HERZENSSACHEN | Wie Herz und Seele zusammengehören als Leseprobe
Ist ein Herzinfarkt nur etwas für alte Leute? Diese Frage hätte ich noch im Jahr 2003 ohne zu zögern mit Ja beantwortet. Doch das Leben hat seine eigenen Pläne. In »Herzenssachen« erfahren Sie, was mein Leben komplett auf den Kopf gestellt hat – zum Guten und auch zum weniger Guten. Viel Spaß beim Lesen! Ihr Matthias Jung, Frankfurt am Main, im Juni 2024
Ist ein Herzinfarkt nur etwas für alte Leute? Diese Frage hätte ich noch im Jahr 2003 ohne zu zögern mit Ja beantwortet. Doch das Leben hat seine eigenen Pläne.
In »Herzenssachen« erfahren Sie, was mein Leben komplett auf den Kopf gestellt hat – zum Guten und auch zum weniger Guten.
Viel Spaß beim Lesen!
Ihr Matthias Jung, Frankfurt am Main, im Juni 2024
Verwandeln Sie Ihre PDFs in ePaper und steigern Sie Ihre Umsätze!
Nutzen Sie SEO-optimierte ePaper, starke Backlinks und multimediale Inhalte, um Ihre Produkte professionell zu präsentieren und Ihre Reichweite signifikant zu maximieren.
LESEPROBE
1
2
Psychokardiologie
Die Verbindung von Herz und Seele
Psycho
kardi
ologie
3
Psychokardiologie
Die Verbindung von Herz und Seele
Die Psychokardiologie ist
eine noch junge, aber
zunehmend bedeutsame Disziplin
der Humanmedizin,
die sich mit den Wechselwirkungen
zwischen psychischen
Faktoren und Herzerkrankungen
beschäftigt.
Sie bildet die Schnittstelle
zwischen Kardiologie und
Psychosomatik und rückt
den Menschen als Einheit
von Körper, Geist und Seele
in den Mittelpunkt der Behandlung.
Wechselwirkungen
zwischen Herz und
Psyche
Herz und Psyche stehen in
einem engen, wechselseitigen
Zusammenhang. Zum einen
können psychische Belastungen
wie Stress, Angst oder
Depressionen das Risiko für
Herzerkrankungen deutlich
erhöhen. Studien zeigen, dass
Menschen mit Depressionen
ein signifikant höheres Risiko
für koronare Herzkrankheiten
(KHK) und Herzinfarkte
haben, selbst wenn andere Risikofaktoren
wie Bluthochdruck
oder Diabetes kontrolliert
sind. Umgekehrt können
schwere Herzerkrankungen
selbst starke psychische Belastungen
auslösen – bis hin
zu Angststörungen, Depressionen
oder Anpassungsstörungen.
Ein besonders eindrucksvolles
Beispiel für diese enge
Verbindung ist das sogenannte
Broken-Heart-Syndrom
(Stress-Kardiomyopathie),
bei dem starke emotionale
Belastungen zu Symptomen
führen, die einem Herzinfarkt
ähneln. Hier spielen
Stresshormone wie Adrenalin
und Noradrenalin eine
zentrale Rolle, die das Herz
direkt beeinflussen und zu
Funktionsstörungen
können.
führen
Psychische Faktoren als
Risikofaktoren
Psychische Erkrankungen
wie Depressionen oder
Angsterkrankungen gelten
heute als eigenständige Risikofaktoren
für die Entstehung
und den ungünstigen
Verlauf von Herzerkrankungen.
Chronischer Stress, soziale
Isolation oder traumatische
Erlebnisse können das
Herz-Kreislauf-System belasten
und die Prognose bei
bestehenden Herzerkrankungen
verschlechtern. Darüber
hinaus neigen Menschen mit
psychischen Problemen dazu,
weniger auf ihre Gesundheit
zu achten, was sich negativ
auf den Verlauf der Herzkrankheit
auswirken kann
Ganzheitliche
Therapieansätze
Die Psychokardiologie verfolgt
einen ganzheitlichen
Ansatz. Im Mittelpunkt steht
nicht nur die Behandlung
der körperlichen Symptome,
sondern auch die Berücksichtigung
und Therapie psychischer
Belastungen. Dazu
gehören:
• Erhebung der psychischen
Vorgeschichte und
aktueller psychischer Befunde
4
• Psychoedukation: Information
über den Zusammenhang
zwischen
Psyche und Herz
• Training in Stressbewältigung
und Aktivierung
psychischer Schutzfaktoren
• Unterstützung bei Lebensstiländerungen
wie
Gewichtsreduktion,
Rauchstopp und Bewegung
• Psychotherapeutische
Einzel- oder Gruppengespräche
• Bei Bedarf medikamentöse
Behandlung psychischer
Erkrankungen
In vielen Kliniken arbeiten
heute Kardiologen, Psychotherapeuten,
Pflegekräfte und
Sozialdienste eng zusammen.
