100 Jahre Moderne in Hessen
978-3-86859-583-3
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<strong>100</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Moderne</strong> <strong>in</strong> <strong>Hessen</strong><br />
Von der Reichsgründung<br />
bis zur Ölkrise<br />
E<strong>in</strong> Architekturführer<br />
Hg. Kai Buchholz und Philipp Oswalt
Inhaltsverzeichnis<br />
Grußwort6<br />
Vorwort der Herausgeber 7<br />
E<strong>in</strong>leitung10<br />
H<strong>in</strong>weise zur Benutzung 14<br />
Autor<strong>in</strong>nen und Autoren 14<br />
Das Wohnhaus 15<br />
Das Wohnheim 47<br />
Die Siedlung 73<br />
Das Energiezentrum 101<br />
Die Verkehrs<strong>in</strong>frastruktur 127<br />
Das Verwaltungsgebäude 157<br />
Die Produktionsstätte 183<br />
Der Firmensitz 213<br />
Die Handelsstätte 241<br />
Die Schule 267<br />
Die Hochschule 297<br />
Die Bibliothek und das Archiv 323<br />
Das Denkmal 347<br />
Das Ausstellungsgebäude 373<br />
Das Veranstaltungsgebäude 401<br />
Die Sportstätte 427<br />
Die Naturanlage 455<br />
Die Heilanstalt 483<br />
Die Militäranlage 511<br />
Der Sakralbau 537<br />
Karten570<br />
Personenregister576<br />
Bildnachweis581<br />
Impressum584<br />
5
Grußwort<br />
Liebe Leser<strong>in</strong>nen und Leser,<br />
das Bauhaus-Jubiläum 2019 hat den Fokus auf das Bauen Anfang des 20. Jahrhunderts<br />
geschärft. Das Bauhaus wollte nichts Ger<strong>in</strong>geres als ›die Welt neu<br />
denken‹ – und zwar im S<strong>in</strong>ne der Menschen. Es g<strong>in</strong>g um e<strong>in</strong> gutes Leben für alle,<br />
um Gerechtigkeit und Geme<strong>in</strong>schaftsgeist und darum, wie Kunst und Architektur<br />
dazu beitragen können. Die großen Fragen, die sich das Bauhaus stellte, s<strong>in</strong>d<br />
heute noch so aktuell wie vor <strong>100</strong> <strong>Jahre</strong>n.<br />
Für das Bauen der <strong>Moderne</strong> ist das Bauhaus mit se<strong>in</strong>er Bes<strong>in</strong>nung auf handwerkliche<br />
Pr<strong>in</strong>zipien und se<strong>in</strong>er klaren Formensprache e<strong>in</strong> herausragendes<br />
Beispiel. Aber auch andere Architekturschulen fanden seit der Zeit der Jahrhundertwende<br />
ihre je eigenen Lösungen für Herausforderungen wie Urbanisierung,<br />
Massenproduktion, Industrie- und Informationszeitalter und befassten<br />
sich mit immer neuen technischen Möglichkeiten wie dem Bauen aus Stahl,<br />
Glas und Beton.<br />
Der vorliegende Band, dessen Veröffentlichung das Hessische M<strong>in</strong>isterium<br />
für Wissenschaft und Kunst gern unterstützt hat, zeigt den Reichtum moderner<br />
Architektur ganz konkret an Gebäuden <strong>in</strong> <strong>Hessen</strong> auf. So ermöglicht er e<strong>in</strong>en<br />
neuen Blick auf alltägliche Begleiter <strong>in</strong> unserem Umfeld. Ich habe dar<strong>in</strong> zum<br />
Beispiel entdeckt, dass der Jubiläumsbau ›me<strong>in</strong>er‹ Universität <strong>in</strong> Marburg sich<br />
unter anderem mit dem Lesesaal der Bibliothek für die Stadtbevölkerung öffnete<br />
und mit se<strong>in</strong>er Raumaufteilung <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre Zusammenarbeit förderte.<br />
Schon <strong>in</strong> den 1920er <strong>Jahre</strong>n stand dieser Bau also für e<strong>in</strong>e Wissenschaft, die den<br />
Menschen und se<strong>in</strong>en Alltag <strong>in</strong> den Mittelpunkt stellt.<br />
Ich wünsche Ihnen viele ebenso <strong>in</strong>teressante Entdeckungen und e<strong>in</strong>e spannende<br />
und erkenntnisreiche Lektüre.<br />
Ihre<br />
Angela Dorn<br />
Hessische M<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> für Wissenschaft und Kunst<br />
6
Vorwort der Herausgeber<br />
Dieses Buch verdankt se<strong>in</strong>e Entstehung dem <strong>100</strong>-jährigen Jubiläum des Bauhauses,<br />
das Walter Gropius 1919 <strong>in</strong> Weimar eröffnet, um nach den traumatischen<br />
Erfahrungen des Ersten Weltkriegs neue Wege der Gestaltung e<strong>in</strong>zuschlagen.<br />
Dezidiert setzt sich se<strong>in</strong>e Schule mit den Lebens- und Produktionsverhältnissen<br />
der modernen Industriegesellschaft ause<strong>in</strong>ander. Doch bis heute<br />
ist die Frage ungelöst, wie Architektur zu e<strong>in</strong>em humanen Leben <strong>in</strong> der technischen<br />
Zivilisation beitragen kann. Deshalb konzentriert sich der vorliegende<br />
Band nicht auf die Programmatik und Praxis des Bauhauses, sondern stellt e<strong>in</strong><br />
weit gefächertes Spektrum hessischer Bauprojekte vor, die auf sehr unterschiedliche<br />
Weise Lebensräume für die moderne Gesellschaft zur Verfügung<br />
stellen. So erschließt sich e<strong>in</strong>em breiten Leserkreis, wie Architektur die <strong>in</strong>dividuellen<br />
und gesellschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten mitbestimmt, dass<br />
sie nicht nur e<strong>in</strong> Spiegelbild gesellschaftlichen Wandels ist, sondern der materielle<br />
Rahmen, <strong>in</strong> dem wir uns tagtäglich bewegen. Konkret nachvollziehen lässt<br />
sich das, wenn man die hier besprochenen Gebäude und Anlagen aufsucht, um<br />
ihre gestalterischen Qualitäten unmittelbar zu erleben. Die differenzierten Textbeiträge,<br />
das umfangreiche Bildmaterial, die Grundrisse und Lagepläne sowie<br />
