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HERZENSSACHEN | Wie Herz und Seele zusammengehören als Leseprobe

Ist ein Herzinfarkt nur etwas für alte Leute? Diese Frage hätte ich noch im Jahr 2003 ohne zu zögern mit Ja beantwortet. Doch das Leben hat seine eigenen Pläne. In »Herzenssachen« erfahren Sie, was mein Leben komplett auf den Kopf gestellt hat – zum Guten und auch zum weniger Guten. Viel Spaß beim Lesen! Ihr Matthias Jung, Frankfurt am Main, im Juni 2024

Ist ein Herzinfarkt nur etwas für alte Leute? Diese Frage hätte ich noch im Jahr 2003 ohne zu zögern mit Ja beantwortet. Doch das Leben hat seine eigenen Pläne.

In »Herzenssachen« erfahren Sie, was mein Leben komplett auf den Kopf gestellt hat – zum Guten und auch zum weniger Guten.

Viel Spaß beim Lesen!
Ihr Matthias Jung, Frankfurt am Main, im Juni 2024

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LESEPROBE

1


2

Psychokardiologie

Die Verbindung von Herz und Seele


Psycho

kardi

ologie

3


Psychokardiologie

Die Verbindung von Herz und Seele

Die Psychokardiologie ist

eine noch junge, aber

zunehmend bedeutsame Disziplin

der Humanmedizin,

die sich mit den Wechselwirkungen

zwischen psychischen

Faktoren und Herzerkrankungen

beschäftigt.

Sie bildet die Schnittstelle

zwischen Kardiologie und

Psychosomatik und rückt

den Menschen als Einheit

von Körper, Geist und Seele

in den Mittelpunkt der Behandlung.

Wechselwirkungen

zwischen Herz und

Psyche

Herz und Psyche stehen in

einem engen, wechselseitigen

Zusammenhang. Zum einen

können psychische Belastungen

wie Stress, Angst oder

Depressionen das Risiko für

Herzerkrankungen deutlich

erhöhen. Studien zeigen, dass

Menschen mit Depressionen

ein signifikant höheres Risiko

für koronare Herzkrankheiten

(KHK) und Herzinfarkte

haben, selbst wenn andere Risikofaktoren

wie Bluthochdruck

oder Diabetes kontrolliert

sind. Umgekehrt können

schwere Herzerkrankungen

selbst starke psychische Belastungen

auslösen – bis hin

zu Angststörungen, Depressionen

oder Anpassungsstörungen.

Ein besonders eindrucksvolles

Beispiel für diese enge

Verbindung ist das sogenannte

Broken-Heart-Syndrom

(Stress-Kardiomyopathie),

bei dem starke emotionale

Belastungen zu Symptomen

führen, die einem Herzinfarkt

ähneln. Hier spielen

Stresshormone wie Adrenalin

und Noradrenalin eine

zentrale Rolle, die das Herz

direkt beeinflussen und zu

Funktionsstörungen

können.

führen

Psychische Faktoren als

Risikofaktoren

Psychische Erkrankungen

wie Depressionen oder

Angsterkrankungen gelten

heute als eigenständige Risikofaktoren

für die Entstehung

und den ungünstigen

Verlauf von Herzerkrankungen.

Chronischer Stress, soziale

Isolation oder traumatische

Erlebnisse können das

Herz-Kreislauf-System belasten

und die Prognose bei

bestehenden Herzerkrankungen

verschlechtern. Darüber

hinaus neigen Menschen mit

psychischen Problemen dazu,

weniger auf ihre Gesundheit

zu achten, was sich negativ

auf den Verlauf der Herzkrankheit

auswirken kann

Ganzheitliche

Therapieansätze

Die Psychokardiologie verfolgt

einen ganzheitlichen

Ansatz. Im Mittelpunkt steht

nicht nur die Behandlung

der körperlichen Symptome,

sondern auch die Berücksichtigung

und Therapie psychischer

Belastungen. Dazu

gehören:

• Erhebung der psychischen

Vorgeschichte und

aktueller psychischer Befunde

4


• Psychoedukation: Information

über den Zusammenhang

zwischen

Psyche und Herz

• Training in Stressbewältigung

und Aktivierung

psychischer Schutzfaktoren

• Unterstützung bei Lebensstiländerungen

wie

Gewichtsreduktion,

Rauchstopp und Bewegung

• Psychotherapeutische

Einzel- oder Gruppengespräche

• Bei Bedarf medikamentöse

Behandlung psychischer

Erkrankungen

In vielen Kliniken arbeiten

heute Kardiologen, Psychotherapeuten,

Pflegekräfte und

Sozialdienste eng zusammen.

