syndicom magazin Nr. 11
Seit langer Zeit schon setzen wir uns für die Arbeitsrechte im Bereich Logistik, ICT und Medien ein. Gute Arbeitsbedingungen sind und waren dabei stets das Ergebnis von gemeinsamen Erfolgen. Sei Teil unserer Bewegung und gestalte mit uns deine Zukunft!
Seit langer Zeit schon setzen wir uns für die Arbeitsrechte im Bereich Logistik, ICT und Medien ein. Gute Arbeitsbedingungen sind und waren dabei stets das Ergebnis von gemeinsamen Erfolgen. Sei Teil unserer Bewegung und gestalte mit uns deine Zukunft!
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syndicom
Nr. 11 Mai–Juni 2019
magazin
Kommt alle
zum
Frauenstreik
am 14. Juni
Anzeige
Gestaltung: Agnes Weber
FRAUEN*STREIK
14. Juni 2019
LOHN.
ZEIT.
RESPEKT.
/
Inhalt
4 Teamporträt
5 Kurz und bündig
6 Die andere Seite
7 Gastautor
8 Dossier: Parität
16 Arbeitswelt
17 Gleichstellung in der ICT
22 Über kollektives Handeln
25 Fragen zum 14. Juni
26 Freizeit
27 1000 Worte
28 Bisch im Bild
30 Aus dem Leben von ...
31 Kreuzworträtsel
32 Warum ich streike
Der Kampf für die Parität geht uns alle an!
Wir wissen es: Die Wirtschaft wartet auf die
Zahlen zur Mobilisierung der Frauen am kommenden
14. Juni, um zu entscheiden, ob sie
sich in Frage stellen muss oder ob sie weitermachen
kann wie bisher.
Also müssen wir alle unsere Wut laut und
deutlich zum Ausdruck bringen. Nein, es ist
nicht normal, dass Branchen, die ansehnliche
Löhne zahlen, nicht das Geld aufwerfen, um die
unerklärte Schlechterstellung der Frauen zu
beseitigen. Es ist nicht normal, dass die Frauen
– die heute über eine gute Ausbildung verfügen
– in den Tieflohnbranchen übervertreten sind
und im Privatsektor 19,6 % weniger verdienen
als die Männer. Hinzu kommt die Doppelbelastung:
Es ist nicht normal, dass Mütter noch
53 Stunden Hausarbeit pro Woche verrichten,
Väter aber nur 29 Stunden.
Diese Ungleichheiten gehen uns alle an. Denn
für das Geld, das in den Frauenlöhnen und in
den 37 % kleineren Frauenrenten fehlt, zahlt die
ganze Gesellschaft. Indem sie Sozialhilfe-Leistungen
ausrichten muss. Indem sie auf die Beiträge
dieser Bürgerinnen verzichten muss. Indem
sie die Opfer von Gewalt, zu 70 % Frauen,
entschädigen muss.
Es ist unsere Aufgabe als Gewerkschaft, die
Parität, die Gleichstellung voranzutreiben. In
der Gesellschaft. Und indem wir in den Gesamtarbeitsverträgen
klare Forderungen stellen und
ihre Allgemeinverbindlichkeit verlangen. Damit
sich keine Branche mehr drücken kann.
4
8
22
Sylvie Fischer, Chefredaktorin
4
Teamporträt
Die Verhandlungsdelegation PostAuto
im Einsatz gegen Gratisarbeit
Anita von Gunten (39)
Bevor sie 2012 zu PostAuto wechselte,
war sie Lastwagenfahrerin beim ehemaligen
Transportdienst der Post in
Härkingen. Ihre Stammstrecke ist jene
von Spiez nach Aeschiried. Die Berner
Oberländerin ist seit 2001 Mitglied bei
syndicom. Sie ist PeKo-Präsidentin und
Mitglied der Verhandlungsdelegation
Gratisarbeit.
Antoine Dussez (51)
Auch Dussez fuhr vor seiner Zeit als
Buschauffeur Lastwagen. Heute transportiert
er die Einwohner von Arolla und
Les Haudères nach Sion, und auf dem
Rückweg Touristen in die beiden Bergdörfer.
Insgesamt ist er fast 20 Jahre
Mitglied bei syndicom. Auch er ist Pe-
Ko-Präsident – bei den Verhandlungen
war er Teil der Delegation Gratisarbeit.
Patrick Pflumm (47, rechts)
Der Tessiner war einst Lastwagenunternehmer,
dann wechselte er als
Chauffeur zu PostAuto. Er fährt in der
Region um Lugano. Pflumm ist seit
sieben Jahren syndicom-Mitglied.
Er ist Teil der Verhandlungsdelegation
AZG-Vereinbarung. In seiner Region
amtet er zudem als PeKo-Präsident.
Text: Basil Weingartner
Bild: Alexander Egger
«Wir haben mit
PostAuto wichtige
Fortschritte erzielt»
Wir haben in den letzten Monaten
viel erreicht. Das war dringend nötig.
Die Stimmung unter den Chauffeur
Innen war vielerorts miserabel. Das
lag vor allem an den Arbeitsbedingungen.
Wir konnten bei der Dienstplanung
kaum mitreden – obwohl
das Arbeitszeitgesetz (AZG) dies so
vorsieht und die Dienstpläne unser
Privatleben enorm prägen. Für viel
Unmut sorgte auch die Tatsache,
dass wir Gratisarbeit leisten mussten.
An all dem wollten wir etwas ändern
– deshalb engagieren wir uns.
Ohne die Unterstützung der Gewerkschaft
hätten wir aber wenig ausrichten
können.
So oder so ging die Geschäftsleitung
von PostAuto lange nicht auf
unsere Anliegen ein. Wir von den Pe
Kos kehrten stets mit leeren Händen
zurück. Das war nicht einfach.
Doch im letzten halben Jahr hat
sich vieles zum Guten verändert. Das
hat mehrere Gründe. So hatten wir
mit einer von 1300 Fahrerinnen und
Fahrern unterzeichneten Petition
Druck erzeugt, auch medial. In vielen
Kantonen weigerten sich die Fahrer
Innen zudem, die vorgelegten AZG
Vereinbarungen zu unterschreiben.
Diese waren intransparent und einseitig
zu unseren Ungunsten. Bei
PostAuto wurde die Unternehmensleitung
ausgetauscht. Die neue Führung
hörte unserer zwölfköpfigen
Delegation endlich zu. So konnte
Vertrauen geschaffen werden.
Wir haben uns mit PostAuto auf
wichtige Verbesserungen geeinigt.
Gegen die Gratisarbeit wurden wirksame
Massnahmen getroffen. Wir
haben erreicht, dass auch die Kolleginnen
und Kollegen, die bei privaten
Postautounternehmen angestellt
sind, ihre Anliegen direkt beim Auftraggeber
PostAuto vorbringen können.
Besonders wichtig: wir haben
eine nationale AZGVereinbarung
aufgegleist, welche die Bestimmungen
des Arbeitszeitgesetzes berücksichtigt.
Fortan können alle bei den
Diensten und Dienstzuteilungen mitentscheiden.
Die Umsetzung der Verhandlungsergebnisse
ist komplex
und kann erst beim Fahrplanwechsel
im Dezember erfolgen. Bis dahin erhalten
wir Chauffeurinnen und
Chauffeure als Entschädigung sechs
zusätzliche Ruhetage oder 1000 Franken
als Einmalzahlung.
Kurz und
bündig
UberPop-Fahrer ist angestellt \ Bund führt Überbrückungsrente
ein \ Für Sozialplan bei Presto \ Frauenstreik in Langenthal \
Jura: 1,4 Millionen Franken Rückzahlungen \ 10 000 Unterschriften
gegen Kontogebühren für Pöstler
5
UberPop-Fahrer in Lausanne
als Angestellter anerkannt
Das Arbeitsgericht in Lausanne hat einen
Fahrer von UberPop als Angestellten
eingestuft. Für das Gericht ist das Arbeitsverhältnis
zwischen Uber und seinen
FahrerInnen vergleichbar mit dem
Arbeitsvertrag von Taxiunternehmen mit
ihren Angestellten. syndicom begrüsst
diesen wichtigen Entscheid. Uber muss
sein Geschäftsmodell überdenken, sich
an die Gesetzgebung halten und seine
soziale Verantwortung wahrnehmen.
Mehr ältere Arbeitslose in
Telecom und Post
Der SGB hat ein interessantes Papier zur
Lage der älteren Arbeitnehmenden publiziert.
In unseren Branchen Telekommunikation,
Post und Logistik sowie Informatik
hat die Zahl der Arbeitslosen
zwischen 2017 und 2018 zugenommen.
Der SGB fordert einen besseren Kündigungsschutz
für langjährige ältere Mitarbeitende
im OR, ein Diskriminierungsverbot
und eine Überbrückungsrente,
die der Bund für Ausgesteuerte einführen
soll. Der Bund kündigte eine solche
nun an. Der SGB bedauert jedoch, dass
sie nicht bereits ab 58 Jahren gilt.
Ein Sozialplan für die
FrühzustellerInnen
Mit der Einstellung der Zentralschweiz
am Sonntag, der letzten regionalen
Sonntagszeitung neben der Ostschweiz
am Sonntag, deren Ende die CH Media
ebenfalls beschlossen hat, droht 450
Frühzustellerinnen und -zustellern die
Kündigung. Mit Unterstützung von syndicom
fordern sie von der Post-Tochtergesellschaft
Presto Presse-Vertriebs AG
in Emmenbrücke einen fairen Sozialplan
und eine Lösung für Härtefälle.
Frauenstreik in Langenthal
Auch die Oberaargauerinnen machen
mit am 14. Juni 2019 – unterstützt von
den Männern. Ab 11 Uhr wird gestreikt.
In der Marktgasse gibt es diverse
Reden, Unterhaltung, von Männern
gekochtes Essen, Getränke, Wunschzettel
und ein offenes Mikrofon. Für
Kinderbetreuung ist gesorgt. Etwa um
15 Uhr machen wir uns auf den Weg an
die Demo in Bern.
Gewerkschaftssieg im Jura
PostAuto und die Personalkommission
(PeKo) Jura haben sich in der Frage der
Pausenanrechnung des Fahrpersonals
geeinigt. Bei der Pausenabrechnung
waren Unregelmässigkeiten festgestellt
worden, die nun auf fünf Jahre
rückwirkend behoben wurden. Betroffen
sind fast 120 Fahrerinnen und Fahrer.
Zwischen Ende 2018 und Februar
2019 erhielten sie Entschädigungen
von insgesamt rund 1,4 Millionen CHF.
10 000 Unterschriften gegen
neue Postkontogebühren
syndicom hat am 29. März eine Petition
bei der Post eingereicht. 10 000 Mitarbeitende
der Post wie auch ehemalige
Pöste ler haben die Petition unterzeichnet.
Sie verlangen, dass die Post ihren
Entscheid rückgängig macht, von
Post-Mitarbeitenden Postkontogebühren
zu kassieren.
Post-Angestellte halten seit jeher traditionell
ihr Lohnkonto bei PostFinance.
Plötzlich sollen sie Gebühren dafür bezahlen
und zur Gewinnsanierung von
PostFinance beitragen. Eine ungerechte
Massnahme, finden 10 000 Pösteler
und setzen ein starkes Zeichen. Doch
die Geschäftsleitung von PostFinance
hat syndicom mitgeteilt, dass sie darauf
nicht eingehen wird. syndicom wird
die Forderung weitertragen und in die
nächsten Lohnverhandlungen einbringen.
Agenda
Juni
14.
Frauenstreik
Der Mobilisationstag für die Gleichstellung
im ganzen Land. Kampagnenmaterial,
Ziele und das Manifest auf
Frauenstreik2019.ch
14.–15.
Zurich Pride Festival
Das LGBT+-Festival lockt die Community,
Unterstützer und Freundinnen.
22.
Delegiertenversammlung
syndicom
Stade de Suisse, Bern, 10 Uhr.
bis 23.
Sebastião Salgado: Genesis
Museum für Gestaltung Zürich.
Ein Manifest mit wunderbaren
Schwarzweiss-Bildern, das Fragen zum
Umgang mit dem Planeten stellt.
Museum-gestaltung.ch
bis 30.
Swiss Press Photo 19
World Press Photo 2019
Zürich, Landesmuseum
Nationalmuseum.ch
August
7. bis 17.
Locarno Film Festival
Auf der Piazza Grande wird Locarno
wieder für 11 Tage zum Film-Mittelpunkt
der Schweiz. Die Sektion Open
Doors lädt ein zu Filmen des Südens.
bis 25.
Starke Frauen um
Henry Dunant
Heiden, Asylstrasse 2. Die einflussreichen
Frauen, die die Visionen von
Dunant förderten. Dunant-museum.ch
syndicom.ch/agenda
6 Die andere
Milo Stössel
Seite
1979 geboren, studierte Jus und übernahm nach dem Tod
seines Vaters 2013 die MS Direct Group. Sie hat heute über
1000 Mitarbeitende und ist Schweizer Marktführerin in
Kundenbeziehungs- und E-Commerce-Management.
1
Was sind die Beweggründe, einen separaten
Firmen-Gesamtarbeitsvertrag
für diesen Unternehmensteil abzuschliessen?
Ein Gesamtarbeitsvertrag führt zur
Fairness in der ganzen Branche und
zu verbindlichen Standards, an die
sich alle zu halten haben. So können
wir gleich lange Spiesse in der Callcenter-Branche
schaffen. Darüber
hin aus trägt ein Gesamtarbeitsvertrag
dazu bei, das Image der Branche
zu verbessern, indem er der Allgemeinheit
eine objektive Fairness aufzeigt.
2
Welche Rolle kann ein GAV in solch
einem Bereich spielen?
Mit einem Gesamtarbeitsvertrag wird
der Arbeitsmarkt transparenter gemacht.
Mitarbeitende werden vor
Lohndumping geschützt, erhalten
rechtliche Sicherheit und profitieren
von verbindlichen und einheitlichen
Regelungen, die für die gesamte
Branche gelten. Sie haben die Möglichkeit,
an den regelmässigen Verhandlungen
zwischen Arbeitgeberund
Arbeitnehmervertretern ihre
Interessen einzubringen und zu vertreten.
3
Ist bereits absehbar, wie sich die
Arbeitsbedingungen und Löhne in
diesem Bereich entwickeln werden?
