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Sprungbrett_Ausgabe 2019_01

Das Netzwerkmagazin des APOLLON Alumni Network e.V. Die aktuelle Auflage beschäftigt sich mit dem Thema "Buurtzorg" - ein niederländisches Pflegemodell und ob man so etwas auch in Deutschland implementieren kann. Wer Lust auf verschieden Sichtweisen dazu hat, ist in diesem Heft goldrichtig :-).

Das Netzwerkmagazin des APOLLON Alumni Network e.V.
Die aktuelle Auflage beschäftigt sich mit dem Thema "Buurtzorg" - ein niederländisches Pflegemodell und ob man so etwas auch in Deutschland implementieren kann.
Wer Lust auf verschieden Sichtweisen dazu hat, ist in diesem Heft goldrichtig :-).

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<strong>Sprungbrett</strong><br />

<strong>Ausgabe</strong><br />

1 / <strong>2<strong>01</strong>9</strong><br />

Das Netzwerkmagazin des APOLLON Alumni Network e. V.<br />

Pflege im Umbruch?!?<br />

„Buurtzorg“<br />

in Deutschland?<br />

Aus der Sicht der Patienten<br />

Ökonomische Auswirkungen<br />

Politische Erwägungen<br />

… und noch etliches mehr!


Editorial<br />

DIE VIERTE AUSGABE<br />

Liebe Vereinsmitglieder,<br />

liebe AbsolventInnen der APOLLON Hochschule,<br />

liebe APOLLONianerInnen, liebe LeserInnen,<br />

wir freuen uns, die mittlerweile vierte <strong>Ausgabe</strong> unseres Netzwerkmagazins zu veröffentlichen.<br />

Die Idee des Magazins entstand in unserem ersten BarCamp im Mai 2<strong>01</strong>7. Es lebt durch die<br />

Veröffentlichung von Artikeln von FachautorInnen aus unseren eigenen APOLLON Alumni-Reihen.<br />

Im letzten Jahr gesellte sich zu den Aktivitäten des Vereins ein weiteres Format im Nachgang des<br />

Apollon Symposiums hinzu: Unser erstes APOLLON Alumni World Café! Thema dieser Erstauflage<br />

war Buurtzorg, ein Projekt in den Niederlanden, das aktuell in Deutschland in die Modellphase<br />

läuft. So entstand das Thema für diese <strong>Sprungbrett</strong>-<strong>Ausgabe</strong>. Die AutorInnen beschäftigen<br />

sich in ihren Artikeln mit verschiedenen Aspekten des niederländischen Vorbilds sowie den<br />

Möglichkeiten und Schwierigkeiten der Übertragbarkeit in die deutsche Versorgungslandschaft.<br />

Wir wünschen Ihnen viel Spaß beim Lesen der vierten <strong>Ausgabe</strong> unseres Magazins.<br />

Sollten Sie in unserer <strong>Ausgabe</strong> noch kleinere Ecken und Kanten finden, ein Thema so interessant<br />

oder sogar abwegig finden und uns etwas dazu sagen wollen, dann freuen wir uns über ein<br />

offenes Feedback. Am besten direkt per E-Mail an info@apollon-alumni.de.<br />

Ihr Vorstand des APOLLON Alumni Network<br />

Michael Walch<br />

Schatzmeister<br />

Sabrina Reinhart<br />

Erste Vorsitzende<br />

Tobias Ulamec<br />

Zweiter Vorsitzender<br />

Die <strong>Sprungbrett</strong> <strong>Ausgabe</strong> 2/<strong>2<strong>01</strong>9</strong> erscheint im Oktober.<br />

2<br />

<strong>Sprungbrett</strong> … <strong>01</strong>/<strong>2<strong>01</strong>9</strong>


Inhalt<br />

Inhalt<br />

Lernen wir endlich von anderen?<br />

Alexandra Berendes 4<br />

Agilität und Selbstorganisation aus Patientensicht<br />

Janina Ehlers 8<br />

Agile Qualität<br />

Janina Ehlers 10<br />

Das Buurtzorg-Modell – ein Modell zur Kostensenkung in<br />

der ambulanten Pflege?<br />

Cornelia Baudisch 12<br />

Burtzoorg aus der Sicht anderer medizinischer Berufsgruppen<br />

Dr. Barbara Mayerhofer MBA 15<br />

Ambulante Pflege in Deutschland nach dem Vorbild von Buurtzorg<br />

Dr. Felix Hoffmann 18<br />

Politische Überlegungen zu Buurtzorg in Deutschland<br />

Florian Bechtel 21<br />

Ob das gut gehen kann.<br />

Tobias Ulamec 24<br />

Unsere AutorInnen und Mitwirkenden in dieser <strong>Ausgabe</strong> 25<br />

Antrag auf Mitgliedschaft 26<br />

Wo möglich verwenden unsere AutorInnen Personenbezeichnungen, die alle Geschlechter einbeziehen.<br />

Aus Gründen der Lesbarkeit wird an anderen Stellen aber auf separate Benennungen verzichtet, es sind aber<br />

ausdrücklich alle Geschlechter gemeint.<br />

Impressum<br />

©: APOLLON Alumni Network e. V. – <strong>Ausgabe</strong> 1/<strong>2<strong>01</strong>9</strong><br />

Umschlagsgestaltung & Layout: APOLLON Hochschule der Gesundheitswirtschaft<br />

Bilder: Tobias Ulamec – Lektorat: Alexandra Berendes<br />

AutorInnen: Cornelia Baudisch, Florian Bechtel, Alexandra Berendes, Janina Ehlers, Dr. Felix Hoffmann,<br />

Dr. Barbara Mayerhofer, Tobias Ulamec<br />

Weitere Mitwirkende: Sabrina Reinhart, Michael Walch<br />

Verlag: APOLLON Alumni Network e.V. / Bremen – Druck: APOLLON Alumni Network e.V. / Bremen<br />

Das Werk, einschließlich seiner Teile, ist urheberrechtlich geschützt. Jede Verwertung ist ohne Zustimmung<br />

des Verlags und der Autorin bzw. des Autors unzulässig. Dies gilt insbesondere für die elektronische oder<br />

sonstige Vervielfältigung, Übersetzung, Verbreitung und öffentliche Zugänglichmachung.<br />

www.apollon-alumni.de 3


Lernen wir endlich von anderen?<br />

Lernen wir endlich von anderen?<br />

Alexandra Berendes<br />

Der Pflegenotstand und die Unzufriedenheit eines ganzen Berufsstandes lassen sich nicht mehr wegdiskutieren. Ist<br />

ein niederländisches Vorbild mit hoher Mitarbeiter- und Kundenzufriedenheit bei nachgewiesener Effizienz für den<br />

deutschen Markt adaptierbar?<br />

Auch in der Pflege gilt<br />

der Grundsatz: ambulant<br />

vor stationär. In Anbetracht<br />

des Wunsches<br />

der allermeisten Menschen,<br />

auch als Pflegefall<br />

in ihrem eigenen<br />

Zuhause alt zu werden,<br />

[1] durchaus sinnvoll.<br />

Ein Blick auf die aktuellen<br />

Verhältnisse<br />

Unsere demografische<br />

und auch die soziale<br />

Entwicklung bedingen<br />

allerdings, dass immer<br />

mehr alte und potenziell<br />

damit auch kränkere Menschen<br />

alleine leben.<br />

Gerade in städtischen Ballungsräumen<br />

drohen genau diese Menschen<br />

absurderweise zu vereinsamen: die<br />

sozialen Gefüge sind hier weniger<br />

existent, geschweige denn belastbar.<br />

Der Mensch wird zum anonymen Wesen.<br />

Der „Nachbar“ hat nicht denselben<br />

Stellenwert wie noch in ländlich<br />

geprägten Strukturen.<br />

Reflex dieser Entwicklungen sind rasant<br />

steigende Pflegebedarfe, vor<br />

allem in der ambulanten Pflege.<br />

Demgegenüber stehen bereits Mitte<br />

2<strong>01</strong>8 36.000 unbesetzte Stellen<br />

in der Alten- und Krankenpflege, [2]<br />

Tendenz steigend. Dabei hat sich in<br />

der ambulanten Pflege die Anzahl<br />

der Beschäftigten zwischen 20<strong>01</strong> und<br />

2<strong>01</strong>7 mehr als verdoppelt. Allerdings<br />

arbeiten gerade mal 28% der ambulant<br />

tätigen Pflegenden in Vollzeit. [3]<br />

Die Altenpflege verzeichnet zudem<br />

im Vergleich der Gesundheitsberufe<br />

Jeder dieser Pflegedienste<br />

muss einen eigenen<br />

Vertrag mit den<br />

Pflegekassen abschließen,<br />

um Leistungen<br />

der ambulanten Pflege<br />

abrechnen zu können.<br />

Die Pflegekassen haben<br />

sich zwar im Gegensatz<br />

zu den gesetzlichen<br />

Krankenkassen<br />

zusammengeschlossen,<br />

haben aber die Zuständigkeiten<br />

– je nach<br />

Bundesland variierend<br />

Abbildung 1 aus: 6. Pflegebericht, S. 27.<br />

– aufgeteilt: Für den<br />

Vertrag mit den Pflegekassen<br />

im Kreis Münster (Stadt) ist also<br />

die meisten Arbeitsunfähigkeitstage.<br />

[4] Auch steigen viele Pflegende aus eine andere Kasse zuständig als etwa<br />

ihrem Beruf aus.<br />

für einen Vertrag im Kreis Steinfurt.<br />

Deutschlandweit agieren mehr als Die Abrechnung der Leistungen erfolgt<br />

nach sog. Leistungskomple-<br />

14.000 ambulante Pflegedienste, die<br />

im Schnitt je 59 Pflegebedürftige betreuen,<br />

allein in NRW sind 2.823 tätig Kleine Körperpflege etc. Hier muss<br />

xen, wie etwa Hilfe beim Aufstehen,<br />

mit einer durchschnittlich betreuten alles einzeln dokumentiert und vom<br />

Anzahl von 64,5 Kunden. [5]<br />

Leistungsempfänger gegengezeichnet<br />

werden. Und natürlich muss für<br />

Abbildung 2 aus: 6. Pflegebericht, S. 26.<br />

4<br />

<strong>Sprungbrett</strong> … <strong>01</strong>/<strong>2<strong>01</strong>9</strong>


Lernen wir endlich von anderen?<br />

jede diese Leistungen ein Zeitrahmen<br />

eingehalten werden, damit die Pflege<br />

rentabel bleibt.<br />

Aber nicht alles an ambulanter Pflege<br />

wird mit den Pflegekassen abgerechnet.<br />

Ambulante Pflegeleistungen lassen<br />

sich in zwei große Bereiche unterscheiden:<br />

zum einen die Leistungen<br />

nach SGB XI, dem Sozialgesetzbuch<br />

zur Sozialen Pflegeversicherung. Der<br />

Anspruch auf diese Leistungen begründet<br />

sich in der Feststellung eines<br />

Pflegegrades. Diese Leistungen werden<br />

als Grundpflege bezeichnet und<br />

umfassen Körperpflege, Ernährung,<br />

Mobilität, Vorbeugung (Prophylaxen),<br />

die Förderung von Eigenständigkeit<br />

und Kommunikation. Ist der Pflegegrad<br />

durch die Pflegekasse bewilligt<br />

und hat der ambulante Pflegedienst<br />

seinen Vertrag mit den Pflegekassen,<br />

muss jetzt zusätzlich ein Vertrag mit<br />

dem Pflegebedürftigen abgeschlossen<br />

werden, ggf. auch ein zusätzlicher<br />

Vertrag zur Privatliquidation sollten<br />

die Leistungen den Rahmen der bewilligten<br />

Pflege nach SGB XI überschreiten.<br />

Zum anderen werden Leistungen<br />

nach SGB V abgerufen, die also die<br />

Abbildung 3: Leistungskomplexe und Punkte – Beispielbild aus: Übersicht über ambulante<br />

Leistungskomplexe 2<strong>01</strong>5, Anlage H zum sechsten Pflegebericht<br />