die H<strong>in</strong>weise auf weiterführende Literatur bieten Hilfestellungen und Anknüpfungspunkte<br />
für e<strong>in</strong>e detaillierte, eigenständige Beschäftigung.<br />
An erster Stelle danken wir nachdrücklich dem Hessischen M<strong>in</strong>isterium<br />
für Wissenschaft und Kunst, das unser Projekt f<strong>in</strong>anziell unterstützt und so<br />
erst möglich gemacht hat. Die Kooperation mit unseren Ansprechpartner<strong>in</strong>nen<br />
und -partnern im M<strong>in</strong>isterium – Frau M<strong>in</strong>isterialdirigent<strong>in</strong> Irene Bauerfe<strong>in</strong>d-<br />
Roßmann, Herrn M<strong>in</strong>isterialdirigent a. D. Dr. Rolf Bernhardt, Frau M<strong>in</strong>isterialrät<strong>in</strong><br />
Dr. Dorothee Lux und Frau Doreen Epste<strong>in</strong> – war <strong>in</strong> allen Phasen ausgesprochen<br />
motivierend und wohlwollend. Auch das Präsidium der Hochschule Darm stadt<br />
(h_da), namentlich Präsident Prof. Dr. Ralph Stengler und Vizepräsident Prof. Dr.<br />
Manfred Loch, sowie der Fachbereich Gestaltung der h_da haben die vorliegende<br />
Publikation rückhaltlos gefördert.<br />
Besonderer Dank gilt Prof. Dr. Kris Scholz, der eigens durch <strong>Hessen</strong> gereist<br />
ist, um mit fe<strong>in</strong>em Sensorium und H<strong>in</strong>gabe die e<strong>in</strong>zigartigen Farbfotografien des<br />
Buches aufzunehmen. Die von ihm gewählten Perspektiven und Bildausschnitte<br />
lenken den Blick sowohl auf die Gesamtgestalt wie auch auf wichtige Details der<br />
gezeigten Gebäude. Die geme<strong>in</strong>samen Fahrten mit ihm waren <strong>in</strong>spirierend und<br />
lehrreich, die Zusammenarbeit äußerst engagiert, freundschaftlich, kooperativ<br />
7
E<strong>in</strong>leitung<br />
Was ist die Architektur der <strong>Moderne</strong>? In der Öffentlichkeit herrscht e<strong>in</strong> doppelt<br />
verkürzter E<strong>in</strong>druck vor: Oft gelten alle Ausformungen der klassischen<br />
Avantgarden und des Neuen Bauens schlichtweg als ›Bauhaus‹. De facto<br />
aber ist es eher umgekehrt – nicht das Bauhaus prägt die moderne Architektur,<br />
sondern e<strong>in</strong> Großteil der architektonischen Erneuerung der Avantgarde<br />
vollzieht sich vor und parallel zum Bauhaus und bee<strong>in</strong>flusst dieses. Aber<br />
wichtiger noch: Modernität ist nicht alle<strong>in</strong> oder primär e<strong>in</strong>e Frage des äußeren<br />
Ersche<strong>in</strong>ungsbildes e<strong>in</strong>es so genannten ›Bauhausstils‹ weißer Kuben,<br />
flacher Dächer und gläserner Fassaden. Die <strong>Moderne</strong> als Epoche von Verwissenschaftlichung<br />
und Industrialisierung, Kapitalismus und Demokratie,<br />
Massengesellschaft und Konsum verändert den Alltag und das Bauwesen<br />
tiefgreifend, bevor sich Abstraktion und Reduktionismus <strong>in</strong> der Gestaltung<br />
den Weg bahnen. Neue Bautypen wie der Bahnhof (→ 5.1), das Kaufhaus<br />
(→ 9.2), die Fabrik (→ 7.3), die Firmenzentrale, das Museum (→ 14.4) oder die<br />
Siedlung entstehen, um Räume zu bieten, <strong>in</strong> denen sich das Leben der modernen<br />
Gesellschaft entfalten kann. Auch die wesent lichen bautechnischen<br />
Erf<strong>in</strong>dungen wie Stahl, Beton, Flachglas, Aufzüge, Lüftungsanlagen und<br />
elektrische Beleuchtung revolutionieren das Bauen bereits im 19. Jahrhundert.<br />
Nicht zu vergessen ist die Lebensreformbewegung, welche die fortschreitende<br />
Technisierung kritisch begleitet.1 Sie plädiert für e<strong>in</strong>e menschliche<br />
<strong>Moderne</strong> und setzt neue Akzente: Natur-, Landschafts- und Heimatschutz,<br />
Reformpädagogik, Nacktkultur und Breiten sport, Gleichgewicht von<br />
Körper, Seele und Geist. Die Heimatschutzarchitektur (→ 1.3, 4.2, 10.2) wendet<br />
sich gegen e<strong>in</strong>e zunehmende Profitgier, die ge wachsene Natur- und Stadtlandschaften<br />
zerstört; die Jugendstilarchitekten (→ 1.2, 1.4, 5.2, 7.1, 13.3, 14.5, 15.2,<br />
16.2, 18.3, 20.4) greifen den Historismus als unzeit gemäße Maskerade an, fordern<br />
e<strong>in</strong>e ›Verschönerung des Lebens‹ und grün den 1907 den Deutschen<br />
Werkbund, der die gebrauchspraktische und ästhetische Qualität <strong>in</strong>dustrieller<br />
Erzeugnisse fördern soll (→ 2.2, 4.3, 7.2, 7.6, 12.2).<br />
Um die Entwicklung der <strong>Moderne</strong> im Spiegel ihrer Bauten sichtbar werden<br />
zu lassen, gliedert sich das vorliegende Buch nach zwanzig Architekturtypen,<br />
vom Wohnhaus bis zur Energiezentrale, vom Verwaltungssitz bis<br />
zur Naturanlage.2 In der Ausbildung dieser Typen manifestiert sich der gesellschaftliche<br />
Modernisierungsprozess – die Veränderung von Mobilität<br />
und Handel, Arbeit und Konsum, Natur und Kultur, Arbeitsteilung und Ge-<br />
1 Vgl. z. B. Buchholz/<br />
Latocha/Peckmann/<br />
Wolbert (Hg.) 2001<br />
2 E<strong>in</strong>e wertvolle Anre gung<br />
hierzu war Geisthövel/<br />
Knoch (Hg.) 2005<br />
10
E<strong>in</strong>leitung<br />
me<strong>in</strong>schaft, Macht und Emanzipation. Jedes Kapitel wird mit e<strong>in</strong>em Essay<br />
e<strong>in</strong>geleitet, der die allgeme<strong>in</strong>e Entwicklung des Typus schildert, gefolgt<br />
von e<strong>in</strong>er Analyse ausgewählter Bauten.<br />