Mit dem Ziel, eine Signalwirkung zu
erzielen, sollen zukünftig transparente,
faire und verbindliche Arbeitsbedingungen
geschaffen werden.
Gleichwohl nimmt u. a. der Druck
vom Markt, immer alles schneller
und günstiger zu liefern, für die Arbeitgeber
jedes Jahr zu. Technologische
Veränderungen verstärken den
Druck. Dies beeinflusst die Arbeitsbedingungen.
Entsprechend wichtig ist
auch hier ein Gesamtarbeitsvertrag.
4
Könnte dieser neue Gesamtarbeitsvertrag
Signalwirkung haben für andere
Unternehmen in der Branche?
Ziel des Gesamtarbeitsvertrages war
die Allgemeinverbindlichkeits-Erklärung,
denn nur so kann gewährleistet
werden, dass Arbeitnehmer über die
gesamte Branche hinweg von fairen
und transparenten Bedingungen profitieren.
Da der GAV nun für allgemeinverbindlich
erklärt wurde,
müssen sich alle Unternehmen an
die Bedingungen halten.
Text: Giorgio Pardini
Bild: MS Direct AG
5
Welchen Herausforderungen wird
sich die Branche stellen müssen?
Die Branche stellt sich dem Konkurrenzkampf
mit dem Ausland. Es wird
immer schwieriger zu begründen,
warum ein Callcenter in der Schweiz
betrieben werden soll. Wenn es den
Konsumenten keine Rolle spielt, ob
sie mit einem ausländischen oder
einem Schweizer Callcenter-Agenten
telefonieren, dann sind die Arbeitsplätze
in der Schweiz ernsthaft gefährdet.
Da ist auch der Gesetzgeber
gefordert: es müssen konkurrenzfähige
arbeitsrechtliche Rahmenbedingungen
geschaffen werden, um international
zu bestehen.
6
Welchen Einfluss hat die Digitalisierung
auf die Tätigkeiten in den
Contact- und Callcentern?
Sie wird die Contactcenter-Industrie
drastisch verändern. Virtuelle Assistenzsysteme,
Chatbots, künstliche Intelligenzen
werden die Massenverarbeitung
übernehmen. Agenten wird
es immer brauchen. Es wird mehr
Beratung gefragt sein, und dafür benötigen
die Agenten spezialisiertes
Wissen, sie entwickeln sich zu Spezialisten.
Daher sehen wir auch viel
Positives, der Job eines einzelnen
Agenten wird auch spannender und
aufgewertet.
Gastautor
Seit meiner Wahl in den Nationalrat
im Jahr 2011 engagiere ich mich kontinuierlich
für die Gleichstellung von Frauen und Männern
und habe etwa zehn Vorstösse zur Bekämpfung
der sexuellen Belästigung auf der Strasse oder
am Arbeitsplatz eingereicht. Das Parlament und
der Bundesrat weigern sich bisher, Massnahmen
zur Bekämpfung dieses Phänomens zu ergreifen.
Es liegt jedoch in der Verantwortung aller,
uns gegen geschlechtsspezifische Gewalt und
Belästigung einzusetzen.
Im November 2017 habe ich einen Vorstoss zur
Erleichterung der Beweislast für Opfer sexueller
Übergriffe am Arbeitsplatz eingereicht. Diese
Änderung des Gleichstellungsgesetzes ist eine
Notwendigkeit. Tatsächlich wird die Last jetzt
vollständig von den Klagenden getragen. Angesichts
der Schwierigkeit, die fraglichen Machenschaften
zu beweisen, werden 83 % der Klagen
wegen Belästigung abgewiesen, wie eine aktuelle
Studie der Uni Genf für das eidgenössische
Gleichstellungsbüro zeigt. Dies fördert nicht den
offenen Umgang mit dem Problem.
Meine parlamentarische Initiative fordert eine
Erleichterung der Beweislast für die belästigte
Person. Dieses Prinzip, wie es bereits in den
USA, Deutschland und Frankreich in Kraft ist,
existiert auch in der Schweiz für bestimmte
Formen der Diskriminierung, etwa beim Lohn.
In der Praxis muss die klagende Seite den Tatbestand
einer Diskriminierung durch sachliche
Hinweise glaubhaft machen. Dann ist es Aufgabe
des Arbeitgebers, das Gegenteil zu beweisen,
was die Situation ausgewogener gestaltet.
Die Kommission für Rechtsfragen des Nationalrats
hat den Vorstoss Anfang des Jahres
endgültig abgelehnt, und die Debatte wird in der
nächsten Session des Parlaments schwierig. Da
jede dritte Frau während ihrer beruflichen Laufbahn
sexuell belästigt wird, ist es für die Politik
an der Zeit, aufzuwachen und das Phänomen
ernst zu nehmen.
Stopp der Belästigung
am Arbeitsplatz
Mathias Reynard ist Lehrer am Cycle
d’Orientation de Savièse (VS) und besitzt
einen Master-Abschluss der Uni
Lausanne (Französisch, Geschichte,
Philosophie). Nachdem er zwischen
2005 und 2009 Präsident der Unterwalliser
Jungsozialist*innen, dann
Chefredaktor von Peuple Valaisan, der
Zeitung der Unterwalliser SP, war,
wurde er als Abgeordneter der SP in
den Walliser Gros sen Rat gewählt und
trat 2011 mit gerade einmal 24 Jahren
in den Nationalrat ein.
Er ist Präsident des Walliser Gewerkschaftsbundes.
7
Dossier
Für gerechte
sind wir
Die Branchen mit unerklärtem Lohnabstand
Stehen geblieben: Löhne der Uhrmacherinnen im Vallée de Joux
Die Druckbranche und die Reduktion der Männerlöhne
Die schlechte Bilanz der Schweiz im internationalen Vergleich
9
Verhältnisse
alle
zuständig!
10 Dossier
Der unerklärte Lohnabstand wächst.
Die ganze Gesellschaft muss sich wehren
Zwischen 2010 und 2016 ist der unerklärte Teil
der Lohndifferenz zwischen Frauen und Männern
von 37,6 % auf 42,9 % gestiegen. In der
Druckbranche sind sogar 65,6 % unerklärt.
Text: Sylvie Fischer
Bilder: Tom Kawara
Den fehlenden Willen zur Veränderung zeigt das Beispiel
nur zu deutlich. Im Fall ebenjener Uhrenarbeiterinnen im
waadtländischen Vallée de Joux, wo die Idee zum Frauenstreik
1991 geboren wurde, hat UniaGewerkschaftssekretärin
Camille Golay keine Illusionen: «Der GAV sagt, jede
Uhrenregion kann ihre Mindestlöhne verhandeln. 1991
lag dieser bei 3500 Franken, heute bei 3670 Franken. Das
Problem besteht nach wie vor und hat sich sogar verschlimmert.»
Obwohl in der Region viele grosse Uhrenmarken
angesiedelt sind und die Medianlöhne der Uhrenindustrie
zwischen 2010 und 2016 um ansehnliche 6,7 %
anstiegen, finden sich die tiefsten Löhne in den Manufakturen.
Auch 2019 noch:
Arbeiterinnen weiblich, Werkstattleiter männlich
In der Uhrenindustrie im Vallée de Joux sind Frauen vor
allem als Arbeiterinnen tätig, während die Werkstattchefs
fast alles Männer sind. Dies widerspiegelt auch die Situation
in der Schweizer Gesellschaft, in der 71,8 % der Stellen
mit Bruttolöhnen über 8000 Franken in Männerhand
sind. Hingegen sind 62 % der Arbeitsplätze, bei denen der
Lohn unter 4000 Franken brutto liegt, von Frauen besetzt,
die bei den Niedriglöhnen übervertreten sind. «Bei einer
Umfrage im letzten Jahr haben wir gesehen, dass die Frauen
in der Regel weniger verdienten als die Männer. Eine
Gruppe von Frauen aus der Uhrenindustrie hat einen Forderungskatalog
aufgestellt.» Aber wie soll denn das
Gleichstellungsgesetz angewandt werden, wenn gewisse
Unternehmen es im Arbeitsvertrag untersagen, über den
Lohn zu sprechen, und mit Kündigung drohen, wenn die
Mitarbeitenden es trotzdem tun?, kritisiert Gewerkschafterin
Golay.
Besonders beunruhigend ist aber die Zunahme des
nicht erklärbaren Anteils der Lohndifferenz zwischen
Frauen und Männern, also des Anteils, der nicht durch
Faktoren wie Ausbildungsniveau oder berufliche Stellung
erklärt werden kann. Dieser Anteil ist zwischen 2010 und
2016 von 37,6 % auf 42,9 % gestiegen. In der Branche Druck
betrug der durchschnittliche Lohnabstand zwischen
Frauen und Männern im Jahr 2016 1282 Franken. 65,6 %
davon, also 842 Franken, liessen sich nicht konkret erklären.
Allerdings ist zu sagen, dass diese Branche wirtschaftlich
unter Druck steht. Aber sollen die Frauen dafür den
Preis zahlen?
Selbst dort, wo die Löhne steigen,
lassen sich die Differenzen nicht erklären
Woran liegt es aber, dass Branchen, in denen die Löhne in
den letzten Jahren stark angestiegen sind – beispielsweise
Versicherungen (Anstieg Medianlohn zwischen 2010 und
2016 um +13,7 %), Pharmaindustrie (+10 %) oder Finanzbranche
(+5,8 %) –, die Gelegenheit nicht genutzt haben,
um diese stossenden Ungleichheiten zu beseitigen? In
der chemischpharmazeutischen Industrie betrug der
Lohnabstand zwischen Frauen und Männern 2016 durchschnittlich
10 %, d. h. 1140 Franken. 56 % dieser Differenz,
also 649 Franken, liessen sich nicht erklären. Gleiches gilt
für die Finanz und Versicherungsbranche, wo der Lohnunterschied
zwischen Frauen und Männern mit 4243
Journalistinnen verdienen
1100 Franken weniger als Männer
Es gehört zu den Aufgaben der Medien, über Ungerechtes zu
berichten. Es ist also eine verlogene Bescheidenheit, wenn
jeweils kaum etwas zu erfahren ist über die Ungerechtigkeit
in den eigenen Redaktionen. Beispielsweise, dass Frauen in
medialen Führungsetagen noch viel stärker untervertreten
sind als in anderen Branchen. Und dass sie, durch alle Hierarchiestufen
hindurch, deutlich weniger verdienen als ihre
männlichen Kollegen.
Laut einer Studie der Zürcher Hochschule für angewandte
Wissenschaften von 2016 verdienen Journalistinnen zu
Beginn ihrer Karriere im Durchschnitt 700 Franken weniger
als Journalisten: 4400 Franken bekommen weibliche Redaktions
mitglieder im Monat für ein volles Arbeitspensum, 5100
Franken erhalten Männer in den ersten sechs Jahren ihrer
journalistischen Tätigkeit. Beide liegen damit weit unter dem
Schweizer Medianlohn von 6502 Franken pro Monat.
Noch drastischer sieht es aus, wenn man die Löhne über
alle Hierarchie und Altersstufen hinweg vergleicht: Mit
5100 Franken verdienen die Frauen dann Monat für Monat
1100 Franken weniger als die Männer, die allerdings mit ihren
6200 Franken dem Medienlohn immer noch gut 300 Franken
hinterherhinken.
Mit steigender Berufserfahrung wird die Luft für die
Journalistinnen aber immer dünner. Mit zunehmendem Alter
steigt der Männeranteil in den Redaktionen sprunghaft. Waren
die Frauen zu Beginn ihrer journalistischen Laufbahn mit
54 Prozent noch knapp in der Mehrheit, sind in den Chefetagen
die Männer mit 73 Prozent quasi unter sich. Der Aufstieg
lohnt sich für die wenigen Frauen auch finanziell nicht. Sie
verdienen als Mitglied der Chefredaktion laut Statistik immer
noch gleich viel wie als Ressortleiterin, nämlich durchschnittlich
7200 Franken. Während die Herren Chefredaktoren
im Schnitt 8600 Franken nach Hause tragen.
Die miserablen Löhne wirken weit über die Berufszeit hinaus:
Frauen erhalten auch einen Viertel weniger Rente, weil
sie im Laufe ihrer Berufstätigkeit viel weniger in die 2. Säule
einzahlen konnten.
Ungleich ist bekanntlich auch die Themenverteilung in
den Redaktionen: Sport, Politik und Wirtschaft sind absolute
Männerdomänen. Frauen, die sich trotz männlicher Kommunikationskultur,
finanzieller Herabsetzung und schlechter
Karriereaussichten im Journalismus halten, beackern in der
Mehrzahl Kultur, Gesellschafts und Bildungsthemen. Müssig
zu erwähnen, dass die Löhne in diesen Ressorts (auch für
Männer) nochmals deutlich unter dem Durchschnitt liegen.
Nina Scheu
Franken bei 33,3 % lag, wovon 30,6 %, d. h. mindestens
1297 Franken, nicht erklärbar waren. Der Schweizerische
Versicherungsverband (SVV) bezeichnet dies als «in der
Praxis unverständlich». Eine interne Studie aus dem Jahr
2017 bestätige, dass die unerklärten Lohnunterschiede
zwischen Männern und Frauen im Versicherungssektor
unter der vom Bund festgelegten 5ProzentMarke liegen.
Katja Branger, Verantwortliche für Statistiken zur
Gleichstellung von Frau und Mann beim Bundesamt für
Statistik, überrascht das Paradox der schlechteren Frauenlöhne
in den Branchen mit höheren Löhnen nicht wirklich:
«Es ist möglich, dass einige Sektoren weniger sensibel
auf Lohnunterschiede reagieren als andere. In einigen
Hochlohnbranchen sind die Ungleichheiten grösser.»
Für syndicom wichtig ist auch der nicht unerhebliche
Lohnunterschied zwischen Frauen und Männern in der
Informations und Kommunikationsbranche: 22 %, d. h.
2197 Franken, wovon 800 Franken (36,4 %) nicht erklärbar
waren. In der Deutschschweiz und im Tessin hat die Presse
seit 15 Jahren keinen GAV mehr.