gesetzliche Krankenkasse trägt. Diese<br />

sog. Behandlungspflege beinhaltet<br />

ausschließlich medizinische Leistungen,<br />

die ein Arzt bzw. eine Ärztin<br />

verordnet haben muss. Ausgeführt<br />

werden dürfen diese nur durch examinierte<br />

Pflegekräfte, die aber im<br />

Gegensatz zur Betreuung im Rahmen<br />

des SGB XI keinerlei Einfluss darauf haben,<br />

was angemessen ist.<br />

Die meisten ambulanten Pflegedienste<br />

müssen daher mit zwei Abrechnungsstellen<br />

und ggf. zusätzlich<br />

den Pflegebedürftigen oder deren gesetzlichen<br />

Vertretern kommunizieren.<br />

Das Modell Buurtzorg<br />

Im Zentrum der seit 2006 nach dem<br />

Vorbild der community nurses arbeitenden<br />

Buurtzorg-Teams stehen die<br />

Bedürfnisse des Patienten.<br />

Im Idealfall hat der Patient Kontakt zu<br />

genau zwei zuständigen Pflegenden,<br />

die um ihn herum ein Netzwerk aus<br />

Familie, Quartiersangeboten, Ärzten<br />

und Therapeuten aufbauen.<br />

Die kleinen Teams mit maximal 12<br />

Mitgliedern und einem klar begrenzten<br />

örtlichen Zuständigkeitsbereich<br />

organisieren sich komplett selbst, unterstützt<br />

durch den Einsatz von IT und,<br />

bei Bedarf, durch einen Coach. Pflegedienstleiter<br />

sind in diesem Konzept<br />

überflüssig. Der Einsatz wird stundenweise<br />

vergütet.<br />

Der Erfolg ist überwältigend. Inzwischen<br />

hat die „Nachbarschaftshilfe“<br />

über 900 Teams, die Effizienz konnte<br />

nachgewiesen werden, Mitarbeitende<br />

und Betreute zeigen hohe Zufriedenheitswerte.<br />

[6] Inzwischen werden<br />

40% der ambulanten Leistungen in<br />

den Niederlanden nach diesem Modell<br />

erbracht.<br />

Auffällig ist, dass die Pflegekräfte eine<br />

hoch eigenständige Verantwortung<br />

für die Betreuten übernehmen. Auch<br />

wenn sie nicht Gemeindeschwester,<br />

VERAH oder case manager betitelt<br />

werden, letztendlich sind die Pflegenden<br />

hier genau die „Kümmerer“, nach<br />

denen in vielen Diskussionen unter<br />

immer anderen Namen und in unterschiedlichen<br />

Positionen im Gesundheitswesen<br />

verlangt wird. Und vielleicht<br />

meint diese Position genau das,<br />

was im Grunde jeder Pflegende nach<br />

seiner ursprünglichen Vorstellung in<br />

seinem Beruf leisten will.<br />

Buurtzorg Deutschland<br />

Natürlich ist das niederländische Modell<br />

nicht 1 zu 1 auf unsere deutschen<br />

Verhältnisse übertragbar.<br />

Um ein besseres Bild von Buurtzorg<br />

Deutschland über die im Netz zu<br />

findenden Infos hinaus zu erhalten,<br />

führte die Autorin ein Gespräch mit<br />

dem Geschäftsführer, Herrn Technau.<br />

Die wesentlichen Informationen sollen<br />

hier zusammengefasst und teilweise<br />

ergänzt wiedergegeben werden.<br />

In NRW wagen Teams der Sander Pflege<br />

und des Impulse Pflegedienstes<br />

das Modell Buurtzorg.<br />

Die ländlichen Projekte laufen seit<br />

2<strong>01</strong>7, seit Oktober 2<strong>01</strong>8 hat auch ein<br />

Team in Münster die Arbeit aufgenommen.<br />

Insgesamt sind es 4 Projekte<br />

im Großraum Münster bzw. in ganz<br />

NRW. Problematisch ist die Vertragsgestaltung<br />

für Modellprojekte in Bezug<br />

auf die Pflegekassen-Beteiligung.<br />

Eine Lösung scheint aber gefunden,<br />

so dass vielleicht noch in diesem Jahr<br />

weitere Teams in NRW entstehen können.<br />

Zwischenzeitlich ist in Sachsen in<br />

Leipzig ein 5. Team gestartet.<br />

www.apollon-alumni.de 5


Lernen wir endlich von anderen?<br />

Nach Möglichkeit sollen nur 2 Pfleger<br />

pro Patient im Einsatz sein. Die aktuellen<br />

Teamgrößen liegen zwischen<br />

4 und 10 Mitarbeitern. Die Anforderungen<br />

hinsichtlich der Qualifikationen<br />

sind dieselben wie sonst auch.<br />

Bevorzugt werden eher examinierte<br />

Pflegekräfte eingestellt, da es dann<br />

keine Einschränkungen für die Einsetzbarkeit<br />

gibt. Dadurch, dass beide Pflegedienste<br />

auch weiterhin gleichzeitig<br />

die klassische ambulante Pflege anbieten,<br />

ist ein Wechsel aus den Buurtzorg-<br />

in die „normalen“ Strukturen generell<br />

jederzeit möglich. So kann den<br />

Bewerbern die Angst vor dem neuen<br />

System genommen werden.<br />

Die notwendigen Schulungen der<br />

Teams übernehmen die Coaches. Der<br />

Zeitaufwand ist vorab nicht klar zu<br />

definieren, weil dieser stark von dem<br />

jeweiligen Team bzw. den Persönlichkeiten<br />

darin abhängt. Das eine Team<br />

kann nach 3 Monaten selbständig<br />

arbeiten, ein anderes kann aber auch<br />

nach 6 Monaten noch etwas Betreuung<br />

brauchen.<br />

Geschult werden wesentlich Kommunikationsfähigkeiten,<br />

aber auch der<br />

Umgang mit der Software, Dienstpläne<br />

erstellen und Abrechnungsmanagement.<br />

Persönlichkeitsentwicklung<br />

ist ein wesentlicher Punkt, denn<br />

das Modell erfordert ein hohes Maß<br />

an Eigenverantwortung und Verantwortungsübernahme<br />

für den Patienten.<br />

Die Rolle ändert sich: der Blick<br />

für Bedarfe des Patienten muss geschärft<br />

werden, gleichzeitig muss ein<br />

Augenmaß beibehalten werden, für<br />

das, was wirklich notwendig ist. Es soll<br />

keine Zeit verschwendet und der Patient<br />

auch nicht weniger selbständig<br />

gemacht werden als er sein kann.<br />

Digitalisierung ist ein ganz wesentlicher<br />

Faktor für die Selbstorganisation.<br />

Die Eigenorganisation der Teams<br />

basiert auf gemeinsamer Planung,<br />

die aktuell über die Software Medifox<br />

über Handy und PC läuft. Geplant<br />

ist eine Plattform zur weiteren<br />

Vernetzung der Teams untereinander,<br />

perspektivisch auch die<br />

Anbindung von Schnittstellen<br />

für Praxen/Ärzte, aber auch von<br />

Software zur elektronischen<br />

Bereitstellung von Messdaten,<br />

eRezept usw., um Prozesse innerhalb<br />

der Versorgung weiter<br />

zu digitalisieren. Problem dabei<br />

ist aktuell aber noch die TI bzw.<br />

das Fehlen von definierten einheitlichen<br />

Schnittstellen. Um<br />

aber eine den Niederlanden vergleichbare<br />

Struktur aufbauen zu<br />

können (nur 21 Coaches, 50 Verwaltungsmitarbeiter<br />

bei knapp<br />

1000 Teams), ist die Digitalisierung<br />

Grundvoraussetzung.<br />

Prinzipiell werden alle SGB<br />

XI-Leistungen (Hauswirtschaft,<br />

Betreuung, Pflege) per Stundensatz<br />

vergütet. Der Stundensatz<br />

liegt bei derzeit 32€ in NRW.<br />

Wenn die Modellphase des<br />

Modellprojekts nach §8 SGB XI<br />

anläuft (mit einer Laufzeit von<br />

2,5 Jahren), gibt es einen Modellzuschlag<br />

in Höhe von 10%.<br />

Die Vergütungsregularien sind<br />

ansonsten ähnlich wie im herkömmlichen<br />

System. Anhand<br />

erfasster Parameter wird der Bedarf<br />

bestimmt, also ein Stundenkontingent<br />

vereinbart. Wenn<br />

einer der Pflegenden die Wohnung<br />

betritt, läuft die Zeit. Der<br />

Patient oder ggf. Angehörige<br />

zeichnet am Ende ab, wie lange<br />

der Pfleger da war. Diese Teile<br />

sind weiterhin Papierdokumentation.<br />

Wenn Behandlungspflege<br />

nach SGB V dazu kommt bzw.<br />

den Anfangspunkt bildet, kann und<br />

soll die Pflege von denselben Teams<br />

geleistet werden – allerdings müssen<br />

sie die Leistungen dann herkömmlich<br />

verrichtungsbezogen dokumentieren<br />

und abrechnen, was aber wenigstens<br />

in derselben Software machbar ist.<br />

Warum pflegen Pflegende?<br />

Oder warum eben nicht?<br />

Die Entscheidung, in der Pflege tätig<br />

zu werden, hat einen zutiefst sozial,<br />

vielleicht sogar altruistisch motivierten,<br />

auf jeden Fall aber idealistischen<br />

Hintergrund: den Wunsch,<br />

sich um andere zu kümmern.<br />

Die Umfrageergebnisse einer Gelegenheitsstichprobe<br />

von 4.439 Pflegenden<br />

aus dem Jahr 2<strong>01</strong>6, rekrutiert<br />

über Fachverband- und Gruppenansprachen,<br />

die offizielle Website der Initiatorin<br />

Elisabeth Scharfenberg sowie<br />

Pressemitteilungen und per Schneeballprinzip<br />

ausgeweitet, bestätigen<br />

dies exemplarisch: Fast alle Befragten<br />

(98 Prozent) stimmen der Aussage<br />

zu, dass sie mit Menschen arbeiten<br />

wollten. 96 Prozent sagen, dass sie<br />

etwas Sinnvolles mit ihrer Arbeit tun<br />

wollen. 42% gaben bei der Frage nach<br />

dem Grund ihrer Berufswahl an, sehr<br />

eigenverantwortlich arbeiten zu wollen;<br />

60% geben, befragt zur täglichen<br />

Motivation für die Arbeit, „eigenverantwortliches<br />

Arbeiten“ an. [8]<br />

Die größten täglichen Ärgernisse lagen<br />

im Zeitdruck, den 87% als Auslöser<br />

für Unzufriedenheit in der Arbeit<br />

angaben, und der Personalausstattung<br />

im direkten Umfeld (82%). [8]<br />

Symptomatisch für die Pflege: 74%<br />

der Befragten waren Frauen. Als Gründe<br />

für die Teilzeitbeschäftigung wurde<br />

mit großer Mehrheit die Vereinbarkeit<br />

von Familie und Beruf genannt (40%),<br />

aber immerhin auch 11% gaben ein,<br />

keine Vollzeitstelle zu bekommen, obwohl<br />

sie diese gerne hätten. [8]<br />

Bleiben Teile der errechneten Bedarfszeit<br />

über, kann diese ggf. neu gesetzt<br />

werden. Der Pfleger muss entscheiden,<br />

ob andere Verrichtungen in der<br />

„übrigen Zeit“ notwendig sind. Bei<br />

Grauzonen definiert das Team den<br />

Umgang gemeinsam. Generell sollen<br />

6<br />

<strong>Sprungbrett</strong> … <strong>01</strong>/<strong>2<strong>01</strong>9</strong>


Lernen wir endlich von anderen?<br />

Betreuungszeiten durch Anleitungen<br />

zum Selbstmanagement oder Drittmanagement<br />

verkürzt werden. Hilfe<br />

zur Selbständigkeit beinhaltet wegen<br />

der mangelnden informellen Netzwerke<br />

oft auch die Vermittlung in<br />

Angebote von Stadtteilen oder Pflegeeinrichtungen.<br />

Manche Patienten<br />

haben Angst zu lernen, sich z.B. den<br />

Blutdruck zu messen oder die Augentropfen<br />

einzuträufeln, denn dann<br />

kommt keiner mehr. Dazu muss die<br />

soziale Integration gelingen, um die<br />

Leistungen der Pflege zurückfahren zu<br />

können, der Patient muss sich aufgehoben<br />

fühlen. Der Einbezug existenter<br />

Zentren der Quartiere für Betreuungsleistungen,<br />

wie Gemeindezentren, ist<br />

also erklärtes Ziel. Der Kontakt zum<br />

Buurtzorg-Pflegedient bleibt zusätzlich<br />

vorhanden, es werden turnusmäßige<br />

Kontrollbesuche vereinbart. In<br />

der herkömmlichen Pflege ist der Vertrag<br />

an der Stelle, an der die Selbstversorgung<br />

gelernt wurde, beendet, und<br />

wenn nochmal ein Bedarf entsteht,<br />

muss neu nach einem Pflegedienst<br />

mit freiem Kontingent gesucht werden.<br />

Ambulante Pflege ist gemeinhin eher<br />

als Teilzeitjob ausgelegt und die Beschäftigten<br />

sind Großteils Frauen. Oft<br />

wird z.B. wegen der Familie in Teilzeit<br />

zu arbeiten gewünscht. Die Mitarbeiter<br />

der Buurtzorg-Teams sollen<br />

idealerweise in Vollzeit arbeiten. Dabei<br />

werden 60% der Arbeitszeit beim<br />

Patienten geleistet, 22% wesentlich<br />

am Schreibtisch, aber hierin sind auch<br />

Zeiten für Wege und Netzwerkarbeit<br />

subsummiert. Die übrigen 18% werden<br />

für Abwesenheit gerechnet, wegen<br />

Urlaub, Krankheit, Feiertag und<br />

Fortbildung. [7]<br />

Eventuell wird durch diese Vollzeitoption<br />

der Job auch attraktiver für<br />

Männer, in der klassischen Rolle als<br />

Familienernährer. Zum Ist-Zustand der<br />

Zusammensetzung der Teams gibt es<br />

aber noch keine Erhebung.<br />

Nach Einschätzung von Herrn Technau<br />

ist Buurtzorg vielleicht nicht die<br />

Lösung für den Pflegenotstand, aber<br />

für viele ein Weg zurück in das System<br />

Pflege, da der soziale Aspekt, den Pfleger<br />

in ihrer Ausbildung berücksichtigen<br />

gelernt haben, und der für viele<br />

wichtig ist bei der Berufswahl, zurück<br />

in den Fokus genommen wird, und<br />

auch weil mehr eigene Organisation<br />

und Entscheidung möglich ist.<br />

Herzlichen Dank an den Geschäftsführer<br />

von Buurtzorg Deutschland, Herrn<br />

Johannes Technau, für das interessante<br />

Gespräch!<br />

Literaturverzeichnis:<br />

[1] www.presseportal.de/pm/52278/3666109 (28.02.<strong>2<strong>01</strong>9</strong>).<br />

[2] www.zeit.de/wirtschaft/2<strong>01</strong>8-04/pflege-kranke-altenheime-kliniken-notstand-bundesregierung (28.02.<strong>2<strong>01</strong>9</strong>).<br />

[3] https://www.destatis.de/DE/ZahlenFakten/GesellschaftStaat/Gesundheit/Pflege/Tabellen/PersonalPflegeeinrichtungen.<br />

html;jsessionid=C5C4A607A2C5857992F8964D37EF94F7.InternetLive1 (28.02.<strong>2<strong>01</strong>9</strong>).<br />

[4] Kliner K, Rennert D, Richter M (Hrsg.) (2<strong>01</strong>7). BKK Gesundheitsatlas 2<strong>01</strong>7. MWV Medizinisch Wissenschaftliche Verlagsgesellschaft, Berlin.<br />

[5] Statistisches Bundesamt (Destatis) (2<strong>01</strong>8). Pflegestatistik. Pflege im Rahmen der Pflegeversicherung Ländervergleich – Ambulante Pflegedienste.<br />

[6] https://awblog.at/das-buurtzorg-modell/ (28.02.<strong>2<strong>01</strong>9</strong>).<br />

[7] CAREkonkret 32/2<strong>01</strong>8.<br />

[8] Scharfenberg E (2<strong>01</strong>6). Was beschäftigt Pflegekräfte? Ausgewählte Ergebnisse der Umfrage von Elisabeth Scharfenberg, MdB, 2<strong>01</strong>6.<br />

Erhebungszeitraum: 05.04. bis 16.05.2<strong>01</strong>6.<br />

[9] Bundesministerium für Gesundheit (2<strong>01</strong>6). Sechster Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Pflegeversicherung und den Stand der<br />

pflegerischen Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland.<br />

[10] Bundesministerium für Gesundheit (2<strong>01</strong>6). Sechster Bericht der Bundesregierung über die Entwicklung der Pflegeversicherung und den Stand<br />

der pflegerischen Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland. Anlage H zum sechsten Pflegebericht. Übersicht über vereinbarte ambulante<br />

Leistungskomplexe in den Ländern (Stand: 31.12.2<strong>01</strong>5)<br />

www.apollon-alumni.de 7


Agilität und Selbstorganisation aus Patientensicht<br />

Agilität und Selbstorganisation aus Patientensicht<br />

Janina Ehlers<br />

Der Vorrang der ambulanten vor einer stationären Versorgung gilt seit langem als gesundheits- und sozialpolitische<br />

