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Die Malteser-Zeitung 2/2019

Berichterstattung über nationale und internationale Tätigkeiten des Souveränen Malteser-Ritter-Orden und seiner Werke sowie religiöse, karitative und soziale Fragen aller Art.

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MALTESERWELTWEIT<br />

WIE EIN FLÜCHTLING ANDEREN<br />

FLÜCHTLINGEN EINE STIMME GIBT<br />

„Memories Scattered by War“, auf Deutsch: „Vom Krieg zerbrochene Erinnerungen“ ist der Titel des Buches, das unsere<br />

Mitarbeiterin und Psychologin Batoul Abras im vergangenen Jahr veröffentlicht hat. Zehn Menschen, die aus Syrien in die<br />

Türkei geflohen sind, erzählen unserer <strong>Malteser</strong> International-Mitarbeiterin, was sie während des Krieges erlebt haben.<br />

„Eines Tages, als sich die Bombardierungen verstärkten,<br />

saßen mein Mann Ahmed und ich im Wohnzimmer.<br />

Unsere zehnjährige Tochter Shams machte gerade ihre<br />

Hausaufgaben in ihrem Zimmer. Unsere Angst wuchs<br />

und Ahmed beschloss, einen Weg zu finden, wie wir aus<br />

Aleppo fliehen können. Er ging zu unserem Nachbarn,<br />

um ihn nach einem Ausweg zu fragen, und ich ging in<br />

Shams’ Zimmer. Ich packte ihre Kleidung, ihre Bücher<br />

und Notizbücher ein, ohne die sie auf keinen Fall gehen<br />

wollte. Ich ging in mein Zimmer, um mir und Ahmed<br />

etwas Kleidung zu holen, als ich plötzlich ein lautes Geräusch<br />

hörte und Rauch den ganzen Raum füllte, sodass<br />

ich nichts sehen konnte. Ich schrie ,Shams, Shams!‘,<br />

aber sie antwortete nicht.“<br />

Krieg, Tod und Gewalt: Wie soll eine Familie<br />

damit zurechtkommen?<br />

Erst Stunden später konnte die Tochter von Susan und<br />

Ahmed aus den Trümmern geborgen werden. Doch da<br />

kam bereits jede Hilfe zu spät. Jahre später berichtet<br />

Susan der Psychologin Batoul Abras von diesem traumatischen<br />

Nachmittag. „Es sind Geschichten wie diese, die<br />

mich dazu bewogen haben, ein Buch über die schrecklichen<br />

Auswirkungen der Gewalt während des Krieges<br />

in Syrien zu schreiben. <strong>Die</strong> Geschichte der zehnjährigen<br />

Von Katharina Kiecol<br />

Shams, die während eines Bombenangriffs in Aleppo<br />

ums Leben kam, hat mich dabei am meisten berührt.<br />

Zehn Jahre lang hatten ihre Eltern vergeblich versucht,<br />

ein Kind zu bekommen. Schließlich wurde wie durch ein<br />

Wunder ihre Tochter geboren. Nachdem Shams ums Leben<br />

gekommen war, verlor ihre Mutter jeden Lebenswillen. Als<br />

ich sie kennenlernte, sprach sie kein Wort. Anfangs saß<br />

sie schweigend in den Gruppensitzungen und nahm kaum<br />

Anteil an dem, was um sie herum geschah. Doch ich hatte<br />

Geduld. Nachdem sie Vertrauen zu mir gefasst und zugehört<br />

hatte, wie die anderen Frauen von ihren Erlebnissen<br />

berichteten, fing auch sie an, sich mir anzuvertrauen. Als<br />

ich ihre Geschichte Jahre später aufschrieb, weinte ich die<br />

ganze Zeit. Es hat mich sehr berührt“, erzählt Batoul.<br />

Während Batoul Abras in Aleppo noch Psychologie studierte,<br />

herrschte bereits Krieg in Syrien, und die Sicherheitslage<br />

verschärfte sich von Monat zu Monat. Im Jahr<br />

2012 begann sie im Anschluss an ihr Studium ein Praktikum<br />

und kümmerte sich in einem Heim um Kinder,<br />

deren Eltern im Gefängnis waren. Doch die Situation in<br />

Aleppo spitzte sich zu, die Bombenangriffe wurden immer<br />

häufiger, und so floh Batoul im Jahr 2013 mit ihren<br />

Eltern in die Türkei.<br />

24<br />

DIE MALTESER 2/<strong>2019</strong>

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