Fachzeitschrift ÖGS 05/06/2019
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Schweißnahtbewertung bei komplexen<br />
Maschinenstrukturen im Sondermaschinenbau<br />
■■<br />
Thomas Murauer und Harald Sehrschön, Fill GmbH,<br />
Gurten<br />
Ein erheblicher Anteil von Maschinen und Anlagen für<br />
Kunden der Fill Gesellschaft m.b.H. sind Sondermaschinen<br />
für die Serienproduktion, die auftragsspezifisch einmalig<br />
konstruiert und gefertigt werden, insbesondere Pressenrahmen,<br />
Formenträger und andere hochbelastete Maschinenstrukturen.<br />
Durch mehrschichtigen Betrieb der Maschinen<br />
beim Kunden und einer Nutzungsdauer größer 7 Jahre sind<br />
Belastungszyklen zwischen 1-10 Mio. gängig. Die Energieeffizienz<br />
von Maschinen, die Herstellkosten und der Transport<br />
und die Aufstellung zwingen Fill zur leichten, kostengünstigen<br />
Konstruktion und Fertigung. Dazu hat sich für kleine<br />
Stückzahlen insbesondere Losgröße Eins, die Fertigung aus<br />
Grobblechen durch Schweißverbindungen mit anschließender<br />
Bearbeitung zum Anbau der Maschinenelemente<br />
etabliert. Diese Bauweise ist jedoch durch die bekannten<br />
Normen der Schweißtechnik schlecht abgedeckt. Durch die<br />
Bearbeitung für den Anbau von Maschinenelementen, wie<br />
etwa Anschraubflächen, Linearführungen, Motorkonsolen,<br />
Führungsschuhe, Hydraulikzylinder u.ä. ist es vorteilhaft,<br />
wenn die Grobbleche entsprechend stark ausgeführt<br />
werden. Ebenso sind die Strukturspannungen durch die<br />
Prozesskräfte sehr gering zu dimensionieren, da die Einschränkung<br />
für den Betrieb meist die zulässige Verformung<br />
ist. Beispielsweise sind Pressen und Formenträger auf ihre<br />
Biegeschmiegelinie der Werkzeughälften und deren Abweichung<br />
durch Verformung auszulegen. Die Verbindungstechnik<br />
muss jedoch kostengünstig und daher wenig arbeitsintensiv<br />
ausgeführt werden. Für die Schweißtechnik ist hier die<br />
Notwendigkeit dicke Bleche durch beidseitige Kehlnähte<br />
zu fügen, die in ihrem Dickenverhältnis stark abweichen.<br />
So werden beispielsweise Bleche mit t= 50mm mit Kehlnähten<br />
a8 angebunden.<br />
Diese Situation stellt die Ingenieure vor die Herausforderung<br />
nicht durchgeschweißte, dynamisch belastete Kehlnähte in<br />
Strukturen richtig zu dimensionieren. In der Vergangenheit<br />
wurde versucht, die durch Simulation und Berechnung ermittelten<br />
Schweißnahtspannungen mit zulässigen Spannungen<br />
durch Anwendung der Normen wie EC3, DVS, alte<br />
Kranbaunorm 15018 oder Stahlbaunorm 18800 zu definieren,<br />
da der Maschinenbau [1] keine allgemeinverbindliche<br />
Berechnungsvorschrift aufweist. Die genannten Normen<br />
beruhen auf Nennspannungskonzepten, die bei Tragstrukturen<br />
und Stahlbauten wesentlich einfacher zu ermitteln sind<br />
und auf sehr umfangreiche Entwicklungen zurückgreifen.<br />
Die komplexen Strukturen von Schweißkonstruktionen von<br />
Maschinen sind im Nennspannungskonzept kaum abbildbar.<br />
Ebenso geben die Normen keine Auskunft über die Verwendung<br />
von FE-Modellen für die Spannungsermittlung. Beispielsweise<br />
können vorliegende Spannungssingularitäten<br />
zur Falschinterpretation führen. Nennspannungskonzepte<br />
können meistens nicht einfach angewendet werden, da die<br />
Schweißnahtgeometrie oder die Belastungen dies in keinem<br />
vernünftigen Ausmaß an Aufwand zulassen. Generell ist es<br />
mittels FE-Modell zwar möglich Nennspannungen innerhalb<br />
von Flächen zu bilden, bedarf aber sehr umfangreicher Erfahrung<br />
und führt zu einer sehr subjektiven Bewertung.<br />
Die Überführung von Spannungsergebnissen aus FE-Modellen<br />
in Nennspannungen stellte sich daher bei Fill als nicht<br />
praktikabel heraus.<br />
Daher entwickelte Fill eine eigene geeignete Vorgehensweise<br />
zur Beurteilung der Schweißnahtspannungen für nicht<br />
durchgeschweißte Kehlnähte. Als vorhandenes Regelwerk<br />
zur Beurteilung der Spannungen gilt neben anderen die<br />
FKM-Richtlinie, da diese auch für örtliche Spannungskonzepte<br />
anwendbar ist. Diese örtlichen Spannungskonzepte sind das<br />
Strukturspannungskonzept und das Kerbspannungskonzept,<br />
jedes mit seinen Vor- und Nachteilen.<br />
In den meisten Berechnungen müssen bereits FE-Modelle<br />
aufgebaut werden, um Verformungen und andere Größen<br />
zu bestimmen. Daher liegt das Verwenden von örtlichen<br />
Spannungskonzepten nahe. Strukturspannungskonzepte<br />
erlauben zwar eine einfachere Modellierung der Schweißnaht,<br />
jedoch ist der Umweg der Auswertung über die Spannungsextrapolation<br />
aufwändig. In manchen Konstruktionen<br />
sind die oberflächlichen Extrapolationspfade geometrisch<br />
nicht möglich, speziell bei Knoten mit umlaufender Kehlnaht<br />
oder beim Verlauf der Kehlnaht aus der Blechebene. Die<br />
Abbildung 1 rechte Seite zeigt beispielsweise die blau<br />
dargestellten Kehlnähte zur Anbindung einer Schwenkscharnieraufnahme<br />
eines Formenträgers.<br />
Fill hat beschlossen das Kerbspannungskonzept als prinzipielle<br />
Methode zur Schweißnahtauslegung zu verwenden.<br />
Die Bewegründe sind folgende: ein Großteil der Schweißnähte<br />
sind Kehlnähte, die zwar bevorzugt beidseitig ausgeführt<br />
werden, jedoch die Zugänglichkeit auch als nur einseitige<br />
Kehlnaht vorliegen kann. Somit ist oftmals auch ein<br />
Nachweis der Nahtwurzel unbedingt notwendig. Mit dem<br />
Strukturspannungskonzept ist dies nicht möglich. Die Fertigung<br />
und Ausführung der Konstruktionen sind vorwiegend<br />
Baustähle und der statische Nachweis ist mit dem Kerbspannungskonzept<br />
für Baustähle möglich. Durch die Modellierung<br />
der Schweißnähte (s. Abbildung 2) mit Radien in der<br />
76 SCHWEISS- und PRÜFTECHNIK <strong>05</strong>-<strong>06</strong>/<strong>2019</strong>