Maxime und trifft den Wunsch der meisten Menschen, im Fall von Krankheit und Pflegebedürftigkeit so lange wie<br />

möglich in der häuslichen Umgebung zu verbleiben. [1]<br />

Relevanz der<br />

Patientenperspektive<br />

Bis weit ins 20. Jahrhundert war die<br />

Medizin und Pflege von ausgeprägter<br />

Wissensasymmetrie charakterisiert.<br />

Diese weicht im Laufe der Zeit dem<br />

autonomen, aufgeklärten Patienten.<br />

[2] Die Informiertheit der Menschen<br />

hinsichtlich der Leistungen aus Pflege-<br />

und Krankenversicherung nimmt<br />

zu, wenngleich auch die Gesundheitskompetenz<br />

der Menschen demografisch<br />

sehr unterschiedlich ist. [3]<br />

Darüber hinaus wird den Bedarfen<br />

und Wünschen der Patienten durch<br />

die Verortung von Interessengruppen<br />

im Gesundheitssystem vermehrt<br />

Rechnung getragen z.B. nehmen Vertreter<br />

von Patientenorganisationen<br />

an den Sitzungen des Gemeinsamen<br />

Bundesausschusses teil und haben<br />

dort ein Mitberatungs- und Antragsrecht.<br />

Im Weiteren sind gesetzliche<br />

Wege eingeschlagen, um die Würde<br />

und Integrität als Patient zu achten,<br />

Selbstbestimmungsrecht und das<br />

Recht auf Privatsphäre zu respektieren.<br />

[3] Dies soll u.a. durch das Patientenrechtegesetz<br />

(2<strong>01</strong>3) gewährleistet<br />

sein. Es wird deutlich, dass wir es mit<br />

„anderen“ Patienten zu tun haben.<br />

Die Patientenperspektive spielt in der<br />

Gesundheitsversorgung und der Qualitätssicherung<br />

laut einer Studie von<br />

Ludt; et. al. (2<strong>01</strong>3) eine entscheidende<br />

Rolle. Demnach können Patienten<br />

qualitätsrelevante Aspekte identifizieren<br />

und aufzeigen, bspw. die unzureichende<br />

Kommunikation und Koordination.<br />

[4] Des Weiteren möchten<br />

die Pflegebedürftigen als gleichberechtigte<br />

Partner anerkannt werden,<br />

indem sie und ihre Angehörigen informiert<br />

werden und bei der Pflege<br />

eigenverantwortlich Mitbestimmung<br />

erfahren [12].<br />

Infolgedessen bedarf es einer strikten<br />

Patientenorientierung, Fürsorge und<br />

Empathie.<br />

Interessant in diesem Kontext wäre<br />

die aktuelle Zufriedenheit der Pflegebedürftigen<br />

im Zusammenhang<br />

mit der Versorgungsqualität in der<br />

ambulanten Pflege, welche jedoch<br />

empirisch nicht ohne weiteres hergestellt<br />

werden kann. Hierfür sind gemäß<br />

der Pflege-Qualitätsberichte des<br />

MDS methodische Gründe (sozial erwünschtes<br />

Antwortverhalten, Abhängigkeitsverhältnis,<br />

Generationenfrage)<br />

verantwortlich. [5] Darüber hinaus ist<br />

noch kein wissenschaftlicher Beweis<br />

vorhanden, dass die Zufriedenheit<br />

der Pflegebedürftigen in Deutschland<br />

steigt, wenn nach dem „Buurtzorg“<br />

Konzept gepflegt wird, aber es können<br />

Vor- und Nachteile angemaßt<br />

werden.<br />

Nachteile aus Patientensicht<br />

Bei Buurtzorg geht es nicht nur um<br />

Pflege. Es geht um vielschichtige Betreuung,<br />

um Unterstützung, Beratung<br />

und Begleitung. Eine solche Individualität<br />

ist in Deutschland kaum vorstellbar.<br />

Die Sozialhilfeträger setzen<br />

vielfach Abrechnungs- und Leistungskontrollen<br />

ein, um Individualität zu<br />

konterkarieren. Das Misstrauen steht<br />

im Vordergrund. Trotzdem bietet<br />

Buurt zorg die Chance über bessere<br />

Patientenorientierung nachzudenken;<br />

mit dem Ziel der Wahrung der Eigenständigkeit<br />

und der Unterstützung der<br />

Unabhängigkeit der Patienten und<br />

Pflegebedürftigen. [11]<br />

Es wird deutlich, dass direkte Nachteile<br />

aus der Patientenperspektive nicht ermittelt<br />

werden können. Es stellt vielfach<br />

eher ein gesundheitspolitisches<br />

Problem dar.<br />

Vorteile aus Patientensicht<br />

Hochwertig gestaltete pflegerische<br />

Leistungen können dazu beitragen,<br />

das selbstverantwortliche Gesundheitsverhalten<br />

der Patienten positiv zu<br />

beeinflussen [2] und folglich die Gesundheitskompetenz<br />

steigern.<br />

Das Buurtzorg- Konzept in den Niederlanden<br />

konnte nachgewiesen die<br />

Zufriedenheit der Pflegebedürftigen<br />

in der ambulanten Versorgung steigern.<br />

Darüber hinaus wird auch seitens<br />

der niedergelassenen ÄrztInnen<br />

und der Gemeinden eine große Zufriedenheit<br />

bezüglich der Kooperation<br />

mit den Buurtzorg-Teams bescheinigt.<br />

[9] Die interdisziplinäre Zusammenarbeit<br />

wird gesteigert. Dies hat unmittelbare<br />

positive Folgen für die Patientensicherheit<br />

und Patientenorientierung.<br />

In der täglichen Arbeit ist die Autonomie<br />

der Buurtzorg-Teams weitreichend,<br />

da es keine hierarchische Zwischenebenen<br />

gibt, sodass die Teams<br />

bspw. selbst über ihre Fortbildungsaktivitäten<br />

entscheiden, wenn z.B. festgestellt<br />

wird, dass zunehmend mehr<br />

8<br />

<strong>Sprungbrett</strong> … <strong>01</strong>/<strong>2<strong>01</strong>9</strong>


Agilität und Selbstorganisation aus Patientensicht<br />

Pflegebedürftige Palliativpflege bedürfen<br />

oder Teammitglieder meinen,<br />

dass sie im Umgang mit Pflegebedürftigen<br />

mit Demenz noch Weiterbildungsbedarf<br />

haben. Im Pflegeprozess<br />

werden Kommunikation und die integrierte<br />

Zusammenarbeit mit anderen<br />

lokalen professionell und informell<br />

Pflegenden und Betreuenden in den<br />

Mittelpunkt gestellt. Darüber hinaus<br />

baut das Modell auf die Aktivierung<br />

von Selbst-Pflege, d.h. die Mobilisierung<br />

und Nutzung der Ressourcen der<br />

Pflegebedürftigen. Ein Team versorgt<br />

etwa 50-60 Pflegebedürftige, ist diese<br />

Kapazität ausgefüllt, wird im nächsten<br />

Quartier ein neues Team gebildet.<br />

[9] Dies hat zur Folge, dass die Arbeit<br />

übersichtlich und persönlich bleibt.<br />

Daran wird deutlich, dass die vollständige<br />

pflegerische Leistung sich<br />

am Pflegebedürftigen – dem Kunden<br />

– orientiert und nicht anders herum.<br />

Die strikte Ausrichtung auf die Bedarfe<br />

des Kunden schafft auf allen Ebenen<br />

Fürsorge, Empathie und eine sichere<br />

sowie effiziente Versorgung. Ein entsprechender<br />

und übertragender Ansatz<br />

ist für das sektorale, deutsche<br />

Gesundheitssystem erstrebenswert.<br />

Bisher haben sich einige Pflegeunternehmen<br />

auf diesen Weg begeben,<br />

bspw. die Sander Pflege GmbH in<br />

Emsdetten.<br />

Die Literaturangaben zu diesem Artikel<br />

finden Sie im Literaturverzeichnis des folgenden<br />

Artikels ‚Agile Qualität‘<br />

www.apollon-alumni.de 9


Agile Qualität<br />

Agile Qualität<br />

Janina Ehlers<br />

Die Qualität der ambulanten, pflegerischen Versorgung in Deutschland weist unterschiedliche Entwicklungs- und<br />

Umsetzungsstände in Deutschland auf. Einer der Gründe für die nachrangige Betrachtung der Qualität der ambulanten<br />

Pflege ist, dass die Zuschreibung einer professionellen Verantwortung für die Versorgungsqualität leichter fällt,<br />

wenn die professionellen Akteure eine tatsächliche Steuerungsverantwortung haben, um folglich das Geschehen<br />

maßgeblich beeinflussen zu können [1]. Aber ist dies nicht ein Widerspruch in sich? Wie können Agilität und Qualität<br />

in der ambulanten Pflege zusammenfinden?<br />

Der grundlegende Zweck von Qualitätsmanagement<br />

in der ambulanten<br />

Pflege ist die bestmögliche Pflege<br />

der Kunden zu erreichen. Soweit die<br />

Theorie – in der Praxis tritt Qualitätsmanagement<br />

oft als Hemmschuh<br />

und Ballast, als Infantilisierung ihrer<br />

Tätigkeit auf. In der ambulanten Pflege<br />

arbeiten sie mit einem Menschen,<br />

mit persönlichen Nuancen und unterschiedlichen<br />

Reaktionen. Zudem<br />

trifft professionelle Handlungsautonomie<br />

der Pflegekräfte auf staatliche<br />

Reglementierung. Richtlinien und<br />

Erlöse werden fern von Patienten<br />

und Pflegekräften festgelegt. Starre<br />

Qualitätsindikatoren von außen, u.a.<br />

durch den MDK, können mitunter<br />

eine Fehlsteuerung verursachen. Darüber<br />

hinaus gelten weitere Standards<br />

und Verfahrensweisungen des eigenen<br />

Unternehmens. Die Pflegekräfte<br />

arbeiten unter starren Rahmenbedingungen<br />

mit wenig Gestaltungspielraum<br />

– so der Eindruck. Und wo steht<br />

die Qualität der geleitsteten Arbeit?<br />

Der Qualitätsbericht des MDS zeigt<br />

u. a. die Überprüfung von Wundversorgung<br />

unter Berücksichtigung des<br />

aktuellen Stands des Wissens: Bei 86,9<br />

Prozent der betroffenen Pflegebedürftigen<br />

war das Kriterium erfüllt (85,7 %),<br />

bei 13,1 Prozent dieser Personen war<br />

das Kriterium nicht erfüllt, das heißt z.<br />

B., dass die Prinzipien der Druckentlastung<br />

(bei Dekubitus) oder der Kompression<br />

(bei Ulcus cruris venosum)<br />

nicht berücksichtigt, hygienische<br />

Grundsätze missachtet wurden (z. B.<br />

keine sterile Wundabdeckung) oder<br />

trotz Erfordernis keine feuchte Wundabdeckung<br />

erfolgte. [5]<br />

Ist die Qualität in der ambulanten Pflege<br />

als schlecht zu beurteilen? Nein, in<br />

diesem Kontext soll deutlich werden,<br />

dass Pflegekräfte viel Zeit ihrer Arbeitszeit<br />

mit Zertifizierungen und überflüssigen<br />

Prozessbeschreibungen,<br />

schlecht gestalteten Dokumentationsbögen<br />

und nutzlosen Managementbewertungen<br />

verbringen. Durch<br />

diesen Grad der Überformalisierung<br />

brechen Pflegekräfte teilweise Regeln,<br />

um das Tagesgeschäft aufrecht zu erhalten.<br />

Dies ist mitunter für die unterschiedlichen<br />

Parteien sehr gefährlich.<br />

Eine entsprechende Abrüstung und<br />

ein Überdenken der Systeme sollten<br />

stattfinden. [10]<br />

10<br />

<strong>Sprungbrett</strong> … <strong>01</strong>/<strong>2<strong>01</strong>9</strong>


Agile Qualität<br />

Aufbruch zur agilen Qualität<br />

Agilität und Qualität dürfen nicht im<br />

Widerspruch zueinander stehen.<br />

Nach Hofert ist: „Agilität (…) die Fähigkeit<br />

von Teams und Organisationen, in<br />

einem unsicheren, sich veränderndem<br />

und dynamischen Umfeld flexibel, anpassungsfähig<br />

und schnell zu agieren.<br />

Dazu greift Agilität auf verschiedene<br />

Methoden zurück, die es Menschen<br />

einfacher machen, sich so zu verhalten.“<br />

[6]<br />

Diese Annahme von Agilität in der<br />

Pflege ist nicht neu. Pflegekräfte treffen<br />

in der täglichen Arbeit häufig Entscheidungen<br />

für das Wohl ihres anvertrauten<br />

Kunden und dies mit einer<br />

hohen intrinsischen Motivation.<br />

Demnach muss das Qualitätsmanagement<br />

in der ambulanten Pflege pflegerischtherapeutische<br />

Wirksamkeit<br />

unterstützen und gleichzeitig Fehler<br />

und Verschwendung minimieren. Für<br />

die Suche nach Verbesserungspotenzialen<br />

ist es notwendig, organisatorische<br />

Rahmenbedingungen für einen<br />

kontinuierlichen Verbesserungsprozess<br />

in der Gesamtorganisation zu<br />

implementieren und die Mitarbeiter<br />

in diesen Prozess mit einzubinden.<br />

Die Einstellung der Beteiligten muss<br />

hierzu zielgerichtet aktiviert werden,<br />

wie bspw. beim Buurtzorg Konzept.<br />

[7] Die Mitarbeitenden erhalten einerseits<br />

die notwendige Stabilität<br />

in Form von groben Rahmenbedingungen<br />

wie der zentralen Verwaltung<br />

für administrative Tätigkeiten<br />

und dem Coaching der Teams, [8] [9]<br />

und anderseits Flexibilität. indem die<br />

Mitarbeitenden durch ihr Wissen Prozesse<br />

gestalten. [6] Die Auswirkungen<br />

dieser Organisationsform werden<br />

in den Niederlanden als positiv bestätigt.<br />

Dies ist u. a. auf das hohe Engagement<br />

der mitarbeitenden Pflegekräfte<br />

zurückzuführen. Infolgedessen<br />

können in vielen Fällen mit weniger<br />

Kosten (Betreuungsstunden) bessere<br />

Ergebnisse erzielt werden, wenn gut<br />

ausgebildetes Pflegepersonal in die<br />

Lage versetzt wird, ganzheitliche Betreuung<br />

zu erbringen. Die Arbeit von<br />

Buurtzorg ist durch eine Reihe von<br />

Evaluationsstudien sowie durch internes<br />

Qualitätsmanagement nach dem<br />

sogenannten Omaha-System belegt.<br />

[9] Es wird deutlich, dass agiles QM<br />

Mitarbeitende unterstützen kann, ihre<br />

Arbeit mit Freude zu verrichten, die<br />

Effektivität bei Routineaufgaben steigern<br />

und Zeit und Aufmerksamkeit für<br />

die Kür schaffen kann, um es letztlich<br />

dem Kunden zugutekommen zu lassen<br />

und eine strikte Patientenorientierung<br />

einhalten zu können.<br />

Es gilt nun, diese Wirkungsweisen von<br />

Agilität und QM um konkrete Ideen<br />

und Hinweise zu ergänzen, damit<br />

Beides auch die Pflege in Deutschland<br />

neu beleben kann. [10]<br />

Literaturv erzeichnis<br />

[1] Büscher, A.; Krebs, M. (2<strong>01</strong>8): Qualität in der ambulanten Pflege. In: Jacobs, K.; Kuhlmey, A.; Greß, S.; Klauber, J.; Schwinger, A. (Hrsg.): Pflege Report<br />

2<strong>01</strong>8. Qualität in der Pflege. S. 127ff.<br />

[2] Horneber, M.; Deges, S. (Hrsg.) (2<strong>01</strong>8): Revolution Hospital. Digitale Transformation und Innovation Leadership. Melsungen: Bibliomed.<br />

[3] Bundesministerium für Gesundheit (2<strong>01</strong>7): Patientenrechte. https://www.bundesgesundheitsministerium.de/themen/praevention/<br />

patientenrechte/patientenrechte.html (23.<strong>01</strong>.<strong>2<strong>01</strong>9</strong>).<br />

[4] Ludt, F.; Heiss, K.; Glassen, S.; Noest, A.; Klingenberg, D. Ose, J. (2<strong>01</strong>3): Die Patientenperspektive jenseits ambulant-stationärer Sektorengrenzen –<br />

Was ist Patientinnen und Patienten in der sektorenübergreifenden Versorgung wichtig? https://www.researchgate.net/profile/Anja_Klingenberg/<br />

publication/250920317_Patients‘_Perspectives_beyond_Sectoral_Borders_between_Inpatient_and_Outpatient_Care_-_Patients‘_Experiences_<br />

and_Preferences_along_Cross-Sectoral_Episodes_of_Care/links/55<strong>01</strong>61030cf2aee14b595ed2.pdf (20.<strong>01</strong>.<strong>2<strong>01</strong>9</strong>).<br />

[5] Medizinischer Dienst des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen e.V. (MDS) (Hrsg.) (2<strong>01</strong>7): 5. PFLEGE-QUALITÄTSBERICHT DES MDS NACH §<br />

114A ABS. 6 SGB X. Qualität in der ambulanten und stationären Pflege. https://www.mds-ev.de/fileadmin/dokumente/Publikationen/<br />

SPV/MDS-Qualitaetsberichte/_5._PflegeQualita__tsbericht_des_MDS_Lesezeichen.pdf (22.<strong>01</strong>.<strong>2<strong>01</strong>9</strong>).<br />