GAV als Garanten der Gleichbehandlung
Gewerkschaftlich besteht eine Möglichkeit zur Sicherung
der Lohngleichheit zwischen Frauen und Männern im Abschluss
von Gesamtarbeitsverträgen. Denn Lohnstandards
gelten für beide Geschlechter. Bei der Post etwa beruht
die Lohnsystematik auf Funktionsbewertungen,
Lohnbändern und der Region. Dies sollte die Lohngleichheit
im Prinzip sicherstellen. 2008 betrug die Lohndifferenz
zwischen Frauen und Männern bei der Post 8,4 %, zusätzlich
war ein Unterschied von 2,7 % nicht erklärbar. Im
öffentlichen Sektor war 2008 ein Abstand von 16,6 % zwischen
Frauen und Männern festzustellen. 6,9 % liessen
sich nicht erklären. 2017 überprüfte die Post erneut die
Einhaltung des Lohngleichheitsprinzips, wofür sie das
Kontrollinstrument des Bundes (Logib) nutzte. Leider
wurde der entsprechende Bericht nicht publiziert, da er
die Kaderlöhne enthielt, nicht aber die Löhne der Personen
mit den höchsten abgeschlossenen Ausbildungen.
«Deshalb erfüllten wir die Anforderungen von Logib nicht
zu 100 %», erklärt Martin Camenisch, Leiter Personalmanagement
bei der Post. In der Zwischenzeit wurden diese
Daten ebenfalls in das System aufgenommen. Somit wird
die nächste Analyse, die derzeit auf Basis der Löhne 2018
mit dem Büro Bass durchgeführt wird, den Anforderungen
von Logib entsprechen.
Der Frauenanteil in Führungspositionen bei der Post
hat zwar zugenommen – von 20,2 % im Jahr 2008 auf 23,5 %
im Jahr 2016 –, ebenso wie der Frauenanteil im obersten
Kader – von 7,7 % im Jahr 2008 auf 12,3 % im Jahr 2016.
Einige Branchen
zögern sehr, diese
Unterschiede zu
verringern.
12
Dossier
Dennoch anerkennt die Post, dass noch viel zu tun ist,
denn in Kaderfunktionen sind nach wie vor mehr Männer
tätig und Vollzeitangestellte werden überdurchschnittlich
häufig befördert. Alle zwei Jahre wird künftig eine
Analyse der Lohngleichheit durchgeführt. Diese betrifft
aber nicht Temporärangestellte, die keinen Arbeitsvertrag
mit der Post besitzen.
Swisscom:
Frauenvertretung im Management verbesserungsfähig
Dasselbe gilt für die Swisscom. Ihr Lohnsystem gemäss
GAV ist darauf ausgerichtet, gleiche Löhne für gleichwertige
Aufgaben und Leistungen zu entrichten. Das Unternehmen
prüft, ob innerhalb der Organisationseinheiten
Unterschiede zwischen Frauen und Männerlöhnen bestehen,
und nimmt bei Bedarf Korrekturen vor. Ebenso
untersucht die Swisscom anhand des Lohngleichheitsinstruments
des Bundes (Logib) periodisch die Lohnstruktur
auf Ungleichheiten. Die bisherigen Untersuchungen
(zuletzt 2016) haben nur geringe Lohnunterschiede an
den Tag gebracht, die deutlich unter der Toleranzschwelle
von 5 % liegen. 2018 waren aber weiterhin grosse Anstrengungen
nötig in Bezug auf den Anteil der Frauen im mittleren
Management (357 Frauen und 2644 Männer) und
vor allem im obersten Management (5 Frauen und 75
Männer). Mittelfristig will die Swisscom den Frauenanteil
im Management auf 20 % erhöhen (heute 11,7 %, weniger
als 2016, als der Frauenanteil noch 12,3 % war). Dazu beteiligt
sie sich an einem Programm der Uni St. Gallen zur
Förderung der Rückkehr der Frauen ins Erwerbsleben (s.
Link unten).
USGProgramm Women Back to Business (englisch):
Bit.ly/2YlY47N
In der grafischen Industrie:
Lohnabstand 16,4 Prozent
Mit einem Lohnabstand zwischen Männern und Frauen von
16,4 % im Jahr 2016 besteht in der grafischen Industrie
grosser Nachholbedarf. Zwischen 2010 und 2016 gingen die
Medianlöhne in dieser Krisenbranche zudem um 4,2 % zurück.
2010 lag der Bruttolohn in der Druckbranche bei 5164
Franken für Frauen bzw. bei 6418 Franken für Männer ohne
Kaderfunktion – ein Unterschied von 19,5 %. Bis 2012 sank
der Abstand auf 17,9 %, bis 2014 auf 14,4 %. 2016 betrug er
wieder 14,8 %, wobei sich die Bruttolöhne für Frauen auf 5120
Franken und für Männer auf 6011 Franken beliefen. Die Lohnungleichheit
verringerte sich vor allem, weil die Löhne der
Männer zurückgingen: Frauen verdienten im Jahr 2016
44 Franken weniger als 2010, Männer 407 Franken weniger.
Erklärungen dafür sind die Einstellung von neuen Mitarbeitenden
oder der Wechsel zu anderen Unternehmen. Da der
GAV nicht allgemeinverbindlich ist, können Unternehmen
tiefere Löhne bezahlen. Ausserdem finden die Lohnverhandlungen
seit jeher auf Betriebsebene und nicht national zwischen
den Sozialpartnern statt, und die Arbeitnehmenden
erhalten nur Brosamen.
Im oberen und mittleren Kader ist der Lohnabstand noch
grösser. Nur die Löhne der Frauen gingen zurück: Während
sie 2010 noch brutto 7111 Franken verdienten (Männer: 8763
Franken), waren es 2016 nur noch 6931 Franken (Männer:
9109 Franken). Bei allen Kadermitarbeitenden verringerte
sich die Lohndifferenz von 22 % im Jahr 2010 auf 16,4 % 2016.
Am 4. Dezember 2018 haben die Sozialpartner deshalb eine
Verpflichtung zur Förderung der Lohngleichheit unterzeichnet,
in deren Rahmen die SelbsttestInstrumente Logib und
Argib zum Einsatz kommen sollen. Mindestens 30 Unternehmen,
die Mitglied von Viscom sind, sollen bis Ende 2021 einen
Selbsttest durchführen. Die zu treffenden Massnahmen
werden in einem Bericht dargestellt. SFR
Dossier
Eine diskriminiert,
wir alle diskriminiert
13
Gleichstellung ist eine Frage elementarer
Gerechtigkeit. Darum ist sie kein Frauenanliegen,
sondern eine zentrale Aufgabe der
Gewerkschaft.
Text: Oliver Fahrni
Bilder: Tom Kawara
Illegal und verfassungswidrig ist es sowieso. Aber wenn
Frauen im Jahr 2019 für dieselbe oder eine gleichwertige
Arbeit nicht selbstverständlich denselben Lohn wie ihre
männlichen Kollegen bekommen, ist dies eine Form sozialer
Gewalt.
Die Frau am Pult neben dir
Denn für die mit jeder diskriminierenden Anstellung wiederholte
Schlechterstellung der Frauen gibt es keinen rationalen
Grund. Einmal abgesehen von der absurden «Rationalität»
des Kapitals, für lebendige Arbeit insgesamt
möglichst wenig Lohn zu bezahlen.
Ein Mann, der die Diskriminierung der Frau neben
ihm als höhere Wertschätzung seiner Arbeit missversteht,
sollte sich fragen, ob sein Lohn wirklich seine ganze Arbeit
abgilt. Hat er noch nie davon gehört, dass in diesem
Wirtschaftssystem der Besitzer, der Aktionär einen Teil
des Wertes, den die Arbeitenden erschaffen, konfisziert?
Der Arbeitgeber bezahlt nur gerade den Lohn, zu dem
ihn die Kräfteverhältnisse zwischen Arbeit und Kapital
zwingen. Logischerweise müsste unser Mann erkennen,
dass die Frau neben ihm nur darum schlechter bezahlt
wird, weil er und die Gesellschaft dies tolerieren.
Bis zum Feminizid
So ist ungleicher Lohn der Ausdruck eines Gewaltverhältnisses,
das viel weiter greift. Er steht für ein umfassendes
Muster in den Beziehungen zwischen den Geschlechtern.
Macht der Mann seinen Blick auf, auch der «neue Vater»,
der ab und an den Kinderwagen schiebt, sieht er, nüchtern
betrachtet, dass mehr Frauen als Männer zu Teilzeitarbeit
und prekären Jobs gezwungen werden. Dass Frauen
weiter den Grossteil der unbezahlten Arbeit leisten (insgesamt
ein Arbeitsvolumen in der Höhe des offiziellen BIP).
Unschwer wird er erkennen, wie wenig in der Schweiz für
die Vereinbarkeit von Beruf und Familie oder eine geschlechtsneutrale
Karriereförderung getan wird. Und
dass häusliche Gewalt, bis hin zum Feminizid, in der Regel
vom Mann ausgeht.
Auch um diese Dinge geht es am Frauenstreik vom
14. Juni.
Die Schweiz steht bei
der Parität abgeschlagen
auf Rang 20.
Diskriminierung, Rollenbilder und Reproduktion
sind ein weites Feld voller Spannungen und in dauernder
Veränderung. Was privat scheint, ist in Wahrheit öffentlich.
Sogar die scheinbar ewigen Formen von Liebe und
Familie passen sich an die gerade herrschende Form des
Wirtschaftens an: Die moderne Kleinfamilie wurde erst
mit der Industriegesellschaft zur Norm. Heute geht der
Zerfall dieser Haushaltsform (mehr Alleinerziehende,
Heli kopterEltern, Patchworkfamilie) wiederum Hand in
Hand mit dem Schwund der lebenslangen Karrieren im
Betrieb, der relativ sicheren Jobs und der sozialen Sicherheit
in der postindustriellen Gesellschaft.
Unterschiede, Ungleichheit, Ungerechtigkeit
Was richtet die Diskriminierung der Frauen mit uns allen
an? Und warum ist das Ringen um Gleichstellung für die
Gewerkschaft ein zentrales Anliegen?
Kein Mensch will Gleichmacherei. Unterschiede sind
das Salz der Existenz. Doch nur so lange, als sie keine
scharfen Ungleichheiten zwischen Gruppen oder zwischen
Einzelnen legitimieren. Denn ungleicher Zugang
zu Wissen und Bildung, zu Nahrung, Gesundheitsversorgung
und öffentlichen Diensten, Ungleichheiten beim
Einkommen, bei der Sozialversicherung, bei der körperlichen
Unversehrtheit verringern die Chancen, ein Leben
14
Dossier
108 Jahre wird es
dauern, bis die Parität
global erreicht ist.
selbständig zu gestalten. Damit beschädigen diese
Inegali täten auch den sozialen Zusammenhalt.
Ungleiche Gesellschaften sind deshalb ärmer, krimineller,
kränker und psychotischer als egalitäre. So ist etwa
die Lebenserwartung in den sehr ungleichen USA um viele
Jahre kürzer als im egalitäreren Japan.
Neoliberale behaupten, die Ungleichheit schaffe wirtschaftliche
Dynamik, weil sich die Benachteiligten dann
besonders anstrengten. Selbst dies hält der Realität nicht
stand. Alle Indikatoren, etwa die Zahl eingereichter Patente,
beweisen: Länder, die sich um soziale Sicherheit, gerechte
Steuern und Lohngleichheit bemühen, sind auch
ökonomisch dynamischer.
Die soziale Frage ist zurück
Uns Gewerkschafterinnen und Gewerkschafter überrascht
das nicht. Wir ringen seit 200 Jahren um Gerechtigkeit
und Solidarität, weil wir wissen, wie eng das private
Glück von Gerechtigkeit und öffentlichem Wohlergehen
abhängt. Heute ist das gültiger denn je. Eine aktuelle Studie
der OECD belegt, dass die Einkommen von 60 Prozent
der Menschen in kapitalistischen Ländern seit 30 Jahren
rückläufig sind. Auch die Lebenschancen sind massiv ungleicher
verteilt. Die soziale Frage ist akut, in Kombination
mit dem Ökologieproblem, das zuerst die Benachteiligten
trifft. Darum sind wir Gewerkschaften als stärkste
organisierte soziale Kraft jetzt brennend gefordert.
Eine Erkenntnis sollte uns dabei leiten: Zwischen Ungerechtigkeiten
gibt es keine Hierarchie. Wann immer ein
Teil der Gesellschaft diskriminiert wird, treffen die ungerechten
Verhältnisse alle. Das gilt besonders, wenn die
Hälfte der Gesellschaft diese Diskriminierung erleidet.
Darum ist die Gleichstellung der Frau kein Frauenanliegen.
Von Schweden lernen
Nur in sechs Ländern weltweit, hat die Weltbank ermittelt,
sind die Frauen vor dem Gesetz völlig gleichberechtigt.
Die Schweiz ist nicht darunter (es sind Schweden, Belgien,
Dänemark, Frankreich, Lettland und Luxemburg).
Überhaupt hat die Schweiz eine schlechte Bilanz. Im
neuesten Report des WEF zur Parität weltweit («Global
Gender Gap Report 2018») steht die Schweiz auf Rang 20
– weit hinter den nordischen Ländern und sogar Staaten
wie Ruanda. In Sachen «Gesundheit und Überleben» stehen
wir sogar erst auf Rang 108. Bei den wirtschaftlichen
Chancen: an 34. Stelle, und beim Unterschied im Bildungsstand
weist das WEF den schlimmen Rang 80 aus.
Ein Desaster.
Weltweit kommt die Gleichstellung nur langsam voran.
Beim diesem Schleichtempo erwartet das WEF die globale
Parität in ... 108 Jahren. In Westeuropa in 61 Jahren,
in den USA in 165 Jahren.
Skandinavien führt in fast allen Studien und Statistiken
(Uno, EU, WEF und andere) das Ringen um Gleichstellung
an. Schweden, dass sich rühmt, «die erste feministische
Regierung der Welt» zu haben, weihte 2018 in
Göteborg eine Behörde für die Gleichstellung von Frauen
ein. Frauenministerin Åsa Regnér, Sozialdemokratin,
sieht darin den logischen nächsten Schritt in einer «jahrelangen,
gezielten Arbeit: Die Regierung will, dass Frauen
und Männer die gleichen Möglichkeiten haben.»