Räumlicher Bezugsrahmen für diese Darstellung ist das Bundesland <strong>Hessen</strong>,<br />
das weder von e<strong>in</strong>em spezifischen Regionalstil (wie etwa Hamburger<br />
Backste<strong>in</strong>bau) noch von e<strong>in</strong>er spezifischen Architekturströmung (etwa<br />
Stutt garter Schule) geprägt ist und sich eher durch heterogene Positionen<br />
und Polyzentralität auszeichnet. Wesentlich für diese Vielfalt s<strong>in</strong>d auch die<br />
drei unterschiedlichen politischen Konstellationen, die <strong>Hessen</strong> zur Zeit der<br />
Reichsgründung bestimmen:<br />
1. die Prov<strong>in</strong>z <strong>Hessen</strong>-Nassau, <strong>in</strong> der die preußische Herrschaft moderne<br />
Verwaltungsstrukturen e<strong>in</strong>führt (→ 6.1, 6.2), die Hochschulen stärkt<br />
(→ 11.1, 11.2) und e<strong>in</strong> zusammenhängendes Eisenbahnnetz (→ 5.1), technische<br />
Großanlagen (→ 4.2) sowie militärische Infrastrukturen (→ 19.2)<br />
schafft,<br />
2. das Großherzogtum <strong>Hessen</strong>, wo der liberale und kulturaff<strong>in</strong>e Großherzog<br />
Ernst Ludwig ab 1892 nicht nur die Künstlerkolonie Darmstadt<br />
(→ 1.2, 7.1, 13.3, 14.5) gründet, sondern auch weitere wichtige Reformimpulse<br />
setzt und unterstützt (→ 4.1, 5.2, 10.2, 14.3, 16.2, 17.4, 18.3),<br />
3. die e<strong>in</strong>st Freie Stadt Frankfurt, die zwar 1866 von Preußen annek tiert<br />
wird, deren starke bürgerschaftliche Tradition aber fortwirkt und<br />
bemer kenswerte Projekte <strong>in</strong> den Bereichen Kunst (→ 14.1, 15.1),<br />
Kultur (→ 14.4, 17.1, 17.2), Bildung (→ 11.4) und soziale Fürsorge (→ 2.1, 2.2, 2.3)<br />
hervorbr<strong>in</strong>gt.<br />
Durch se<strong>in</strong>e zentrale Lage entwickelt sich Frankfurt bereits im 19. und frühen<br />
20. Jahrhundert mit Hauptbahnhof (→ 5.1), Banken (→ 1.1), Börse (→ 9.1),<br />
Großmarkthalle (→ 9.3) und Großkonzernen (→ 8.2, 8.3) zu e<strong>in</strong>em nationalen<br />
Verkehrs-, Handels- und Industrieknotenpunkt. Zugleich entfalten die Bauprojekte<br />
des Neuen Frankfurt (→ 1.6. 3.3, 4.6, 10.4, 16.3, 16.4, 16.5, 17.5, 18.6) <strong>in</strong> der<br />
Zwischenkriegszeit e<strong>in</strong>e weit ausstrahlende Vorbildwirkung. Nach dem<br />
Zweiten Weltkrieg steht <strong>Hessen</strong> als Teil der amerikanischen Besatzungszone<br />
(→ 6.4, 16.8) mit e<strong>in</strong>er Grenze zur DDR im Fokus des Kalten Kriegs (→ 13.9),<br />
was sich <strong>in</strong> hoher Militärpräsenz (→ 8.3, 13.8, 19.1, 19.3, 19.6, 19.7), <strong>in</strong> Bildungsund<br />
Demokratisierungs<strong>in</strong>itiativen (→ 10.5, 11.4, 12.5) sowie <strong>in</strong> amerikanischen<br />
Investitionen (→ 7.8, 9.8) niederschlägt. Zunehmend verwandelt sich das<br />
11
H<strong>in</strong>weise zur Benutzung<br />
Autor<strong>in</strong>nen und Autoren<br />
Das vorliegende Buch möchte dazu anregen, die be sproch enen Bauten<br />
an ihren Standorten zu erkunden, und bietet dafür besondere Hilfestellungen.<br />
Alle Objekte s<strong>in</strong>d mit Nummern versehen, die sich aus der<br />
Zahl des jeweiligen Kapitels und ihrem Platz <strong>in</strong> der chronologischen<br />
Abfolge ihrer Entstehung zusammensetzen. Ausführlich dargestellte<br />
Bauten tragen weiße Zahlen auf schwarzem Grund, kurz besprochene<br />
schwarze Zahlen auf weißem Grund. Die drei Karten im Anhang<br />
verzeich nen die Objekte und stellen <strong>in</strong> den Legenden – nach Orten<br />
sortiert – die jeweiligen Adressen bereit.<br />
Zahlreiche Grundrisse und Lagepläne <strong>in</strong>formieren über Größe, Anordnung<br />
und Nutzung der e<strong>in</strong>zelnen Räume des jeweiligen Gebäudes<br />
beziehungsweise über die Verteilung von Gebäuden, Grünanlagen, Tiergehegen,<br />
Schwimmbecken usw. auf dem jeweiligen Gelände. Der<br />
Nord stern gibt Orientierung über die Himmelsrichtungen, der Maß stab<br />
über die Darstellungsgröße. Die Pläne s<strong>in</strong>d nicht <strong>in</strong> allen Details<br />
präzise, sondern dienen lediglich der groben Übersicht.<br />
In Klammern gesetzte Pfeile verweisen <strong>in</strong> den Texten auf andere Objekte<br />
und stellen so <strong>in</strong>teressante Bezüge her. Quellennachweise und<br />
Literaturh<strong>in</strong>weise f<strong>in</strong>den sich jeweils am Textende, nur bei den allgeme<strong>in</strong>en<br />
Kapitele<strong>in</strong>führungen stehen die Anmerkungen an der entsprechenden<br />
Textstelle. Autor<strong>in</strong>nen und Autoren s<strong>in</strong>d meist mit Kürzeln<br />
am Schluss e<strong>in</strong>es Beitrags angegeben, die vollen Namen s<strong>in</strong>d auf<br />
dieser Seite rechts verzeichnet.<br />
B. K. Brigitte Kuntzsch<br />
C. K. Christ<strong>in</strong>e Kämmerer<br />
F. H. Florian Heilmeyer<br />
F. L.-I. Folckert Lüken-Isberner<br />
H. D. Hanna Dornieden<br />
H. K. Harald Kimpel<br />
J. V. Jennifer Verhoeven<br />
K. B. Kai Buchholz<br />
K. Be. Kar<strong>in</strong> Berkemann<br />
K. R. Kerst<strong>in</strong> Renz<br />
M. E. Markus Eisen<br />
M. S. Michele Stavagna<br />
O. E. Olaf Eigenbrodt<br />
O. V. Otto Volk<br />
P. A. Paul Andreas<br />
R. D. Ralf Dorn<br />
S. K. Sandra Kreß<br />
V. J. Verena Jakobi<br />
W. D. Werner Durth<br />