Ziel ist es, Patienten nicht

nur medizinisch, sondern

auch psychosozial optimal

zu unterstützen und ihre Lebensqualität

zu verbessern.

Praktische Umsetzung

und Versorgung

In Deutschland ist das Angebot

psychokardiologischer

Betreuung in den letzten

Jahren stetig ausgebaut worden.

Viele Akutkliniken

bieten heute psychokardiologische

Konsile, psychosoziale

Begleitung vor und

nach Operationen sowie

spezielle Gruppenangebote

wie Herzsportgruppen

oder Entspannungskurse an.

Auch niedergelassene Ärzte

mit Zusatzqualifikation in

psychosomatischer Grundversorgung

können erste

Hilfestellungen geben und

weiterführende Therapien

einleiten.

Forschung und

Ausblick

Die Psychokardiologie ist

ein dynamisches Forschungsfeld.

Aktuelle Studien untersuchen

die biologischen

Mechanismen der Wechselwirkung

zwischen Herz und

Psyche, etwa die Rolle von

Stresshormonen oder Entzündungsprozessen.

Auch

die Wirksamkeit verschiedener

Therapieansätze wird

wissenschaftlich evaluiert,

um die Versorgung weiter zu

verbessern.

Neue Perspektiven

für die Patientenversorgung

Die enge Verbindung zwischen

Herz und Seele verdeutlicht,

wie wichtig ein

ganzheitlicher Ansatz bei

der Behandlung von Herzerkrankungen

ist. Die Psychokardiologie

trägt dazu bei,

sowohl körperliche als auch

seelische Aspekte gleichermaßen

zu berücksichtigen

und damit die Lebensqualität

der Betroffenen nachhaltig zu

verbessern. Durch die Integration

psychischer und medizinischer

Versorgung eröffnen

sich neue Möglichkeiten

in Prävention, Therapie und

Nachsorge von Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

So wird

nicht nur das Herz gestärkt,

sondern auch das seelische

Wohlbefinden gefördert –

für eine umfassende und zukunftsorientierte

Patientenbetreuung.

Ein persönlicher

Einblick mit meiner

Geschichte

In meinem derzeit entstehenden

Buch können Sie

schon bald meine gesamte

Geschichte nachlesen – mit

all ihren Höhen, Tiefen und

persönlichen Erfahrungen

rund um das Thema Psychokardiologie.

Bis es soweit ist, wünsche ich

Ihnen viel Freude und spannende

Einblicke mit dieser

Leseprobe.

Psycho

kardi

ologie

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6


Matthias Jung

HERZENS

SACHEN

„Wie Herz und Seele

zusammengehören“

7


Ich, im Jahr 2004 Ich, im Jahr 2020

VORWORT

Ist ein Herzinfarkt nur etwas für alte Leute?

Diese Frage hätte ich noch im Jahr 2003 ohne zu zögern

mit Ja beantwortet. Doch das Leben hat seine eigenen

Pläne.

In »Herzenssachen« erfahren Sie, was mein Leben

komplett auf den Kopf gestellt hat – zum Guten und

auch zum weniger Guten.

Viel Spaß beim Lesen!

Ihr Matthias Jung

Frankfurt am Main, im Juni 2024

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Kapitel 1: Über mich

Mein Name ist Matthias Jung. Die Geschichte, um die es hier geht,

beginnt im Jahr 2003 und reicht bis heute. Sie wird mich für den

noch hoffentlich langen Rest meines Lebens begleiten. Trotz allem

gehört die Zeit vor 2003 untrennbar zu meiner Geschichte und zu

dem, worum es hier geht.