480 Tage Elternzeit
Der Blick nach Norden lohnt. Die Hälfte der schwedischen
Regierung sind Ministerinnen und im Parlament
halten die Frauen 44 Prozent. Ebenso vier von zehn Führungspositionen
in der Wirtschaft. Dort arbeiten viel
mehr Menschen Teilzeit, nicht nur Frauen. Eltern sind
480 Tage Elternzeit zugestanden. Neun von zehn Männern
nutzen sie. Wann macht der Bundesrat sein «Schulreisli»
nach Stockholm?
GenderGapReport 2018 des WEF (englisch):
bit.ly/2VCfvAi
Fotostrecke
Der Zürcher Fotograf Tom Kawara hat die Bilder für unser
Dossier zur Gleichstellung am 1. Mai am Ufer der Limmat aufgenommen.
Vom Tag der Arbeit in Zürich stammen auch die
Fotos zu Beginn unserer Umfrage (Seiten 8–9) sowie auf der
Seite 11 und das kleine Bild neben dem Inhaltsverzeichnis.
Das Titelbild wurde ebenfalls an diesem Anlass fotografiert.
Tom Kawara, geboren 1963 in Liestal, ist in der Schweiz und
in Japan aufgewachsen. Nach der Matura in Davos erlangte
er 1987 ein ETHDiplom in Verhaltensbiologie. Seither arbeitet
er hauptberuflich als freier Fotograf, unter anderem fast
30 Jahre für den Tages-Anzeiger. Unterdessen interessiert er
sich mehr für Langzeitprojekte, zurzeit arbeitet er an einem
Buch über Sternenberg. Den Leserinnen und Lesern des
syndicomMagazins, für das er regelmässig tätig ist, dürfte
er gut bekannt sein.
15
Die Schweiz ist schlimmer als ihre Nachbarn
Die Rangierung der Schweiz im Paritätsindex des Weltwirtschaftsforums.
Alle Faktoren zusammen ergeben die Indexzahl.
Wäre sie 1, würde das vollständige Parität bedeuten.
Tieflöhnerinnen
Lohnverteilung nach Lohnklassen und Geschlecht.
Netto Monatslohn in Franken, öffentlicher und privater Sektor
zusammen, 2016.
25%
Männer
Frauen
20%
15 %
10 %
2.
Norwegen
1. 3.
Schweden
Island
5%
0%
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20
Finnland: 0.821
Schweiz: 0.755
Schweden: 0.822 Grossbritannien: 0.774
Norwegen: 0.835
Deutschland: 0.776
Island: 0.858
Frankreich: 0.779
Quelle: Global Gender Gap Report 2018, Top 10 of Global Gender Gap Index, Western Europe
Lohnunterschiede Mann/Frau nach Branchen
Davon unerklärte Lohnunterschiede: schraffierter Bereich.
In Franken.
Privatwirtschaft Total
657
Detailhandel
702
Quelle: Privater Sektor, Schweiz 2016. Lohnstrukturerhebung, gerechnet durch das Département
d′économie quantitative, Universität Freiburg und das Büro BASS, Bern
Quelle: BfS
1074
1532
Finanzdienstleistungen, Versicherungen
Information, Kommunikation
Gastronomie, Hotellerie
327 407
Lebensmittelindustrie
856 1251
Druck, Repro
1282
Textilindustrie, Bekleidung
1503
Chemie, Pharma
649
1140
Maschinen, Ausrüstungen
1834
2197
4243
53h
Durchschnittlich leisten
Mütter 53 Arbeitsstunden
pro Woche in Haushalt und
Kindererziehung – die Väter
nur gerade 29 Stunden.
0–1000
1001–2000
2001–3000
3001–4000
Quelle: BFS 2018, Lohnstrukturerhebung
4001–5000
5001–6000
Beschäftigungsgrad 2018
41%
Nur etwas mehr als 4 von
10 lohnarbeitenden Frauen
haben eine Vollzeitstelle
(90 bis 100%),
Aber mehr als 8 von 10 Männern (82%). Umgekehrt
haben nur 7% der beschäftigten Männer einen
Beschäftigungsgrad unter 50%. Bei den Frauen
beträgt dieser Anteil 24%.
70%
60%
50%
40%
30%
20%
10%
Männer
Vollzeitarbeitende
Teilzeit 50–80%
11%
Teilzeit unter 50%
7%
62,4%
37,6%
Frauen
Unerklärliche Lohnunterschiede
In der privaten Wirtschaft steigen die unerklärten Lohndiskrepanzen
zwischen Mann und Frau
59,1%
40,9%
24%
35%
60,9%
39,1%
41%
2010 2012 2014 2016
Quelle: Schweizerische Lonhnstrukturerhebung. Gerechnet durch das Département d′économie quantitative,
Universität Freiburg und das Büro BASS, Bern
6001–7000
Quelle: BFS, Schweizerische Arbeitskräfteerhebung (SAKE)
57,1%
42,9%
7001–8000
8001–9000
9001–10000
10001–11000
11001–12000
82%
Erklärte
Lohnunterschiede
Unerklärte
Lohnunterschiede
12001–13000
16
Eine bessere
Arbeitswelt
Alle zum Frauenstreik
am 14. Juni!
In nur zwei Wochen findet der Frauenstreik
2019 statt. Lassen wir dieses Datum
die gleiche Durchschlagkraft haben
wie vor 28 Jahren, als eine halbe
Million Frauen gestreikt haben. Fordern
wir endlich ein, was den Frauen
schon lange zusteht! Nehmen wir
zahlreich am Frauenstreik 2019 teil!
Am Arbeitsplatz, auf der Strasse!
Mach mit! Du kannst ein Zeichen
setzen in deinem Betrieb. Hast du eine
tolle Idee und ein paar Kolleginnen,
die mitmachen würden? Brauchst du
noch Ideen für eine Aktion? Willst du
auch an einem Anlass in deiner Region
mitwirken? Dann melde dich bei
uns mit einer Mail an gleichstellung@
syndicom.ch!
Die Frauenstreik-Materialien Foulard,
Pin, Fahnen und Flyer kannst du
via syndicom.ch/frauenstreik bestellen.
Mach ein Foto mit dem Foulard
und lade es mit deinem Grund, warum
du streikst, auf Facebook, Twitter und
Insta gram hoch, unter dem Hashtag
#syndicom_frauen streik19.
Ich freue mich auf dich am 14. Juni!
Patrizia Mordini, Mitglied der GL
Lasst uns dieses Datum unvergesslich machen! (© Demir Sönmez)
Frauenstreik bei syndicom:
Bit.ly/2SzLKNG
Mehr Zeit. Für alle.
Die Schweiz ist ein Land der Teilzeitarbeit.
Das hört sich zunächst toll an. Oft
wird jedoch vergessen, dass mit einem
niedrigeren Pensum negative Effekte
einhergehen können: niedrigere Ansprüche
bei den AHV-, Pensionskassen-
und Invalidenrenten und der Arbeitslosenversicherung.
Hinzu kommen bei tieferen Arbeitspensen
tiefere Aufstiegschancen
und schlechtere Aussichten auf Führungs-
und Entscheidungspositionen,
was sich wiederum im Portemonnaie
und in den Sozialversicherungsansprüchen
niederschlägt.
Unter den Berufstätigen arbeiten
deutlich mehr Frauen Teilzeit. Frauen
verkürzen ihre Arbeitszeit grösstenteils
familienbedingt. Erziehungs-,
Haushalts- und Pflegearbeit werden
demnach immer noch vorrangig den
Frauen zugeschrieben und so veraltete
Rollenbilder zementiert. Doch auch
Männer wollen sich für die Familie
engagie ren, eine Neudefinition des
Normalarbeitsverhältnisses ist unumgänglich.
Die alte, männliche Voll zeitnorm
muss ersetzt werden.
Von kürzeren Normalarbeitszeiten
bei gleichem Lohn würden alle profitieren.
Es bietet eine Chance, die alten
Rollenbilder zu verwerfen, wenn die
Arbeitszeitverkürzung durch einen gesellschaftlichen
Sensibilisierungsprozess
begleitet wird. Hinzu kommt:
Eine Arbeitszeitverkürzung ist angesichts
der Steigerung der Arbeitsproduktivität
der letzten Jahre eine angebrachte
Forderung.
Miriam Berger,
Fachsekretärin ICT
«Auch im ICT-Sektor nehmen Frauen eher hierarchisch niedrigere
und weniger gut bezahlte Positionen ein.» Miriam Berger
17
Gleichstellung: Auch in der ICT
besteht Handlungsbedarf
Eine Umfrage vom März zeigt: Die ICT ist immer noch eine
Männerbranche – 400 Beschäftigte wollen Veränderung.
Die ICT-Branche ist eine männerdominierte
Branche: Mit 23 Prozent sind
Frauen stark untervertreten. Während
in sogenannten Frauenbranchen oft
schlechtere Lohn- und Arbeitsbedingungen
herrschen, ist in «Männerbranchen»
das Gegenteil anzutreffen.
Die ICT-Branche bestätigt diese Tendenz:
Die Löhne sind im Vergleich zwischen
den Branchen deutlich höher.
Doch wie gestalten sich die Bedingungen
innerhalb der Branche, gibt es Unterschiede
zwischen verschiedenen
Gruppen von Beschäftigten?
Vor dem Hintergrund dieser Fragestellung
und als Vorbereitung für den
Frauenstreik vom 14. Juni haben wir
im März in der ICT-Branche eine Online-Umfrage
durchgeführt. Hierbei
interessierten uns die Themenbereiche
Vereinbarkeit von Familie und Beruf,
Verteilung von Teilzeitarbeit,
Frauen in Führungs- und Entscheidungspositionen,
Lohngleichheit sowie
Belästigung/Diskriminierung.
Familie und Beruf? Schwierig!
Für Frauen ist in der ICT-Branche
noch lange nicht alles gut geregelt.
Denn über zwei Drittel der Antwortenden
finden es schwierig, Familie und
Beruf zu organisieren, ohne dass der
eine oder andere Bereich zu kurz
kommt. Dazu kommt der Umstand,
dass mehr Frauen als Männer Teilzeit
arbeiten. Auch unter den Antwortenden
lässt sich dieser geschlechterspezifische
Unterschied feststellen. Dies
lässt sich erwiesenermassen darauf
zurückführen, dass Frauen ihr Pensum
häufig reduzieren, um mehr Sorge-,
Haushalts- und Pflegearbeit zu
verrichten.
Schockierende Lohnungleichheit
Vergleichen wir die Antworten zur Vereinbarkeit
mit den Antworten zur
Lohn ungleichheit, so stellen wir eine
noch höhere Relevanz der Lohnungleichheit
fest: Während 69 % die Vereinbarkeit
von Beruf und Familie als
Problem erkennen, erzielt die Lohnungleichheit
einen noch höheren
Wert. 82 % der Antwortenden empfinden
den Umstand als störend oder sogar
sehr störend, dass Frauen branchenübergreifend
rund einen Fünftel
weniger verdienen als Männer.
Viel zu viel sexuelle Belästigung
Erschreckend waren die Ergebnisse
beim Thema Belästigung: Über 60 %
der Antwortenden haben bereits sexuelle
Belästigung erlebt. Ein gutes Arbeitsklima
und eine gute Betriebskultur
wären aber umso wichtiger, wenn
eine Gruppe untervertreten ist. Besonders
schädigend und auch ein Treiber
von sexueller Belästigung kann die
Untervertretung von Frauen innerhalb
von Führungsstrukturen und die
Diskriminierung in Machtverhältnissen
sein. Erfolgen die sexuellen Belästigungen
durch hierarchisch höher
positionierte Mitarbeitende, so kann
dies für die Betroffenen zusätzlich zu
Nachteilen im Arbeitsalltag führen.
Die gläserne Decke
In diesem Zusammenhang ist das
Phänomen der gläsernen Decke zu
nennen, welche nicht nur die soeben
erwähnten Effekte nach sich ziehen
kann, sondern letztendlich einen verstärkenden
Effekt auf Lohnungleichheit
und Zementierung von Rollenbildern
ausübt.
Gut 55 % der Antwortenden nehmen
auch in ihrem Betrieb den Effekt
der gläsernen Decke wahr, wobei die
Mehrheit der Antwortenden diesen als
störend empfindet. Wenn auf den
Chefetagen der Branche nicht proportional
ebenso viele Frauen wie in der
Gesamtpopulation der Branche zu finden
sind, dann läuft etwas schief.
Frauenstreik für die ICT-Branche
Auch in der ICT-Branche sind Frauen
eher in hierarchisch tieferen Positionen
und weniger gut bezahlten Bereichen
zu finden. Die Anliegen der Frauen
in der Branche sind durch die
Umfrage klar zutage getreten. Umso
wichtiger ist es nun, dass die Frauen
und die Unterstützer der Gleichstellung
in der Branche am Frauenstreik
vom 14. Juni anwesend sein werden,
um diesen Anliegen Nachdruck zu verschaffen.
Die Gleichstellung der Geschlechter
und das Aufbrechen von
althergebrachten gesellschaftlichen
Rollenbildern kommt schliesslich allen
zugute.
Miriam Berger,
Fachsekretärin Sektor ICT
syndicom-Frauenstreik: Bit.ly/2DwUYWc
Resultate der Umfrage: Bit.ly/2DwW3NW
Aus der Umfrage zur Gleichstellung in der ICT-Branche
«20 % Gender Pay Gap: Empfindest du diesen Umstand als
störend?»
«Familie und Beruf unter einen Hut zu bringen, ist gar nicht so
einfach: Trifft die Aussage auf dich zu?»
11317654z 36331786z
Ja 82 % Ja 69 %
Stört mich gar nicht 11 %
Stört mich wenig 3 %
Stört mich etwas 17 %
Stört mich sehr 65 %
Keine Angabe 4 %
Trifft voll zu 36 %
Trifft eher zu 33 %
Trifft weniger zu 17 %
Trifft gar nicht zu 8 %
Keine Angabe 6%
18 Arbeitswelt
«Dieser Trend zur Flexibilität muss durch strengere
Regeln im zukünftigen GAV gebremst werden.» Matthias Loosli
ZustellerInnen am Limit
auch im Kanton Waadt
Am 14. Februar hatte syndicom bei der
Generaldirektion von PostMail in
Neuenburg ein Mandat mit über 300
Unterschriften eingereicht. Es verlangte
die sofortige Aufnahme von
Verhandlungen über die Arbeitsbedingungen
der ZustellerInnen im
Jurabogen.