Das Personenregister im h<strong>in</strong>teren Teil des Buches gibt zu gleich Auskunft<br />
über die jeweiligen Lebens daten und eröffnet die Möglichkeit,<br />
weitere Querbezüge zu entdecken.<br />
14
Das Wohnhaus<br />
1
Wohnhaus<br />
In den 1930er und 1940er <strong>Jahre</strong>n propagiert der deutsche Nationalsozialismus<br />
Wohnhäuser, die vor allem e<strong>in</strong> ›Heim‹ bieten. Auch jetzt wendet<br />
man sich gegen e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>richtung, die <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie zur Schau gestellt<br />
werden soll und erst <strong>in</strong> zweiter L<strong>in</strong>ie e<strong>in</strong>er zweckmäßigen Nutzung dient.<br />
Hermann Gretsch – Leiter des gleichgeschalteten Deutschen Werkbunds –<br />
spricht sich für e<strong>in</strong>e gesunde und natürliche Wohnkultur aus, deren wichtigste<br />
Merkmale »E<strong>in</strong>fachheit, Ehrlichkeit und Klarheit«15 seien.<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg üben die von der Zeitschrift Arts & Architecture<br />
gesponserten Case Study Houses <strong>in</strong> den USA e<strong>in</strong>e Vorbildwirkung<br />
aus.16 Zwischen 1945 und 1966 entstehen Entwürfe für 28 Modellhäuser,<br />
die von renommierten Architekten wie Richard Neutra (→ 3.6), Charles Eames<br />
und Eero Saar<strong>in</strong>en stammen. Die freistehenden, komplett e<strong>in</strong>gerichteten<br />
E<strong>in</strong>familienhäuser sollen dem menschlichen Wunsch nach e<strong>in</strong>em guten<br />
Leben gerecht werden. Jedes Projekt orientiert sich an vorher spezifizierten<br />
Bedürfnissen und ist zugleich für die Serienproduktion ausgelegt. E<strong>in</strong><br />
Haus ist für e<strong>in</strong> k<strong>in</strong>derloses Ehepaar mittleren Alters gedacht, beide berufstätig<br />
und oft auf Reisen, e<strong>in</strong> anderes für e<strong>in</strong>e Familie mit drei K<strong>in</strong>dern<br />
und e<strong>in</strong>er an Kunst und Musik <strong>in</strong>teressierten Ehefrau.<br />
Die Gestaltung von Wohnhäusern bestimmt die praktischen Lebens vollzüge<br />
ihrer Bewohner und erzeugt spezifische Atmosphären. Sie erfordert<br />
Antworten darauf, wie s<strong>in</strong>nerfülltes Leben unter den Bed<strong>in</strong>gungen der<br />
technischen Zivilisation gel<strong>in</strong>gen kann.17 In diesem Punkt s<strong>in</strong>d die bisherigen<br />
Vorschläge modernen Wohnens vielleicht zu oberflächlich und zu sehr<br />
an zeitspezifischen Lebensauffassungen orientiert.<br />
15 Gretsch 1939, S. 229<br />
16 Vgl. z. B. S<strong>in</strong>german (Hg.)<br />
1989<br />
17 Vgl. Buchholz 2018,<br />
S. 90–95<br />
Kai Buchholz<br />
Literatur<br />
Gaston Bachelard (102014): Poetik des Raumes. Frankfurt a. M. [1957]; Judith Baumgartner (2001): Licht, Luft, Sonne,<br />
Bergwelt, Wandern und Baden als Sehnsuchtsziele der Lebensreformbewegung. In: Die Lebensreform. Bd. 1.<br />
Hg. K. Buchholz, R. Latocha, H. Peckmann, K. Wolbert. Darmstadt. S. 403–406; Otto Friedrich Bollnow (112010):<br />
Mensch und Raum. Stuttgart [1963]; Kai Buchholz (2018): Die private Wohnung. In: Kultur der Privatheit <strong>in</strong> der Netzgesellschaft.<br />
Hg. G. Böhme, U. Gahl<strong>in</strong>gs. Bielefeld. S. 65–96; Kai Buchholz/Renate Ulmer (2001): Reform des Wohnens.<br />
In: Die Lebensreform. Bd. 2. Hg. K. Buchholz, R. Latocha, H. Peckmann, K. Wolbert. Darmstadt. S. 547–570; Deutscher<br />
Werkbund (Hg. 1927): Bau und Wohnung. Stuttgart; Johann Peter Eckermann (21837): Gespräche mit Goethe <strong>in</strong><br />
den letzten <strong>Jahre</strong>n se<strong>in</strong>es Lebens. 1823–1832. Bd. 1. Leipzig; Hermann Gretsch (1939): Deutsches Wohnen. In: Innen-<br />
Dekoration 50. S. 225–232; Adolf Loos (1900): Vom armen reichen Mann. In: Neues Wiener Tagblatt 34, Heft 113.<br />
S. 1/2; Adolf Loos (1903): Wie wir leben. In: Das Andere 1. S. 7–9; Adolf Loos (1962): Die moderne Siedlung In: Ders.:<br />
Sämtliche Schriften. Bd. 1. Wien, München. S. 402–428 [1927]; Georg Muche (1925): Das Versuchshaus des Bauhauses.<br />
In: E<strong>in</strong> Versuchshaus des Bauhauses <strong>in</strong> Weimar. Hg. A. Meyer. München. S. 15–23; Hermann Muthesius (1906): Die<br />
neuere Entwicklung und der heutige Stand des kunstgewerblichen Schulwesens <strong>in</strong> Preußen. In: Das deutsche Kunstgewerbe<br />
1906. III. Deutsche Kunstgewerbe-Ausstellung Dresden 1906. Hg. Direktorium der Ausstellung. München.<br />
S. 41–51; John Rusk<strong>in</strong> (1903): The Works of John Rusk<strong>in</strong>. Bd. 8. London [1849]; André Salomon (1932): La maison de<br />
M. C. à Croix (Roubaix). In: L’architecture d’auhourd’hui 2, Heft 8. S. 3–23; Howard S<strong>in</strong>german (Hg. 1989): Bluepr<strong>in</strong>ts<br />
for Modern Liv<strong>in</strong>g. History and Legacy of the Case Study Houses. Los Angeles, Cambridge/Mass., London; Frank Lloyd<br />
Wright (1992): The architect and the mach<strong>in</strong>e. In: Ders.: Collected Writ<strong>in</strong>gs. Bd. 1. New York. S. 20–26. [1894].<br />
20
Wohnhaus<br />
1.2<br />
Peter Behrens<br />
Haus Peter Behrens<br />
Darmstadt, 1900/01<br />
1899 beruft der junge, kunsts<strong>in</strong>nige Großherzog<br />
Ernst Ludwig von <strong>Hessen</strong> und bei Rhe<strong>in</strong><br />
sieben Künstler nach Darmstadt, unter ihnen<br />