Ich wurde 1969 in Aschaffenburg geboren und wuchs in einer kleinen

Landkreisgemeinde auf. Aschaffenburg und Miltenberg entwickelten

sich nach dem Krieg zu Hochburgen der Bekleidungsindustrie,

und genau in dieser Branche gründeten meine Eltern 1953 eine

kleine Kleiderfabrik. Das elterliche Unternehmen entwickelte sich

im Laufe der Zeit, mit allen Höhen und Tiefen, bis im Jahr 1992 die

Weichen für eine Unternehmensnachfolge gestellt werden mussten.

Zum einen das fortgeschrittene Alter meiner Eltern und zum anderen

die massive Produktionsverlagerung der meisten Mitbewerber

ins Ausland machten dies notwendig.

Damals, mit 23 Jahren, blieb mir gar nichts anderes übrig, als zusammen

mit meinen Eltern das Unternehmen ebenfalls im Zuge einer

Produktionsverlagerung ins Ausland wieder wettbewerbsfähig zu

machen.

Nach zweijähriger Geschäftsführer-Tätigkeit übernahm ich 1996

das Unternehmen als Inhaber von meinen Eltern. Es änderte sich dadurch

nichts grundlegend, außer der Formalie, dass ich nun alleiniger

Inhaber war. Jetzt brachen turbulente Jahre an: Unsere Kunden

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forderten in immer kürzer werdenden Abständen immer niedrigere

Preise, wodurch ich gezwungen war, die Produktion in immer neue

und günstigere Länder zu verlagern. In diesen genau zehn Jahren von

1994 bis 2003 wechselten wir die Produktionsländer im Schnitt alle

zwei Jahre. Von Tunesien nach Marokko, dann nach Polen, Tschechien

und Rumänien. Firmensitz und Verwaltung blieben stets in

Deutschland.

Alle zwei Jahre musste ich mich auf neue Menschen mit neuen Bräuchen,

Sitten und Mentalitäten einstellen. Und nebenbei lief das Tagesgeschäft

weiter. Das Unternehmen entwickelte sich prächtig.

Für diejenigen, denen es jetzt nicht gefällt, dass sich ein Unternehmen

zulasten inländischer Arbeitsplätze prächtig entwickelt, weil

es günstig im Ausland produziert, sei gesagt: Ich wäre auch lieber

mit der Produktion in Deutschland geblieben. Das hätte jedoch zur

Konsequenz gehabt, dass unsere Kunden (Versandhandelskonzerne)

nicht mehr bei uns gekauft hätten. Hältst du die Preise deiner Mitbewerber,

dann darfst du uns beliefern, wenn nicht, dann eben nicht.

So einfach war das damals.

Meine Geschichte, die ich hier erzählen möchte, heißt »HERZENS-

SACHEN« und ist im wahrsten Sinne des Wortes eine Herzensangelegenheit

von mir, wozu wir jetzt kommen.

Kapitel 2: Die Risikofaktoren

Gleich vorweg: Immer wenn etwas FETT gedruckt ist, ist es ein Ri-

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sikofaktor für eine koronare Herzerkrankung, und es wird hier leider

zu viel Fett gedruckt. Seit meiner Geschäftsführer-Tätigkeit im

elterlichen Unternehmen 1994 und der Übernahme 1996 gab es in

meinem Leben eigentlich nur die Arbeit. 14–16 Stunden an sechs

Tagen in der Woche waren üblich. Der Begriff Workaholic würde

wohl perfekt passen oder ganz einfach STRESS pur.

Als freiwilliger Frühaufsteher oder vielleicht eher Bettflüchtiger begann

mein Tag früh um 5 Uhr mit der Korrespondenz, Kalkulationen

und Strategien, zu denen man keine Fragen von Mitarbeitenden oder

klingelnde Telefone gebrauchen konnte. Und wie begann der Tag?

Richtig, mit einem starken Kaffee und einer Zigarette. Das RAU-

CHEN hatte ich mir bereits mit 15 Jahren angewöhnt und sollte

sich im Laufe dieser Geschichte und in meinem Leben als eines der

Hauptprobleme noch zeigen. 40 Zigaretten am Tag waren normal,

zumal mein Tag sehr häufig erst gegen 23 Uhr endete – also viel Zeit

dazwischen, sich mit jeder Zigarette maximal zu schaden. Rauchen

verkürzt das Leben, aber wen interessiert das mit 25, ob es nun mit

82 oder mit 77 endet? Leider falsch gedacht. Dazu später mehr. Ich

kann nicht behaupten, nicht gewusst zu haben, dass man mit seinem

Herzen nicht spaßen sollte.