Ziel ist es, Patienten nicht
nur medizinisch, sondern
auch psychosozial optimal
zu unterstützen und ihre Lebensqualität
zu verbessern.
Praktische Umsetzung
und Versorgung
In Deutschland ist das Angebot
psychokardiologischer
Betreuung in den letzten
Jahren stetig ausgebaut worden.
Viele Akutkliniken
bieten heute psychokardiologische
Konsile, psychosoziale
Begleitung vor und
nach Operationen sowie
spezielle Gruppenangebote
wie Herzsportgruppen
oder Entspannungskurse an.
Auch niedergelassene Ärzte
mit Zusatzqualifikation in
psychosomatischer Grundversorgung
können erste
Hilfestellungen geben und
weiterführende Therapien
einleiten.
Forschung und
Ausblick
Die Psychokardiologie ist
ein dynamisches Forschungsfeld.
Aktuelle Studien untersuchen
die biologischen
Mechanismen der Wechselwirkung
zwischen Herz und
Psyche, etwa die Rolle von
Stresshormonen oder Entzündungsprozessen.
Auch
die Wirksamkeit verschiedener
Therapieansätze wird
wissenschaftlich evaluiert,
um die Versorgung weiter zu
verbessern.
Neue Perspektiven
für die Patientenversorgung
Die enge Verbindung zwischen
Herz und Seele verdeutlicht,
wie wichtig ein
ganzheitlicher Ansatz bei
der Behandlung von Herzerkrankungen
ist. Die Psychokardiologie
trägt dazu bei,
sowohl körperliche als auch
seelische Aspekte gleichermaßen
zu berücksichtigen
und damit die Lebensqualität
der Betroffenen nachhaltig zu
verbessern. Durch die Integration
psychischer und medizinischer
Versorgung eröffnen
sich neue Möglichkeiten
in Prävention, Therapie und
Nachsorge von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.
So wird
nicht nur das Herz gestärkt,
sondern auch das seelische
Wohlbefinden gefördert –
für eine umfassende und zukunftsorientierte
Patientenbetreuung.
Ein persönlicher
Einblick mit meiner
Geschichte
In meinem derzeit entstehenden
Buch können Sie
schon bald meine gesamte
Geschichte nachlesen – mit
all ihren Höhen, Tiefen und
persönlichen Erfahrungen
rund um das Thema Psychokardiologie.
Bis es soweit ist, wünsche ich
Ihnen viel Freude und spannende
Einblicke mit dieser
Leseprobe.
Psycho
kardi
ologie
5
6
Matthias Jung
HERZENS
SACHEN
„Wie Herz und Seele
zusammengehören“
7
Ich, im Jahr 2004 Ich, im Jahr 2020
VORWORT
Ist ein Herzinfarkt nur etwas für alte Leute?
Diese Frage hätte ich noch im Jahr 2003 ohne zu zögern
mit Ja beantwortet. Doch das Leben hat seine eigenen
Pläne.
In »Herzenssachen« erfahren Sie, was mein Leben
komplett auf den Kopf gestellt hat – zum Guten und
auch zum weniger Guten.
Viel Spaß beim Lesen!
Ihr Matthias Jung
Frankfurt am Main, im Juni 2024
8
Kapitel 1: Über mich
Mein Name ist Matthias Jung. Die Geschichte, um die es hier geht,
beginnt im Jahr 2003 und reicht bis heute. Sie wird mich für den
noch hoffentlich langen Rest meines Lebens begleiten. Trotz allem
gehört die Zeit vor 2003 untrennbar zu meiner Geschichte und zu
dem, worum es hier geht.