Denn diese sind unzumutbar geworden:
Die ZustellerInnen leisten
fast grenzenlos Überstunden und unter
Bedingungen, die ihre Gesundheit
gefährden. Eine im 2018 durchgeführte
Umfrage von syndicom bei zirka
Die Petition im Jura hat sich gelohnt. (© syndicom)
tausend ZustellerInnen bestätigte
dies. 94 Prozent der Teilnehmenden
wiesen Ende 2017 einen Überstundensaldo
aus. Das Problem besteht
also schweizweit. Grund dafür ist die
personelle Unterbesetzung.
Erstes Treffen zwischen syndicom
und PostMail
Die Petition im Jurabogen hat Wirkung
gezeigt: Im März fand ein erstes
Treffen zwischen syndicom und Post-
Mail statt. PostMail sicherte dabei zu,
auf ein nächstes Treffen hin die Fakten
aufzuarbeiten. Auf diesen Grundlagen
soll dann nach Lösungen gesucht
werden. Bereits sammelt
syndicom in anderen Regionen der
Westschweiz Unterschriften mit denselben
Forderungen (Distributionsregionen
Renens, Yverdon oder La Côte).
Matthias Loosli
Keine Arbeit auf Abruf bei
PostLogistics!
Arbeitgebende versuchen das Unternehmensrisiko auf die Mitarbeitenden
abzuschieben. Ein Beispiel aus dem Post-Konzern.
Ein klassischer Fall von Arbeit auf Abruf.
Dieses System ist unzulässig und
mit dem geltenden Gesamtarbeitsvertrag
(GAV) nicht zu vereinbaren.
Der GAV regelt klar und deutlich,
dass Einsatzpläne 14 Tage im Voraus
bekannt gegeben werden müssen. Der
neue Postchef Roberto Cirillo höchstpersönlich
musste als eine seiner ersten
Amtshandlungen vor die Medien
treten und das Projekt stoppen. Der
Postkonzern strebt seit Jahren verstärkt
nach Flexibilität bei den Arbeitseinsätzen
der Mitarbeitenden.
Das zeigt sich in unterschiedlichen
Ausprägungen der Arbeit auf Abruf:
zum Beispiel bei Reservediensten bei
PostAuto, beim geschilderten Fall des
flexiblen Arbeitsbeginns bei Post-
Logis tics oder in kurzfristigen Änderungen
der Einsatzpläne bei PostMail.
Im April berichteten Deutschschweizer
Medien über ein Projekt von Post-
Logistics. Den Mitarbeitenden der
Distributionsbasis Mägenwil AG sollte
der Arbeitsbeginn für die Abendzustellung
lediglich ein paar Stunden im
Voraus mitgeteilt werden. Die ZustellerInnen
hätten sich täglich um die
Mittagszeit über eine App informieren
müssen, um welche Zeit sie zur Arbeit
erscheinen müssen. Vielleicht würden
sie dann auf 14.30 Uhr aufgeboten, es
könnte aber auch erst 16.30 Uhr sein:
Planungsunsicherheit
ist gesundheitsschädigend
Eine syndicom-Umfrage von 2018 bei
BriefträgerInnen von PostMail bestätigte:
Die Planungsunsicherheit
nimmt zu. JedeR Vierte erhält die Einsatzpläne
lediglich eine Woche im Voraus
oder gar erst in der Einsatzwoche
selbst. Das führt zu Konflikten für Personen
mit familiären Verpflichtungen.
Teilzeit-Angestellten macht es
Schwierigkeiten, eine zweite Stelle zu
finden, damit sie das gewünschte Arbeitspensum
erreichen. Planungsunsicherheit
bewirkt Stress und schadet
der Gesundheit.
Verbindlichere Regeln schaffen
Der Wettbewerbsdruck in der Logistikbranche
ist derart hoch, dass die
Arbeit gebenden mit flexiblen Arbeitseinsätzen
versuchen, das Unternehmensrisiko
auf die Mitarbeitenden
abzuschieben. Diese einseitige Entwicklung
müssen die Gewerkschaften
aufhalten. Bei der Post und ihren Subunternehmen
wird syndicom bei den
anstehenden Verhandlungen zum
GAV bemüht sein, diese Tendenzen
einzudämmen durch noch verbindlichere
Regeln.
Matthias Loosli
Der GAV bestimmt, dass Einsatzpläne 14 Tage im Voraus angekündigt werden. (© Die Post)
Zum neuen Post-Chef:
Bit.ly/2IQRUYG
«Wir kommen nur weiter, wenn wir die alten, binären Rollenmodelle
überwinden. Frauenstreik in die Medien.» Stephanie Vonarburg
19
Frauenstreik: Ausstellung,
Anlässe und Forderungen
Bei der Post wird eine Wanderausstellung in Bern starten,
während die Post-Angestellten auch am Schalter am 14. Juni
das syndicom-Foulard und den Pin tragen können.
Wir stecken mitten in den Vorbereitungen
zum Frauenstreik vom 14. Juni
2019! Am 8. März, dem internationalen
Frauentag, hat der Gewerkschafts-Auftakt
stattgefunden: In
Bern mit einem Kinoanlass zum
Frauen streik 1991 und dem Umzug
auf die Bundesterrasse mit etwa 200
Frauen. Am 10. März versammelten
sich über 500 Frauen im Bieler Volkshaus
zum nationalen Auftakt aller regionalen
Komitees und der diversen
Organisationen und verabschiedeten
das gemeinsame Manifest.
Unsere Forderungen
syndicom hat entlang dem SGB-Slogan
zum Frauenstreik «Mehr Lohn,
Zeit und Respekt!» eigene Forderungen
formuliert. Wir fordern faire Löhne
und Lohngleichheit. Damit alle
Frauen den ihnen zustehenden Lohn
erhalten. Wir fordern mehr Zeit und
Geld für Betreuungsarbeit. Frauen arbeiten
zumeist in Teilzeitanstellungen,
weshalb wir auch für sie gute Karrierechancen
fordern. Dazu braucht
es Massnahmen, welche die Vereinbarkeit
für alle möglich machen. Wir
fordern Respekt am Arbeitsplatz und
tolerieren weder sexuelle Belästigung
noch Mobbing am Arbeitsplatz.
Aktivitäten
In ausgewählten Branchen werden
Aktivitäten geplant und organisiert.
Spruchreif ist beispielsweise die Ausstellung
«Meilensteine der Gleichstellung
und aktuelle Forderungen» bei
der Post. Eine Woche vor dem 14. Juni
wird diese Ausstellung in der Eingangshalle
der Zentrale Post Wankdorf
(Bern) eröffnet. Dann wird sie an
andere Standorte wandern. Die
Post-Angestellten können am 14. Juni
das neue syndicom-Foulard und den
Pin tragen, auch am Schalter und zur
Uniform.
Im Sektor ICT wurde eine Umfrage
zur Gleichstellung durchgeführt, um
mittel- bis langfristig die Anliegen, wo
der Schuh drückt, angehen zu können
(siehe S. 17). Im Sektor Medien arbeiten
Mitglieder an einem Gleichstellungs-Manifest
für Medienschaffende,
Aktivitäten werden aufgegleist,
auch in den Buchhandlungen.
Regionale Anlässe
Die von regionalen Komitees organisierten
regionalen Anlässe am 14. Juni
sind auf der Frauenstreik-Webseite zu
finden (s. unten).
Hier ein kurzer Überblick: Bern: ab
Mittag auf dem Bundesplatz, 17 Uhr
Umzug vom Bundesplatz aus (Stände,
Konzerte etc.). Zürich: ab Mittag auf
dem Helvetiaplatz, 17 Uhr Demo Landesmuseum
– Helvetiaplatz (Stände,
Konzerte). Neuchâtel: Soirée repas
collective et musique. Lausanne:
18 Uhr Grande manif Place St François.
Basel: Theaterplatz reserviert, Brunnen
zur faulen Magd wird aufgeheizt.
Burgdorf: 17 Uhr, Details folgen.
Weitere Aktionen sind geplant in
Aar au, Fribourg, Schwyz, Appenzell
Innerrhoden und Ausserrhoden sowie
im Tessin.
Patrizia Mordini
Ablauf mit Fixpunkten
am 14. Juni 2019 am Beispiel von
Bern (Post Wankdorf)
11.00 Uhr
Schweizweite «Protest-Pause»,
gemeinsam mit deinen Kolleginnen
(in der Mensa treffen, Lärm
machen, Flyer verteilen, Foulard
und Pin tragen)
Mittag
Imbiss beim Betrieb
15.30 Uhr
Spezifische Aktivität beim Betrieb:
Besuch der Ausstellung «Meilensteine
der Gleichstellung und
aktuelle Forderungen»
16.45 Uhr
Versammlung und Aktion am
regio nalen Anlass: Fest mit Umzug
auf dem Bundesplatz
Unser gemeinsames Manifest:
Frauenstreik2019.ch
Unser Leitfaden für
eine Berichterstattung
ohne Sexismus
Stephanie Vonarburg leitet die Branche Presse
und elektronische Medien und ist Mitglied der GL.
Wenn Medienschaffende Politik und
Wirtschaft beobachten, beschreiben,
hinterfragen, dient dies auch der Kontrolle
der Macht. Leider tendieren die
selber mächtigen Medien dazu, bestehende
männliche Machtstrukturen
abzubilden und fortzusetzen. Manchmal
mit dem Schlaghammer und ohne
Rücksicht auf Persönlichkeitsrechte.
Oft unauffälliger: Wenn es vor Wahlen
darum geht, über Kandidierende zu
berichten, ziehen Frauen den Kürzeren.
Sie bekommen weniger Platz und
Aufmerksamkeit, auch in Wissenschaft,
Kultur und Sport. Die Untervertretung
der Frauen zementiert die
alten Machtstrukturen.
Subtiler und noch schwieriger zu
bekämpfen ist die Diskriminierung
durch stereotype Darstellung als
schwächeres Geschlecht, als ihren
Gefühlen ausgelieferte Wesen. Unter
klischeehaften Messgrössen leiden
auch Männer, die sich mit den tradierten
Rollenmodellen immer weniger
identifizieren und abfinden wollen.
Die Gesellschaft kommt nur weiter,
wenn sie die binären Rollenmodelle
überwindet. Als Gewerkschaft
setzen wir uns auch für eine lebenswerte
Gesellschaft ein. Unser Leitfaden
für gendergerechte Berichterstattung
in den Medien gibt Tipps, um aus
der ungerechten und langweiligen
Diskriminierungsfalle herauszukommen.
Der Frauenstreik erfasst auch
die Medien.
Stephanie Vonarburg
Bit.ly/2XkwNlB
20 Arbeitswelt
«Ich möchte nicht länger in einer Gesellschaft leben,
die Frauen und Männer ungleich behandelt.» Dominik Fitze
Männer und Frauenstreik
Männergruppen organisieren Aktionen, z. B. zum Schutz der
Kinder derer, die an diesem Tag demonstrieren.
Als junger Gewerkschafter werde ich
derzeit oft gefragt, ob ich diesen Frauenstreik
unterstütze. Ich antworte
stets mit einem vorbehaltlosen Ja.
Denn ich möchte nicht länger in einer
Gesellschaft leben, die Frauen und
Männer ungleich behandelt. Darunter
leiden auch wir Männer.
In der Gleichstellung ist die
Schweiz vielfach in den 1950er-Jahren
steckengeblieben. Frauen verdienen
weniger, Väter erhalten zur Geburt ein
bis zwei Tage frei und sollen gleich danach
wieder Vollzeit arbeiten, während
die Mutter erst mal zu Hause
bleibt. Sicher gibt es auch Fortschritte:
Gesamtarbeitsverträge gewähren
zwei oder mal vier Wochen Vaterschaftsurlaub,
langsam gibt es Massnahmen
gegen Lohnungleichheit.
Viele Paare probieren, Kinder
gleichberechtigt grosszuziehen. Bald
merken sie, dass es nicht so einfach
funktioniert: Wird das Kind krank,
bleibt selten der Vater daheim (der
Chef würde das nicht mögen). Frauen
reduzieren ihr Arbeitspensum, während
sich Männer, die 90 % arbeiten,
abfeiern, als hätten sie gerade zugunsten
einer Frau auf einen Bundesratssitz
verzichtet. Und logisch: der Herr
verdient einfach mehr. Kindererziehung
bleibt den Frauen überlassen.
Und überhaupt: Man hat es schon immer
so gemacht.
Es gibt noch ganz viele Beispiele,
was immer noch schlecht läuft. Der
Grund: Unsere Gesellschaft hat an
Frauen und Männer ganz andere Erwartungen,
die sie in die Rollen als Familienfrau
und Berufsmann drängen.
Es muss sich etwas ändern!
In dieser Gesellschaft will ich nicht
weiter leben. Ich will nicht in diese
Rolle als Haupternährer gedrängt werden,
wenn ich einmal Kinder habe.
Und sowieso ist klar: Es ist inakzeptabel,
dass Frauen für die gleiche Arbeit
weniger verdienen. Auch darum engagiert
sich syndicom im Frauenstreik,
erkämpft fortschrittliche GAV und hat
auch schon männlichen Mitarbeitenden
eine Arbeitszeitreduktion zur Kinderbetreuung
ermöglicht.
Also unterstütze ich den Frauenstreik,
wie ich kann. Männer dürfen
nicht vergessen: Am 14. Juni geht es
nicht um uns, sondern um die Frauen
und ihre Forderungen. Wenn diese
umgesetzt werden, profitiert die ganze
Gesellschaft – auch wir Männer.
Wie können wir den Frauenstreik
unterstützen? Wir können uns solidarisch
zeigen und aufhören, anzuzweifeln,
dass der Frauenstreik etwas
bringt, oder aufhören, uns gegen einzelne
Forderungen zu stellen (wie im
Moment viele meiner Freunde es hinter
vorgehaltener Hand tun).
Und wir können mithelfen, wo es
uns braucht. Indem Väter sich am
14. Juni um die Kinder kümmern –
oder sogar die FreundInnen ihrer
Kinder zu sich einladen, damit ihre
Mütter auch mitmachen können.
Oder indem wir bei den Aktionen helfen.
An vielen Orten gibt es solidarische
Männergruppen. Wenn du konkret
am 14. Juni mithelfen möchtest,
kannst du dich im Raum Bern wenden
an soli@frauen-streiken.ch, im Raum
Zürich an 14.juni-unterstuetzen-zh@
immerda.ch. Für Fragen und alle andern
Regionen meldest du dich am
besten gleich bei mir.