Peter Behrens (→ 4.3, 8.2), der sich als studierter<br />
Kunstmaler kurz zuvor der kunstgewerblichen<br />
Arbeit zugewandt hatte. Als die ›ersten<br />
Sieben‹ beschließen, e<strong>in</strong>e große Aus stellung<br />
zu organisieren, auf der sie vor allem<br />
für sich selbst entworfene und e<strong>in</strong>gerichtete<br />
Wohnhäuser zeigen wollen, kristallisiert sich<br />
Joseph Maria Olbrich (→ 7.1, 13.3, 14.5) aufgrund<br />
se<strong>in</strong>er Vorbildung als Architekt heraus. Behrens<br />
beschließt jedoch, se<strong>in</strong> Haus ohne Olbrichs<br />
Hilfe zu errichten. Es ist se<strong>in</strong> erstes<br />
architektonisches Werk.<br />
Die ursprünglich lichtgrau verputze Fassade<br />
des Gebäudes ruft zusammen mit den<br />
blauroten Eisenkl<strong>in</strong>kern und den dunkelgrünen<br />
Mauerblenden aus Keramik e<strong>in</strong>en ernsten,<br />
zurückhaltenden E<strong>in</strong>druck hervor: »als<br />
hülle sich hier e<strong>in</strong> vornehmer Herr <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />
graues Über-Gewand, nur um den Glanz zu<br />
verbergen, den er darunter zum Feste tragen<br />
will«1. An der mit e<strong>in</strong>em stilisierten Mess<strong>in</strong>gadler<br />
geschmückten E<strong>in</strong>gangstür lässt sich<br />
dieser ›Glanz‹ der Innenräume bereits erahnen.<br />
Die Straßenfront des Hauses gibt die<br />
grund sätzliche Raumaufteilung von außen<br />
zu erkennen: H<strong>in</strong>ter der E<strong>in</strong>gangstür bef<strong>in</strong>den<br />
sich Entrée und Diele, l<strong>in</strong>ks von der Diele<br />
21
Wohnhaus
Wohnhaus<br />
Ahornmaserung. Zwei Treppenstufen aus rotem<br />
Marmor führen <strong>in</strong> das etwas tiefer gelegte<br />
Musikzimmer. Sie sollen die Bewegung rhythmisieren<br />
und dadurch menschlich bedeutsame<br />
Stimmungen hervorrufen.5<br />
Prachtvolle Glasmosaike, die zwei Genien<br />
mit großen Kristallen <strong>in</strong> den Händen zeigen,<br />
flankieren die Falttür im Musikzimmer. Mit<br />
demselben Motiv schmückt Behrens auch<br />
den Innentitel se<strong>in</strong>es Buches Feste des Lebens<br />
und der Kunst (1900). Dort wirbt er für e<strong>in</strong>e<br />
neue Form des Theaters, die Bühnenausstattung<br />
wie auch Bewegungen und Sprechweise<br />
der Schauspieler nicht illusionistisch,<br />
sondern rhythmisch gestaltet und so den<br />
tieferen S<strong>in</strong>n des menschlichen Lebens zum<br />
Ausdruck br<strong>in</strong>gt.6 Historistische Inszenierungen<br />
lehnt Behrens als »ästhetische Unkultur«<br />
ab, das naturalistische Theater als kunstwidrige<br />
»Panoptikums-Idee«7. Diese Auffas sung<br />
ist deckungsgleich mit der grund legenden<br />
Zielsetzung se<strong>in</strong>es Hauses: Ausdrücklich plädiert<br />
Behrens für e<strong>in</strong>e Archi tektur, die praktischen<br />
Nutzen und abstrakt Schönes mite<strong>in</strong>ander<br />
verb<strong>in</strong>det, die weder »ganz prosaisch«<br />
e<strong>in</strong>em bloßen Zweck dient (Naturalismus)<br />
noch den alltäglichen Zweck durch<br />
unnötigen »Zierrat« verschleiert (Histo rismus).8<br />
Zur Eröffnung der Ausstellung E<strong>in</strong> Dokument<br />
deutscher Kunst, auf der Behrens se<strong>in</strong><br />
Wohnhaus 1901 präsentiert, ist auch der bekannte<br />
Kunsthistoriker Julius Meier-Graefe<br />
zugegen, der <strong>in</strong> Paris die Galerie La Maison<br />
<strong>Moderne</strong> betreibt. E<strong>in</strong>zig das Haus von Behrens<br />
ist <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Augen vollkommen und<br />
lässt ihm die weite Reise lohnenswert ersche<strong>in</strong>en.9<br />
Nach der Ausstellung kommt es<br />
zu Unstimmigkeiten zwischen den Künstlern<br />
und der Stadtverwaltung. Enttäuscht<br />
kehrt Behrens Darmstadt 1902 den Rücken<br />
und übernimmt die Leitung der Kunstgewerbeschule<br />
<strong>in</strong> Düsseldorf. Das Haus auf der<br />
Mathildenhöhe bewohnt er nie. K. B.<br />
1 Breysig 1901/02, S. 149 2 Behrens 1901, S. 5 3 Vgl. Buchholz 2003,<br />
S. 85 4 Breysig 1901/02, S. 148 5 Vgl. Behrens 1901, S. 8<br />
6 Vgl. Buchholz 2007, S. 17–19, 32, 51/52, 133/134 7 Behrens 1900b,<br />
S. 401; Behrens 1900a, S. 14 8 Behrens 1901, S. 3/4 9 Vgl. Meier-<br />
Graefe 1901, S. 482/483<br />
Literatur<br />
Peter Behrens (1900a): Feste des Lebens und der Kunst. E<strong>in</strong>e Betrachtung<br />
des Theaters als höchsten Kultursymbols. Leipzig; Peter<br />
Behrens (1900b): Die Dekoration der Bühne. In: Deutsche Kunst<br />
und Dekoration 6. S. 401–406; Peter Behrens (1901): Haus Peter<br />
Behrens. Darmstadt; Kurt Breysig (1901/02): Das Haus Peter Behrens.<br />
In: Deutsche Kunst und Dekoration 9. S. 134–150; Kai Buchholz<br />
(2003): Künstlerische Durchdr<strong>in</strong>gung aller Lebensbereiche –<br />
Hector Guimard und Peter Behrens. In: Centenarium. E<strong>in</strong>hundert<br />
<strong>Jahre</strong> Künstlerkolonie Mathildenhöhe Darmstadt. Hg. K. Buchholz,<br />
K. Wolbert. Darmstadt. S. 76–87; Kai Buchholz (2007): Im Rhythmus<br />
des Lebens. Jugendstil und Bühnenkunst. Stuttgart; Tilmann Buddensieg<br />
(1980): Das Wohnhaus als Kultbau. Zum Darmstädter Haus<br />
von Behrens. In: Peter Behrens und Nürnberg. Hg. P.-K. Schuster.<br />
München. S. 37–47; Julius Meier-Graefe (1901): Darmstadt. In: Die<br />