Meine Mutter erlitt mit 52 Jahren einen Herzinfarkt, dem mehrere

Bypässe folgten. Trotzdem schön, dass meine Mutter mit dieser Erkrankung

doch noch 21 Jahre leben konnte und 73-jährig verstarb.

Das heißt, dass eine ERBLICHE VORBELASTUNG vorlag und

auch bekannt war. Mit 174 cm Körpergröße gehörte ich noch nie

zu den Riesen und mit 80 kg Gewicht auch nicht zu den Leichtge-

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wichten. Mit der Übernahme des elterlichen Betriebes und den häufigen

Auslandsaufenthalten konnten ich und vor allem meine Mitmenschen

zusehen, wie ich mich von einem noch nie ganz schlanken

Mittzwanziger zu einem übergewichtigen Anfangsdreißiger entwickelte.

Heute würde man das Work-Life-Balance nennen, was mir

fehlte, woran in den Neunzigern kein Mensch dachte. Und nur weil

es damals den Begriff noch nicht gab, heißt das nicht, dass es nicht

absolut notwendig gewesen wäre, etwas gesünder zu leben.

Mit 33 Jahren wog ich mehr als 95 Kilo und hatte schlicht und ergreifend

ADIPOSITAS. Ich weiß nicht, ob es Anfang der 90er

schon den Body-Mass-Index gab. Ich kann mich an die Regel erinnern:

Körpergröße minus 100 wäre das Normalgewicht in Kilo und

dann noch mal 10 % weg das Idealgewicht. Ob Body-Mass-Index

oder nicht, ich war ganz einfach 25 Kilogramm zu schwer.

Bei einem Routinecheck bei meinem Hausarzt im Jahr 2003 wurde

bei einer Langzeitblutdruckmessung ein erhöhter BLUTDRUCK

festgestellt. Damit nicht genug, ergaben sich dabei extrem erhöhte

BLUTFETTWERTE und da im Besonderen die Triglyceride. Diese

gehören zur Gruppe der Nahrungsfette und sind eigentlich wichtig;

dienen sie dem Körper doch unter anderem als Energiereserve.

Nach heutigen Maßstäben sollte bei Männern wie auch bei Frauen

der Wert 150 mg/dl nicht übersteigen. Mein Wert der Triglyceride

lag im Sommer 2003 bei mehr als 1800 mg/dl. Dieser erhöhte Wert

lag jedoch keinesfalls in meinem eigenen Verschulden, sondern wurde

im Jahr 2004 in der Stoffwechselambulanz der Uniklinik Frankfurt

als eine genetisch bedingte Fehlfunktion festgestellt. Der Wert

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des Cholesterins lag bei über 350 mg/dl.

Was mir nun zu meinem Glück und zu der Erkrankung mit dem

wohlklingenden Namen METABOLISCHES SYNDROM (ein

nicht ganz kluger Mensch sollte das in der Zukunft mal als „Diabolisches

Syndrom“ bezeichnen, dazu vielleicht irgendwann mal mehr)

noch gefehlt hätte, war DIABETES.

Trotz aller Alarmglocken, die ich im Jahr 2003 mit purer Absicht

überhören wollte, wurde seitens meines Hausarztes mit einer Behandlung

begonnen. Zunächst war das Ziel, die massiv erhöhten

Blutfettwerte zu senken.

Dass es bei den oben erwähnten Triglycerid-Werten nicht ein einziges

Wundermittel gab, verschwieg mir mein Hausarzt nicht. Es sollten

neben verschiedenen Lipidsenkern mit all ihren Nebenwirkungen

unter anderem auch noch Medikamente zur Senkung des Blutdrucks

miteinander kombiniert werden. Hat jedes einzelne Medikament

schon seine eigenen Nebenwirkungen, sind sie in Kombination mit

sämtlichen Wechselwirkungen nicht mehr kalkulierbar. Mit der zusätzlichen

eindringlichen Empfehlung, mit dem Rauchen aufzuhören

und massiv das Gewicht zu reduzieren, gehörte mein Hausarzt zu

dieser Zeit nicht zu meinen Lieblingsgesprächspartnern.