Dominik Fitze
Unser Banner für den Frauenstreik am Zentralsekretariat in Bern. (© syndicom)
Kontakt:
gleichstellung@syndicom.ch
Salt droht und kürzt
Löhne
Schon vorher war der Druck auf das
Verkaufspersonal in den Salt-Shops
gross. Zum Fixlohn kam ein variabler
Anteil hinzu, der von der Verkaufsmenge
abhing. So konnten Angestellte
in gut laufenden Salt-Shops rund
4600 Fr. verdienen. Doch Salt schien
das schon zu viel und präsentierte
dem Verkaufspersonal kurz vor Ostern
neue Verträge. Wer nicht unterschreiben
wolle, dem drohe die Kündigung.
Das schrieb Salt vorsorglich
im Brief, in dem die Änderungskündigung
bekannt gemacht wurde. Neu
sollen sie einen höheren Fixanteil von
4000 Franken erhalten, aber die variable
Lohnkomponente ist so gestaltet,
dass die Mitarbeitenden mit signifikanten
Lohneinbussen rechnen.
Hinzu kommt, dass die Ziele nicht
mehr im Team erreicht werden können,
sondern jeder allein für sich wirtschaftet.
So wird ein Klima des Misstrauens
gefördert. Wenn nicht mehr
die Leistung des gesamten Teams
zählt, steigt der Druck auf die Einzelnen.
Das Miteinander droht in einen
Kampf aller gegen alle zu zerfallen.
Doch was die Kolleginnen und Kollegen
vor allem stört, ist der Umgang.
Da war einerseits die Kündigungsdrohung.
Dann kam die schludrig verfasste
Änderungskündigung: Salt setzte
als Kündigungsfrist den 31. Juli 2018.
Ein offensichtlicher Fehler, der jedem
aufmerksamen Leser auffallen müsste.
Zuletzt versucht Salt sogar die gesetzlichen
Bestimmungen zum Nachteil
der Mitarbeitenden zu umgehen.
So müsste Salt zumindest während
der Kündigungsfrist an den bisherigen
Bestimmungen festhalten. Die
neuen Bestimmungen können erst
nach Ablauf der Kündigungsfrist eingeführt
werden. Daran will sich Salt
nicht halten und versucht, das neue
Modell per sofort einzuführen.
syndicom ist mit betroffenen Mitarbeitenden
in Kontakt und wird mit
ihnen die kommenden Schritte planen.
Das Beispiel zeigt, wie notwendig
ein GAV bei Salt ist.
Christian Capacoel
«Öffentliche Betriebe sollen nicht Gewinne erzielen.
Sie sollen einen Dienst zur Verfügung stellen.» Graziano Pestoni, SGB Ticino
21
Moratorium: eine neue Offensive
«Stopp dem Abbau von Postdienstleistungen, dem Verlust von
Arbeitsplätzen und der Verschlechterung der Arbeitsbedingungen!»
Mit einem Appell an die neue UVEK-Vorsteherin Simonetta
Sommaruga fordern die MitarbeiterInnen von RetePostale Ticino
ein sofortiges Moratorium für die Schliessung von Poststellen.
Umstrukturierungen, Forderungen
nach immer mehr Flexibilität, Unsicherheit
über die Zukunft – die Mitarbeitenden
von RetePostale stehen unter
Druck. Wenn sie den Arbeitsplatz
verlieren, bedeutet das bei der derzeitigen
wirtschaftlichen Lage im Tessin:
Arbeitslosigkeit und sogar Sozialamt.
Auch wenn von den bis 2020 geplanten
48 Schliessungen bis heute
nur 15 Poststellen betroffen sind, besteht
für weitere 33 die Gefahr, nächstes
Jahr zu verschwinden.
Die Post spielt falsch
Bis jetzt konnte im Tessin der Poststellen-Schwund
teilweise von der Bevölkerung
und den Gemeinden aufgehalten
werden. Mit ihren Petitionen
haben die Bürgerinnen und Bürger gezeigt,
wie sehr sie die Post – eines der
Wahrzeichen der Schweiz – zu schätzen
wissen. Aber diese Gegenwehr ist
nicht ausreichend. «Die Post spielt ein
falsches Spiel»: Das brachten die Arbeitnehmer
von RetePostale auch auf
ihrer Versammlung im April zum Ausdruck.
Die Unternehmensstrategie
zielt auf eine Verkleinerung des Poststellennetzes
ab, die Mitarbeitenden
werden angewiesen, die Kunden in
Richtung Online-Lösungen zu beraten,
viele Produkte werden am Schalter
nicht mehr verkauft. So werden die
Bürgerinnen und Bürger jetzt schon
entmutigt, die Poststellen zu nutzen.
Sofortiges Moratorium
Es ist Zeit, zur Offensive überzugehen.
Daher richten sich die Vertreter von
RetePostale Ticino mit einem Appell
an die neue Vorsteherin des UVEK, Simonetta
Sommaruga, und fordern ein
sofortiges Moratorium in Bezug auf
alle Entscheidungen, die einen Abbau
von Postdienstleistungen, eine Streichung
von Arbeitsplätzen und eine
Verschlechterung der Arbeitsbedingungen
mit sich bringen. Sie hoffen,
in Sommaruga eine Ansprechpartnerin
zu finden, die für die Probleme der
Arbeitnehmerinnen und die Bedürfnisse
der Bürger sensibel ist.
Die Rolle der Politik
Die Politik muss auf den epochalen
Wandel der Digitalisierung reagieren.
Und sie muss dazu das Konzept der öffentlichen
Dienstleistung neu definieren
– in Telekommunikation, Energie,
Information, Gesundheit, Bildung.
Das ist ein Problem der Demokratie.
Genau das, also die öffentliche
Dienstleistung, war Mitte Mai Gegenstand
eines Treffens zwischen einer
Delegation des Gewerkschaftsbundes
Ticino (auch mit Vertretern von syndicom)
und dem neuen SGB-Präsidenten
Pierre-Yves Maillard. Das Ziel: Die
Schliessung der Poststellen zu stoppen
und ein Referen dum über die
Wiederherstellung der Regiebetriebe
zu ergreifen, wie Graziano Pestoni,
Vorsitzender des SGB Ticino e Moesa
und Autor mehrerer Studien über die
Privatisierung öffentlicher Aufgaben,
erklärt. Nachdem RetePostale ein Moratorium
verlangt hatte, schlug die
Post ein Treffen mit den Angestellten
und syndicom in Bern vor. Es findet
am 13. Juni statt.
Giovanni Valerio
Zum Treffen SGB Ticino und Maillard (it.):
syndicom.ch/it/attualita
Bei der Parade am 1. Mai bekräftigte syndicom
ihre Ablehnung der Schliessung von Poststellen.
(© syndicom)
Inklusives
Arbeitsumfeld für
Trans-Menschen
syndicom ist Unterstützerin von «trans
welcome». Bei syndicom sind Trans-
Menschen herzlich willkommen. Wir
setzen auf Diversität und leben sie.
Wir sind überzeugt, dass die Inklusion
verschiedener Menschen zu einem
Mehrwert führt.
Von Trans spricht man, wenn das
innere Wissen einer Person, welches
Geschlecht sie hat (Geschlechtsidentität),
nicht mit dem bei der Geburt zugewiesenen
Geschlecht übereinstimmt.
Trans-Menschen leben ganz
unterschiedlich in dem Geschlecht,
das sie als das richtige empfinden, ob
sie eindeutig wie ein Mann oder eine
Frau aussehen, ob sie operiert sind
oder nicht – Trans ist nicht nur, wer
geschlechtsangleichende Operationen
machen lässt.
Das Online-Portal trans welcome
schafft ein Bewusstsein für ein transfreundliches
Arbeitsumfeld, unterstützt
mit Informationen und Dienstleistungen
im Berufsalltag und leistet
Hilfe für erfolgreiche Coming-out-
Prozesse. Auch das eidgenössische
Gleichstellungsbüro unterstützt dieses
Projekt von Transgender Network
Switzerland mit Finanzhilfen nach
dem Gleichstellungsgesetz.
Trans-Menschen können sich gerne
unter gleichstellung@syndicom.ch
bei uns melden. syndicom ist in der
LGBT-Kommission des SGB.
Patrizia Mordini
Das Portal:
transwelcome.ch
22 Politik
Warum es heute
kollektive Aktionen
braucht
Die Tendenz, arbeitsbedingte
Spannungen und Konflikte
durch individuelle Kompromisse
zu lösen, muss von
kollektiven Akteuren
bekämpft werden, die bereit
sind, im Dienste aller zu
arbeiten.
Der Frauenstreik ist in
diesem Zusammenhang ein
gutes Beispiel, das uns
weiterbringt.
Text: Jean-Michel Bonvin
Jean-Michel Bonvin lehrt Sozial- und Beschäftigungspolitik
an der Universität Genf. Dieser
Text beruht auf einem Vortrag, den er an der
Konferenz zum 40-jährigen Bestehen des Collège
du Travail gehalten hat, die er ebenfalls organisierte.
Die Stiftung Collège du Travail hat zum
Ziel, die Geschichte der Arbeitswelt zu bewahren,
zu ihrer Historiografie beizutragen und
über die Herausforderungen nachzudenken,
mit denen die Arbeitnehmenden heute konfrontiert
sind.
Die menschliche Entfaltung in der
Arbeit und durch die Arbeit ruht auf
drei Pfeilern. Man könnte sie als
sich ergänzende Messgrössen oder
«Dimensionen» bezeichnen.
Dreidimensionale Arbeit: sie
ernährt, ist sinnhaft und gestaltbar
Erstens, die instrumentelle Dimension,
in der die Arbeit die für ein
menschenwürdiges Leben unerlässlichen
Existenzmittel liefert. Die Arbeit
wird hier aus Sicht des Gehalts
geschätzt, das es den Menschen ermöglicht,
sich ausserhalb der Arbeit
zu entfalten.
Dann die expressive Dimension,
wo es darauf ankommt, eine interessante
Arbeit zu leisten, deren
Nutzen sozial anerkannt ist. Die
Qualität der Arbeit ist dann wesentlich
und bildet den legitimen Stolz
des oder der Arbeitenden in Bezug
auf das Ergebnis seiner und ihrer
Arbeit.
Schliesslich die politische Dimension,
die Kollektivverhandlungen
über die Arbeitsbedingungen
umfasst und die Möglichkeit, über
Arbeitsformen, Fairness, Effizienz
zu diskutieren, um zu gemeinsamen,
von allen akzeptierten und
nicht einseitig vom Arbeitgeber auferlegten
Regeln zu gelangen. Aktuelle
Transformationen der Arbeit sind
in Bezug auf jede dieser drei Dimensionen
äusserst herausfordernd.
Die Flexibilität wird von oben nach
unten weitergereicht
Arbeit soll ernähren,
Sinn haben
und drittens
gestaltbar sein.
Die Bedingungen der wirtschaftlichen
und finanziellen Globalisierung
führen zu einem verstärkten
Wettbewerb zwischen den Unternehmen,
und daraus folgt, dass das
Arbeitsverhältnis flexibler werden
muss und die Arbeitnehmenden von
den Unternehmen das wirtschaftliche
Risiko übergeholfen bekommen.
So muss die Grösse der Belegschaft
an die Wirtschaftskraft des
Unternehmens angepasst werden,
was zu Entlassungen führen kann,
oder es werden Leiharbeiter eingestellt,
von denen man sich leichter
wieder trennen kann. Das Bedürfnis
nach Flexibilität zeigt sich auch in
der Lohnpolitik der Unternehmen,
mit Rufen nach Lohnmässigung zur
Erhaltung von Arbeitsplätzen oder
mit einer stärkeren Individualisierung
der Löhne je nach Leistung.
Der Zugang zur Beschäftigung wird
einerseits erschwert, andererseits
wird die Sicherheit der Arbeit und
des Lohns geschwächt.
Diese Umstände wirken sich jedoch
nicht auf alle Arbeitnehmer
gleich stark aus: Es besteht die
Gefahr einer Dualisie rung des
Arbeits markts, wo die am besten
qualifizierten Arbeitskräfte besser
zurechtkommen, weil ihre Kompetenzen
sich schwieriger ersetzen lassen,
während die weniger qualifizierten
Personen leichter durch
billigere Arbeitskräfte oder automatisierte
Maschinenprozesse ersetzt
werden können.
Die aktuellen Bedingungen tragen
nichts zum Abbau von Ungleichheiten
bei, wie das anhaltende
Lohngefälle zwischen Frauen
und Männern in der Schweiz zeigt.
Die Stellung wenig qualifizierter
Frauen erscheint daher besonders
vulnerabel.
Mitsprache, ein zweischneidiges
Schwert
Der aktuelle Arbeitskontext verstärkt
tendenziell die Bereitschaft,
Mitarbeitende mitwirken zu lassen
und einzubeziehen, anstatt sie als
einfache Leistungsträger zu betrachten.
Diese Entwicklung in
Richtung eines partizipativeren Managements
scheint zunächst eine
bessere Berücksichtigung der ex-
23
Niemand soll
Arbeitskonflikte
individuell lösen
müssen.
pressiven Dimension der Arbeit zu
fördern. Sie betrifft jedoch nicht alle
Mitarbeitenden, da das tayloristische
Bild vom Mitarbeitenden als
Ausführendem noch lange nicht verschwunden
ist.
Besonders zwei Fehlentwicklungen
sind möglich: Erstens konzentriert
sich die Mitwirkung oft auf
Möglichkeiten zur Leistungssteigerung
und nicht auf die Relevanz,
den Sinn der Arbeit. Dies kann die
Mitarbeitenden veranlassen, sich
mit Leib und Seele einer Arbeit zu
verschreiben, die für sie keinen Sinn
hat. Die Leistungsbereitschaft hat
Vorrang. Zweitens kann verstärkte
Mitwirkung zur Arbeitsintensivierung
und zu erhöhten Erwartungen
an die Verfügbarkeit führen.
