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Berliner Zeitung 04.06.2019

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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 127 · D ienstag, 4. Juni 2019 – S eite 18<br />

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Sport<br />

„Vielleicht läuft es so gut,<br />

dass es schon mein letzter Job ist“<br />

Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg über die WM in Frankreich, die Frage der<br />

Gleichberechtigung und einen viel diskutierten Werbespot<br />

Große Ambitionen, aber eher verhaltene Ziele für die WM in Frankreich: Bundestrainerin Martina Voss-Tecklenburg.<br />

DPA/HOPPE<br />

Martina Voss-Tecklenburg<br />

verströmt große<br />

Vorfreude auf die bevorstehende<br />

Frauen-<br />

WM in Frankreich (7. Juni bis 7. Juli).<br />

Die Bundestrainerin hat sich eine<br />

Mischung aus Gelassenheit und Anspannung,<br />

Fröhlichkeit und Ernsthaftigkeit<br />

zum Markenzeichen gemacht,<br />

die ausgesprochen gut ankommt.<br />

Das Motto: Die 51-Jährige,<br />

geboren in Duisburg, wohnhaft in<br />

Straelen am Niederrhein, sieht sich<br />

für ihre Spielerinnen als Dienstleister.<br />

Das Ziel: Die ehemalige Nationalspielerin<br />

(125 Länderspiele) will<br />

dem deutschen Team wieder ein<br />

neues Gesicht geben und gleichzeitig<br />

an alte Erfolge anknüpfen.<br />

In dem Werbespot der Frauen-Nationalmannschaft<br />

hält die Bundestrainerin<br />

Martina Voss-Tecklenburg entspannt<br />

das Kaffeeservice, das es 1989<br />

nach dem ersten EM-Titel als Prämie<br />

gab.Haben Siedas Setnoch?<br />

Ja,das wird bei uns tagtäglich benutzt.<br />

Hermann (Ehemann Hermann<br />

Tecklenburg, d. Red.) nimmt das immer<br />

aus dem Schrank.<br />

Dann war diese oft verspotteteWürdigung<br />

seitens des Deutschen Fußball-<br />

Bundes (DFB) doch werthaltiger als<br />

gedacht, wenn es immer noch seinen<br />

Zweck erfüllt?<br />

Ich empfinde es so. Eswar auch<br />

mein erster Titel mit der Nationalmannschaft<br />

und das ist meine Erinnerung<br />

daran. Mein Service ist leider<br />

total unvollständig, denn ein Teil<br />

steht in Köln, ein Teil in Dortmund im<br />

Fußballmuseum und ein Teil war<br />

wohl mal in Nürnberg. Aber es ist<br />

trotzdem im Alltag im Hause Voss-<br />

Tecklenburggut integriert(lacht).<br />

Der Clip hat siebenstellige Zugriffszahlen<br />

in den sozialen Netzwerken.<br />

Was haben Sie bei der Passage gedacht,<br />

in der es über die DFB-Frauen<br />

heißt: „Wir haben keine Eier –wir,wir<br />

haben Pferdeschwänze“?<br />

Wirsaßen im Februar zusammen,<br />

als UweHellmann (Leiter Brand Management<br />

Commerzbank, d. Red.)<br />

uns das Skript vorgestellt hat und wissen<br />

wollte:„Könnt ihr das mitgehen?“<br />

Dieser Satz war mir ehrlich gesagt<br />

lange gar nicht mehr präsent, bis ich<br />

dann im Mai das Ergebnis gesehen<br />