Einen Trumpf hatte ich ja noch im Ärmel, um einen Grund zu haben,

alle Warnsignale zu ignorieren: mein Alter. Ich war 34. Was sollte da

passieren? Das Rauchen aufhören und das Gewicht zu reduzieren,

hob ich mir als guten Vorsatz für das neue Jahr 2004 auf. Einzig die

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Einnahme des Medikamenten-Cocktails mit all seinen Nebenwirkungen

zog ich in 2003 durch.

Kapitel 3: Der Schock

So, meine To-Do-Liste für 2004 stand nun fest:

1. Triglyceride und Cholesterin mithilfe von Medikamenten in den

Griff bekommen. Das heißt, solange nach dem perfekten Mix suchen,

bis eine Senkung eintritt – mit allen Nebenwirkungen.

2. Triglyceride und Cholesterin mit gesunder Ernährung positiv beeinflussen.

Das heißt, gesunde Ernährung, abends leichte Kost und

wenn möglich, auswärts Essengehen vermeiden.

3. Triglyceride und Cholesterin senken durch Gewichtsabnahme

und viel Sport. Das heißt, jeden Tag eine Stunde joggen und 2–3 Mal

in der Woche ins Fitnessstudio.

4. Den Stress abbauen, nach dem gesunden Mittagessen eine halbe

Stunde Mittagsschlaf.

5. Mit dem Rauchen aufhören und dabei nicht Gewicht zunehmen.

6. Für das Unternehmen in gewohnter Form wie in den letzten Jahren

da sein.

Und spätestens bei Punkt 6 bemerkte ich, dass die Vereinbarung mit

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den Punkten 1–5 ganz schwierig werden könnte. Ich muss auch zugeben,

dass ich meinen Hausarzt mit seinen ganzen seltsamen Empfehlungen

und zum Teil auch Forderungen im Herbst 2003 immer mehr

als meinen persönlichen Feind betrachtete. Er war ja immer nur der

Überbringer aller schlechten Nachrichten, dass diese schlecht waren,

war meine ganz alleinige Schuld. Leider sah ich das im Herbst 2003

nicht ganz so.

Das Jahr 2003 neigte sich dem Ende zu und der 1. Januar mit meinen

ganzen guten und wohl auch lebensnotwendigen Vorsätzen rückte

verdächtig näher. Grund genug, es sich beim alljährlichen Weihnachtsurlaub

in den Tiroler Bergen noch mal so richtig gut gehen

zu lassen. Es war die Nacht zum 29. Dezember 2003, als mich ein

mir vorher nicht bekannter brennender Schmerz im Bereich des

Kinns bis unter die Achsel der linken Körperhälfte wach werden ließ.

Am späten Nachmittag des vorherigen Tages entspannten wir noch

in der hoteleigenen Sauna und ich führte die Schmerzen auf einen

Ausschlag zurück, zumal auch alles stark gerötet war. Der Schmerz

in der Nacht wurde immer schlimmer und ich könnte heute nicht

mehr sagen, ob es zwei oder drei Stunden waren, bis die Schmerzen

nachließen. Meine Frau vermutete eine Gürtelrose, mit der ich mich

vielleicht in der Sauna schon Tage zuvor angesteckt haben könnte.

Pünktlich zum Frühstück begann der 29. Dezember 2003 mit einer

Zigarette. Zum einen wurde damals noch in Hotels geraucht und

zum anderen waren es ja nur noch drei Tage bis zu den geplanten

guten Vorsätzen 2004.

An dem Tag stand ein Ausflug nach Innsbruck an. Freunde aus Mün-

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chen waren zu Besuch und alle hatten Lust auf Shopping. Die vorherige

Nacht steckte mir zwar noch in den Knochen, wobei die brennenden

Schmerzen fast verschwunden waren, lediglich die Rötung

war noch zu sehen. Meine Frau schlug vor, in einer Apotheke eine

Salbe gegen Gürtelrose zu besorgen. Der Apotheker verkaufte uns die

Salbe, empfahl jedoch eine nahe gelegene Klinik, da er die ihm vorgetragenen

Symptome eher seltsam fand. In der Klinik angekommen,

reihte ich mich als Notfall in unzählige akute andere Notfälle mit

den unterschiedlichsten Knochenbrüchen der Tiroler Skiwelt ein.