[6] Hofert, S. (2<strong>01</strong>6): Agiler führen. Einfache Maßnahmen für bessere Teamarbeit, mehr Leistung und höhere Kreativität. Wiesbaden: Springer<br />

Fachmedien.<br />

[7] Kerka, F.; Kriegesmann, B. (2007): Innovationskulturen für den Aufbruch zu Neuem: Missverständnisse– Praktische Erfahrungen – Handlungsfelder<br />

des Innovationsmanagements. Wiesbaden: Deutscher Universitäts-Verlag.<br />

[8] Armutat, S.; Dorny, H.-J.; Ehmann, H.-M.; Eisele, D.; Frick, G.; Grunwald, C.; Heßling, K.-H.; Hillebrand, H.; Skottki, B. (2<strong>01</strong>6): Agile Unternehmen – Agiles<br />

Personalmanagement. In: DGFP-Praxispapiere. Best Practices (<strong>01</strong>).<br />

[9] Leichsenring, K. (2<strong>01</strong>5): Buurtzorg Nederland – Ein innovatives Modell der Langzeitpflege revolutioniert die Hauskrankenpflege: In: ProCare –<br />

Aktuelle Information, Fort- und Weiterbildung für die Mitarbeiter der Gesundheits- und Krankenpflege, 20(8), S. 20-24.<br />

[10] Holtel, M.; Pilz, S.; Sommerhoff, B. (2<strong>01</strong>8): Von Softwareschmieden Agilität lernen. In: MBZ, 15, S. 6.<br />

[11] Meißner, T.; et. al. (2<strong>01</strong>8): Buurtzorg– Revolution in der ambulanten Pflege. In: Heilberufe / Das Pflegemagazin, 70 (1), S. 54-55.<br />

[12] Pfaff, H.; Brinkmann, A.; Jung, J.; Steffen, P. (2009): Qualitätserhebungen im Gesundheitswesen. Der Patient als Partner in der Evaluation von<br />

Qualität. In: Gehrlach C, Altenhöner T, Schwappach D (Hrsg.): Der Patients’ Experience Questionnaire. Patientenerfahrungen vergleichbar machen.<br />

Verlag Bertelsmann Stiftung, Gütersloh, S. 30–39.<br />

www.apollon-alumni.de 11


Das Buurtzorg-Modell – ein Modell zur Kostensenkung in der ambulanten Pflege?<br />

Das Buurtzorg-Modell – ein Modell zur Kostensenkung in der<br />

ambulanten Pflege?<br />

Cornelia Baudisch<br />

Die Frage der nachhaltigen Finanzierbarkeit der gesetzlichen Pflegeversicherung ist in Deutschland derzeit eine vielfach<br />

diskutierte.<br />

Demographiebedingt steigt die Anzahl<br />

der Leistungsempfänger, zudem<br />

wurden weiterhin die Leistungen<br />

dieses Versicherungszweiges in den<br />

letzten Jahren deutlich ausgeweitet.<br />

Die Leistungsausgaben der gesetzlichen<br />

Pflegeversicherung stiegen daher<br />

in den Jahren 20<strong>01</strong> bis 2<strong>01</strong>7 von<br />

16,03 Mrd. € auf 35,54 Mrd. €, wobei<br />

der Sprung von 28,29 Mrd. € auf 35,54<br />

Mrd. € allein vom Jahr 2<strong>01</strong>6 zu 2<strong>01</strong>7 zu<br />

beobachten war [1]. Erhöhungen des<br />

Beitragssatzes, wie zuletzt auch zum<br />

Jahresbeginn <strong>2<strong>01</strong>9</strong>, werden nicht unendlich<br />

durchsetzbar sein und auch<br />

steuer-mitfinanzierte Modelle finden<br />

derzeit keine politische oder gesellschaftliche<br />

Mehrheit.<br />

Das Buurtzorg-Modell aus den<br />

Niederlanden zeigt Auswege auf<br />

Auf zunehmendes Interesse auch<br />

hierzulande stößt das niederländische<br />

Buurtzorg-Modell zur wohnortnahen<br />

Hauskrankenpflege. Neben einer im<br />

Vergleich zu traditionellen Anbietern<br />

häuslicher Krankenpflege deutlichen<br />

Kostensenkung beeindruckt insbesondere<br />

auch die hohe Mitarbeiterund<br />

Klientenzufriedenheit. Es scheint,<br />

das niederländische Modell sei geeignet,<br />

sowohl dem Finanzierungsproblem<br />

der (ambulanten) Pflege etwas<br />

entgegensetzen zu können als auch<br />

den Pflegeberuf positiv zu besetzen<br />

und somit die Attraktivität des Berufes<br />

zu erhöhen. Kein Wunder, dass das<br />

Buurtzorg-Modell auch hierzulande<br />

intensiv diskutiert und auf eine Übertragbarkeit<br />

in das deutsche System<br />

geprüft wird.<br />

12<br />

<strong>Sprungbrett</strong> … <strong>01</strong>/<strong>2<strong>01</strong>9</strong>


Das Buurtzorg-Modell – ein Modell zur Kostensenkung in der ambulanten Pflege?<br />

Buurtzorg-Pflegedienste sparen<br />

bewilligte Pflegestunden ein<br />

Die staatlich-finanzierte Hauskrankenpflege<br />

in den Niederlanden wird<br />

entsprechend des Pflegebedarfs des<br />

Klienten in Zeitstunden bewilligt. Eine<br />

Studie von Ernst und Young aus dem<br />

Jahr 2009 fand heraus, dass Pflegeanbieter,<br />

die nach dem Buurtzorg-Modell<br />

vorgehen, im Durchschnitt lediglich<br />

40 % der bewilligten Zeitstunden<br />

benötigten, um die Bedarfe der<br />

Klienten zu erfüllen, im Vergleich zu<br />

anderen Pflegedienstleistern, die 70%<br />

der bewilligten Zeitstunden benötigten.<br />

Weiterhin wurde festgestellt,<br />

dass die Klienten schneller wieder<br />

selbstständig wurden, weniger Krankenhausaufenthalte<br />

hatten und nach<br />

Krankenhausaufenthalten schneller<br />

wieder entlassen werden konnten.<br />

Hinzu kamen deutlich geringere Fixkosten,<br />

niedrigere Krankenquote und<br />

eine geringere Fluktuation bei den<br />

Mitarbeitenden der Buurtzorg-Pflegedienste<br />

[2]. Eine im Auftrage des<br />

niederländischen Ministeriums für<br />

Gesundheit, Wohlfahrt und Sport<br />

im Jahre 2<strong>01</strong>5 veröffentlichte Studie<br />

von KPMG bestätigte den Kostenvorteil<br />

der Buurtzorg-Pflegeanbieter im<br />

Vergleich zu den durchschnittlichen<br />

Kosten traditioneller Anbieter und<br />

widerlegte mittels einer Case-Mix-adjustierten<br />

Analyse zugleich die Kritik,<br />

Buurtzorg-Anbieter wählten bewusst<br />

Klienten mit hohem Deckungsbeitrag.<br />

Auch unter Berücksichtigung weiterer<br />

Kostenarten wie individueller ( Folge-)<br />

Kosten für medizinische Versorgung<br />

bestand der Kostenvorteil der Buurtzorg-Anbieter<br />

weiter. Aufgrund deutlich<br />

höherer Kosten für medizinische<br />

Versorgung verminderte sich dieser<br />

jedoch insgesamt deutlich. Die<br />

Case-Mix-adjustierten Gesamtausgaben<br />

je Klient lagen somit ungefähr<br />

im Bereich der durchschnittlichen<br />

Gesamtausgaben je Klient der übrigen<br />

niederländischen Anbieter für<br />

Hauskrankenpflege. Die KPMG-Studie<br />

bestätigte neben der Kosteneffizienz<br />

auch die Klienten- und die Zufriedenheit<br />

der Mitarbeitenden [3].<br />

Kostenvorteile sind insbesondere<br />

strukturbedingt<br />

Buurtzorg-Pflegeanbieter sind als<br />

gemeinnützige Unternehmen organisiert<br />

und verfolgen eine professionelle,<br />

häusliche und wohnortnahe<br />

Versorgung von Pflegebedürftigen.<br />

Dabei wird in hohem Maße mit Nachbarn,<br />

sozialen Diensten, Ärzten und<br />

Angehörigen zusammen gearbeitet.<br />

Die Klienten werden, wo immer möglich,<br />

zur Selbsthilfe aktiviert, Nachbarn<br />

und Angehörige bei nicht-pflegerischen<br />

Tätigkeiten als Unterstützung<br />

herangezogen. Die Pflegeteams von<br />

aus bis zu 12 Mitarbeitenden arbeiten<br />

autonom und ohne hierarchische Zwischenstufen.<br />

Eine zentrale Verwaltung<br />

unterstützt bei bürokratischen Prozessen<br />

und organisiert Coachings für<br />

die Teams. Durch den umfassenden<br />

Einsatz von IT bei der Planung, Dokumentation<br />

und Datensammlung können<br />

die Zeitaufwände der Mitarbeitenden<br />

für diese Tätigkeiten deutlich<br />

gesenkt und die Arbeitszeit der Pflegenden<br />

effizient für die Klientenbetreuung<br />

eingesetzt werden. Aufgrund<br />

des kleinen Versorgungsgebietes der<br />

Teams entfallen Wegezeiten, sodass<br />

auch hier mehr Arbeitszeit für die Versorgung<br />

der Klienten zur Verfügung<br />

steht. Insgesamt ist festzustellen, dass<br />

die Mitarbeitenden sich fokussiert auf<br />

die Pflege der Klienten konzentrieren<br />

und Zeitaufwände für Wegestrecken,<br />

Planung und Dokumentation auf ein<br />

Minimum reduziert werden können.<br />

Durch den gezielten Aufbau von<br />

Netzwerken sowohl im privaten Umfeld<br />

der Klienten als auch im medizinischen<br />

Versorgungsbereich ergeben<br />

sich ebenfalls große Synergien, die<br />

die Pflegenden maßgeblich entlasten.<br />

Neben den positiven Auswirkungen<br />

auf die Kosteneffizienz dürften in diesen<br />

Punkten wohl auch Hinweise für<br />

die Zufriedenheit der Pflegenden und<br />

auch der Klienten zu finden sein.<br />

Integrierte versus tayloristische<br />

Betreuung der Pflegebedürftigen<br />

Als Auslöser für die Entwicklung des<br />

Buurtzorg-Modells wird die Unzufriedenheit<br />

der Pflegenden mit der traditionellen<br />

Form der Hauskrankenpflege<br />

benannt, welche auf der sogenannten<br />

tayloristischen Aufgabenverteilung<br />

beruht. Fehlende Kommunikation<br />

zwischen den verschiedenen Professionen<br />

und Anbietern von Gesundheits-<br />

und Pflegeleistungen, häufig<br />

verbunden mit geringer Wertschätzung<br />

der Pflegenden, erschwerten<br />

eine ganzheitliche Pflege und Betreuung<br />

der Hilfsbedürftigen [4]. Die tayloristische<br />

Aufgabenteilung ist auch<br />

im Pflegesystem in Deutschland das<br />

überwiegend praktizierte Modell.<br />

Neben der deutlichen interprofessionellen<br />

Aufgabenabgrenzung wird<br />

dies auch in der Vergütungsweise der<br />

Pflegeleistungen deutlich. Die Vergütung<br />

von Pflegeleistungen erfolgt im<br />

Regelfall (SGB XI) je Leistungskomplex<br />

wie Waschen, Lagern oder das Verabreichen<br />

von Arzneimitteln.<br />

Buurtzorg-Modellprojekte sind<br />

auch in Deutschland am Start<br />

Auch in Deutschland wird das Buurtzorg-Modell<br />

von Pflegediensten zunehmend<br />

aufgegriffen und der ganzheitliche<br />

Pflege- und Betreuungsansatz<br />

wieder in den Fokus gerückt. Im<br />

nordrhein-westfälischen Emsdetten<br />

rechnen bereits zwei private Pflegedienste<br />

auf Stundenbasis mit den Pflegekassen<br />

ab [5]. Weiterhin ist in Nordrhein-Westfalen<br />

zwischen den Buurtzorg-Deutschland-Pflegediensten<br />

und den regionalen Pflegekassen ein<br />

Modellprojekt nach § 8 Abs. 3 SGB XI<br />

geplant, in dem geprüft werden soll,<br />

wie sich ein Pflege-Zeitbudget anstel-<br />

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Das Buurtzorg-Modell – ein Modell zur Kostensenkung in der ambulanten Pflege?<br />

le einer auf Leistungskomplexe bezogenen<br />

Vergütung auf die Pflegenden<br />

sowie die Pflegebedürftigen auswirkt<br />

[6]. Wenn auch das Zeitbudget aus<br />

den erforderlichen Pflegeleistungen<br />

errechnet wird, so sind die Pflegenden<br />

dennoch etwas freier in der konkreten<br />

Umsetzung und können individueller<br />

auf die akuten Bedürfnisse des Klienten<br />

eingehen.<br />

Ob Kostenvorteile realisiert werden<br />

können, bleibt abzuwarten<br />

Pflegekräftemangel, Demographiewandel<br />

und die Frage nach der Finanzierbarkeit<br />

von Pflegeleis tungen<br />

stellen enorme Herausforderungen<br />

für die Gesellschaft dar. Das niederländische<br />

Buurtzorg-Konzept macht<br />

Hoffnung, dass die Herausforderungen<br />

zu meistern sind. Ob das<br />

niederländische Konzept diese Hoffnung<br />

erfüllt, bleibt vorerst sicherlich<br />

abzuwarten. Insbesondere ist derzeit<br />

noch vollständig unklar, ob durch das<br />

Modell auch finanzielle Vorteile für<br />

die Pflegekräfte und für das Gesundheits-<br />

und Pflegesystem insgesamt<br />

möglich sind. Denkbar scheint hingegen,<br />

dass der stärkere Fokus auf die<br />

ganzheitliche Betreuung der Klienten<br />

bei gleichzeitiger Entlastung von bürokratischen<br />

Aufgaben zu einer Aufwertung<br />

und Attraktivitätssteigerung<br />

des Pflegeberufes beitragen kann. Das<br />

Buurtzorg-Modell stellt die Leitwerte<br />

von Pflege und des humanitären Umgangs<br />

mit Hilfsbedürftigen in den<br />

Vordergrund [4]. In den Niederlanden<br />

sind die Buurtzorg-Pflegeanbieter<br />

als gemeinnützige Organisationen<br />

organisiert. Unabhängig von der Unternehmensform<br />

ist der Ansatz von<br />

ganzheitlicher und Klientenzentrierter<br />

Pflege einer, von dem auch die Hilfsbedürftigen<br />

in Deutschland profitieren<br />

sollten.<br />

Literaturverzeichnis:<br />

[1] GKV-Spitzenverband (Hrsg.) (2<strong>01</strong>8): Kennzahlen der Sozialen Pflegeversicherung. https://www.gkv-spitzenverband.de/media/grafiken/pflege_<br />

kennzahlen/spv_kennzahlen_03_2<strong>01</strong>8/SPV_Kennzahlen_Booklet_03-2<strong>01</strong>8_300dpi_2<strong>01</strong>8-03-15.pdf (20.<strong>01</strong>.<strong>2<strong>01</strong>9</strong>)<br />

[2] Maatschappelijke Business Case (mbc) (2009): Buurtzorg Nederland, Rotterdam. Ernst & Young.<br />

[3] KPMG (2<strong>01</strong>5): The Added Value of Buurtzorg Relative to Other Providers of Home Care. A Quantitative Analysis of Home Care in the Netherlands in<br />

