02.07.2019 Aufrufe

Die Wirtschaft Köln - Ausgabe 04 / 2019

Mehr Wissen, besser entscheiden, erfolgreich unternehmen: Die Wirtschaft Köln bietet Ihnen mit exklusiven Einblicken in Branchen, Märkte und Betriebe sechs Mal jährlich einen spannenden Mix aus aktuellen Nachrichten der Kölner Wirtschaft, Unternehmensportraits und Interviews mit Entscheidern der Region.

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| Geld & Geschäft<br />

DAS COMEBACK<br />

DER STECHUHR?<br />

Der EuGH pocht auf die genaue Erfassung der Arbeitszeiten<br />

Foto: © Ralf Geithe – stock.adobe.com<br />

up. <strong>Die</strong> Mitarbeiter müssen vor dem Daily<br />

Scrum zunächst an der Stechuhr vorbei,<br />

um sich einzustempeln. Müssen für eine<br />

kurze Pausenpartie am Kickertisch aber<br />

erst noch einmal zur Stechuhr (ausstempeln)<br />

und nach dem Match wieder zur Stechuhr<br />

(einstempeln) – bisher wurde auf die<br />

genaue Protokollierung der Arbeitszeit verzichtet.<br />

Das muss sich wohl nun ändern.<br />

Doch noch problematischer wird es für<br />

diejenigen, die eben nicht an einem festen<br />

Arbeitsplatz in einem Büro sitzen, sondern<br />

quasi im Homeoffice für neue Aufgaben<br />

„allzeit bereit“ sind und bislang häufig<br />

auch Arbeiten der Marke „kannst du mal<br />

eben schnell …“ ohne die Angabe der absolvierten<br />

Arbeitszeit durchgeführt haben.<br />

Am Ende der Woche oder des Monats<br />

wurde dann entsprechend blockweise erfasst:<br />

„Ich habe diese Woche 16 Stunden<br />

mobil gearbeitet.“ Das hat gereicht. Aber<br />

wäre das jetzt noch erlaubt? Müsste man<br />

nicht für jede „aufgeploppte“ E-Mail auf<br />

dem Smartphone, die man in einer Minute<br />

kurz überfliegt, nicht die Stechuhr aktivieren?<br />

Kann ich die geniale Idee für ein Projekt,<br />

die mir beim Singen unter der Dusche<br />

kam, demnächst auch als Arbeitszeit geltend<br />

machen?<br />

Smarte Arbeitszeiterfassung mit kleinen Chips ist in vielen Unternehmen bereits üblich.<br />

In großen Werken ist es längst nichts Besonderes mehr, dass die Beschäftigten am<br />

Anfang ihrer Schicht sich einstempeln und nach getaner Arbeit abends wieder ausstempeln.<br />

<strong>Die</strong> Arbeitszeit ist erfasst. Der Arbeitgeber kann genau sehen, wie lange<br />

der Arbeitnehmer gearbeitet hat, und kann ihn entsprechend bezahlen. <strong>Die</strong>ses<br />

Einstempeln ist für Arbeitnehmer, die ortsflexibel arbeiten, allerdings schwer bis<br />

unmöglich. Aber müssen Betriebe die Arbeitszeit von allen Vollzeitbeschäftigten erfassen?<br />

Der Europäische Gerichtshof muss dies entscheiden.<br />

In vielen Bereichen kann niemand so wirklich<br />

genau sagen, wie viel jemand arbeitet.<br />

Das gilt für Berater, ITler, Versicherungsvertreter,<br />

Wissenschaftler oder auch für<br />

Journalisten. Hier wird die Arbeitszeit oft<br />

nicht vom Betrieb erfasst. Doch geht es<br />

nach dem Generalanwalt des Europäischen<br />

Gerichtshofs, muss sich dies ändern.<br />

Urteil bringt Schwung in<br />

die Debatte<br />

Das Urteil des EuGH besagt, dass Unternehmen<br />

in ganz Europa verpflichtet sind,<br />

die Arbeitszeit ihrer Beschäftigten präzise<br />

zu erfassen. Einer „Flatrate-Arbeit“ schiebt<br />

das Gericht nun einen Riegel vor. <strong>Die</strong> Gewerkschaften<br />

bejubeln dieses Urteil. Doch<br />

Arbeitgeberverbände denken, dass dieses<br />

Urteil völlig aus der Zeit gefallen sei – eine<br />

Stechuhr im 21. Jahrhundert? <strong>Die</strong> braucht<br />

doch keiner mehr.<br />

<strong>Die</strong> Arbeitnehmer in Deutschland haben<br />

im Jahr 2017 etwa eine Milliarde Überstunden<br />

geleistet – unentgeltlich natürlich.<br />

<strong>Die</strong>s soll bald ein Ende haben. Aber stirbt<br />

nun die „Vertrauensarbeitszeit“? Das neue<br />

EU-GH-Urteil zur Arbeitszeitverfassung<br />

hat nicht nur viele Fragen aufgeworfen,<br />

sondern bringt auch viel Schwung in die<br />

Debatte um die zukunftsfähige Gestaltung<br />

der Arbeitswelt.<br />

Ausstempeln für<br />

kurze „Kickerpause“<br />

Ein Beitrag im Morgenmagazin der ARD<br />

zeigte eine typische Szene aus einem Start-<br />

Wo fängt Arbeit an und<br />

wann hört sie auf?<br />

Das Urteil des EuGH macht das flexible<br />

Arbeiten an unterschiedlichen Orten<br />

schwieriger. Vor allem wird es in den Bereichen<br />

und Branchen schwieriger, wo die<br />

erforderliche Ruhezeit zwischen Arbeitsbeendigung<br />

und Arbeitsaufnahme von<br />

elf Stunden zwar eingehalten werden soll<br />

– es allerdings aufgrund der Arbeitslage<br />

manchmal eben nicht geht. <strong>Die</strong> grundlegende<br />

Frage, die dieses EuGH-Urteil aufgeworfen<br />

hat, ist folgende: „Wo fängt Arbeit<br />

an und wo hört diese auf?“ Arbeitgeber<br />

und Arbeitnehmer brauchen künftig darauf<br />

klare Antworten und gute Systeme, die<br />

die Arbeitszeit genau erfassen – dennoch<br />

aber noch Raum geben für Freiheiten und<br />

Zeiteinteilung nach eigener Fasson. Nun<br />

bleibt es bei den nationalen Gerichten zu<br />

prüfen, ob das bislang geltende Recht zur<br />

Arbeitszeiterfassung den europäischen<br />

Standards entspricht. Ausnahmen gibt es<br />

allerdings auch weiterhin, „wenn die Dauer<br />

der Arbeitszeit aufgrund der besonderen<br />

Merkmale der betreffenden Tätigkeit nicht<br />

gemessen und/oder vorgegeben wird oder<br />

von den Arbeitnehmern selbst festgelegt<br />

werden kann“. W<br />

Christian Esser<br />

42 www.diewirtschaft-koeln.de

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