Tatsächlich wurde ich mit meinen seltsamen Symptomen andauernd

nach hinten durchgereicht. Verständlich, wenn gerade wieder ein

verunglückter Skirennfahrer mit dem Helikopter eingeflogen wird.

Nach zwei Stunden des Wartens empfahl mir eine Krankenschwester

eine niedergelassene Ärztin ganz in der Nähe. Diese Dame war die

erste, die mit den Symptomen etwas anzufangen wusste. Zusammen

mit meiner gesundheitlichen Vorgeschichte des vergangenen Jahres

und einem EKG kam von der Ärztin die Aussage: „Das Erlebte der

letzten Nacht war ein Herzinfarkt.“ SCHOCK. Und nun? Urlaub

abbrechen, zurück ins Krankenhaus, woher ich kam? Die Ärztin verschrieb

mir Nitro Lingual und viel Ruhe. „Das, was letzte Nacht war,

ist geschehen. Auch wenn Sie jetzt den Urlaub abbrechen, wird wohl

vor Neujahr auch daheim in Deutschland nicht viel mit Ihnen passieren.

Genießen Sie die Zeit und werden Sie gleich am 2. Januar bei

Ihrem Arzt in Deutschland vorstellig.“

Den Blick des gleichen Apothekers, der uns Stunden zuvor eine Salbe

gegen Gürtelrose gab und der uns nun gegen Rezept Nitro Lingual

verkaufte, werde ich bis heute nicht vergessen. Zurück in Deutsch-

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land führte mich gleich am 2. Januar 2004 mein erster Gang zu meinem

Hausarzt. Überrascht war er offen gestanden nicht über das, was

ich ihm aus meinem Weihnachtsurlaub zu berichten hatte. In der darauffolgenden

Woche durfte ich dann das erste Mal als Patient bei genau

den gleichen Kardiologen vorstellig werden, bei denen ich schon

so oft meine Mutter begleitet hatte. Noch eine Woche später, am 14.

Januar 2004, stand dann meine erste Herzkatheteruntersuchung an.

Und was soll ich sagen: Selbst auf dem Weg ins Krankenhaus nahm

ich die Sache noch nicht ernst! Es kam mir vor, als ginge es um jemand

Fremden, und ich betrachtete mich selbst von außen.

Bei vollem Bewusstsein, was bei einer Herzkatheteruntersuchung

normal ist, bekam ich dann an diesem Tag schwarz auf weiß – oder

besser leicht lichtgrau auf weiß – das Ergebnis meiner oben bereits

erwähnten Kalkulation: Werde ich jetzt 82 Jahre alt oder nur 77?

Schonungslos wurde mir vor Augen geführt, was in der Nacht zum

29. Dezember diese unbeschreiblichen Schmerzen ausgelöst hatte:

eine Arteriosklerose, also eine Arterie, die zu mehr als 90 % durch

Ablagerungen verschlossen war. Das, was ich oben mit Lichtgrau beschrieb,

war die Stelle, die fast verschlossen gewesen ist. Noch am selben

Tag, mit einem Ballon gedehnt und einem Stent versorgt, konnte

ich nach einem Tag Intensivstation und einem weiteren Tag am

Freitag der Woche das Krankenhaus verlassen. Das Wochenende war

zur Entspannung und Genesung da, und am Montag darauf wurde

wieder gearbeitet.

An diesem Montag, den 19. Januar 2004, begann mein neues Leben.

Aber ich wusste nicht, wie tiefgreifend diese Veränderungen sein und

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wie sehr sie meine Psyche belasten würden. Die Diagnose war nicht

nur ein körperlicher Schock, sondern auch der Beginn eines langen,

dunklen Weges in die DEPRESSION.

Der Untertitel dieses Buches lautet „Wie Herz und Seele zusammengehören“

und ich hätte nicht geglaubt, dass das derart unzertrennbar

zusammenhängt.

