne<br />
- Die Sozialbetrugspauschale bei Verstößen z.B. bei Lohndumping<br />
- Die Verzögerung beim Ausbau von Ganztagsschulplätzen<br />
- All das und noch vieles mehr ist inzwischen bittere Realität<br />
geworden.<br />
Was können wir als Sozialdemokratinnen und Sozialdemokraten tun?<br />
Wir müssen ein Bild davon zeichnen, wie die Zukunft in Österreich, wie<br />
die Zukunft in Europa im Positiven aussehen kann und soll.<br />
Und wir haben dieses Bild, wir haben die richtigen Modelle dafür: in<br />
der Pflege, in der Gesundheit, in der Bildung, in der digitalisierten<br />
Arbeitswelt und vieles mehr!<br />
Es braucht die Sozialdemokratie, um das was über 100 Jahre hinweg<br />
und länger aufgebaut wurde, an Sozialpartnerschaft, an<br />
Sozialleistungen, … nicht in einigen wenigen Monaten zunichte<br />
gemacht wird.<br />
Ja, liebe Genossinnen und Genossen, unsere Devise war immer<br />
„Gemeinsam statt einsam“. Das gilt für Österreich genauso wie für<br />
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<strong>Rede</strong> zum 1. <strong>Mai</strong><br />
<strong>Mai</strong>feier <strong>2019</strong> Zwentendorf<br />
Europa. Denn nur gemeinsam können wir den Rechtsruck verhindern<br />
und die Macht der US-Großkonzerne brechen. Und nur gemeinsam<br />
können wir Europa sozial und gerecht machen. Denn die<br />
Erfolgsgeschichte unserer Bewegung war immer eine Geschichte des<br />
sozialen Zusammenhalts. Dieser Zusammenhalt macht unser Land so<br />
großartig und kann als Vorbild für andere europäische Länder dienen.<br />
Die türkis-blaue Regierung steht dem entgegen. Sie möchte mit ihrer<br />
unsozialen Politik den Zusammenhalt zerstören. Dafür verbünden sie<br />
sich in Europa mit Rechtspopulisten und Rechtsextremen aus Polen,<br />
Ungarn und Italien – mit Kacinsky, mit Orban, mit Salvini und wie sie<br />
alle heißen. Vilimsky hat das auch in Fernsehduellen ganz klar und<br />
deutlich so ausgesprochen und zugegeben.<br />
Und wohin rechtskonservative und rechtspopulistische Mehrheiten<br />
führen, haben wir inzwischen sehr eindrücklich mit dem Brexit<br />
gesehen. Wo sich genau jene, die für das ganze Chaos verantwortlich<br />
waren, nämlich Farage, Johnson & Co., schon wenige Tage nachdem<br />
sie das folgenschwere Referendum in Großbritannien verursacht<br />
haben, verdünnisiert haben, sich aus der Verantwortung gestohlen<br />
haben.<br />
Doch wir werden nicht zulassen, dass diese rechtskonservativen Kräfte<br />
unseren Zusammenhalt sprengen. Wir werden nicht zulassen, dass sie<br />
Europa zerstören.<br />
Um es mit den Worten unser Spitzenkandidaten Andi Schieder zu<br />
sagen: Wir müssen gegen die rechtskonservativen und rechtsextremen<br />
Brandstifter in Europa auftreten. Wir müssen der Feuerlöscher sein.<br />
Feuerlöscher sind bekanntlich rot!<br />
Wir werden ihnen am 26. <strong>Mai</strong> einen Denkzettel verpassen! Einen<br />
Denkzettel wie bei den Arbeiterkammerwahlen! Denn wir lassen uns<br />
nicht spalten. Wir lassen uns nicht in die Ecke drängen.<br />
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<strong>Rede</strong> zum 1. <strong>Mai</strong><br />
<strong>Mai</strong>feier <strong>2019</strong> Zwentendorf<br />
Wir haben noch 25 Tage Zeit. 25 Tage um zu laufen , um ganz viele<br />
Menschen zu informieren, zu überzeugen, wie wichtig eine gestärkte<br />
Sozialdemokratie für unser Land ist!<br />
Und ich sage euch eines:<br />
Wir sind stark. Und wir sind stolz. Auf unsere Demokratie. Auf unsere<br />
sozialdemokratische Bewegung. Und auf unser Europa. Deshalb ist es<br />
so wichtig, dass am 26. <strong>Mai</strong> alle zur Wahl gehen und klar und deutlich<br />
machen: Rot ist die Sozialdemokratie. Und rot ist Europa!<br />
In diesem Sinne:<br />
Ein Hoch dem 1. <strong>Mai</strong>!<br />
Freundschaft!<br />
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