Ich wurde 1969 in Aschaffenburg geboren und wuchs in einer kleinen
Landkreisgemeinde auf. Aschaffenburg und Miltenberg entwickelten
sich nach dem Krieg zu Hochburgen der Bekleidungsindustrie,
und genau in dieser Branche gründeten meine Eltern 1953 eine
kleine Kleiderfabrik. Das elterliche Unternehmen entwickelte sich
im Laufe der Zeit, mit allen Höhen und Tiefen, bis im Jahr 1992 die
Weichen für eine Unternehmensnachfolge gestellt werden mussten.
Zum einen das fortgeschrittene Alter meiner Eltern und zum anderen
die massive Produktionsverlagerung der meisten Mitbewerber
ins Ausland machten dies notwendig.
Damals, mit 23 Jahren, blieb mir gar nichts anderes übrig, als zusammen
mit meinen Eltern das Unternehmen ebenfalls im Zuge einer
Produktionsverlagerung ins Ausland wieder wettbewerbsfähig zu
machen.
Nach zweijähriger Geschäftsführer-Tätigkeit übernahm ich 1996
das Unternehmen als Inhaber von meinen Eltern. Es änderte sich dadurch
nichts grundlegend, außer der Formalie, dass ich nun alleiniger
Inhaber war. Jetzt brachen turbulente Jahre an: Unsere Kunden
9
forderten in immer kürzer werdenden Abständen immer niedrigere
Preise, wodurch ich gezwungen war, die Produktion in immer neue
und günstigere Länder zu verlagern. In diesen genau zehn Jahren von
1994 bis 2003 wechselten wir die Produktionsländer im Schnitt alle
zwei Jahre. Von Tunesien nach Marokko, dann nach Polen, Tschechien
und Rumänien. Firmensitz und Verwaltung blieben stets in
Deutschland.
Alle zwei Jahre musste ich mich auf neue Menschen mit neuen Bräuchen,
Sitten und Mentalitäten einstellen. Und nebenbei lief das Tagesgeschäft
weiter. Das Unternehmen entwickelte sich prächtig.
Für diejenigen, denen es jetzt nicht gefällt, dass sich ein Unternehmen
zulasten inländischer Arbeitsplätze prächtig entwickelt, weil
es günstig im Ausland produziert, sei gesagt: Ich wäre auch lieber
mit der Produktion in Deutschland geblieben. Das hätte jedoch zur
Konsequenz gehabt, dass unsere Kunden (Versandhandelskonzerne)
nicht mehr bei uns gekauft hätten. Hältst du die Preise deiner Mitbewerber,
dann darfst du uns beliefern, wenn nicht, dann eben nicht.
So einfach war das damals.
Meine Geschichte, die ich hier erzählen möchte, heißt »HERZENS-
SACHEN« und ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Herzensangelegenheit
von mir, wozu wir jetzt kommen.
Kapitel 2: Die Risikofaktoren
Gleich vorweg: Immer wenn etwas FETT gedruckt ist, ist es ein Ri-
10
sikofaktor für eine koronare Herzerkrankung, und es wird hier leider
zu viel Fett gedruckt. Seit meiner Geschäftsführer-Tätigkeit im
elterlichen Unternehmen 1994 und der Übernahme 1996 gab es in
meinem Leben eigentlich nur die Arbeit. 14–16 Stunden an sechs
Tagen in der Woche waren üblich. Der Begriff Workaholic würde
wohl perfekt passen oder ganz einfach STRESS pur.
Als freiwilliger Frühaufsteher oder vielleicht eher Bettflüchtiger begann
mein Tag früh um 5 Uhr mit der Korrespondenz, Kalkulationen
und Strategien, zu denen man keine Fragen von Mitarbeitenden oder
klingelnde Telefone gebrauchen konnte. Und wie begann der Tag?