Die Digitalisierung der Arbeit,
die die Grenzen zwischen Arbeit
und Nichtarbeit so durchlässig
macht (man kann seine Aufgaben
mitnehmen und ständig arbeiten),
erhöht das Risiko der Überforderung
und die Schwierigkeit, die Arbeit
mit den anderen Aktivitäten in
Einklang zu bringen. In einem solchen
Kontext werden die Frauen oft
bestraft, da sie häufiger für Nichtberufstätigkeiten
zuständig sind und
sich so vor zwei gleich unbefriedigende
Alternativen gestellt sehen:
entweder nicht im erwarteten Umfang
an beruflichen Tätigkeiten teilzunehmen
und damit ihre beruflichen
Ambitionen zu opfern – oder
sich den Härten eines doppelten
Arbeits tages zu unterwerfen. Sie
sollen also wählen zwischen der
Sinnhaftigkeit von Arbeit und der
Möglich keit, ihre Grenzen abzustecken,
um Zeit und Raum für andere
Aktivitäten zu gewinnen.
So kommt es zur Entpolitisierung
der Arbeit
Die zunehmende Individualisierung
der Arbeitsverhältnisse wird in zweierlei
Hinsicht deutlich: Einerseits
neigt man dazu, arbeitsbedingte
Spannungen und Konflikte durch
individuelle Kompromisse und Vereinbarungen
und nicht durch kollektive
Verhandlungen zu lösen.
Das entspringt dem Wunsch, die Arbeitsverhältnisse
flexibler zu gestalten,
führt aber auch zur Entpolitisierung
der Arbeit.
Andererseits wird die von den
Arbeitnehmenden geforderte Mitwirkung
oft eher als Motivierungsversuch
und Vereinnahmung denn
als kollektive Verwaltung der Arbeits-
und Beschäftigungsbedingungen
wahrgenommen. Die Mitwirkung
ist klar abgegrenzt, und
Fragen, die z. B. im Zusammenhang
mit Personalstrategien, Kompetenzmanagement
usw. stehen, bleiben
den Arbeitgebern vorbehalten.
Die Stellung wenig
qualifizierter
Frauen erscheint
besonders
vulnerabel.
Die Herausforderung besteht
darin, in einem Kontext, in dem die
beruflichen Beziehungen zunehmend
individualisiert werden, einen
kollektiven Akteur auszubilden
(oder zu stärken), der die politische
Dimension der Arbeit verkörpern
kann.
Der Frauenstreik ist ein Vorbild
Das ist grundlegend, denn dieser
kollektive Akteur muss auch die instrumentellen
und expressiven Dimensionen
der Arbeit in die Hand
nehmen, um sie für alle verfügbar
zu machen und nicht nur für diejenigen,
die besser darin sind, individuelle
Kompromisse oder Vereinbarungen
auszuhandeln. Der
Frauenstreik ist in dieser Hinsicht
ein Vorbild, das uns weiterbringt.
Letztendlich stellen die aktuellen
Transformationen Herausforderungen
für jede Arbeitsdimension
dar. Auf der instrumentellen Ebene
sind der Zugang zur Beschäftigung
und die Sicherheit von Arbeitsplätzen
und Löhnen die wichtigsten
Themen. Auf der expressiven Ebene
werden der Sinn der Arbeit und die
Fähigkeit, ihre Grenzen zu definieren,
für die Zukunft der Arbeitsverhältnisse
entscheidend sein. Auf
politischer Ebene ist die Fähigkeit
entscheidend, einen kollektiven Akteur
zu bilden, der in der Lage ist,
die Verhandlung arbeitsbezogener
Fragen zu übernehmen, d. h. Arbeit
zu einem politischen Thema zu machen.
Es ist wichtig, dass diese drei
gleichzeitig berücksichtigt werden
und nicht zu einem Feilschen führen,
bei dem die Berücksichtigung
einer Dimension auf Kosten der beiden
anderen gehen würde.
Frauen bei der Vorbereitungstagung für den Streik in Biel am 10. März dieses Jahres.
Die Webseite des Collège du Travail (frz.):
collegedutravail.ch
24
Der lange Weg
zum Frauenstreik
Unbekanntere Details zum
ersten Frauenstreik: Noch im
Jahre 1991 waren im GAV des
Buchbindereigewerbes die
Frauenlöhne tiefer vorgesehen
als die der Männer.
Die Frauen zogen die eigene
Gewerkschaft vor Gericht –
und bekamen Recht.
Text: Patrizia Mordini
Bild: Adrian Flükiger
Am 14. Juni 1991 nahmen in der
ganzen Schweiz eine halbe Million
Frauen am Frauenstreik teil. Das
Motto des Streiks war: «Wenn Frau
will, steht alles still». Aufgerufen
zum Streik hatte der Schweizerische
Gewerkschaftsbund – als Protest
gegen die zögerliche Umsetzung des
zehn Jahre zuvor, 1981, verankerten
Verfassungsartikels zur Gleichstellung
und anhaltende Ungleichheiten
in zahlreichen Bereichen von
Gesellschaft, Wirtschaft und Politik.
Christiane Brunner war hier zentral:
als eine der führenden Persönlichkeiten
der Frauenbewegung schlug
sie dem Gewerkschaftsbund einen
Generalstreik der Frauen vor, der
zum Frauenstreik von 1991 führte.
Eine Hauptforderung war diejenige
nach Lohngleichheit – Uhrenarbeiterinnen
im Vallée de Joux hatten
die ersten Ideen zu einem Frauenstreik.
Mit verschiedensten Protestaktionen
und Demonstrationen
drückten die Frauen damals ihren
riesigen Unmut aus.
Forderungen an den
Generaldirektor der PTT
Die Frauenarbeitsgruppe der PTT-
Union erarbeitete am 14. Juni auf
einer Bildungsveranstaltung in Bern
mit 270 Teilnehmerinnen einen
Forderungskatalog. Dieser umfasste
Massnahmen, um Frauen den Zugang
in höhere Positionen und Laufbahnen
zu ermöglichen – wie Teilzeitarbeit,
Arbeitszeitmodelle zur
Vereinbarung von Familie und
Beruf, Kinderkrippen-Angebote,
Förderung des Wiedereinstiegs ins
Erwerbsleben sowie dass Auswirkungen
neuer Technologien und
Umstrukturierungen aufs weibliche
Personal speziell geprüft werden
müssen. Eine Delegation aus 12 Kolleginnen
übergab dem damaligen
Generaldirektor Jean-Noël Rey den
Forderungskatalog. Der Artikel aus
der PTT-Union Zeitung (vom 27. 6. 91)
ist online noch zu finden.
Die Klage der Frauen von
Druck und Papier
Eine weitere geschichtlich wichtige
Begebenheit aus dem Jahr 1991
steht mit unserer Vor-Vorgängerin
Gewerkschaft Druck und Papier
(GDP) in Verbindung. Zwischen der
GDP und der Arbeitgeberseite, vertreten
durch den Verband der Buchbindereien
der Schweiz, wurde ein
neuer Gesamtarbeitsvertrag für das
Buchbindegewerbe ausgehandelt.
Betreffend Löhne war eine Klausel
mit tieferen Frauenlöhnen enthalten,
genauer für die Hilfsarbeiterinnen
der Buchbindereien brutto 2250
Franken und für die Männer der
gleichen Qualifikationsstufe 2684.
Deshalb ergriffen die Frauen
der GDP rechtliche Schritte und prozessierten
gegen die eigene Gewerkschaft,
mit der Begründung, dass
diese Lohnungleichheit gegen den
Verfassungsartikel verstosse. So
konnte die GDP den letzten gültigen
Vertrag für die Jahre 1991–1995 nicht
unterzeichnen. Der Prozess fand im
Februar 1994 statt, und die Frauen
bekamen Recht. Die grosse Frauensolidarität
und der Druck von aussen
waren für diesen Erfolg zentral. Erika
1991:
Die Delegation der
PTT-Union wird
empfangen von
Generaldirektor Rey.
Trepp spielte in diesem Kampf eine
wichtige Rolle. Die IG Frauen bei
syndicom hat Erika Trepp aufgespürt
und mit ihr am 29. 4. einen Anlass in
Zürich organisiert.
Wirkungen des Frauenstreiks 1991
Der Frauenstreik von 1991 hatte eine
enorme Wirkung auf die Gleichstellung,
wenn er auch nicht zu einer
raschen Behebung der Missstände
führte. Einige Beispiele: 1995 wurde
das Gleichstellungsgesetz verabschiedet,
mit Regeln für die Umsetzung
des Verfassungsartikels und
einem Verbot der sexuellen Belästigung
am Arbeitsplatz. Damals ein
Riesenschritt. 2004 fand nach drei
Anläufen die Vorlage für eine Mutterschaftsversicherung
eine Volksmehrheit,
womit ein Verfassungsartikel
von 1945 endlich umgesetzt
wurde. Des Weiteren wurden vielerorts
Gleichberechtigungsstellen geschaffen
und mehr Frauen wurden
in politische Ämter gewählt.
Eine Wirkung, die als «Brunner-Effekt»
in die Geschichte eingegangen
ist, zeigte sich bei der Bundesratsersatzwahl
im März 1993.
Die Nichtwahl der offiziellen
SP-Kandidatin Christiane Brunner
führte zu einer riesigen Empörung
von Tausenden Frauen auf dem
Bundesplatz. Die breite Protestbewegung,
die sich in den folgenden
Tagen entfaltete, wurde auch durch
die Netzwerke ermöglicht, die sich
bei der Organisation des Frauenstreiks
gebildet hatten. Die bürgerliche
Strategie zur Verhinderung
einer SP-Bundesrätin ging nicht auf:
eine Woche später wurde Ruth Dreifuss
gewählt.
syndicom unterstützt dich beim Frauenstreik!
25
Je grösser die Bewegung und der Streik, desto mehr Kraft und Sicherheit. Die zuständigen
Gewerkschaften unterstützen die Frauen* im Streik. Wer am Arbeitsplatz Aktionen plant oder
streiken will, sollte sich deshalb unbedingt mit der zuständigen Gewerkschaft in Kontakt setzen.
Hier im Vorfeld drei Antworten auf drei Fragen, die immer wieder auftauchen.
Ist der Frauenstreik ein klassischer Streik?
Eine Mehrheit der Kolleg*innen ist
entschlossen, am 14. Juni zu streiken.
Wie sichern wir uns ab?
Wir sind eine kleine Gruppe von Streikwilligen.
Wie können wir am Streik teilnehmen
und uns trotzdem absichern?
Die Antwort von syndicom und vom SGB
Es handelt sich um einen Streik sui generis (der eigenen
Art). Die Akteur*innen stellen Forderungen auf, die sowohl
die Erwerbsarbeit als auch häusliche und unbezahlte
Arbeit betreffen. Der Streik- und Aktionstag richtet
sich sowohl an Gesellschaft, Politik und Behörden als
auch gewerkschaftlich an die Arbeitgeber.
Seit 1981 steht die Gleichstellung in der Bundesverfassung,
sie wurde jedoch nicht umgesetzt. Aus diesem Grund kam
es bereits 1991 zu einem breit befolgten Frauenstreik. Die
Schweiz hat seit 1996 ein Gleichstellungsgesetz, das die
Gleichstellung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt
verankert. Trotzdem halten sich Ungleichbehandlungen
im Erwerbsleben hartnäckig und griffige politische
Massnahmen werden nicht ergriffen, obwohl die Frauen
nichts unversucht liessen. Die Frauen haben genug davon
und verschaffen sich mit dem Streik Gehör. Der SGB hält
deshalb fest, dass der Frauen*streik 2019 legitim ist.
Der Frauenstreik mit den sozialen, gesellschaftlichen und
arbeitsrechtlichen Forderungen ist sowohl eine politische
Kundgebung, welche durch die Bundesverfassung gewährleistet
ist, als auch ein Arbeitskonflikt. Die Teilnahme
an einer politischen Kundgebung rechtfertigt für
sich allein aber noch keine Arbeitsniederlegung. Damit
die Teilnahme am Frauenstreik eine Arbeitsniederlegung
rechtfertigt, müssen bestimmte Voraussetzungen erfüllt
sein. Insbesondere sind die Forderungen für verbesserte
Arbeitsbedingungen an den Arbeitgeber bzw. an den
Arbeitgeberverband zu richten und Verhandlungen dazu
einzufordern. Zudem muss die zuständige Gewerkschaft
den Streik tragen und darf dieser nicht gegen eine allfällige
bestehende Friedenspflicht verstossen. Das alles
will vorbereitet sein. syndicom hilft dir dabei.
Sprecht die Teilnahme mit eurem Arbeitgeber ab. Falls
euch der Arbeitgeber nicht von der Arbeit dispensiert,
kontaktiert syndicom. syndicom wird klären, ob die Voraussetzungen
für einen rechtmässigen Streik erfüllt sind,
und euch bei eurem Weg unterstützen. Unterlasst aber
unbedingt wilde Streiks – d. h. Arbeitsniederlegungen
ohne gewerkschaftliche Unterstützung. Arbeitsrechtliche
Sanktionen könnten die Folge sein. Melde dich unbedingt
bei deinem Regionalsekretariat. Wir unterstützen dich
mit Ideen und Know-how.
26 Freizeit
Tipps
© Cinework4 © Gewerbemuseum Winterthur
Die IAO, ein Instrument zur
Förderung der Sozialrechte
Im Kino: Die vielen Kämpfe
eines Gewerkschafters
«Lebensbaum-Projekt» von
Ernst Gamperl in Winterthur
Die Internationale Arbeitsorganisation
(IAO) mit Sitz in Genf feiert ihr
hundertjähriges Bestehen. Die IAO
ist das einzige tripartite Organ der
UNO, das heisst, die Arbeitenden
haben dort, neben Staaten und Arbeitgebern,
eine eigene Stimme. In
seinem 2016 erschienenen Buch La
troisième guerre mondiale est sociale
(Der dritte Weltkrieg ist sozial) wirbt
Bernard Thibault, die IAO könne
und müsse wieder ein echtes Instrument
für die Förderung der Sozialrechte
in der ganzen Welt werden.
Thibault, ehemaliger Generalsekretär
des französischen Gewerkschaftsbundes,
sitzt heute im Verwaltungsrat
der IAO.
Am 25. Juni 2019 führen Movendo
und der Schweizerische Gewerkschaftsbund
(SGB) eine Studientagung
in Bern über die IAO, ihre
Geschichte, ihre Erfolge und Perspektiven
durch. Zu den Vortragenden
gehören Anna Biondi, Vizedirektorin
der IAO/ACTRAV, Eva
Maria Belser, Professorin für Verfassungsrecht
in Fribourg, Bernard
Thibault und zahlreiche Gewerkschaftler
sowie engagierte Personen
der Zivilgesellschaft. Zu einem Podium
werden Vertreter der Regierung
und der Arbeitgeber in der IAO mit
Luca Cirigliano vom SGB anwesend
sein.
