Berliner Kurier 22.05.2019
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InkeKappeler lädt zum<br />
„Tag der Nachbarn“<br />
Leute aus dem Kiez in<br />
ihren Garten ein.<br />
SEITE5<br />
BERLINER KURIER, Mittwoch, 22. Mai 2019<br />
Luftballons,<br />
Girlanden,<br />
Lampions:<br />
InkeKappeler<br />
bereitet ihr<br />
Fest vor.<br />
Melanie Burger (46) aus<br />
Friedrichshagen gießt<br />
bei ihren Nachbarn die<br />
Blumen. Die hilfsbereite<br />
<strong>Berliner</strong>in hat über die<br />
App nebenan.de schon<br />
viele Leute in ihrem Kiez<br />
kennengelernt.Bis jetzt<br />
gibt es rund 170000<br />
App-Nutzer in der Stadt.<br />
Viviane Czernietzki (44)<br />
aus der Hufeisensiedlung<br />
nutzt die App –und viele<br />
ihrer Nachbarn auch.<br />
Michael Vollmann ist<br />
Mitgründer des App-<br />
Anbieters nebenan.de,<br />
Autor und Stiftungschef.<br />
Fotos: Wächter,dpa<br />
geben von viel Grün und Ein-<br />
Familien-Häusern. Eigentlich<br />
ein Ort, von dem man vermutet,<br />
dass sich die Nachbarn hier<br />
noch kennen. Doch es gibt keinen<br />
nahen Supermarkt, keinen<br />
Spielplatz. „Die Nachbarn<br />
kannten sich einfach nicht“,<br />
sagt Kappeler. „Und ich hatte<br />
davon irgendwann genug.“<br />
Zu ihrem ersten Nachbarschaftsfest<br />
verteilte sie 1000<br />
Einladungen, auch dieses Mal<br />
klebte sie im Kiez viele Plakate<br />
–bereitgestellt von nebenan.de.<br />
Alle an einen Tisch zu bringen,<br />
das ist Inke Kappelers Ziel.<br />
Weitere Nachbarschaftsfeste<br />
wird es Freitag in ganz Berlin<br />
geben. Zu den aktivsten Nutzern<br />
von nebenan.de zählen der<br />
Boxhagener Kiez, der Helmholtzkiez<br />
und das Winsviertel.<br />
Man kann aber nicht nur Feiern<br />
verabreden: Melanie Burger<br />
(46) aus Friedrichshagen etwa<br />
organisierte via App schon eine<br />
Putz-Aktion am Müggelsee.<br />
Das wachsende Interesse an<br />
Online-Plattformen für Offline-<br />
Kontakte beschert der App nebenan.de<br />
zunehmend Konkurrenz.<br />
Längst muss sie sich gegen<br />
Mitbewerber behaupten –<br />
etwa gegen US-Marktführer<br />
Nextdoor. Auch andere Plattformen<br />
sorgen für Austausch:<br />
Lokale Gruppen finden sich im<br />
sozialen Netzwerk Facebook.<br />
Aber noch mal grundsätzlich:<br />
Ist es nicht ein Armutszeugnis,<br />
dass wir heutzutage Apps brauchen,<br />
um uns gegenseitig kennenzulernen?<br />
Nein, sagen Experten.<br />
Aus Sicht des <strong>Berliner</strong><br />
Stressforschers und Psychiaters<br />
Mazda Adli kann ein gut<br />
funktionierendes Online-Netzwerk<br />
ein willkommenes Mittel<br />
sein, das Unterstützungsnetzwerk<br />
in der Nachbarschaft auszubauen.<br />
„Das beugt sozialer<br />
Isolation vor, dem wichtigsten<br />
Stressfaktor in der Stadt, der<br />
nachweislich die Psyche beeinflusst“,<br />
sagt Psychiater Adli.<br />
Auch Sven Gábor Jánszky,<br />
Zukunftsforscher und Ratgeberautor<br />
(„Rulebreaker“), sieht<br />
in den Nachbarschafts-Apps<br />
die Zukunft. „Sie helfen, das Leben<br />
in der realen Welt besser<br />
und intelligenter zu organisieren“,<br />
sagt er. Aus seiner Sicht<br />
werden Apps die Mensch-zu-<br />
Mensch-Kontakte nicht ablösen.<br />
Im Gegenteil: „Sie sind die<br />
Betriebssysteme dahinter.“<br />
Mitarbeit:<br />
Annika Leister, Anja Sokolow