Richtig, mit einem starken Kaffee und einer Zigarette. Das RAU-
CHEN hatte ich mir bereits mit 15 Jahren angewöhnt und sollte
sich im Laufe dieser Geschichte und in meinem Leben als eines der
Hauptprobleme noch zeigen. 40 Zigaretten am Tag waren normal,
zumal mein Tag sehr häufig erst gegen 23 Uhr endete – also viel Zeit
dazwischen, sich mit jeder Zigarette maximal zu schaden. Rauchen
verkürzt das Leben, aber wen interessiert das mit 25, ob es nun mit
82 oder mit 77 endet? Leider falsch gedacht. Dazu später mehr. Ich
kann nicht behaupten, nicht gewusst zu haben, dass man mit seinem
Herzen nicht spaßen sollte.
Meine Mutter erlitt mit 52 Jahren einen Herzinfarkt, dem mehrere
Bypässe folgten. Trotzdem schön, dass meine Mutter mit dieser Erkrankung
doch noch 21 Jahre leben konnte und 73-jährig verstarb.
Das heißt, dass eine ERBLICHE VORBELASTUNG vorlag und
auch bekannt war. Mit 174 cm Körpergröße gehörte ich noch nie
zu den Riesen und mit 80 kg Gewicht auch nicht zu den Leichtge-
11
wichten. Mit der Übernahme des elterlichen Betriebes und den häufigen
Auslandsaufenthalten konnten ich und vor allem meine Mitmenschen
zusehen, wie ich mich von einem noch nie ganz schlanken
Mittzwanziger zu einem übergewichtigen Anfangsdreißiger entwickelte.
Heute würde man das Work-Life-Balance nennen, was mir
fehlte, woran in den Neunzigern kein Mensch dachte. Und nur weil
es damals den Begriff noch nicht gab, heißt das nicht, dass es nicht
absolut notwendig gewesen wäre, etwas gesünder zu leben.
Mit 33 Jahren wog ich mehr als 95 Kilo und hatte schlicht und ergreifend
ADIPOSITAS. Ich weiß nicht, ob es Anfang der 90er
schon den Body-Mass-Index gab. Ich kann mich an die Regel erinnern:
Körpergröße minus 100 wäre das Normalgewicht in Kilo und
dann noch mal 10 % weg das Idealgewicht. Ob Body-Mass-Index
oder nicht, ich war ganz einfach 25 Kilogramm zu schwer.
Bei einem Routinecheck bei meinem Hausarzt im Jahr 2003 wurde
bei einer Langzeitblutdruckmessung ein erhöhter BLUTDRUCK
festgestellt. Damit nicht genug, ergaben sich dabei extrem erhöhte
BLUTFETTWERTE und da im Besonderen die Triglyceride. Diese
gehören zur Gruppe der Nahrungsfette und sind eigentlich wichtig;
dienen sie dem Körper doch unter anderem als Energiereserve.
Nach heutigen Maßstäben sollte bei Männern wie auch bei Frauen
der Wert 150 mg/dl nicht übersteigen. Mein Wert der Triglyceride
lag im Sommer 2003 bei mehr als 1800 mg/dl. Dieser erhöhte Wert
lag jedoch keinesfalls in meinem eigenen Verschulden, sondern wurde
im Jahr 2004 in der Stoffwechselambulanz der Uniklinik Frankfurt
als eine genetisch bedingte Fehlfunktion festgestellt. Der Wert
12
des Cholesterins lag bei über 350 mg/dl.
Was mir nun zu meinem Glück und zu der Erkrankung mit dem
wohlklingenden Namen METABOLISCHES SYNDROM (ein
nicht ganz kluger Mensch sollte das in der Zukunft mal als „Diabolisches
Syndrom“ bezeichnen, dazu vielleicht irgendwann mal mehr)
noch gefehlt hätte, war DIABETES.
Trotz aller Alarmglocken, die ich im Jahr 2003 mit purer Absicht
überhören wollte, wurde seitens meines Hausarztes mit einer Behandlung
begonnen. Zunächst war das Ziel, die massiv erhöhten
Blutfettwerte zu senken.
Dass es bei den oben erwähnten Triglycerid-Werten nicht ein einziges
Wundermittel gab, verschwieg mir mein Hausarzt nicht. Es sollten
neben verschiedenen Lipidsenkern mit all ihren Nebenwirkungen
unter anderem auch noch Medikamente zur Senkung des Blutdrucks
miteinander kombiniert werden. Hat jedes einzelne Medikament
schon seine eigenen Nebenwirkungen, sind sie in Kombination mit
sämtlichen Wechselwirkungen nicht mehr kalkulierbar. Mit der zusätzlichen
eindringlichen Empfehlung, mit dem Rauchen aufzuhören
und massiv das Gewicht zu reduzieren, gehörte mein Hausarzt zu
dieser Zeit nicht zu meinen Lieblingsgesprächspartnern.