habe.Dadachte ich nur:„Wow!“ Und<br />

je häufiger ich es mir ansah, konnte<br />

ich sagen:„Ja, das sind wir.“<br />

Hilft so ein selbstironischer Ansatz,<br />

um dauerhaft die Akzeptanz zu erhöhen?<br />

Mannimmt sich ja erst mal sehr<br />

zurück, wenn man selbst behauptet,<br />

die Nation kennt unsereNamen nicht.<br />

Dasist nur die Einleitung. Ausdem<br />

Zusammenhang wird deutlich, dass<br />

einfach anerkannt werden soll, dass<br />

wir Fußball spielen. Wereine Nation<br />

vertritt, erwartet, unabhängig vonder<br />

Sportartunterstützt zu werden.<br />

Eine breitere Öffentlichkeit schaut<br />

aber nur bei Großereignissen Frauenfußball.<br />

Es geht nicht nur unserer Sportart<br />

so. Wir haben bei der Handball-WM<br />

im Winter alle der deutschen Mannschaft<br />

die Daumen gedrückt. Wenn<br />

wir jetzt im Sommer eine tolle sportliche<br />

Leistung bringen, können wir einen<br />

Transfer zurück in die Frauen-<br />

Bundesliga bewirken.<br />

Wo der Zuschauerschnitt jetzt bei<br />

rund 800 liegt.<br />

Im normalen Ligabetrieb müssen<br />

wir uns im internationalen Vergleich<br />

aber gar nicht verstecken. Da haben<br />

England, Frankreich, Spanien oder<br />

Italien im Durchschnitt auch nicht<br />

mehr Zuschauer, aber sie haben es<br />

nun mal durch spezielle Events geschafft,<br />

neues Interesse zu wecken.<br />

Wir waren mit dem deutschen Frauenfußball<br />

sehr weit vorne. Viele Nationen<br />

haben auf uns geschaut oder<br />

haben sich etwas abgeschaut. Wer<br />

weit oben ist, hat eine größere Fallhöhe.<br />

Wasmuss denn gegen eine Stagnation<br />

getan werden?<br />

ZumFrauenfußball locken wir keinen<br />

Zuschauer,wenn er keine Atmosphäre<br />

vorfindet und kein Dach<br />

übermKopf hat. Für mich ist die SGS<br />

Essen ein positives Beispiel: Früher<br />

haben sie Frauen-Bundesliga vor400<br />

Zuschauern gespielt, dann haben sie<br />

es mit Unterstützung von Stadt und<br />

Politik geschafft, ins Stadion vonRot-<br />

Weiss Essen zu ziehen. Man sitzt<br />

komfortabel auf der Haupttribüne,<br />

kann sich im VIP-Raum Kaffee und<br />

Kuchen holen –und plötzlich kommen<br />

permanent an die 1000 Zu-<br />

ZUR PERSON<br />

schauer. Natürlich muss sich auch<br />

der DFB fragen, ob es noch eine Liga-<br />

Reform oder andere Lizenz-Auflagen<br />

braucht.<br />

Die Spielerin: Bereits als 15-Jährigespielte die in Duisburg geborene Martina Voss-Tecklenburg<br />

auf höchstem Niveau, gewann mit dem KBC Duisburg 1983 den DFB-Pokal der Frauen,<br />

um sich im Jahr 1985 mit dem KBC auch ihren ersten vonsechs Meistertiteln zu sichern. Insgesamt<br />

bestritt sie 125 Länderspiele, wurde 1995 mit der DFB-Auswahl Vize-Weltmeister.<br />

Die Trainerin: Beim FCR Duisburg sammelte sie als Trainerin zwischen 2008 und 2011 erste<br />

Erfahrungen, coachte im Anschluss ein Jahr den FF USV Jena. Von2012 bis 2015 war sie Nationaltrainerin<br />