Zukunft 35. S. 478–486; Wilhelm Schäfer (1901): Das Haus Peter<br />
Behrens <strong>in</strong> Darmstadt. In: Die Rhe<strong>in</strong>lande 2, Heft 11. S. 27–31; Karl<br />
Scheffler (1902): Das Haus Behrens. In: Dekorative Kunst 9. S. 1–48.<br />
25
Wohnhaus<br />
1.5<br />
Ludwig Mies van der Rohe,<br />
Gerhard Severa<strong>in</strong><br />
Haus Ryder<br />
Wiesbaden, 1923<br />
Am 28. März 1923 schreibt der Architekt Gerhard Severa<strong>in</strong><br />
an den befreundeten Ludwig Mies van der<br />
Rohe: »Ich habe den Auftrag e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es … Haus zu<br />
bauen. Ich bitte Dich, mir dabei behilflich zu se<strong>in</strong>.«1<br />
Mies und Severa<strong>in</strong> kennen sich aus ihrer geme<strong>in</strong>samen<br />
Aachener Jugendzeit und studieren etwa zeitgleich<br />
an der Kunstgewerbeschule <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. Seit<br />
1921 lebt Severa<strong>in</strong> <strong>in</strong> Wiesbaden. Die Auftraggeber<strong>in</strong><br />
des <strong>in</strong> dem Brief erwähnten Hauses, die alle<strong>in</strong>stehende<br />
Engländer<strong>in</strong> Ada Ryder, wohnt im selben<br />
Gebäude, <strong>in</strong> dem Severa<strong>in</strong> se<strong>in</strong> Atelier unterhält.<br />
Den geplanten Wohnbau will sie nicht selbst nutzen:<br />
Durch die rasante Inflation <strong>in</strong> Deutschland legt<br />
ihr Vermögen <strong>in</strong> britischen Pfund an Kaufkraft zu,<br />
so dass der Hausbau e<strong>in</strong>e beträchtliche Rendite verspricht.<br />
Mies hatte seit 1908 bereits acht E<strong>in</strong>familienhäuser<br />
entworfen, das Wiesbadener Projekt ist aber<br />
se<strong>in</strong> erster Flachdachbau. Ausgelegt ist das Haus für<br />
e<strong>in</strong>e Familie mit zwei bis drei K<strong>in</strong>dern und e<strong>in</strong>er<br />
Hausangestellten. Um das Projekt zügig voranzubr<strong>in</strong>gen,<br />
legt Mies auf Severa<strong>in</strong>s Vorschlag den<br />
Grundriss des von ihm entworfenen Hauses Riehl<br />
(1908/09) zugrunde und verwertet kurz zuvor entstandene<br />
Modellplanungen.2 Ryder wünscht an e<strong>in</strong>igen<br />
Stellen der offenen Raumabfolge Änderungen,<br />
um Bewohner und Bedienstete stärker zu separieren.<br />
Bereits im Mai 1923 beg<strong>in</strong>nen die Bauarbeiten<br />
auf dem <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em herrschaftlichen Villenviertel gelegenen<br />
Grundstück. Der Haupte<strong>in</strong>gang des Hauses<br />
ist nach Süden ausgerichtet und führt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />
Flur, von dem aus man die zentral platzierte Wohndiele<br />
erreicht. Im Erdgeschoss bef<strong>in</strong>den sich außerdem<br />
e<strong>in</strong> Arbeitsraum, e<strong>in</strong>e Bibliothek, e<strong>in</strong>e Essnische<br />
und die Küche, im ersten Obergeschoss die<br />
Schlafzimmer und das Bad.<br />
Als im November 1923 die Rentenmark e<strong>in</strong>geführt<br />
wird, ist Ryders F<strong>in</strong>anzierungskonzept geschei<br />
tert. Die Bauarbeiten kommen zum Erliegen.<br />
1927 verkauft Ryder das noch im Rohbau bef<strong>in</strong>dliche<br />
Wohnhaus an den Lebensmittelfabrikanten August<br />
Zobus, der es nach Fertigstellung 1928 mit se<strong>in</strong>er<br />
Familie bezieht. K. B.<br />
1 Vgl. Neumann 2006, S. 205 2 Vgl. ebd., S. 206/207<br />
Literatur<br />
Dietrich Neumann (2006): Das Haus Ryder <strong>in</strong> Wiesbaden (1923) und<br />
die Zusammenarbeit zwischen Ludwig Mies van der Rohe und Gerhard<br />
Severa<strong>in</strong>. In: Architectura 36. S. 199–220.<br />
44
Wohnhaus<br />
1.6<br />
Ernst May<br />
Wohnhaus May<br />
Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, 1925/26<br />
1925 ernennt die Stadt Frankfurt den Architekten<br />
Ernst May (→ 3.3, 10.4, 17.1) zum Dezernenten für<br />
Städtebau. Umgehend entwirft er am Rand der<br />
Ma<strong>in</strong>metropole e<strong>in</strong> eigenes Haus, das bereits 1926<br />
bezugsfertig ist. In der Fachpresse f<strong>in</strong>det der Bau e<strong>in</strong><br />
breites Echo – von überschwänglichem Lob bis zum<br />
völligen Verriss.<br />
Das <strong>in</strong> warmem Weiß verputzte, zweigeschossige<br />
Wohnhaus ist für e<strong>in</strong>e fünf- bis sechsköpfige Familie<br />
mit e<strong>in</strong> bis zwei Hausangestellten ausgelegt.<br />
Es umfasst e<strong>in</strong>en streng kubischen Hauptbau, <strong>in</strong> den<br />
May auf L-förmigem Grundriss e<strong>in</strong>en etwas niedrigeren<br />
Kubus h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>schiebt. Fensterrahmen und<br />
Türen lässt er orangerot streichen. Der Haupttrakt<br />
beherbergt im Erdgeschoss die Küche, das Speise-,<br />
das Wohn- und das Arbeitszimmer, im Obergeschoss<br />
Schlaf-, K<strong>in</strong>der- und Gästezimmer sowie<br />
das Bad. Besonders e<strong>in</strong>drucksvoll gestaltet May das<br />
sich über zwei Stockwerke erstreckende, großzügig<br />
über Eck verglaste Wohnzimmer. Dessen weiße<br />
Wände bilden mit der blauen Decke, den korallenroten<br />
Holze<strong>in</strong>bauten und den blauen Möbelbezügen<br />
e<strong>in</strong>en aparten Farbakkord. Im niedrigeren<br />
Wirtschaftsanbau s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Garage und die Räume<br />