Einen Trumpf hatte ich ja noch im Ärmel, um einen Grund zu haben,
alle Warnsignale zu ignorieren: mein Alter. Ich war 34. Was sollte da
passieren? Das Rauchen aufhören und das Gewicht zu reduzieren,
hob ich mir als guten Vorsatz für das neue Jahr 2004 auf. Einzig die
13
Einnahme des Medikamenten-Cocktails mit all seinen Nebenwirkungen
zog ich in 2003 durch.
Kapitel 3: Der Schock
So, meine To-Do-Liste für 2004 stand nun fest:
1. Triglyceride und Cholesterin mithilfe von Medikamenten in den
Griff bekommen. Das heißt, solange nach dem perfekten Mix suchen,
bis eine Senkung eintritt – mit allen Nebenwirkungen.
2. Triglyceride und Cholesterin mit gesunder Ernährung positiv beeinflussen.
Das heißt, gesunde Ernährung, abends leichte Kost und
wenn möglich, auswärts Essengehen vermeiden.
3. Triglyceride und Cholesterin senken durch Gewichtsabnahme
und viel Sport. Das heißt, jeden Tag eine Stunde joggen und 2–3 Mal
in der Woche ins Fitnessstudio.
4. Den Stress abbauen, nach dem gesunden Mittagessen eine halbe
Stunde Mittagsschlaf.
5. Mit dem Rauchen aufhören und dabei nicht Gewicht zunehmen.
6. Für das Unternehmen in gewohnter Form wie in den letzten Jahren
da sein.
Und spätestens bei Punkt 6 bemerkte ich, dass die Vereinbarung mit
14
den Punkten 1–5 ganz schwierig werden könnte. Ich muss auch zugeben,
dass ich meinen Hausarzt mit seinen ganzen seltsamen Empfehlungen
und zum Teil auch Forderungen im Herbst 2003 immer mehr
als meinen persönlichen Feind betrachtete. Er war ja immer nur der
Überbringer aller schlechten Nachrichten, dass diese schlecht waren,
war meine ganz alleinige Schuld. Leider sah ich das im Herbst 2003
nicht ganz so.
Das Jahr 2003 neigte sich dem Ende zu und der 1. Januar mit meinen
ganzen guten und wohl auch lebensnotwendigen Vorsätzen rückte
verdächtig näher. Grund genug, es sich beim alljährlichen Weihnachtsurlaub
in den Tiroler Bergen noch mal so richtig gut gehen
zu lassen. Es war die Nacht zum 29. Dezember 2003, als mich ein
mir vorher nicht bekannter brennender Schmerz im Bereich des
Kinns bis unter die Achsel der linken Körperhälfte wach werden ließ.
Am späten Nachmittag des vorherigen Tages entspannten wir noch
in der hoteleigenen Sauna und ich führte die Schmerzen auf einen
Ausschlag zurück, zumal auch alles stark gerötet war. Der Schmerz
in der Nacht wurde immer schlimmer und ich könnte heute nicht
mehr sagen, ob es zwei oder drei Stunden waren, bis die Schmerzen
nachließen. Meine Frau vermutete eine Gürtelrose, mit der ich mich
vielleicht in der Sauna schon Tage zuvor angesteckt haben könnte.
Pünktlich zum Frühstück begann der 29. Dezember 2003 mit einer
Zigarette. Zum einen wurde damals noch in Hotels geraucht und
zum anderen waren es ja nur noch drei Tage bis zu den geplanten
guten Vorsätzen 2004.