der Schweiz. Seit April 2018 ist sie für die DFB-Auswahl verantwortich.<br />

Nationaltorhüterin Almuth Schult<br />

hat die mangelnde Rückendeckung in<br />

vielen Bereichen beklagt. War ihre<br />

Kardinalkritik also richtig?<br />

Ich fand es bemerkenswert, dass<br />

Almuth als meinungsstarke Spielerin<br />

ihreHaltung vertritt.Wenn die Spielerinnen<br />

etwas so empfinden, muss<br />

man das ja hinterfragen. Ich möchte<br />

nur eine differenzierte Betrachtung.<br />

Im Vergleich zu anderen Sportarten<br />

haben wir in unserem Verband sehr<br />

viel Support.<br />

In Norwegen haben die Spielerinnen<br />

dieselbe Prämie wie die Männer verlangt,<br />

in den USA tobt deswegen sogar<br />

ein juristischer Streit.<br />

Wenn wir das aber auf Deutschland<br />

übertragen, würden wir Äpfel<br />

mit Birnen vergleichen. DieUS-Spielerinnen<br />

schließen Verträge mit dem<br />

Verband, das ist also eine völlig andere<br />

Struktur. InSkandinavien ist es<br />

grundsätzlich eine andere Situation,<br />

was Themen wie die Gleichstellung<br />

der Frau in der Gesellschaft angeht.<br />

Sie geben als Bundestrainerin ein gutes<br />

Beispiel ab, die Trennlinien im<br />

Fußball zwischen Männern und<br />

Frauen zu durchschneiden. Sie sitzen<br />

auch im Aufsichtsrat von Fortuna<br />

Düsseldorf.<br />

Im Aufsichtsrat bei Fortuna ist es<br />

egal, ob ich eine Frau oder ein Mann<br />

bin. Das ist aber nicht vom Himmel<br />

gefallen, sondern ich bin da reingewachsen.<br />

Wenn ich davon überzeugt<br />

bin, dass ich gewisse Dinge gut kann,<br />

biete ich einen Mehrwert für die anderen.<br />

Bei anderen Themen nehme<br />

ich mich zurück, die nicht in meine<br />

Kernkompetenz fallen. Zu Marketing-<br />

oder Finanzthemen nehme ich<br />

nicht Stellung. Ichhabe diese Nebentätigkeit<br />

nicht angenommen, weil ich<br />

eine Profilneurose habe,sondernweil<br />

ich es als Bereicherung ansehe.<br />

Beim SV Straelen haben Sieals Trainerin<br />

mit Männern gearbeitet. Wie lief<br />

das ab?<br />

Dieser Einsatz war ja zweigeteilt.<br />

Der erste Einsatz war bei der ersten<br />

Mannschaft, als ich noch Verbandssportlehrerin<br />

in Niederrhein war. Offiziell<br />

war ich Teammanagerin, aber<br />

tatsächlich dieTrainerin. Mitmeinem<br />

Mann zusammen sind wir dann in<br />

die Oberliga aufgestiegen. Ich hatte<br />

damals drei Ex-Profis im Team, die<br />

natürlich einen Anspruch hatten. Ein<br />

halbes Jahr später übernahm ich die<br />

zweite Mannschaft, nachdem dort<br />

der Trainer aufhörte und ich zufällig<br />

am Sportplatz stand.<br />

Daswar nicht im Leistungsbereich.<br />

Bezirksklasse. Ich sollte für die<br />

letzten neun Spiele helfen. Dann kam<br />

das erste Training und nur sechs,sieben<br />

Spieler kamen. Es hat sich herumgesprochen,<br />

dass ich das mache.<br />

Beim zweiten Training waren zwölf<br />

und beim dritten dann 18. Die sind<br />

dann immer gekommen, und wir<br />

sind dringeblieben. Es gab keinerlei<br />

Akzeptanzprobleme. Wichtig war<br />

nur:Macht das Training Spaß? Gibt es<br />

von der Trainerin einen Input, um<br />

besser zu werden?<br />

Könnten Sie sich denn vorstellen, die<br />

erste Trainerin im deutschen Profifußball,<br />

vielleicht sogar in der Ersten oder<br />

Zweiten Liga, zu werden?<br />

Im Moment ist das gar keinThema<br />

für mich. Aktuell wünsche ich mir,<br />

dass ich längerfristig beim DFB arbeiten<br />

kann. Vielleicht läuft es ja jetzt so<br />

gut, dass es schon mein letzter Jobist.<br />

Sie haben die Erwartungen für einen<br />

Weltranglistenzweiten mit der Olympiaqualifikation<br />

verhalten angesetzt.<br />

Weil wir uns in einer Umbruchsituation<br />

mit vielen jungen Spielerinnen<br />

befinden, vondenen 15 ihreerste<br />

Frauen-WM spielen. Wir wollen zurück<br />

in dieWeltspitze, aber ich bin der<br />

festen Überzeugung, dass sechs bis<br />

acht Mannschaften die Chance haben,<br />

Weltmeister zu werden. Um unter<br />

den besten drei europäischen<br />

Teams zu landen, die sich für Tokio<br />

2020 qualifizieren, müssen wir wahrscheinlich<br />

ins Halbfinale kommen.<br />

Haben Sie eine Titelprämie im Vertrag?<br />

Da muss ich mal reingucken.<br />

DasGespräch führte<br />

Frank Hellmann.<br />

Immer wenn er Dreier nahm<br />

Albas Ausgangslage vor dem zweiten Halbfinalduell gegen Oldenburg ist komfortabel, weil die Basketballer einen klaren Plan haben –und einen Anführer namens Peyton Siva<br />