2<strong>01</strong>3.<br />

[4} Kai Leichsenring (2<strong>01</strong>5): Buurtzorg Nederland – Ein innovatives Modell der Langzeitpflege revolutioniert die Hauskrankenpflege. In: ProCare –<br />

Aktuelle Information, Fort- und Weiterbildung für die Mitarbeiter der Gesundheits- und Krankenpflege 20(8), 20-24.<br />

DOI: 10.1007/s00735-<strong>01</strong>5-0548-9 (03.02.<strong>2<strong>01</strong>9</strong>).<br />

[5] Theresa Krinninger (2<strong>01</strong>8): Das soziale Netzwerk pflegt mit. In: Zeit-Online. https://www.zeit.de/wirtschaft/2<strong>01</strong>8-06/<br />

ambulante-pflegedienste-soziale-netzwerke-personal-mangel-niederlande-zeitdruck/komplettansicht (09.02.<strong>2<strong>01</strong>9</strong>).<br />

[6] Jens Kohrs (<strong>2<strong>01</strong>9</strong>): Ambulante Pflege nach Buurtzorg – Spaß statt Fließband!<br />

https://www.pflegen-online.de/ambulante-pflege-nach-buurtzorg-spass-statt-fliessband (09.02.<strong>2<strong>01</strong>9</strong>).<br />

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14<br />

<strong>Sprungbrett</strong> … <strong>01</strong>/<strong>2<strong>01</strong>9</strong>


Burtzoorg aus der Sicht anderer medizinischer Berufsgruppen<br />

Burtzoorg aus der Sicht anderer medizinischer Berufsgruppen<br />

Dr. Barbara Mayerhofer MBA<br />

Die Anzahl der Patienten, die zu Hause versorgt werden, steigt stetig an. Die meist älteren Patienten und ihre Angehörigen<br />

erwarten eine effektive Versorgung, die auf einer sehr guten Zusammenarbeit zwischen dem Pflegedienst<br />

und dem Hausarzt sowie weiteren Therapeuten gründen sollte. Diese Erwartungen werden oftmals nicht erfüllt, da<br />

die interprofessionelle Zusammenarbeit, bei der alle Beteiligten auf gleicher Ebene mit den Klienten zusammenarbeiten,<br />

an Schwierigkeiten in der Kommunikation, nicht abgesprochenen Prozessen und einer nicht einheitlichen<br />

Dokumentation scheitert.<br />

In Befragungen beurteilen Ärzte die<br />

Versorgung nach dem Buurtzorg Prinzip<br />

„…signifikant höher als die Arbeit<br />

anderer Pflegeorganisationen.“[1]<br />

Wie kommt es zu dieser Einschätzung,<br />

die, aufgrund bislang fehlender Studien,<br />

nicht weiter untermauert werden<br />

kann?<br />

Buurtzorg geht einen neuen Weg<br />

der ambulanten Pflege. Ziel der Versorgung<br />

ist, die Selbstständigkeit der<br />

meist alten und kranken Patienten<br />

wiederherzustellen bzw. zu optimieren,<br />

so dass sie zufrieden, selbstbestimmt<br />

und möglichst gesund leben<br />

können. Dies steht so in § 2 Abs. 1 Satz<br />

1 SGB XI – und wird doch nicht immer<br />

berücksichtigt, da Pflegedienste, ausgerichtet<br />

an der Pflegebedürftigkeit<br />

der Menschen, wirtschaftlich denken<br />

und arbeiten. [2]<br />

Bei der zielführenden Beratung der<br />

Patienten durch die Pflegenden steht<br />

nunmehr die Wiedererlangung bzw.<br />

Erhaltung der Selbstständigkeit im<br />

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Burtzoorg aus der Sicht anderer medizinischer Berufsgruppen<br />

Vordergrund. Selbstständigkeit entspricht<br />

nach Kruse einer „altersfreundlichen<br />

Kultur…“, die durch eine auf<br />

den Patienten abgestimmte Dienstleistung<br />

gefördert wird. [3]<br />

Buurtzorg trägt durch den Erhalt der<br />

Selbstbestimmung als Teil der Selbstständigkeit<br />

dazu bei, Patienten in den<br />

gesamten Versorgungprozess einzubeziehen,<br />

wobei deren subjektive<br />

Wünsche nach Möglichkeit umgesetzt<br />

werden. [4]<br />

Pflegebedürftige Personen verfügen<br />

über unterschiedliche Ressourcen,<br />

die sie in Abhängigkeit von ihrem<br />

Gesundheitszustand abrufen können.<br />

Nicht zwangsläufig werden sie durch<br />

die Pflegebedürftigkeit von Anderen<br />

abhängig. Oftmals trägt eine gut gemeinte<br />

„Überversorgung“ zum Vergessen<br />

der Ressourcen und damit<br />

zur Trägheit der Patienten bei. Die<br />

Motivation des Patienten und seiner<br />

Angehörigen, am Behandlungs- und<br />

Pflegeprozess teilnehmen zu können,<br />

verringert Risikofaktoren, wie bspw.<br />

Isolation und Einsamkeit, und erhöht<br />

die Bereitschaft, sich auf neue Wege<br />

einzulassen. [5]<br />

Zur Förderung der dynamischen Prozesse<br />

innerhalb der Prozessorganisation<br />

ist eine systematische Vernetzung<br />

zwischen allen Beteiligten unabdingbar.<br />

Netzwerke werden oftmals mehr<br />

mit der IT in Verbindung gebracht als<br />

mit Organisationsentwicklung in sozialen<br />

Bereichen. „Netzwerken“ wird<br />

bei Buurtzorg verstanden als gelingende<br />

Form der Zusammenarbeit auf<br />

gemeinschaftlicher Basis, wobei sich<br />

die Mitglieder auf Augenhöhe begegnen.<br />

[6]<br />

Betreuung heißt nicht nur Schaffung<br />

einer patientenzentrierten Alltagsstruktur,<br />

sondern auch Einbeziehung<br />

der Familienangehörigen,<br />

Freunde oder Nachbarn. Besteht<br />

dieses informelle Netzwerk, wird ein<br />

weiteres Netzwerk entwickelt, das<br />

aus Hausärzten und Therapeuten,<br />

Dienstleistern wie Apotheke, Sanitätshaus<br />

und Krankenhaus besteht. Bei<br />

Bedarf werden auch weiterreichende<br />

Dienstleister eingebunden, die für die<br />

Versorgung der Patienten notwendig<br />

sind. [7]<br />

Vorteil von Netzwerken ist der Zugriff<br />

auf unterschiedliche Expertisen,<br />

womit eine Vergrößerung des Kompetenzpools<br />

angestrebt und auch<br />

erreicht wird. Für die Mitarbeiter der<br />

ambulanten Station bedeutet dies<br />

im Sinne der Lernenden Organisation<br />

aber auch, dass sie bereit sind, weiter<br />

bzw. neu „zu lernen“, um ihr Wissen<br />

stetig erweitern.<br />

Die reibungslose Zusammenarbeit<br />

zwischen Therapeuten und Pflegenden<br />

ist Voraussetzung für eine funktionierende<br />

Netzwerkarbeit, bei der<br />

es um die gemeinsame Lösung von<br />

komplexen Problemen geht, die mit<br />

Blick auf den Patienten nicht von einer<br />

Profession alleine zufriedenstellend<br />

bearbeitet werden können. [8] Zum<br />

Gelingen tragen eine behutsame<br />

Kommunikation und die abgestimmte<br />

Einbeziehung der am Netzwerk teilnehmenden<br />

Personen bei. [1]<br />

Aber auch Netzwerke müssen geführt<br />

werden. Netzwerkmanagement<br />

weicht vom traditionellen Management,<br />

das auf Kontrolle, Hierarchie<br />

und Verwaltung beruht, ab. Es geht<br />

vielmehr um gegenseitiges Vertrauen,<br />

Autonomie, Flexibilität und Kooperation<br />

und entspricht damit der Buurtzorg-Philosophie.<br />

[9]<br />

Dazu ist es notwendig, dass sich ambulante<br />

Dienste nicht nur nach außen<br />

öffnen, sondern auch immer wieder<br />

reflektieren, um innerhalb des Netzwerkes<br />

bestehen zu können. [10]<br />

In gut geführten Netzwerken gelingt<br />

es, mit einer differenzierten Abstimmung<br />

zwischen Therapeuten und<br />

Pflegenden, den Versorgungsbedarf<br />

der Patienten zu reduzieren und Kosten<br />

zu sparen, und so mit einer geringeren<br />

Anzahl an Pflegekräften auszukommen.<br />

Dieser Ansatz ist neu, denn<br />

in den herkömmlichen Pflegediensten<br />

gilt im Allgemeinen die Devise, so<br />

viele Leistungen wie möglich zu „verkaufen“,<br />

um die Arbeitsplätze der Pflegenden<br />

zu sichern. [1]<br />

Für einen gelingenden Netzwerkaufbau<br />

mit Therapeuten ist möglicherweise<br />

eine Umstellung der Beteiligten<br />

im Umgang miteinander notwendig.<br />

Die Erfahrung zeigt, dass sich Pflegende<br />

in der Kommunikation mit<br />

Therapeuten, vor mit allem Ärzten,<br />

schwertun. Der Arzt ordnet an, die<br />

Pflegekraft führt aus. Auch wenn sich<br />

das Verhältnis zwischen Arzt und Pflegekraft<br />

in den letzten Jahren positiv<br />

verändert hat, fühlen sich Pflegende<br />

oftmals nicht ausreichend wertgeschätzt,<br />

was auch an einer mangelnden<br />

Wertschätzung des Berufsstandes<br />

in der Bevölkerung liegt. [11]<br />

Buurtzorg heißt, Begegnung auf Augenhöhe<br />

ohne Akzeptanzprobleme.<br />

Die Begegnung zwischen Arzt und<br />

Patient läuft meist (noch) genauso ab<br />

wie bei anderen ambulanten Diensten.<br />

Es wird angestrebt, dass medizinische<br />

und pflegerische Diagnosen<br />

sowie unterschiedliche Konzepte<br />

nicht länger als konkurrierend und<br />

möglicherweise differierend, sondern<br />

im Sinne des Patienten als gemeinsames<br />

Vorhaben, mit dem Ziel der<br />

Wiederherstellung der Selbstständigkeit,<br />

verstanden werden. Die Abstimmung<br />

von Betreuungs- und Behandlungsplänen<br />

mit allen Beteiligten er-<br />

16<br />

<strong>Sprungbrett</strong> … <strong>01</strong>/<strong>2<strong>01</strong>9</strong>


Burtzoorg aus der Sicht anderer medizinischer Berufsgruppen<br />

folgt kompetenzgesteuert und richtet<br />

sich, soweit wie möglich, nach den<br />

Wünschen des Patienten. Die professionelle<br />

Haltung ermöglicht eine Kommunikation<br />

mit den beteiligten Therapeuten<br />

auf Augenhöhe. [6] Pflegende,<br />

die sich ihrer Kompetenz bewusst<br />

sind, übernehmen Verantwortung für<br />

sich und den Patienten. [12]<br />

Nicht nur Pflegebedürftige profitieren<br />

von einer abgestimmten Kommunikation,<br />

die sich positiv auf den Genesungsprozess<br />

auswirkt, sondern auch<br />

Pflegende, deren Stressbelastung<br />

nachhaltig reduziert wird. [13]<br />

Buurtzorg verändert die interprofessionelle<br />

Kommunikation, die auf<br />

Ritualen und Rollenverständnissen<br />

der Berufsgruppen gründet. Kirchner<br />

empfiehlt als Grundlage der Kommunikation<br />

nur 3 Regeln: „1.Achte auf deine<br />

Gedanken, denn sie werden Worte.<br />

2. Worte, die den Mund verlassen haben,<br />

kann man nicht zurück holen. 3.<br />

Lasse Deine Worte durch drei Siebe<br />

laufen. Das erste Sieb ist die Frage: ist<br />

es wahr? Das zweite Sieb ist die Frage:<br />

ist es notwendig? Das dritte Sieb ist<br />

die Frage: ist es freundlich?“ [7]<br />

Gerade dann werden Respekt und<br />

Anerkennung deutlich, wenn alle beteiligten<br />

Professionen sich mit Zugewandtheit,<br />

Aufmerksamkeit und Interesse<br />

begegnen. [6]<br />

Die interne Kommunikation, für die<br />

das Team verantwortlich ist, zeichnet<br />

sich durch eine hohe Transparenz aus.<br />

Alle Mitarbeiter können jederzeit auf<br />

alle Informationen zugreifen. Dieses<br />

Vertrauen, das auf der Prämisse es „…<br />

gibt keine unwichtigen Menschen …“<br />

gründet, ermöglicht teamübergreifend<br />

einen angstfreien Umgang mit<br />

Daten und Fakten. Dies zeigt sich vor<br />

allem in schwierigen Situationen,<br />

wenn Pflegende und Therapeuten gemeinsam<br />

nach Lösungen suchen. [1]<br />

Netzwerken, interprofessionelle Zusammenarbeit<br />

und das Miteinander<br />

auf Augenhöhe erfordern einen Paradigmenwechsel,<br />

der durch das Buurtzorg-System<br />

derzeit erfolgreich umgesetzt<br />

wird.<br />

Literatur:<br />

[1] Laloux, F. (2<strong>01</strong>5). Reinventing Organizations. Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit. München: Franz Vahlen.<br />

[2] Bosold Gmbh (<strong>2<strong>01</strong>9</strong>). Buurtzorg, die Revolution in der ambulanten Pflege. https://www.pflege-in-leipzig.de/buurtzorg.html (12.02.<strong>2<strong>01</strong>9</strong>).<br />

[3] Kruse, A. (<strong>2<strong>01</strong>9</strong>). Anforderungen der Gerontologie an die Planung für ältere Menschen. In: Schubert, H. (Hrsg.): Integrierte Sozialplanung für die<br />

Versorgung im Alter. Grundlagen–Bausteine-Praxisbeispiele. Wiesbaden: Springer. S. 19-41.<br />

[4] Kammerer, K.; Falk; K.; Heusinger, J.; Kümpers, S. (2<strong>01</strong>2). Selbstbestimmung bei Pflegebedürftigkeit. Drei Fallbeispiele zu individuellen und<br />

sozialräumlichen Ressourcen älterer Menschen. Zeitschrift für Gerontologie und Geriatrie. 45 (10.2<strong>01</strong>2), S. 624-629.<br />

[5] Luthe, E.W. (2<strong>01</strong>7). Wissenschaftliche Perspektiven: der sozialwissenschaftliche, gesundheitswissenschaftliche und ökonomische Blickwinkel. In:<br />

Brandhorst, A.; Hildebrandt, H.; Luthe, E.W. (Hrsg.): Kooperation und Integration – das unvollendete Projekt des Gesundheitssystems. S. 33-82.<br />

Wiesbaden: Springer.<br />

[6] Forster, A. (2<strong>01</strong>7). Visite! – Kommunikation auf Augenhöhe im interdisziplinären Team. Berlin: Springer.<br />

[7] Kirchner, U. (2<strong>01</strong>6). Wie kommt das buurtzorg-modell nach deutschland? Ambulante Pflege aus Holland.<br />

http://www.buurtzorg-in-deutschland.org/buurtzorg/ (03.02.<strong>2<strong>01</strong>9</strong>).<br />

[8] Partecke, M.; Heß, U.; Schäper, C.; Meißner, K. (2<strong>01</strong>8). Interprofessionelles Lernen als Voraussetzung für interprofessionelle Zusammenarbeit<br />

Herausforderungen und Maßnahmen zur Optimierung effektiver Kommunikation in klinischen Notfallsituationen. In: Simon, A. (Hrsg.): Akademisch<br />

ausgebildetes Pflegefachpersonal. Entwicklung und Chancen. Berlin: Springer, S. 146-154.<br />