Ein reiches Programm, um mehr
über die IAO zu erfahren, aber auch
um konkrete Wege für die Zukunft
zu entwerfen. Die IAO wurde 1919
im Rahmen des Friedensvertrags
von Versailles gegründet, der den
Ersten Weltkrieg beendete. 2019 ist
der soziale Fortschritt untrennbar
mit dem Internationalismus verbunden.
Die Geschichte dient uns
hier als schöner Kompass.
Valérie Boillat, Movendo
Guillaume Senez erzählt in Nos
Batailles eine ungewöhnliche Geschichte.
Ähnlich wie in Keepers,
dem Erstling des belgischen Filmemachers.
Darin wird ein Jugendlicher
plötzlich Vater. Diesmal begleiten
wir Olivier, der sich plötzlich
als alleinerziehender Vater wiederfindet.
Die Mutter verlässt ihre
Familie. Die Gründe erfahren wir
nicht genau. Doch wir ahnen, dass
sie mehr wollte. Sicherlich mehr
Aufmerksamkeit. Vielleicht mehr
Erfolg oder mehr Geld.
Olivier, überzeugend gespielt von
Romain Duris (L’Auberge espagnole),
merkt nichts, bis es zu spät ist.
Zu sehr ist er von seiner Arbeit in
einem Grosslager absorbiert, wo er
als Personalvertreter gegen Entlassungen
und Ungerechtigkeit ankämpft.
Oliviers Kampf wird uns
ruhig, ohne Pathos und vornehmlich
in Grau tönen erzählt. Dadurch
entsteht eine Nähe zu den Figuren.
Wir spüren, wie sie mit den Umständen
kämpfen und mit ihren Gefühlen
ringen. Der Preis ist Einseitigkeit.
Das Grau wird im Film nur kurz
durch den Besuch von Oliviers jüngerer
Schwester unterbrochen.
Diese Einseitigkeit zeigt sich
auch in der Darstellung der gewerkschaftlichen
Arbeit. Sie trägt dazu
bei, dass Oliviers Leben auseinanderfällt,
ohne dass er im Alltag wirklich
etwas ändern kann. Und wenn
er einen kleinen Erfolg feiert, dann
wird er ins Lächerliche gezogen.
Wir wissen: das (gewerkschaftliche)
Leben besteht nicht nur aus Grautönen.
Es kann auch farbig sein.
Am Ende gibt es im Film kein Happy
End. Doch zumindest verspricht
es Hoffnung für Olivier und seine
beiden Kinder.
Christian Capacoel
Ernst Gamperl, der international
renommierte deutsche Künstler
und Drechsler, ist bekannt, weil er
seit jeher mit Holz von uralten Bäumen,
die Jahrhunderte in der Natur
wuchsen und einzigartige Charaktermerkmale
entwickelten, arbeitet.
Der Künstler integriert Risse und
Bruchstellen, Äste und Unregelmässigkeiten
in seine Gestaltung. So hat
er die Technik des Drechselns revolutioniert.
Im Gewerbemuseum Winterthur
zeigt er nun erstmals sein Ensemble
aus Gefässen und Objekten, die im
Rahmen seines «LebensbaumProjektes»
seit zehn Jahren entstehen.
Alle sind aus dem Holz einer einzigen,
rund 230 Jahre alten, gigantisch
grossen Eiche entstanden, die
2008 von einem Orkan entwurzelt
wurde.
Bei seiner Kunst steht immer der
Holzwerkstoff im Zentrum. So ist es
auch bei der uralten bayerischen
Eiche. Er kaufte sie und sie musste
mit Schwerlastkränen geborgen
werden. Der Künstler hat während
zweier Jahre seine Werkstatt vollständig
umgebaut und neue Drechselmaschinen
konstruiert. Er wollte
die visuelle Intuition herausbilden,
um die Gefässe, die bereits im Baum
stecken, schon beim Anschnitt zu
erkennen.
Die Ausstellung findet vom
25. Mai bis 3. November statt. Ernst
Gamperl wird am 8. September wieder
eine Führung machen, und eine
Buchvernissage über Ernst Gamperl
– Zwiesprache wird am 7. September
stattfinden. Die Ausstellung wird
begleitet von einem Veranstaltungsprogramm
zum 20JahrJubiläum
von Gewerbe und Uhrenmuseum
Winter thur.
100 Jahre IAO, 25. Juni in Bern.
Anmelden auf Movendo.ch
Bit.ly/2Gs4jAQ
Gewerbemuseum.ch
1000 Worte
Ruedi Widmer
27
28 Bisch im Bild Anlässlich des 1. Mai 2019
war syndicom mit den DemonstrantInnen in Genf, Zürich, Locarno, Thun, Biel,
Lausanne und Basel unterwegs, um den Aufruf zum Frauenstreik am 14. Juni zu
übermitteln. Endlich her mit der Parität, die seit 1981 in der Verfassung steht!
1
3
2
4 5
1, 2 In Genf forderte der Umzug Gleichheit, soziale Gerechtigkeit und
Klimaschutzmassnahmen. Mehr als 2500 Personen nahmen teil,
darunter zahlreiche syndicom-Mitglieder. (© Demir Sönmez)
3 In Zürich zählte die schweizweit grösste Kundgebung fast
16 000 Teilnehmerinnen und Teilnehmer. (© Nina Scheu)
4 Auf der Piazza Grande in Locarno sangen die Frauen für mehr
Gerechtigkeit! (© Giovanni Valerio)
5 In Thun standen die Klimadebatte und die Forderungen der
Jugendlichen im Fokus. (© Fabrizio D’Orazio)
6 In Zürich forderten auch die Buchhändlerinnen und Buchhändler
bessere Löhne und faire Arbeitszeiten. (© Dominik Dietrich)
7, 8 In Lausanne demonstrierten alle Generationen für mehr Gerechtigkeit.
(© Sylvie Fischer)
9 In Biel wurde die Feier unter dem Motto «Lohngleichheit. Punkt.
Schluss!» organisiert. (© Stefanie Fürst)
10 In Basel stand der 1. Mai im Zeichen des Frauenstreiks. (© Frantisek Matous)
29
6
7
9
8
10
30
Aus dem
Leben von ...
Feministin von Kindesbeinen an
Isabella Visetti, 1968 geboren, ist nach
zehn Jahren bei Cooperazione seit 2013
als Journalistin für RSI tätig, wo sie
derzeit bei Rete Uno die Sendung «La
consulenza» (Sprechstunde) und in der
Rolle der Schülerin Gnüca den Radio-
Dialektkurs «Dialett in sacocia» moderiert.
Sie ist seit 20 Jahren Mitglied der
Gewerkschaft, hat drei Kinder und ist
Mitglied im Vorstand des Tessiner
Dachverbands der Frauenverbände,
FAFTplus.
Text: Valeria Camia
Bild: Flavia Leuenberger Ceppi
Isabella Visetti
hat schon immer
gegen Diskriminierung
gekämpft
Ich war schon immer sensibel für die
Gleichstellung der Geschlechter: lange
bevor ich der Frauenkommission
in Bern und noch bevor ich der Gewerkschaft
Comedia beigetreten bin
und mich in den 90ern für die Rechte
der Frauen eingesetzt habe. Ich
möchte sagen, dass die Begegnung
mit «radikalen» Feministinnen in der
deutschsprachigen Schweiz und mit
Barbara Bassi (der damaligen Sekretärin
von Comedia/syndicom) für
mich grundlegend waren, um das
Unbehagen zu benennen, das ich so
oft empfand und das ich nie mehr
losgeworden bin.
Als ich neun war, besuchte ich
meine Grossmutter in Lugano und
ging mit ihr zur Messe, wo ich Mädchen
als Messdiener sehen konnte –
das war in Le Chiese della Valsolda,
wo ich lebte, undenkbar. Es kommt
mir wie gestern vor, dass unser Pfarrer
meine Eltern sprechen wollte, um
mich von der revolutionären Idee abzubringen,
Ministrantin zu werden.
Da begann mein Kampf für die
Gleichstellung von Männern und
Frauen.
Später hat sich mein Einsatz verlagert
auf Lohngleichheit, Vereinbarkeitsfragen,
Männerteilzeit und die
Rechte arbeitender Mütter. Ich hatte
das Glück, in Bern und Basel zu leben,
wo ich für die Wochenzeitung
Cooperazione arbeitete. Ich zog in die
Schweiz, als mein erster Sohn etwa
ein Jahr alt war, und fand das geistige
Klima in Bezug auf Elternschaft
angenehmer hier, das Familienmodell
war vielleicht weniger stereotyp
patriarchalisch.
Ich respektiere den «harten»
Feminis mus mit seiner Kritik des
männlichen Tuns; aber ich glaube an
einen integrativeren Feminismus
(ohne dass dies zu «weicheren» Positionen
bezüglich Gleichstellung
führt). Feministisch zu sein, bedeutet
natürlich zwangsläufig, zu stören,
denn wenn man die geringe Präsenz
von Frauen im Führungsumfeld oder
in den Medien anprangert, gerät
man in Kollision mit der männlichen
Welt. Der Feminismus, den ich vertrete,
richtet sich jedoch an die Gesellschaft
als Ganzes, will alle glücklicher
machen.
Ich bin Feministin, weil Chancengleichheit
ein Menschenrecht ist,
aber auch, weil Chancengleichheit
der gesamten Gesellschaft so sehr
nützt: Wollen wir wirklich auf die
Kompetenzen, Talente, die Ressourcen,
den Standpunkt der Frauen verzichten?
Ich bin stolz auf die Arbeit von
FAFTplus und auf die Kampagne
#iovotodonna («ich wähle die Frau»)
bei den Kantonswahlen, deren Erfolg
nicht nur in der Anzahl Sitze bestand.
Dass die Gleichstellung der
Geschlechter ein Mass für die Gesundheit
einer Demokratie ist: dies
zu vermitteln, ist eine wichtige Aufgabe,
und sie ist noch nicht geschafft.
Der Tessiner Frauendachverband (it.):
FAFTplus.ch
Impressum
Redaktion: Sylvie Fischer, Giovanni Valerio,
Oliver Fahrni, Marie Chevalley
Tel. 058 817 18 18, redaktion@syndicom.ch
Mitarbeit: Rieke Krüger
Porträts, Zeichnungen: Katja Leudolph
Fotos ohne ©Copyright-Vermerk: zVg
Druck, Layout und Korrektorat: Stämpfli AG, Bern
Adressänderungen: syndicom, Adressverwaltung,
Monbijoustrasse 33, Postfach, 3001 Bern
Tel. 058 817 18 18, Fax 058 817 18 17
Inserate: priska.zuercher@syndicom.ch
Abobestellung: info@syndicom.ch
Abopreis ist im Mitgliederbeitrag inbegriffen. Für
Nichtmitglieder: Fr. 50.– (Inland), Fr. 70.– (Ausland)
Verlegerin: syndicom – Gewerkschaft
Medien und Kommunikation, Monbijoustr. 33,
Postfach, 3001 Bern
Das syndicom-Magazin erscheint sechsmal im Jahr.
Ausgabe Nr. 12 erscheint am 30. August 2019
Redaktionsschluss: 22. Juli 2019.
31
Das syndicom-Kreuzworträtsel
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Das ist mein
Engagement
Warum ich am 14. Juni streiken werde
Gloria Casas, 34 Jahre,
Assistentin an der Uni
«Ich werde streiken, weil die Frauen
doppelt so viel arbeiten wie die
Männer, aber nur halb so viel verdienen
und chauvinistischer Gewalt
am Arbeitsplatz, zu Hause und im
öffentlichen Raum ausgesetzt sind.
Wir wollen, dass sich das ändert,
um eine tatsächliche Gleichberechtigung
zu erreichen.»
Annick, 62 Jahre,
Kinderkrankenschwester
«Ich will für die Gleichstellung
kämpfen, für die jungen Frauen und
Mädchen, solidarisch mit den
Frauen der ganzen Welt. Das Ziel ist
noch nicht erreicht.»
Maude Rampazzo, 35 Jahre,
Betreuerin
Talissa Rodriguez, 31 Jahre,
Sozialarbeiterin
«Für die Anerkennung der
unsicht baren und unbezahlten
Arbeit, welche die Frauen leisten.
Eine riesige Arbeit.»
«Um die Privilegien der
weissen Männer in den
Fünfzigern allgemein abzuschaffen.»
Elisa Turtschi, 30 Jahre,
Rechtsberaterin
Regina Frei, 24 Jahre,
Buchhändlerin
«Der Frauenstreik ist für mich
als Arbeitnehmerin in der Tieflohnbranche
eine Chance, ein
Zeichen zu setzen und mich
gleichzeitig auch mit anderen
Frauen zu solidarisieren.»
«Ich werde aus denselben
Gründen streiken wie
meine Mutter 1991, denn
es hat sich nichts geändert.»
Brigitte Hürlimann, 56 Jahre,
Journalistin
Schira Netser, 36 Jahre,
Buchhändlerin
«Sich zusammen mit anderen
Frauen solidarisch für fairere
(Arbeits-)Bedingungen und
Gleichberechtigung einzusetzen,
finde ich unglaublich bestärkend.»
«Ich gehe am 14. Juni auf die
Strasse, um die Frauen sichtbar
und hörbar zu machen.
Um aufzuzeigen, dass die
Gleichberechtigung noch
längst nicht Realität geworden
ist. Leider.»
Denise Geraci, 50 Jahre,
Postangestellte
«Ich werde am 14. Juni
demonstrieren, weil ich
möchte, dass Frauen dort
präsent sind, wo wichtige
Entscheidungen für unsere
Gesellschaft getroffen
werden.»
Maria Luisa Gardoni, 48 Jahre,
Kundenberaterin PostShop
«Ich mache beim Frauenstreik mit,
weil auch heute noch das Wort einer
Frau weniger zählt als das eines
Mannes. Darüber hinaus müssen wir
die Stimme und das Gesicht jener
Frauen in der Welt sein, die sich nicht
frei ausdrücken können, weil sie von
den Männern verfolgt werden!»