der Bediensteten untergebracht. Das als Lichtbad<br />
dienende flache Dach des Anbaus lässt sich über<br />
die Wohnzimmergalerie erreichen und mit e<strong>in</strong>em<br />
Vorhang vor fremden Blicken abschirmen.<br />
Nach Mays eigener Darstellung soll das Gebäude<br />
das Wohnbedürfnis e<strong>in</strong>es »unsere Zeit überzeugt<br />
bejahenden Menschen« befriedigen. Re<strong>in</strong>e Dekoration<br />
habe er vermieden, damit sich das Leben<br />
<strong>in</strong> »klaren, schlichten, aber zweckentsprechenden<br />
Räumen«1 entfalten könne. Dazu gehört e<strong>in</strong> Küchenmotor,<br />
der Messer putzt, Kaffee mahlt, Sahne<br />
schlägt, Eis und Teig rührt. Besonderen Wert legt<br />
May darauf, se<strong>in</strong>er Familie Sonne, Luft, Licht und<br />
Wasser zu bieten. Außer der Dachterrasse richtet er<br />
deshalb auch e<strong>in</strong>en vom Wohnzimmer aus zugänglichen<br />
Wohngarten e<strong>in</strong>. In dessen Mittelpunkt: e<strong>in</strong><br />
Freiluftbadebecken, »<strong>in</strong> dem die Bewohner an warmen<br />
Sommertagen im kühlen Naß ruhend durch<br />
die Rispen des Ritterspornes und über das weiße<br />
Blütenmeer der Margueriten h<strong>in</strong>weg die Schönheit<br />
der Gipfel naher Höhenzüge genießen …«2.<br />
Nicht nur May selbst, auch die Werkbundzeitschrift<br />
Die Form bewertet das Wohnhaus positiv –<br />
der Gesamtentwurf sei »s<strong>in</strong>nlich und logisch zugleich«3.<br />
Wasmuths Monatshefte für Baukunst kommen<br />
zu e<strong>in</strong>em völlig anderen Urteil. Ihrem Herausgeber<br />
ersche<strong>in</strong>t die Treppe von den Dienst botenzimmern<br />
<strong>in</strong>s Erdgeschoss unpraktisch und äs thetisch<br />
misslungen, da sie für das Personal unnötig<br />
lange Wege bedeute, im darunter liegenden Arbeitszimmer<br />
e<strong>in</strong>en toten Raum erzeuge und die<br />
harmonische kubische Gebäudeform durchbreche.<br />
Mays eigenem Anspruch völlig widerspreche das<br />
an e<strong>in</strong>en Geldschrank er<strong>in</strong>nernde Gebilde neben<br />
dem Bücherregal, das sich <strong>in</strong> Wahrheit als Tür <strong>in</strong>s<br />
Freie entpuppe.4 Nicht lebenspraktische Angemessenheit<br />
präge Mays Haus, sondern »kunstgewerbliche<br />
Poetik«5. K. B.<br />
1 May 1927a, S. 38 2 Ebd., S. 40 3 Hahm 1926/26, S. 296<br />
4 Vgl. Hegemann 1927, S. 116 5 Ebd., S. 117<br />
Literatur<br />
Konrad Hahm (1925/26): Neue Baukunst. Haus May, Frankfurt a. M.<br />
In: Die Form 1. S. 293–298; Werner Hegemann (1927): Künstlerische<br />
Tagesfragen beim Bau von E<strong>in</strong>familienhäusern. In: Wasmuths Monatshefte<br />
für Baukunst 11. S. 106–127; Ernst May (1927a): E<strong>in</strong> neuzeitliches<br />
Wohnhaus. In: Innen-Dekoration 38. S. 38–41; Ernst May (1927b):<br />
Noch e<strong>in</strong>mal das Haus Ernst May, Frankfurt. In: Wasmuths Monatshefte<br />
für Baukunst 11. S. 264; Vs. (1926): Praxis der Neuen Architektur.<br />
E<strong>in</strong> Haus <strong>in</strong> G<strong>in</strong>nheim bei Frankfurt a. M. In: Ste<strong>in</strong>, Holz, Eisen<br />
40. S. 201–204.<br />
45
Wohnheim<br />
Erdgeschoss<br />
1 E<strong>in</strong>gang 2 Rentnerwohnung<br />
3 Geme<strong>in</strong>schafts- und Wirtschaftsgebäude 4 Garten<br />
10 m<br />
Südseite mit Balkonen<br />
sche Figur <strong>in</strong>nerhalb des Neuen Bauens verhasst<br />
ist, wird sie von den Urhebern mit dem<br />
H<strong>in</strong>weis auf den Zweck eigens gerechtfertigt:<br />
»Es wäre genauso unrichtig und lächerlich,<br />
e<strong>in</strong> Flugzeug absichtlich unsymme trisch<br />
zu bauen.«4 In den zweigeschossigen Wohnflügeln<br />
– e<strong>in</strong>e höhere Ausführung sei zu monumental,<br />
trenne die Bewohner vom Garten<br />
und von der Geme<strong>in</strong>schaft – werden die jeweils<br />
vollkommen identischen 94 E<strong>in</strong>zimmer-<br />
und sechs Zweizimmerwohnungen fast<br />
exakt nach Süden ausgerichtet. Das alles entspreche<br />
dem Bedürfnis älterer Menschen<br />
nach Licht und Sonne (Lore Kramer spricht<br />
im Rückblick von e<strong>in</strong>em »Solarhaus«5), solle<br />
aber auch die Gleichberechtigung der Bewohner<br />
stärken, deren Geme<strong>in</strong>schaftss<strong>in</strong>n<br />
fördern und der neuen demokratischen Gesellschaft<br />
gerecht werden. Alle Zimmer s<strong>in</strong>d<br />
be<strong>in</strong>ahe komplett aufgeglast, öffnen sich zu<br />
Balkon oder Terrasse und lösen so den modernen<br />
Anspruch nach ›Licht, Luft und Sonne‹<br />
besonders wirkungsvoll e<strong>in</strong>.6 Typisch für<br />
die betont wissenschaftliche Haltung ist die<br />
exakte Ableitung der Dach- und Balkonüberstände<br />
aus den Höchst- und Niedrigstständen<br />
der Mittagssonne am Breitengrad Frankfurts:<br />
Im Sommer fällt der Schatten genau<br />
auf die Fensterunterkante, im W<strong>in</strong>ter ist der<br />
gesamte Raum sonnendurchschienen.<br />
60
Wohnheim<br />
Großes Augenmerk richten die Architekten<br />
zudem auf die Ausgestaltung des Speiseraums,<br />
der je nach Verwendung durch Zuschalten<br />
weiterer Räume vergrößert oder verkle<strong>in</strong>ert<br />
werden kann. Alle Bewegungsabläufe<br />
des Personals, vor allem auch <strong>in</strong> der mit<br />