Mein Herzinfarkt war für mich ein schwerwiegendes, medizinisches

Ereignis, das nicht nur meinen Körper, sondern auch meine Psyche

sehr stark belastete. Viele Menschen, die einen Herzinfarkt überlebt

haben, entwickeln in den Wochen und Monaten danach eine

Depression. Dieser Zusammenhang ist kein Zufall, sondern das Ergebnis

eines komplexen Wechselspiels zwischen körperlichen und

psychischen Faktoren. Die Gewissheit, dass das eigene Herz – das

Zentrum des Lebens – versagt hat, kann ein intensives Gefühl der

Verwundbarkeit und Angst auslösen. Diese neue Realität kann überwältigend

sein und Gefühle der Hilflosigkeit und Hoffnungslosigkeit

fördern, die klassische Symptome einer Depression sind.

Nach einem Herzinfarkt müssen viele Patienten ihren Lebensstil

drastisch ändern und auch ich blieb von diesen Veränderungen nicht

verschont. Solche Veränderungen können auch das Gefühl eines Verlusts

der Kontrolle über das eigene Leben verstärken und zu einer

depressiven Stimmung führen. Besonders schwer ist es, wenn zuvor

genossene Aktivitäten und Hobbys aufgegeben werden müssen; bei

mir waren das viele Einschränkungen in meiner Arbeitsweise. Zudem

ziehen Herzinfarkt-Patienten sich oft sozial zurück, entweder aus

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Angst, ihre Gesundheit weiter zu gefährden, oder weil sie die Energie

für soziale Interaktionen nicht mehr aufbringen können. Diese

Isolation verstärkt das Gefühl der Einsamkeit und kann ein starkes

Depressionsrisiko darstellen. Zudem können Veränderungen in der

Arbeitsfähigkeit oder die Notwendigkeit, sich beruflich zurückzuziehen,

ebenfalls das Gefühl von Zweck- und Wertlosigkeit fördern.

Umgekehrt kann eine Depression wiederum ein zusätzlicher Risikofaktor

für eine Herzerkrankung sein. Menschen mit Depressionen

neigen häufig dazu, ungesunde Verhaltensweisen zu entwickeln oder

aufrechtzuerhalten, die das Risiko für Herzerkrankungen erhöhen.

Dazu gehören wiederum Rauchen, ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel

und übermäßiger Alkoholkonsum. Diese Faktoren sind

bekannte Risikofaktoren für die Entwicklung von Herzkrankheiten.

Zusätzlich kann eine Depression die Motivation reduzieren, sich um

die eigene Gesundheit zu kümmern und medizinische Empfehlungen

zu befolgen. Schnell kann es hier zu einem Teufelskreis kommen.

Ein wichtiger Hinweis: Ich bin kein Gesundheitsberater und habe

auch keine medizinische Ausbildung. Ich berichte über meine eigenen

Erlebnisse und Gespräche mit anderen Betroffenen. Ich erzähle,

wie ich an meinen Risikofaktoren arbeite und so heute mit diesen

Erprobungen gut lebe.

Die ganze Geschichte gibt es demnächst im Buch

»Herzenssachen«.

Matthias Jung

19


Matthias Jung, ein erfolgreicher

Unternehmer, glaubte, Herzinfarkte seien nur

etwas für alte Leute.

Doch das Leben belehrte ihn eines Besseren.

In „HERZENSSACHEN“ erzählt er von

seinem Wendepunkt: Ein Herzinfarkt in den

Tiroler Bergen zwang ihn, sein Leben

neu zu ordnen.

Mit Ehrlichkeit und einer Prise Humor

schildert Jung seinen Weg zurück zu einem

bewussteren Leben. Er berichtet von den

Herausforderungen, die er bewältigte,

und den wichtigen Lektionen, die er lernte.

Eine nachdenklich stimmende Geschichte

über Gesundheit, Selbstreflexion und die

Bedeutung, auf die Signale des Körpers

zu hören.

JUNG & JUNG Verlag | Mauerheimstraße 8 | 63811 Stockstadt am Main

Telefon 0 60 27 - 97 97 60 | Telefax 0 60 27 - 97 97 61

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