[9] Howaldt, J. (<strong>2<strong>01</strong>9</strong>). Soziale Innovation im Fokus nachhaltiger Entwicklung – Die Bedeutung von Kooperationen und Netzwerken für den Erfolg<br />

sozialer Innovationen. In: In: Neugebauer, C.; Pawel, S.; Biritz, H.: Netzwerke und soziale Innovationen Lösungsansätze für gesellschaftliche<br />

Herausforderungen? Wiesbaden: Springer, S. 19-30.<br />

[10] Krainz, E.E. (<strong>2<strong>01</strong>9</strong>). Vorwort des Reihenherausgebers. Netzwerke – eine neue Form der Organisation? In: Neugebauer, C.; Pawel, S.; Biritz, H.:<br />

Netzwerke und soziale Innovationen Lösungsansätze für gesellschaftliche Herausforderungen? Wiesbaden: Springer, S. V-X.<br />

[11] Hibbeler, B. (2<strong>01</strong>1). Ärzte und Pflegekräfte: Ein chronischer Konflikt. Deutsches Ärzteblatt 41 (10.2<strong>01</strong>1), S. A 2138-A 2148.<br />

[12] Fliedner, M.C.; Eychmüller, S. (2<strong>01</strong>6). Ansprüche an die interprofessionelle Zusammenarbeit. Die anderen und ich. Der Onkologe 9 (6.2<strong>01</strong>6),<br />

S. 631‐637.<br />

[13] Tewes, R. (2<strong>01</strong>5). Schulen Sie Ihr Personal. Interprofessionelle Kommunikation will gelernt sein. Heilberufe/Das Pflegemagazin 67, S. 20-22.<br />

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Ambulante Pflege in Deutschland nach dem Vorbild von Buurtzorg<br />

Ambulante Pflege in Deutschland nach dem Vorbild von Buurtzorg –<br />

Überlegungen zu Rechtsform und Organisation<br />

Dr. Felix Hoffmann<br />

Die Idee von Buurtzorg gilt als revolutionär: Pflegekräfte pflegen nicht, sondern unterstützen pflegebedürftige Menschen<br />

dabei, zu einem selbstbestimmten Leben zurück zu finden.<br />

Buurtzorg zeigt, dass ein agil organisierter<br />

Pflegedienst ein großes Potential<br />

entfalten kann. Aber lässt sich ein<br />

ambulanter Pflegedienst nach Buurtzorgschem<br />

Vorbild auch auf Deutschland<br />

übertragen?<br />

Nachfolgende Gedanken sollen einen<br />

möglichen Weg dorthin skizzieren.<br />

Unternehmensziel<br />

Zunächst soll die Frage beantwortet<br />

werden, worin das Unternehmensziel<br />

von Buurtzorg überhaupt besteht.<br />

Gemäß dem Slogan „Humanity over<br />

bureaucracy” verfolgt Buurtzorg das<br />

Ziel, ohne bürokratischen Aufwand<br />

pflegebedürftigen Menschen die<br />

Zuwendung zukommen zu lassen,<br />

die sie benötigen. Das Ziel ist jedoch<br />

nicht, einen Menschen zu pflegen,<br />

sondern Unterstützung für ein möglichst<br />

selbstbestimmtes Leben zu geben.<br />

[1]<br />

Durch diese einfache Veränderung der<br />

Sichtweise konnte nach Angaben von<br />

Buurtzorg erreicht werden, dass viele<br />

Patienten ein deutlich selbstbestimmteres<br />

Leben führen können und der<br />

Pflegeaufwand oftmals reduziert werden<br />

kann.<br />

Buurtzorg richtet seinen Blick jedoch<br />

nicht nur auf die Patienten, sondern<br />

gleichermaßen auch auf die Pflegekräfte.<br />

Die professionelle Pflegetätigkeit<br />

soll nicht nur Selbstzweck sein,<br />

sondern die Mitarbeitenden auch<br />

glücklich machen.<br />

Zielerreichung<br />

Wie gelingt es Buurtzorg nun, dass<br />

diese Unternehmensziele tatsächlich<br />

erreicht und gelebt werden?<br />

In herkömmlichen Organisationen<br />

fehlen den Entscheidungsträgern oft<br />

die nötigen Informationen für eine<br />

sinnvolle Entscheidung. Die Konsequenz<br />

können Fehlentscheidungen<br />

sein. Buurtzorg zeichnet sich hingegen<br />

durch agile Unternehmensstrukturen<br />

aus. Viele kleine Teams agieren<br />

eigenständig, die Firmenzentrale<br />

übernimmt die Aufgabe einer internen<br />

Beratungsabteilung und unterstützt<br />

die Teams bei ihrer Arbeit oder<br />

bei Projekten.<br />

Entscheidungen werden nicht von<br />

den Vorgesetzten getroffen (die es<br />

bei Buurtzorg ohnehin kaum gibt),<br />

sondern von den betroffenen Mitarbeitenden<br />

selbst. Auf diese Weise ist<br />

sichergestellt, dass genau die Menschen<br />

eine Entscheidung treffen, die<br />

von dieser Entscheidung auch direkt<br />

betroffen sind und deshalb über den<br />

größten Wissensschatz zum jeweiligen<br />

Sachverhalt verfügen.<br />

Natürlich existieren auch bei Buurtzorg<br />

Regeln, welche für alle Mitarbeitenden<br />

gültig sind. Diese sind jedoch<br />

nicht in Stein gemeißelt, sondern können<br />

verändert werden. Die Initiative<br />

hierzu kann von jedem Mitarbeitenden<br />

ausgehen. [2]<br />

18<br />

<strong>Sprungbrett</strong> … <strong>01</strong>/<strong>2<strong>01</strong>9</strong>


Burtzoorg aus der Sicht anderer medizinischer Berufsgruppen<br />

Marktanalyse<br />

Das Unternehmensziel wurde nun formuliert,<br />

aber besteht überhaupt ein<br />

Bedarf auf dem Markt?<br />

Im Rahmen einer Marktanalyse wird<br />

der konkrete Bedarf für einen ambulanten<br />

Pflegedienst ermittelt. Wenn<br />

bereits sehr viele Pflegedienste existieren,<br />

wird es auch für einen innovativen<br />

Pflegedienst schwer werden, sich zu<br />

etablieren. Möglicherweise bietet sich<br />

dann die Gelegenheit, die Ideen in<br />

Kooperation mit einem bereits existierenden<br />

Pflegedienst umzusetzen.<br />

Möglicherweise bietet es sich auch an,<br />

eine bestimmte pflegerische Nische<br />

zu bedienen, für die aktuell ein Bedarf<br />

besteht.<br />

Gründung<br />

Teamwork oder Einzelgänger?<br />

Wenngleich es möglich ist, ein Unternehmen<br />

im Alleingang zu gründen,<br />

so fällt dies doch mit einem kompetenten<br />

Team wesentlich leichter.<br />

In erster Linie sollten natürlich erfahrene<br />

Pflegekräfte in das Team aufgenommen<br />

werden, die schließlich<br />

später die Kernleistungen erbringen.<br />

Darüber hinaus kann das Team durch<br />

Personen mit medizinischer, ökonomischer<br />

und juristischer Expertise bereichert<br />

werden. Nicht zuletzt sollte<br />

das gesamte Team mit dem agilen Ansatz<br />

von Buurtzorg vertraut und offen<br />

für andere innovative Ideen sein.<br />

Ist die Rechtsform einer GmbH<br />

sinnvoll?<br />

Rechtsform und Unternehmensziel<br />

müssen zueinander passen.<br />

In einer Kapitalgesellschaft treffen<br />

in der Regel die Eigentümer die wesentlichen,<br />

meist strategischen Entscheidungen.<br />

Obwohl diese – wie bei<br />

Buurt zorg – delegiert werden können,<br />

ist das Mitspracherecht der Angestellten<br />

bei strategischen Entscheidungen<br />

jedoch eher gering.<br />

Diese Diskrepanz zwischen entscheidungskompetenten<br />

Mitarbeitenden<br />

auf der einen Seite und entscheidungsberechtigten<br />

Führungskräften<br />

auf der anderen Seite widerspricht<br />

dem agilen Organisationsgedanken.<br />

Dass Buurtzorg trotzdem funktioniert,<br />

liegt an der großen intrinsischen Motivation<br />

des Eigentümers Jos de Blok,<br />

die agilen Prinzipien zu leben. Ein<br />

Nachfolger hätte jedoch prinzipiell die<br />

Möglichkeit, andere Führungsstrukturen<br />

einzuführen. Agile Prinzipien<br />

stehen und fallen somit mit der Leitungsposition.<br />

Genossenschaft als Alternative!<br />

Für eine langfristige Resilienz eines<br />

agilen Unternehmens gegen die unternehmensfernen<br />

Interessen Einzelner<br />

ist es erforderlich, das agile Mindset<br />

auch rechtlich in der Organisation<br />

des Unternehmens zu verankern.<br />

Die Rechtsform einer Genossenschaft<br />

bietet sich hier als sinnvolle Alternative<br />

zu den weit verbreiteten Kapitalgesellschaften<br />

an, da die Mitarbeitenden zugleich<br />

Eigentümer des Unternehmens<br />

sind und daher auch bei wichtigen<br />

Entscheidungen demokratisch mitbestimmen<br />

können.<br />

Auf diese Weise haben alle Mitarbeitenden<br />

die Möglichkeit, auf die künftige<br />

Ausrichtung des Unternehmens<br />

Einfluss zu nehmen. Eine Beeinflussung<br />

des Unternehmens durch Dritte<br />

ist nicht unbedingt ausgeschlossen,<br />

aber deutlich erschwert.<br />

Per Satzung kann geregelt werden,<br />

wer zum Erwerb von Genossenschaftsanteilen<br />

berechtigt ist und wer<br />

welche Entscheidungen treffen darf.<br />

Entscheidungen, die die DNA des Unternehmens<br />

betreffen, sollten nur von<br />

einer Generalversammlung getroffen<br />

werden können. Für größere Entscheidungen<br />

sollten leistungsfähige Entscheidungsstrukturen<br />

etabliert werden,<br />

kleine Entscheidungen einzelner<br />

Teams werden informell innerhalb der<br />

Teams getroffen.<br />

Finanzierung<br />

Über die Verwendung der Unternehmensgewinne<br />

kann die Genossenschaft<br />

gemäß § 19 Abs. 2 GenG<br />

frei verfügen. Gemäß dem Prinzip<br />

„Leistung und Gegenleistung müssen<br />

sich entsprechen“ könnten die<br />

Gewinne beispielsweise nach einem<br />

leistungsorientierten Schlüssel an die<br />

Mitarbeitenden ausgeschüttet werden.<br />

Auf diese Weise bleibt das Geld<br />

bei den Menschen, die es in zweierlei<br />

Bedeutung auch verdient haben.<br />

Ein Nachteil dieser Gewinnverteilung<br />

besteht darin, dass Kapitalinvestoren<br />

einen geringeren Anreiz haben, in<br />

eine Genossenschaft zu investieren.<br />

Dies kann potenziell eher zu Liquiditätsengpässen<br />

führen als in Kapitalgesellschaften.<br />

Andererseits bestehen<br />

viele innovative Möglichkeiten, Geld<br />

zu beschaffen. Diese reichen von klassischen<br />

Krediten über Crowdfunding<br />

bis nicht zuletzt hin zu den Genossenschaftsanteilen<br />

selbst.<br />

Das Crowdfunding bietet den Investoren<br />

nicht nur die Möglichkeit, zu<br />

einem vergleichsweise attraktiven<br />

Zinssatz ihr Geld anzulegen, sondern<br />

darüber hinaus auch ein Unternehmen<br />

zu fördern, dessen Ziele sie schätzen.<br />

Das Unternehmen hat den Vorteil,<br />

dass nach Rückzahlung des Kredits<br />

keine weiteren Verpflichtungen mehr<br />

bestehen und Unternehmensgewinne<br />

langfristig im Unternehmen<br />

verbleiben.<br />

Strukturen und Prozesse<br />

Buurtzorg ist als agile Organisation<br />

dazu in der Lage, rasch auf Veränderungen<br />

einer sich stetig wandelnden<br />

Arbeitswelt zu reagieren. Für die tägliche<br />

Arbeit sind jedoch feste Strukturen<br />

und Prozesse erforderlich, an<br />

denen sich die Mitarbeitenden orientieren<br />

können.<br />

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Burtzoorg aus der Sicht anderer medizinischer Berufsgruppen<br />

Der Wert dieser Strukturen und Prozesse<br />

kann daran bemessen werden,<br />

wie groß der Anteil der Wertschöpfung<br />

an der Gesamtheit der Aktivitäten<br />

ist. Alle nicht wertschöpfenden<br />

Prozessschritte (also solche, die nicht<br />

der Erreichung des Unternehmensziels<br />

dienen) gelten als Verschwendung<br />

und sollten nach Möglichkeit<br />

minimiert werden. Lean Management<br />

kann als Unternehmenskultur schlanker<br />

Prozesse verstanden werden und<br />

ist somit eine sinnvolle Ergänzung zur<br />

Agilität.<br />

Agilität wirkt anders als das Lean Management<br />

nicht auf dem Prozess<br />

selbst ein, sondern auf die Art und<br />

Weise, wie ein Prozess verändert werden<br />

kann. Gewissermaßen ist Lean<br />

Management der Schlüssel zu schlanken<br />

Prozessen und Agilität der Schlüssel<br />

dazu, diese bedarfsgerecht zu verändern.<br />

Mitarbeitende<br />

Die Menschen aus dem Gründungsteam<br />

können der späteren Belegschaft<br />

angehören, müssen es aber<br />

nicht. Viele Menschen haben Freude<br />

daran, ein Unternehmen zu gründen,<br />

möchten aber nicht dauerhaft darin<br />

mitarbeiten. Andere wiederum sehen<br />

in der Gründung eine langfristige berufliche<br />

Perspektive.<br />

Unabhängig davon wird es früher<br />

oder später erforderlich sein, neue<br />

Mitarbeitende zu finden. Mögliche<br />

Wege sind Zeitungsanzeigen oder<br />

Job-Börsen. Aber auch das persönliche<br />

Netzwerk der Mitarbeitenden<br />

sollte nicht unterschätzt werden.<br />

Gehalt<br />

Es gibt Unternehmen, die eine transparente<br />

Gehaltspolitik eingeführt<br />

haben. Die Gehälter aller Mitarbeitenden<br />

sind bekannt, im Rahmen einer<br />

Gehaltsverhandlung kann jeder Mitarbeitende<br />

unter Berücksichtigung<br />

der folgenden Aspekte sein eigenes<br />

Gehalt festlegen.<br />

1. Wie viel Geld brauche ich?<br />

2. Wie viel Geld bekommen meine<br />

Kollegen in einer vergleichbaren<br />

Position?<br />

3. Wie viel Geld würde ich bei einem<br />

anderen Unternehmen für eine vergleichbare<br />

Tätigkeit bekommen?<br />

4. Was kann sich das Unternehmen<br />

leisten?<br />

Nach der Erfahrung vieler Unternehmen,<br />

die die Gehälter auf diese Weise<br />

festlegen, wird diese außergewöhnliche<br />

Art der Gehaltsfindung nicht<br />

ausgenutzt, sondern vielmehr als sehr<br />

fair empfunden. [3]<br />

Die Vergütung des gewählten Vorstands,<br />

dem in einer Genossenschaft<br />

die Managementaufgaben obliegen,<br />

darf an den gleichen Maßstäben bemessen<br />

werden wie die Vergütung<br />

aller anderen Beschäftigten. Auch hier<br />

gilt der Grundsatz der Leistungsgerechtigkeit.<br />

Welche Rolle spielt das<br />

Management?<br />

Auch ein genossenschaftlich organisiertes<br />

agiles Unternehmen kommt<br />

nicht gänzlich ohne ein Management<br />

aus.<br />

Bei Buurtzorg besteht die Aufgabe des<br />

Managements vor allem in der Unterstützung<br />

der Teams, beispielsweise<br />

bei Projekten oder bei der Bewältigung<br />

von Herausforderungen. Auch<br />

allgemeine Verwaltungsaufgaben wie<br />

die Personalverwaltung und das Marketing<br />

werden bei Buurtzorg zentral<br />

organisiert. Es handelt sich bei der<br />

Verwaltung demnach um ein Team<br />

mit Sonderaufgaben, welches mit den<br />

Pflegeteams auf Augenhöhe agiert.<br />

Marketing<br />

Spätestens beim Marketing muss die<br />

Frage gestellt werden, welches Ziel<br />

am Markt verfolgt werden soll.<br />

Das Marketing vieler klassischer Organisationen<br />

ist darauf ausgerichtet, ein<br />

möglichst großes Wachstum zu erreichen.<br />

Das hat allerdings auch Nachteile,<br />

denn ein zu schnelles Wachstum<br />

kann eine Organisation überfordern<br />

und sich negativ auf Arbeitsqualität,<br />

Zufriedenheit und langfristige Effizienz<br />

auswirken.<br />

Einige Unternehmen verfolgen das<br />

Konzept des gesunden Wachstums,<br />

welches durchaus die Notwendigkeit<br />

kennt, neue Kunden zu akquirieren.<br />

Andererseits kennen diese Organisationen<br />

auch eine Grenze des Wachstums,<br />

welche nicht überschritten werden<br />

sollte. [4]<br />

Fazit: Als Rechtsform für agile Unternehmen<br />

bietet sich die Genossenschaft<br />

an, da diese das agile Mindset<br />

bereits beinhaltet.<br />

Literaturverzeichnis:<br />

[1] Gray BHG, Sarnak DOS, Burgers JSB: Home Care by Self-Governing Nursing Teams: The Netherlands‘ Buurtzorg Model: The Commonwealth Fund<br />

