Berliner Kurier 23.06.2019
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REISE<br />
NACHRICHTEN<br />
Einzigartiger Naturraum<br />
Mit Festivitäten und Veranstaltungen<br />
wird in Deutschland,<br />
Dänemark und den<br />
Niederlanden die Aufnahme<br />
des Wattenmeers in die<br />
Unesco-Welterbeliste vor<br />
zehn Jahren gefeiert. So radeln<br />
derzeit Naturbegeisterte<br />
unter dem Motto „Ein<br />
Wattenmeer. Zwei Räder.<br />
Drei Länder“ durch alle Anrainerregionen.<br />
Gemeinsames<br />
Ziel am 30. Juni: Wilhelmshaven.<br />
Wegen seiner<br />
global herausragenden geologischen<br />
und ökologischen<br />
Bedeutung wurden am 26.<br />
Juni 2009 große Teile des<br />
deutschen und niederländischen<br />
Wattenmeeres in die<br />
Unesco-Welterbeliste aufgenommen.<br />
Veranstalter Frist setzen<br />
Pauschalurlauber dürfen<br />
sich zwar auf eigene Faust<br />
einen Ersatzflug buchen,<br />
wenn sie auf dem ursprünglichen<br />
Flug nicht mitgenommen<br />
werden. Doch sie<br />
müssen dem Reiseveranstalter<br />
zuerst die Gelegenheit<br />
geben, selbst für Abhilfe<br />
zu sorgen. Andernfalls<br />
können sie sich ihre Kosten<br />
nicht vom Veranstalter erstatten<br />
lassen. Das zeigt ein<br />
Urteil des Amtsgerichts<br />
Uelzen (Az.: 16 C9031/18).<br />
Winnie-Puuh-Bilder<br />
Ein kleines dänisches<br />
Kunstmuseum zeigt ab Ende<br />
des Monats Dutzende<br />
Original-Zeichnungen des<br />
tollpatschigen Bären Winnie<br />
Puuh. Rund 70 Werke<br />
des englischen Künstlers<br />
Ernest Shepard sind vom<br />
29. Juni bis zum 1. September<br />
im Kunstmuseum der<br />
Wattenmeerinsel Fanø in<br />
der Gemeinde Sønderho zu<br />
sehen.<br />
Fragen?<br />
Wünsche?<br />
Tipps?<br />
Foto: zVg Foto: dpa<br />
Tel. 030/23 27 56 98<br />
(Mo.–Fr. 10–15 Uhr)<br />
E-Mail: service-redaktion@berliner-kurier.de<br />
Foto: Eichler<br />
Der Spreewald birgt<br />
immer noch Geheimnisse<br />
Wurzelmonster,Wiesenkräuter und verwunschene Wassergräben:<br />
Gerade an heißen Tagen bieten die kühlenden Fließe ein herrliches Sommerziel<br />
Panta Rhei –alles fließt. In<br />
gemächlichen Bahnen. In labyrinthischen<br />
Adern. In mythischem<br />
Rhythmus. Der<br />
Spreewald ist ein einzigartiges<br />
Gebilde. Eine Skulptur<br />
aus Wasser und Land, geboren<br />
in der letzten Eiszeit<br />
und so faszinierend modelliert,<br />
dass er der UNESCO<br />
als Kleinod urweltlicher Natur<br />
besonders schützenswert<br />
schien. Seit 1991 stehen<br />
480 Quadratkilometer<br />
dieser extrem sensiblen<br />
Landschaft mit erstaunlichem<br />
Reichtum an Pflanzen<br />
und Tieren in der exklusiven<br />
Liste der weltweiten Biosphärenreservate.<br />
Philosophie und Poesie, Mystik<br />
und Magie, Meditation und<br />
Musik, Sinfonie und Stille –<br />
das alles birgt der Spreewald<br />
in sich. Ist verwoben mit seinen<br />
gut 600 Kilometern<br />
schiffbarer Fließe. Mit seinen<br />
Domen aus Alleebäumen an<br />
ihren Ufern. Mit seinen vernetzten<br />
Inseln, wie Fontane<br />
die Landschaft nannte. Mit<br />
seinen Erlenbruchwäldern<br />
und Weidenspalieren. Mit seinen<br />
Mooren und Feuchtwiesen.<br />
Mit seinen surrealen<br />
Licht- und Nebelstimmungen,<br />
die den Glauben an Götter,<br />
Geister und Dämonen unerschöpflich<br />
nähren und den<br />
Fantasie-Quell munter sprudeln<br />
lassen. Seit Urzeiten<br />
schon.<br />
Manches von diesem wildromantischen<br />
Wesen offenbart<br />
sich –wenn man Augen und<br />
Ohren weit öffnet. Oder –besser<br />
noch –öffnen lässt. Zum<br />
Beispiel von Karl-Heinz<br />
Marschner. Der Lübbenauer<br />
Fährmann ist Experte für alles,<br />
was im Spreewald kreucht<br />
und fleucht, schwimmt und<br />
krabbelt, grünt und blüht,<br />
wächst und gedeiht. Auf speziellen<br />
Touren für Naturfreunde,<br />
Pflanzenliebhaber<br />