An dem Tag stand ein Ausflug nach Innsbruck an. Freunde aus Mün-
15
chen waren zu Besuch und alle hatten Lust auf Shopping. Die vorherige
Nacht steckte mir zwar noch in den Knochen, wobei die brennenden
Schmerzen fast verschwunden waren, lediglich die Rötung
war noch zu sehen. Meine Frau schlug vor, in einer Apotheke eine
Salbe gegen Gürtelrose zu besorgen. Der Apotheker verkaufte uns die
Salbe, empfahl jedoch eine nahe gelegene Klinik, da er die ihm vorgetragenen
Symptome eher seltsam fand. In der Klinik angekommen,
reihte ich mich als Notfall in unzählige akute andere Notfälle mit
den unterschiedlichsten Knochenbrüchen der Tiroler Skiwelt ein.
Tatsächlich wurde ich mit meinen seltsamen Symptomen andauernd
nach hinten durchgereicht. Verständlich, wenn gerade wieder ein
verunglückter Skirennfahrer mit dem Helikopter eingeflogen wird.
Nach zwei Stunden des Wartens empfahl mir eine Krankenschwester
eine niedergelassene Ärztin ganz in der Nähe. Diese Dame war die
erste, die mit den Symptomen etwas anzufangen wusste. Zusammen
mit meiner gesundheitlichen Vorgeschichte des vergangenen Jahres
und einem EKG kam von der Ärztin die Aussage: „Das Erlebte der
letzten Nacht war ein Herzinfarkt.“ SCHOCK. Und nun? Urlaub
abbrechen, zurück ins Krankenhaus, woher ich kam? Die Ärztin verschrieb
mir Nitro Lingual und viel Ruhe. „Das, was letzte Nacht war,
ist geschehen. Auch wenn Sie jetzt den Urlaub abbrechen, wird wohl
vor Neujahr auch daheim in Deutschland nicht viel mit Ihnen passieren.
Genießen Sie die Zeit und werden Sie gleich am 2. Januar bei
Ihrem Arzt in Deutschland vorstellig.“
Den Blick des gleichen Apothekers, der uns Stunden zuvor eine Salbe
gegen Gürtelrose gab und der uns nun gegen Rezept Nitro Lingual
verkaufte, werde ich bis heute nicht vergessen. Zurück in Deutsch-
16
land führte mich gleich am 2. Januar 2004 mein erster Gang zu meinem
Hausarzt. Überrascht war er offen gestanden nicht über das, was
ich ihm aus meinem Weihnachtsurlaub zu berichten hatte. In der darauffolgenden
Woche durfte ich dann das erste Mal als Patient bei genau
den gleichen Kardiologen vorstellig werden, bei denen ich schon
so oft meine Mutter begleitet hatte. Noch eine Woche später, am 14.
Januar 2004, stand dann meine erste Herzkatheteruntersuchung an.
Und was soll ich sagen: Selbst auf dem Weg ins Krankenhaus nahm
ich die Sache noch nicht ernst! Es kam mir vor, als ginge es um jemand
Fremden, und ich betrachtete mich selbst von außen.
Bei vollem Bewusstsein, was bei einer Herzkatheteruntersuchung
normal ist, bekam ich dann an diesem Tag schwarz auf weiß – oder
besser leicht lichtgrau auf weiß – das Ergebnis meiner oben bereits
erwähnten Kalkulation: Werde ich jetzt 82 Jahre alt oder nur 77?
Schonungslos wurde mir vor Augen geführt, was in der Nacht zum
29. Dezember diese unbeschreiblichen Schmerzen ausgelöst hatte:
eine Arteriosklerose, also eine Arterie, die zu mehr als 90 % durch
Ablagerungen verschlossen war. Das, was ich oben mit Lichtgrau beschrieb,
war die Stelle, die fast verschlossen gewesen ist. Noch am selben
Tag, mit einem Ballon gedehnt und einem Stent versorgt, konnte
ich nach einem Tag Intensivstation und einem weiteren Tag am
Freitag der Woche das Krankenhaus verlassen. Das Wochenende war
zur Entspannung und Genesung da, und am Montag darauf wurde
wieder gearbeitet.
An diesem Montag, den 19. Januar 2004, begann mein neues Leben.
Aber ich wusste nicht, wie tiefgreifend diese Veränderungen sein und
17
wie sehr sie meine Psyche belasten würden. Die Diagnose war nicht
nur ein körperlicher Schock, sondern auch der Beginn eines langen,
dunklen Weges in die DEPRESSION.
Der Untertitel dieses Buches lautet „Wie Herz und Seele zusammengehören“
und ich hätte nicht geglaubt, dass das derart unzertrennbar
zusammenhängt.