2<strong>01</strong>5.<br />

[2] Laloux F, Kauschke M: Reinventing organisations: Ein Leitfaden zur Gestaltung sinnstiftender Formen der Zusammenarbeit. München: Vahlen 2<strong>01</strong>5.<br />

[3] Pein M: New Work, New Pay? In: managerSeminare Verlags GmbH (ed.): manager-Seminare 246: Das Weiterbildungsmagazin. Bonn:<br />

managerSeminare Verlags GmbH 2<strong>01</strong>8; 20–26.<br />

[4] Wegner O: Wachsen statt Platzen: Gesunde Unternehmensentwicklung. In: manager-Seminare Verlags GmbH (ed.): managerSeminare 246: Das<br />

Weiterbildungsmagazin. Bonn: managerSeminare Verlags GmbH 2<strong>01</strong>8; 28–35.<br />

20<br />

<strong>Sprungbrett</strong> … <strong>01</strong>/<strong>2<strong>01</strong>9</strong>


Politische Überlegungen zu Buurtzorg in Deutschland<br />

Politische Überlegungen zu Buurtzorg in Deutschland<br />

Florian Bechtel<br />

Ein Konzept à la Buurtzorg würde angesichts der momentanen Personalsituation in der professionellen Pflege und<br />

auch der pflegenden Angehörigen guttun. Politisch tut sich jedoch wenig in diese Richtung.<br />

Trend geht zur Entprofessionalisierung<br />

Eine Organisationsstruktur, in der sich<br />

die Teams völlig autark gestalten und<br />

entwickeln, erfordert von ihren Mitgliedern<br />

entsprechende Fähigkeiten,<br />

um diese Aufgaben auch bewerkstelligen<br />

zu können.<br />

Diese müssten sowohl pflegerischer<br />

als auch ökonomischer und auch organisatorischer<br />

Natur sein, um das<br />

Spektrum an Aufgaben abzudecken,<br />

welche ein solches System mit sich<br />

bringen würde. Allerdings lässt sich<br />

momentan in einigen Bundesländern<br />

eher eine Entwicklung beobachten,<br />

die das Kompetenzspektrum der professionellen<br />

Pflege nicht erweitert,<br />

sondern durch geminderte Zugangsvoraussetzungen<br />

[1] und 150-stündige<br />

„Weiterqualifizierungen“ für Behandlungspflege<br />

[2], besonders in der<br />

Altenpflege, einer Entprofessionalisierungskampagne<br />

gleicht. Hier scheint<br />

das Motto eher „Masse statt Klasse“ zu<br />

sein. Womit wir uns in Deutschland in<br />

Bezug auf das Kompetenzprofil eher<br />

von der Selbstorganisation distanzieren.<br />

Akademisierung ist der Schlüssel<br />

Für eine zukunftsfähige professionelle<br />

Pflege braucht es akademisch<br />

ausgebildete Pflegefachpersonen.<br />

Nur so kann sichergestellt werden,<br />

dass in selbstorganisierten Teams das<br />

gesamte Kompetenzspektrum abgedeckt<br />

wird, welches die qualitativ<br />

hochwertige und pflegewissenschaftlich<br />

fundierte Versorgung der Patienten<br />

erfordert. Allerdings gilt es hier,<br />

die Studiengänge den Erfordernissen<br />

der neuen Pflegelandschaft anzupassen<br />

und nicht andersherum. Dies ist<br />

der einzige Weg eine bedarfsgerechte<br />

und sinnvolle Akademisierung zu garantieren<br />

und zu verhindern, dass die<br />

Ausbildung am Bedarf der Leistungsbezieher<br />

und auch an den Bedürfnissen<br />

der Leistungserbringer vorbei implementiert<br />

wird.<br />

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Politische Überlegungen zu Buurtzorg in Deutschland<br />

Haben wir genug Vertrauen in die<br />

professionelle Pflege?<br />

Die Form der Selbstorganisation, welche<br />

bei Buurtzorg umgesetzt wurde,<br />

erfordert ein hohes Maß an Vertrauen<br />

auf allen Ebenen. „Wenn man sich als<br />

Geschäftsführer für einen selbst organisierten<br />

Betrieb entscheidet, setzt das<br />

Vertrauen in die Menschen und ihre<br />

Fähigkeiten voraus.“ sagt der Organisationsforscher<br />

Christoph Minnig. [3]<br />

Da das Thema Pflege und Pflegebedürftigkeit<br />

ein sehr sensibles ist, bedarf<br />

es aber vor allem des Vertrauens<br />

des Patienten gegenüber allen, die an<br />

seiner Versorgung beteiligt sind. Auch<br />

hier füllt die professionelle Pflege wieder<br />

eine Schlüsselrolle aus, da ihr die<br />

Aufgabe zukommt, die Versorgung<br />

umfassend und ganzheitlich zu koordinieren.<br />

Deshalb müssen auch die<br />

versorgenden Ärzte und insbesondere<br />

die Kostenträger ein Mindestmaß an<br />

Vertrauen in die Kompetenz der Pflege<br />

mitbringen, damit dieses System<br />

funktionieren kann.<br />

Evaluation der Prozesse und<br />

Neuordnung der Kompetenzen<br />

Grundsätzlich gilt es, insbesondere in<br />

der ambulanten Pflege, die interdisziplinären<br />

Prozesse genauer anzuschauen,<br />

sie auf ihre Effizienz und Sinnhaftigkeit<br />

zu überprüfen, um sie gegebenenfalls<br />

im Sinne der Vereinfachung<br />

zu verändern. Hier ist disruptives Denken<br />

gefragt! Ist es beispielsweise sinnvoll,<br />

dass bei einem Patienten, der zu<br />

Hause pflegerisch ambulant versorgt<br />

wird, alle Anordnungskompetenzen<br />

beim behandelnden Hausarzt liegen?<br />

Oder macht es nicht mehr Sinn, wenn<br />

z.B. die (entsprechend weitergebildete)<br />

Pflegekraft, welche die Wundversorgung<br />

mehrmals wöchentlich<br />

übernimmt, auch das entsprechende<br />

Wundmaterial verordnen darf? Grundsätzlich<br />

sollte, meiner Meinung nach,<br />

die Profession, welche am nächsten<br />

am Patienten ist, die Koordination<br />

von dessen Behandlung im Sinne des<br />

Case-Managements übernehmen.<br />

Entsprechend den nötigen Kompetenzen<br />

können dann die Behandlungsteams<br />

zusammengestellt werden.<br />

Warum also nicht die Handlungskompetenzen<br />

auch juristisch dort bündeln,<br />

wo Fachexpertise und Patientennähe<br />

zusammenkommen?<br />

In den Niederlanden profitiert auch<br />

die interdisziplinäre Zusammenarbeit<br />

von der Selbstorganisation des<br />

Pflegedienstes: Die niedergelassenen<br />

Ärzte zeigen sich in einer qualitativen<br />

Befragung sehr zufrieden ob der Kooperation<br />

mit den Pflegeteams. [5]<br />

Vom Selbstmitleid zum<br />

Selbstvertrauen<br />

Eine andere Form des Vertrauens, die<br />

ebenfalls dringend benötigt wird, um<br />

ein solches System konsequent zu etablieren,<br />

ist Selbstvertrauen. Dies beinhaltet<br />

auch den Mut, diese Verantwortung<br />

der Selbstorganisation tragen<br />

zu können. Und das ist ein Punkt, an<br />

dem die Profession Pflege zusammen<br />

mit den politischen Akteuren arbeiten<br />

muss.<br />

Die Selbstverständlichkeit, etwas<br />

selbst zu organisieren, zu entwickeln<br />

und dafür auch die Verantwortung<br />

zu tragen, ohne dass ein Vorgesetzter<br />

da ist, auf den man diese abwälzen<br />

kann, ist etwas, woran die Pflegenden<br />

in Deutschland nicht gewöhnt sind.<br />

Dass besonders der Berufsstand der<br />

Pflegenden sich mit Eigenverantwortung<br />

noch sehr schwertut, zeigen die<br />

aktuellen Diskussionen über die berufliche<br />

Selbstverwaltung in Form von<br />

Pflegekammern, wie man sie gerade<br />

besonders in Niedersachsen beobachten<br />

kann.<br />

Unternehmen ohne Hierarchie –<br />

können wir das?<br />

Hierarchien in Unternehmen gab es irgendwie<br />

schon immer – und jetzt soll<br />

das plötzlich völlig ohne „Führung von<br />

oben“ funktionieren. Es würde sicherlich<br />

seine Zeit brauchen, bis sich die<br />

Struktur ohne klare Hackordnung etabliert.<br />

Zu sehr sind klare Hierarchien<br />

in unserer Kultur und besonders in<br />

Unternehmen verwurzelt. Hier gilt es,<br />

erst einmal ein gesundes Mittelmaß<br />

zwischen altehrwürdiger „Befehlskette“<br />

und Überforderung der Mitarbeiter<br />

zu finden. Plötzlich sein eigener Chef<br />

zu sein, wäre für viele eine große Aufgabe,<br />

die es erst einmal zu bewältigen<br />

gilt. Aber bekanntlich wächst man an<br />

seinen Herausforderungen.<br />

Moderne Führung ist viel mehr als Anweisungen<br />

zu geben, wer was wie zu<br />

machen hat. Vielmehr geht es darum,<br />

seinen Mitarbeiter zu befähigen, die<br />

Ziele auf die eigene Weise zu erreichen.<br />

Die Führungskraft muss dem Mitarbeiter<br />

lediglich die „Werkzeuge“ an die<br />

Hand geben und ihm unterstützend<br />

zu Seite stehen. So können ungeahnte<br />

Potenziale entfaltet werden, von denen<br />

das Unternehmen, der Mitarbeiter<br />

und, wie im Fall Buurtzorg, auch<br />

der Leistungsempfänger profitieren<br />

kann.<br />

Dass dieser Wandel Mut und Geduld<br />

erfordert, steht außer Frage. Allerdings<br />

braucht das deutsche Gesundheitssystem<br />

in seiner aktuellen Situation<br />

genau das: Mut und Innovationsgeist.<br />

Pilotprojekte entstehen bisher<br />

nur aus Eigeninitiative<br />

Projekte, wie eine Organisation nach<br />

dem Vorbild von Buurtzorg zu implementieren,<br />

stehen momentan nicht<br />

besonders weit oben auf der gesundheitspolitischen<br />

Agenda. Allgemein<br />

fällt auf, dass die Bereiche ambulante<br />

pflegerische Versorgung und Rehabilitation<br />

bei all den Reformen etwas<br />

zu kurz kommen. Deshalb nehmen<br />

einige kleine Pflegedienste ihr Glück<br />

selbst in die Hand und starten zusammen<br />

mit den Kostenträgern Mo-<br />

22<br />

<strong>Sprungbrett</strong> … <strong>01</strong>/<strong>2<strong>01</strong>9</strong>


Politische Überlegungen zu Buurtzorg in Deutschland<br />

dellprojekte von selbstorganisierten<br />

Pflegeteams. Um diese jedoch bundesweit<br />

auszurollen, bedarf es einer<br />

politischen Angleichung der Rahmenbedingungen<br />

in den einzelnen Bundesländern.<br />

Jedoch zeigen sich besonders<br />

die Kassen gesprächsbereit,<br />

Projekte dieser Art mitzutragen. [4]<br />

Immerhin führte das „System Buurtzorg“<br />

in den Niederlanden dazu, dass<br />

die Leistungsbezieher doppelt so<br />

schnell aus der Pflege entlassen werden<br />

konnten und die Arbeitsstunden<br />

pro Patienten 40 % weniger betrugen,<br />

als bei vergleichbaren Leistungserbringern.<br />

Also auch wirtschaftlich ist das Prinzip<br />

der Selbstorganisation ein Erfolg. Angesichts<br />

der enormen Belastung, die<br />

unser Gesundheits- und Sozialsystem<br />

im Zuge des demografischen Wandels<br />

erwartet, durchaus eine Überlegung<br />

wert!<br />

Im Vordergrund sollte jedoch weiterhin<br />

das Wohl der Patienten stehen! Die<br />

zeigen sich im Übrigen auch sehr zufrieden<br />

mit Buurtzorg in den Niederlanden:<br />

bei der Nutzerzufriedenheit<br />

steht Buurtzorg an der Spitze aller mobilen<br />

Anbieter. [5]<br />

Eigentlich scheint es in diesem System<br />

nur Gewinner zu geben. Es bleibt abzuwarten,<br />

wann politisch der Weg<br />

für ein flächendeckendes Pilotprojekt<br />

geebnet wird.<br />

Dazu braucht es pflegepolitisch viel<br />

Mut und Durchsetzungsvermögen.<br />

Angefangen bei der, am besten bundesweiten,<br />

Angleichung der Aus-,<br />

Fort- und Weiterbildungsordnungen,<br />

die von Fachpersonen (mit)gestaltet<br />

werden sollten, welche ihre Expertise<br />

am Patienten noch täglich unter Beweis<br />

stellen. Außerdem muss es gelingen,<br />

alle Stakeholder an einen Tisch<br />

zu bekommen, um die ökonomischen<br />

Rahmenbedingungen zu schaffen.<br />

In den Niederlanden hat das Projekt<br />

schon bewiesen, dass es sich mit etwas<br />

Geduld selbst tragen kann und<br />

letztendlich durch seine Effektivität,<br />

in Form der Reduzierung der Pflegestunden<br />

und der früheren Entlassung<br />

aus der Pflege, zu signifikanten Einsparungen<br />

führt.<br />

Und das Wichtigste ist, dass der<br />

Leistungsbezieher davon profitiert!<br />

Bei all dem (berechtigten) Reformwahn<br />

im Gesundheitswesen scheinen<br />

die Beteiligten nämlich manchmal zu<br />

vergessen, worum es wirklich geht:<br />

Die Genesung und Lebensqualität des<br />

Patienten.<br />

Literaturverzeichnis<br />

[1] bpa (2009). Direkter Einstieg in die Altenpflegeausbildung künftig auch für Hauptschüler möglich.<br />

https://www.presseportal.de/pm/17920/1424586 (11.02.<strong>2<strong>01</strong>9</strong>).<br />