VonChristian Kattner<br />

Und plötzlich waren sie gestrandet.<br />

Verpassen gelegentlich<br />

Züge in Wolfsburgden planmäßigen<br />

Halt am dortigen Hauptbahnhof, kamen<br />

Alba Berlins Basketballer von<br />

dort erst einmal nicht weiter. Stillstand<br />

am Sonntagabend um 23.41<br />

Uhr. Die Laune ließen sich die Spieler<br />

davon nicht vermiesen, machten<br />

Faxen auf dem Bahnsteig. Miteinem<br />

Auswärtssieg in Oldenburg, der<br />

gleichzeitig die 1:0-Führung in der<br />

Best-of-Five-Serie bedeutet, nimmt<br />

man solche Verspätungen etwas gelassener.<br />

Erst recht, wenn man am<br />

Montagvormittag noch trainingsfrei<br />

hat und erst am Nachmittag in die<br />

Halle muss.<br />

Trainingseinheiten gibt es ohnehin<br />

im Moment viel zu viele, wie<br />

Martin Hermannsson mit einem<br />

breiten Lächeln im Gesicht sagte.<br />

Mehr Spiele, dafür weniger Training<br />

wünscht sich der Isländer also.Auch<br />

wenn das sicherlich spaßig gemeint<br />

war, soist niemand im Alba-Lager<br />

aktuell traurig über die komfortable<br />

Situation von lediglich einem oder<br />

zwei Spielen proWoche.Endlich gibt<br />

es genügend Zeit, um sich auf den<br />

Gegner intensiv vorzubereiten.<br />

In Play-off-Serien,<br />

wo man mindestens dreimal<br />

gegen das gleiche<br />

Team spielt, ist das gar<br />

nicht so verkehrt. Denn:<br />

„Die Dynamik ist ganz anders“,<br />

sagt Aufbauspieler<br />

Joshiko Saibou, „vielleicht<br />

ist im ersten Spiel etwas<br />

passiert und im zweiten<br />

will man es wieder gutmachen. Oder<br />

man hat das erste Spiel gewonnen<br />

und will den Deckel draufmachen.<br />

Die Dynamik ändert sich so extrem<br />

vonSpiel zu Spiel.“<br />

Runde Sache?<br />

Peyton Siva<br />

DPA/GENTSCH<br />

Gut, den Deckel kann<br />

Alba Berlin am Mittwochabend<br />

(20.30 Uhr) in der<br />

Arena am Ostbahnhof<br />

noch nicht ganz draufmachen,<br />

aber hält den Deckel<br />

mit einem zweiten Sieg<br />

gleich dreimal in der<br />

Hand. Eine 2:0-Führung<br />

wäre nämlich gleichbedeutend<br />

mit drei Matchbällen.<br />

Die Grundlage dafür bildet<br />

aber die Vorbereitung.<br />

Alba Berlin ist mit einem klaren<br />

Plan in die erste Partie in Oldenburg<br />

gegangen. „Wir wollten unser eige-<br />

nes Tempo spielen, den gegnerischen<br />

Korb attackieren“, sagte Peyton<br />

Siva. Als Spielmacher war er<br />

auch gleichzeitig der Anführer des<br />

Plans.<br />

Allein zehn Freiwürfe holte er sich<br />

durch seinen starken Zug zum Korb<br />

und hängte seinen Gegenspielern<br />

viele Fouls an. Als dann bei ihm auch<br />

noch der Dreier fiel, lief er zur<br />

Höchstformauf. Besonders auffällig:<br />

Immer dann, wenn es darauf ankam,<br />

zeigte sich Siva. Zwei Punkte zum<br />

Ende des ersten Viertels, fünf kurz<br />

vor der Halbzeitpause, erneut die<br />

letzten fünf Zähler für sein Team<br />

kurz vor dem Ende des dritten Abschnitts.<br />

Auch den letzten Korb des Spiels,<br />

ein Dreier zum 100:93, erzielte Peyton<br />

Siva. 15 seiner insgesamt 26<br />

Punkte sammelte Albas Regisseur<br />

also jeweils in der Schlussphase und<br />

machte damit den Unterschied.<br />

Ganz nebenbei nahm er auch noch<br />

gegen Will Cummings ein Offensivfoul<br />

an. Der wertvollste Spieler der<br />

Hauptrunde in der BBL musste danach<br />

vorzeitig vom Feld. Jetzt sollte<br />

diese Dynamik nur nicht am Bahngleis<br />

in Wolfsburgverloren gegangen<br />

sein.

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