Mein Herzinfarkt war für mich ein schwerwiegendes, medizinisches
Ereignis, das nicht nur meinen Körper, sondern auch meine Psyche
sehr stark belastete. Viele Menschen, die einen Herzinfarkt überlebt
haben, entwickeln in den Wochen und Monaten danach eine
Depression. Dieser Zusammenhang ist kein Zufall, sondern das Ergebnis
eines komplexen Wechselspiels zwischen körperlichen und
psychischen Faktoren. Die Gewissheit, dass das eigene Herz – das
Zentrum des Lebens – versagt hat, kann ein intensives Gefühl der
Verwundbarkeit und Angst auslösen. Diese neue Realität kann überwältigend
sein und Gefühle der Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit
fördern, die klassische Symptome einer Depression sind.
Nach einem Herzinfarkt müssen viele Patienten ihren Lebensstil
drastisch ändern und auch ich blieb von diesen Veränderungen nicht
verschont. Solche Veränderungen können auch das Gefühl eines Verlusts
der Kontrolle über das eigene Leben verstärken und zu einer
depressiven Stimmung führen. Besonders schwer ist es, wenn zuvor
genossene Aktivitäten und Hobbys aufgegeben werden müssen; bei
mir waren das viele Einschränkungen in meiner Arbeitsweise. Zudem
ziehen Herzinfarkt-Patienten sich oft sozial zurück, entweder aus
18
Angst, ihre Gesundheit weiter zu gefährden, oder weil sie die Energie
für soziale Interaktionen nicht mehr aufbringen können. Diese
Isolation verstärkt das Gefühl der Einsamkeit und kann ein starkes
Depressionsrisiko darstellen. Zudem können Veränderungen in der
Arbeitsfähigkeit oder die Notwendigkeit, sich beruflich zurückzuziehen,
ebenfalls das Gefühl von Zweck- und Wertlosigkeit fördern.
Umgekehrt kann eine Depression wiederum ein zusätzlicher Risikofaktor
für eine Herzerkrankung sein. Menschen mit Depressionen
neigen häufig dazu, ungesunde Verhaltensweisen zu entwickeln oder
aufrechtzuerhalten, die das Risiko für Herzerkrankungen erhöhen.
Dazu gehören wiederum Rauchen, ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel
und übermäßiger Alkoholkonsum. Diese Faktoren sind
bekannte Risikofaktoren für die Entwicklung von Herzkrankheiten.
Zusätzlich kann eine Depression die Motivation reduzieren, sich um
die eigene Gesundheit zu kümmern und medizinische Empfehlungen
zu befolgen. Schnell kann es hier zu einem Teufelskreis kommen.
Ein wichtiger Hinweis: Ich bin kein Gesundheitsberater und habe
auch keine medizinische Ausbildung. Ich berichte über meine eigenen
Erlebnisse und Gespräche mit anderen Betroffenen. Ich erzähle,
wie ich an meinen Risikofaktoren arbeite und so heute mit diesen
Erprobungen gut lebe.
Die ganze Geschichte gibt es demnächst im Buch
»Herzenssachen«.
Matthias Jung
19
Matthias Jung, ein erfolgreicher
Unternehmer, glaubte, Herzinfarkte seien nur
etwas für alte Leute.
Doch das Leben belehrte ihn eines Besseren.
In „HERZENSSACHEN“ erzählt er von
seinem Wendepunkt: Ein Herzinfarkt in den
Tiroler Bergen zwang ihn, sein Leben
neu zu ordnen.
Mit Ehrlichkeit und einer Prise Humor
schildert Jung seinen Weg zurück zu einem
bewussteren Leben. Er berichtet von den
Herausforderungen, die er bewältigte,
und den wichtigen Lektionen, die er lernte.
Eine nachdenklich stimmende Geschichte
über Gesundheit, Selbstreflexion und die
Bedeutung, auf die Signale des Körpers
zu hören.
JUNG & JUNG Verlag | Mauerheimstraße 8 | 63811 Stockstadt am Main
Telefon 0 60 27 - 97 97 60 | Telefax 0 60 27 - 97 97 61
office@jungundjungverlag.de | www.jungundjungverlag.de
20