oder Foto-Fans stakt er seine<br />
Gäste direkt hinein ins Herz<br />
dieser Märchenlandschaft.<br />
Dass er dafür besonders gut<br />
geeignet ist, hat er schriftlich.<br />
Seit 2014 ist er zertifizierter<br />
Partner des Biosphärenreservates<br />
Spreewald –als erster<br />
Kahnfährmann überhaupt.<br />
„Wir sehen nur, was wir kennen“<br />
–getreu diesem Motto<br />
füttert Marschner sein Publikum:<br />
Mit Wissen. Mit Fakten.<br />
Mit Geschichten. Immer direkt<br />
am Objekt. Da gibt es<br />
gleich zu Beginn die Ukelei-<br />
Schwärme im Fließ, die ganz<br />
wichtig sind als Futter für<br />
Zander und Barsch und –man<br />
höre und staune –als Verbündete<br />
im Kampf gegen Mücken.<br />
Da sind die sonderbaren Taumelkäfer,<br />
die in Zick-Zack-<br />
Spiralen mit bis zu 50 Zentimetern<br />
pro Sekunde übers<br />
Wasser flitzen – das erschwert<br />
Angreifern die Fressattacke<br />
enorm. Außerdem<br />
können Taumelkäfers Augen<br />
gleichzeitig über und unter<br />
Wasser sehen –eine Weltklasse-Anpassung<br />
an die Umwelt.<br />
Oft hält der frühere Biologielehrer<br />
an, weil er eine besonders<br />
aparte Blüte oder Pflanze<br />
sieht, an der ein Laie ahnungslos<br />
vorüberflutscht –solernen<br />
seine Gäste etwa die Traubenkirsche<br />
kennen und die Rispensegge,<br />
die Gliederbinse<br />
und das Wiesenschaumkraut,<br />
den quendelblättrigen Ehrenpreis<br />
und den efeublättrigen<br />
Gundermann.<br />
Marschner, übrigens selbst<br />
begeisterter Fotograf, erspäht<br />
Tiere, von denen niemand<br />
auch nur die blasseste Ahnung<br />
hatte, dass es sie gibt –die filigrane<br />
Bergstreckerspinne<br />
zum Beispiel, die sich bei Gefahr<br />
ganz lang macht. Oder die<br />
schwarze Schlammfliege mit<br />
den ultralangen Fühlern, die<br />
reglos auf ihrem Grashalm<br />
verharrt, bis er sie wieder behutsam<br />
entlässt in die Natur.<br />
Dass sich ausgerechnet heute<br />
aber partout keine Keilfleck-<br />
Mosaikjungfer oder eine andere<br />
seiner heiß geliebten Libellen<br />
sehen lassen will,<br />
wurmt ihn schon. „Ein bisschen<br />
zu kalt vielleicht“, resigniert<br />
er schließlich achselzuckend.<br />
Natürlich liegt ihm aber<br />
auch der Spreewald als Ganzes<br />
am Herzen –dieses einzigartige<br />
Ökosystem mit seiner<br />
Spezifik, seinen Schutzzonen,<br />
seiner jahrhundertelangen<br />
Bedeutung als Natur- und<br />
Kulturlandschaft. Und nicht<br />
zuletzt –mit seinen Problemen.<br />
Eines davon betrifft die<br />
Schwarzerle. Der wichtigste<br />
und typischste Spreewaldbaum<br />
nämlich wird massiv bedroht<br />
vom heimtückischen<br />
Phytophthora-Pilz. Dieser<br />
verstopft die Wurzeln so radikal,<br />
dass keine Nährstoffe<br />
mehr in Stamm und Zweige<br />
gelangen. Die Folge: Schwarzbraune<br />
Teerflecken überziehen<br />
den Baum, der dann in der<br />
Regel binnen weniger Jahre<br />
stirbt.<br />
Auf diese Weise vergeht<br />
Stunde um Stunde. In einer<br />
bezaubernden und himmlisch<br />
friedlichen Märchenwelt.<br />
Umzingelt von bizarren<br />
Baumfiguren und skurrilen<br />
Wurzelmonstern. Umschmeichelt<br />
von surrealen Wasserwesen<br />
und irren Spiegelbildern.<br />
Auf Flüsschen mit so<br />
seltsamen Namen wie Quodda<br />
oder Mooriger Tschummi<br />
stört allenfalls mal eine Ente<br />
die perfekte Spiegelung der<br />
Idylle, während am Heck des<br />
Fährmanns lautlos stakende<br />
Ruderstange, das Rudel, die<br />
magische Landschaft zu immer<br />
neuen Fantasiegebilden<br />
verwirbelt. Als er uns kurz vor<br />
Einbruch der Dunkelheit wieder<br />
absetzt, sind alle sich einig:<br />
Den Spreewald sieht jeder<br />
jetzt mit anderen Augen –<br />
Karl-Heinz Marschner sei<br />
Dank! Ekkehart Eichler<br />
Reise-Infos: www.spreewald.de,<br />
www.spreewald-kahnfahrt.com,<br />
www.reiseland-brandenburg.de