[2] Schlütersche Verlagsgesellschaft (Hrsg.) (2<strong>01</strong>8). Pflegehelfer für Behandlungspflege qualifizieren?<br />

https://www.pflegen-online.de/pflegehelfer-fuer-behandlungspflege-qualifizieren (11.02.<strong>2<strong>01</strong>9</strong>).<br />

[3] Machac, L. (2<strong>01</strong>6). Erfolg braucht kein Management. https://www.bernerzeitung.ch/articles/18170366 (11.02.<strong>2<strong>01</strong>9</strong>).<br />

[4] Hertel, Y. (2<strong>01</strong>8). Interview: Pilotprojekt Buurtzorg in Deutschland.<br />

https://www.pflegemarkt.cco/2<strong>01</strong>8/08/29/interview-pilotprojekt-buurtzorg-in-deutschland/ (11.02.<strong>2<strong>01</strong>9</strong>)<br />

[5] Leichsenring, K., (2<strong>01</strong>5).„Buurtzorg Nederland“ – Ein innovatives Modell der Langzeitpflege revolutioniert die Hauskrankenpflege. Erschienen in:<br />

ProCare – Aktuelle Information, Fort- und Weiterbildung für die Mitarbeiter der Gesundheits- und Krankenpflege, 20(8), 20-24.<br />

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Ob das gut gehen kann.<br />

Ob das gut gehen kann.<br />

Tobias Ulamec<br />

Okay, dann oute ich mich halt mal. Nach meinem Studium an<br />

der APOLLON habe ich leider nur einen Job an einer Schule bekommen.<br />

Nix anderes hatte Erfolg und meine Familie hatte Hunger.<br />

Der einzige Ausweg – eine Stelle als Schulleiter.<br />

Jetzt bin ich Herr über 28 Lehrerinnen<br />

und Lehrer sowie eine Sekretärin und<br />

ca. 320 Schülerinnen und Schüler. Der<br />

Altersdurchschnitt meiner 320 Bildungsinsassen<br />

liegt zwischen 15 und<br />

22 Jahren, die sich entweder um einen<br />

Hauptschul-, Realschulabschluss oder<br />

gar um das Abitur bemühen. Soviel zu<br />

den harten Fakten. Viel interessanter<br />

ist aber, was die Bildungsinsassen für<br />

Träume haben und was sie im Moment<br />

dafür tun.<br />

Die Träume sind vermutlich allen<br />

klar und decken sich im Großen und<br />

Ganzen mit den Idealen, die wir schon<br />

als Schüler hatten. Eigenheim, dickes<br />

Auto, coole Familie und viel Freizeit<br />

zum Reisen. Das einzige was keine<br />

Erwähnung mehr findet ist das Thema<br />

Haustier – zu betreuungsintensiv.<br />

Womit wir auch schon bei den ersten<br />

beiden Problemen der aktuellen Thematik<br />

Pflege wären.<br />

Problem 1<br />

Eigenheim, dickes Auto, Freizeit und<br />

Familie sind mittlerweile eher Luxusgüter<br />

als Basics eines normal im Leben<br />

stehenden, arbeitenden Menschen.<br />

Eine 2-Zimmer-Wohnung am Rande<br />

von Stuttgart kostet demnächst soviel<br />

wie ein 32 ha Anwesen mit kompletter<br />

Dienerschaft in der Walachei in England<br />

(Der Brexit wird es möglich machen).<br />

Da man sich je nach Fahrverbot-Offensive<br />

ein neues Auto kaufen<br />

muss, wird auch das „heilige Blechle“<br />

nicht mehr im bezahlbaren Rahmen<br />

sein und was ist mit Freizeit und Familie<br />

… PFFFTTT … da bleibt mir als<br />

3-fachem Vater die Luft weg. Weiß<br />

einer was das kostet?!?<br />

Hier eine Maßnahme für<br />

frühkindliche Sprachentwicklung,<br />

da ein Termin<br />

beim Kinderpsychologen, auf Grund<br />

einer Abneigung gegen Gemüse, und<br />

nicht zu vergessen die „geringen“ Kosten<br />

für die All-Inklusive Urlaube rund<br />

um die Welt mit Animation – meine<br />

Kinder sollen ja nicht als Außenseiter<br />

in der Klasse gehandelt werden. Aber<br />

geht das Ganze mit dem Gehalt einer<br />

Pflegefachkraft? Vermutlich nicht.<br />

Problem 2<br />

Dann doch lieber auf ein Haustier<br />

umsteigen. Ach nee, geht auch nicht<br />

– wie vorher schon erwähnt, zu betreuungsintensiv.<br />

Aber wenn ein eigenes<br />

Haustier schon nicht in der Lage<br />

ist, die rudimentären sozialen und<br />

pflegerischen Eigenschaften eines<br />

Menschen hervorzuholen, dann frag<br />

ich mich allen Ernstes, wie das in der<br />

bezahlten Pflege laufen soll.<br />

Spannend ist auch die Frage, was die<br />

Bildungsinsassen für ihre Träume investieren.<br />

Und hier eine gute Nachricht<br />

vorne weg – mindestens 20% sind tatsächlich<br />

aktiv für ihren Schulabschluss<br />

tätig. Der Rest „chillt“, in der Hoffnung,<br />

dass die Prüfung „easy“ wird. Gut, das<br />

war bei uns auch schon so. Bei uns<br />

hieß die Devise „hab Mut zur Lücke“ –<br />

so im Nachhinein betrachtet, der volle<br />

Blödsinn. Komischerweise kam immer<br />

das dran, was ich nicht gelernt hatte.<br />

Problem 3<br />

Aber sei´s drum. Allgegenwärtig ist das<br />

Thema „Chillen“ und Shisha rauchen.<br />

Eine grundsolide Lebenseinstellung,<br />

wenn es im Pflegeberuf nicht immens<br />

wichtig wäre, was zu tun. Natürlich<br />

kann man den Hilfsbedürftigen auch<br />

klar machen, dass Chillen nur eine<br />

Vorstufe auf das weitere Leben nach<br />

dem Tode ist und ein benebelter Geist<br />

offene Füße, einen künstlichen Darmausgang<br />

oder auch ein Paraplegie in<br />

einem anderen Licht erscheinen lässt.<br />

Aber zielführend kann das nicht sein.<br />

Und auch die Kostendeckung durch<br />

die in Arbeit stehenden Beitragszahler<br />

wird vermutlich durch solch ein Modell<br />

eher in die Höhe schießen.<br />

Was also tun?<br />

Nun ist es wie es ist und wir werden<br />

vermutlich nix dagegen machen können.<br />

Ist auch nicht nötig. Wenn ich an<br />

meine prä- und postpubertäre Zeit<br />

zurück denke, weiß ich noch, dass<br />

viele dachten, der Langhaartyp wird<br />

sicherlich als abgehalfterter Möchtegern-Rockstar<br />

auf der Straße enden.<br />

Und was ist passiert – er hat eine<br />

grundsolide Ausbildung gemacht, ein<br />

Studium absolviert und neben Eigenheim<br />

und Haustier sogar 3 halbwegs<br />

vernünftige Kinder in die Welt gesetzt…(Okay<br />

das mit dem Schulleiter<br />

ist vielleicht nicht so weit weg von der<br />

Geschichte mit dem abgehalfterten<br />

Rockstar).<br />

Es besteht also Hoffnung, egal<br />

welches Pflegemodell unsere Zukunft<br />

bringen wird.<br />

24<br />

<strong>Sprungbrett</strong> … <strong>01</strong>/<strong>2<strong>01</strong>9</strong>


Unsere AutorInnen und Mitwirkenden in dieser <strong>Ausgabe</strong><br />

Unsere AutorInnen und Mitwirkenden in dieser <strong>Ausgabe</strong><br />

Cornelia Baudisch<br />

Apothekerin; MaHM<br />

Strategisches Arzneimittelmanagement bei<br />

der AOK – Die Gesundheitskasse in Hessen<br />

connybaudisch@gmx.de<br />

Florian Bechtel<br />

Gesundheits- und Krankenpfleger<br />

Herz- und Gefäßchirurgische ITS –<br />

Universitätsherzzentrum Bad Krozingen<br />

Student 2. Semester Management im<br />

Gesundheitswesen –<br />

Katholische Hochschule Freiburg<br />

Gründungsmitglied Hashtag<br />

Gesundheit e.V.<br />

florian.bechtel@hashtag-gesundheit.de<br />

Alexandra Berendes M.A., MaHM.<br />

Alexandra Berendes studierte<br />

germanistische Linguistik und Health<br />

Management. Sie ist als Junior Project<br />

Managerin beim Institut Medical Netcare<br />

in Münster tätig.<br />

berendes@m-nc.de<br />

Janina Ehlers<br />

Pflegemanagement B.A.; Exam.<br />

Gesundheits- und Krankenpflegerin;<br />

Qualitäts managementbeauftragte (DEKRA)<br />

Derzeit beschäftigt als Lehrkraft/Kursleitung<br />

sowie QmB an einer Gesundheits- und<br />

Krankenpflegeschule sowie freiberufliche<br />

Dozentin/Beraterin<br />

janina.ehlers@gmail.com<br />

Felix Hoffmann<br />

ist Facharzt für Orthopädie und<br />

Unfallchirurgie und derzeit als Oberarzt<br />

in der Notaufnahme des evangelischen<br />

Krankenhauses Mülheim tätig. Neben<br />

der Notfallmedizin beschäftigt er sich mit<br />

der Arbeitswelt der Zukunft, innovativen<br />

Versorgungskonzepten und der digitalen<br />

Transformation im Gesundheitswesen.<br />

Felix.Hoffmann@uni-duesseldorf.de<br />

Dr. Barbara Mayerhofer MBA<br />

lehrt nebenberuflich seit 2009<br />

an der APOLLON Hochschule für<br />

Gesundheitswirtschaft in Bremen und<br />

ist seit 2<strong>01</strong>2 als Studiengangsleitung für<br />

Pflegemanagement eingesetzt.<br />

Außerdem ist sie als Lehrbeauftragte an<br />

der Hochschule Osnabrück in der Fakultät<br />

Wirtschafts- und Sozialwissenschaften<br />

(Pflegewissenschaft/Pflegemanagement)<br />

tätig. Ein weiterer Tätigkeitsbereich ist die<br />

Beratung von ambulanten und stationären<br />

Pflegeeinrichtungen.<br />

bgmayerhofer@t-online.de<br />

Sabrina Reinhart<br />

Gesundheitsökonomin M. A.;<br />

Kaufmännische Assistentin für<br />

Fremdsprachen und Korrespondenz;<br />

Examinierte Krankenschwester<br />

Derzeit beschäftigt im Strategischen<br />

Beschaffungs management am<br />

Universitätsklinikum Münster<br />

Vorsitzende APOLLON Alumni Network e. V.<br />

sabrina.reinhart@t-online.de<br />

Tobias Ulamec<br />

Gesundheitsökonom B.A., Fachwirt im<br />

Sozial- und Gesundheitswesen<br />

Inhaber & Gründer der Personalideenschmiede<br />

Blutsbruder²<br />

Schulleiter ProGenius Göppingen<br />

(Private Berufliche Schule)<br />

Stellv. Vorsitzender APOLLON Alumni<br />

Network e.V.<br />

tobias@blutsbruder2.de<br />

Michael Walch<br />

Gesundheitsökonom (M. A.)<br />

gepr. Personalmanager (DAM)<br />

Corporate Governance and Compliance<br />

(DAM)<br />

Leiter Vertrieb bei der BKK Pfalz<br />

Kassierer APOLLON Alumni Network e.V.<br />

https://www.xing.com/profile/ Michael_<br />

Walch13<br />

www.apollon-alumni.de 25


Antrag auf Mitgliedschaft<br />

Bitte per E-Mail an info@apollon-alumni.de<br />

Zum Download auf unserer Homepage verfügbar<br />

Pflichtangaben<br />

Absolventin / Absolvent<br />

Bachelor-/ Masterstudium<br />

Mitgliedsbeitrag 40 € / Jahr³<br />

Studentin / Student<br />

mit mind. 2/3 der Credits eines<br />

Bachelor-/ Masterstudiums<br />

Mitgliedsbeitrag 40 € / Jahr<br />

Fördermitglied¹<br />

Beitrag ........... € / Jahr<br />

Ehrenmitglied²<br />

Beitragsfrei<br />

Anrede Frau Herr Titel<br />

Vorname<br />

Geburtsdatum<br />

Kontaktdaten privat:<br />

Straße / Hausnr.<br />

Name<br />

Studiengang<br />

PLZ / Ort<br />

E-Mailadresse<br />

Festnetz (optional)<br />

Handy (optional)<br />

1 Der Beitrag für Fördermitglieder beträgt mindestens 50 Euro pro Jahr<br />

2 Ehrenmitglieder können ausschließlich vom Vorstand ernannt werden<br />

3 Mitglieder, die keinen Lastschriftauftrag erteilen, wird zusätzlich eine Bearbeitungsgebühr in Höhe von 10 Euro in Rechnung gestellt.<br />

Als Mitglied des APOLLON Alumni Network e. V. erkenne ich die Satzung des Vereins an. Ich erkläre mich damit einverstanden,<br />

dass meine Daten zur Erfüllung des Zwecks des Vereins gemäß § 1 Absatz 1 sowie §14 der Satzung und<br />

gemäß der Datenschutzerklärung des Vereins verwendet werden.<br />

Ort, Datum<br />

Unterschrift<br />

Einverständnis (bitte ankreuzen)<br />

Ich bin damit einverstanden, dass mir regelmäßig Informationen über und zum Verein per E-Mail und / oder Post<br />

zugeschickt werden.<br />

Ich möchte das Netzwerkmagazin „<strong>Sprungbrett</strong>“ zusätzlich zur Online-<strong>Ausgabe</strong>, die vom Verein per E-Mail verschickt<br />

wird, per Post erhalten.<br />

Ort, Datum<br />

Unterschrift<br />

Lastschriftauftrag<br />

Ich bin bis auf Widerruf damit einverstanden, dass der jährliche Mitgliedsbeitrag von meinem nachstehend angegebenen<br />

Bankkonto vom APOLLON Alumni Network e. V., 28359 Bremen, eingezogen wird. Die Einzugsermächtigung<br />

erlischt durch Widerruf oder Austritt aus dem Verein.<br />

Name des Kontoinhabers<br />

IBAN<br />

BIC<br />

Bank / Ort<br />

Ort, Datum<br />

Unterschrift<br />

APOLLON Alumni Network e.V. wird vertreten durch:<br />

Sabrina Reinhart (1. Vorsitzende), Tobias Ulamec (2. Vorsitzender), Michael Walch (Schatzmeister)<br />

Ansprechpartnerin an der APOLLON Hochschule der Gesundheitswirtschaft: Katrin Frey / Tanja Schuster<br />

Universitätsallee 18 | 28359 Bremen | E-Mail: info@apollon-alumni.de | www.apollon-alumni.de<br />

Netzwerker im Gesundheitswesen


Antrag auf Mitgliedschaft<br />

www.apollon-alumni.de 27


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