neuesten technischen Geräten ausgestatteten<br />
Küche, werden detailliert analysiert und<br />
<strong>in</strong> der Planung berücksichtigt.<br />
Das strahlend weiße, aus stereometrischen<br />
Kuben komponierte und durch den umfassenden<br />
E<strong>in</strong>satz von Glas und Metall betont<br />
technisch anmutende Gebäude ist nicht das,<br />
was man <strong>in</strong> der Zwischenkriegs zeit von e<strong>in</strong>em<br />
Bau dieser Art erwartet. In der Form, dem damaligen<br />
Publikationsorgan des Deutschen<br />
Werk bundes, ist anlässlich der Er öff nung denn<br />
auch nicht von e<strong>in</strong>em Alters heim, sondern von<br />
e<strong>in</strong>em »der ersten Appar te menthäuser größeren<br />
Ausmaßes <strong>in</strong> Deutsch land« die Rede, e<strong>in</strong>em<br />
»Rentnerhotel«, das neben e<strong>in</strong>er neuen<br />
Ästhetik auch e<strong>in</strong>e neue Lebensweise propagiere.<br />
Allerd<strong>in</strong>gs steht der Komfort dieses modernen,<br />
die Gleichheit se<strong>in</strong>er Bewohner programmatisch<br />
betonenden Projekts bei weitem<br />
nicht allen Menschen offen. Es handelt<br />
sich um e<strong>in</strong>en »Luxus bau«7, dessen Mieten<br />
von 180 Mark im Monat den Lohn e<strong>in</strong>es Arbeiters<br />
weit übersteigen und der deshalb nur dem<br />
gehobenen Bürgertum zugänglich ist.<br />
Um ihr Gebäude – das durchaus zur Nachahmung<br />
vorgesehen ist – bekannt zu machen,<br />
ziehen die Architekten alle Register. Fachund<br />
Tagespresse berichten breit, der 1929 <strong>in</strong><br />
Frankfurt stattf<strong>in</strong>dende legendäre Congrès<br />
<strong>in</strong>ternational d’architecture moderne (CIAM)<br />
61
Wohnheim<br />
2.5<br />
Otto Haesler, Karl Völker<br />
Altersheim der Marie-von-<br />
Boschan-Aschrott-Altersheim-<br />
Stiftung<br />
Kassel, 1929–31<br />
Das von Otto Haesler und Karl Völker kurz vor Ende<br />
der Weimarer Republik <strong>in</strong> Kassel errichtete Altersheim<br />
der Marie-von-Boschan-Aschrott-Altersheim-<br />
Stiftung gilt schon zu se<strong>in</strong>er Entstehungszeit als e<strong>in</strong>e<br />
Ikone des Neuen Bauens. Als solche f<strong>in</strong>det es auch<br />
E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> die legendäre und kanonbildende Ausstellung<br />
International Style, die 1932 im Museum of<br />
Von der Straßenführung losgelöst, orientieren sich<br />
die Gebäude direkt nach den vier Himmelsrichtungen.<br />
So können die voll verglasten und mit Balkonen<br />
ausgestatteten Wohnfassaden der modernen Forderung<br />
nach ›Licht, Luft und Sonne‹ idealtypisch<br />
gerecht werden. Richtung Norden entwickelt sich<br />
der Heizungstrakt, dessen drei hoch aufragende<br />
Schornste<strong>in</strong>e das re<strong>in</strong> technische Element geradezu<br />
zelebrieren und damit formal überhöhen.<br />
In se<strong>in</strong>er radikalen Modernität muss das Gebäude<br />
damals gerade als Altersheim überraschen.<br />
Haesler nutzt diese Gelegenheit zu e<strong>in</strong>em ironischen<br />
Seitenhieb und prophezeit <strong>in</strong> der Werkbundzeitschrift<br />
Die Form: »Die Zufriedenheit der Heimbewohner<br />
ist e<strong>in</strong> Beweis dafür, daß neue s<strong>in</strong>n- und<br />
gefühlsmäßig gewandelte Formen im Zusammenhang<br />
mit den Auswirkungen entwickelter Zweckformen<br />
selbst von der älteren Generation verstanden<br />
werden. Folgerung: Es kann nur e<strong>in</strong>e Frage<br />
der Zeit se<strong>in</strong>, daß diese großen Entwicklungsmöglichkeiten<br />
des neuen Bauens auch von der jüngeren<br />
Generation erkannt und gewertet werden.«1<br />
M. E.<br />
1 Haesler 1932, S. 171<br />
Modern Art <strong>in</strong> New York gezeigt wird. Schon der<br />
Wettbewerb ist glänzend besetzt. Das Kuratorium<br />
der Stiftung hat die Hauptprotagonisten der modernen<br />
und der konservativen Strömungen geladen –<br />
Haesler und Völker können sich unter anderem gegen<br />
Walter Gropius (→ 3.4), Hans Poelzig (→ 8.3),<br />
Ludwig Hilberseimer, Paul Schmitthenner und He<strong>in</strong>rich<br />
Tessenow (→ 10.3) durchsetzen.<br />
Ausgehend von e<strong>in</strong>er 22 m2 großen Musterwohnung<br />
– der Stifter Paul Felix Aschrott hatte als Zielgruppe<br />
alle<strong>in</strong>stehende, nicht mehr im Berufsleben<br />
stehende Frauen bestimmt –, entwickeln die Architekten<br />
e<strong>in</strong>e U-förmige Gesamtanlage, bei der sich<br />
zwei viergeschossige Wohnflügel über e<strong>in</strong>en niedrigeren,<br />
zweigeschossigen Gebäuderiegel mit großzügig<br />
bemessenen Geme<strong>in</strong>schaftsräumen erheben.<br />
Literatur<br />
Berthold Burckhardt/Roland Dorn/Benedikt Hotze (1993): Das<br />
Marie von Boschan-Aschrott-Altersheim von Otto Haesler und Karl<br />
Völker <strong>in</strong> Kassel. In: Erhaltungskonzepte. Methoden und Maßnahmen<br />
zur Sicherung historischer Bauwerke. Hg. H. Schmidt. Berl<strong>in</strong>. S. 27–40;<br />
Otto Haesler (1932): Altersheim <strong>in</strong> Kassel. Marie von Boschan-Aschrott-<br />
Stiftung. In: Die Form 7. S. 171–178; Carsten Hettwer/Monika Markgraf<br />
(1988): Modernisierung ohne <strong>Moderne</strong>. Zur Sanierung des Marievon-Boschan-Aschrott-Heims<br />
<strong>in</strong> Kassel von Otto Haesler, 1929. In:<br />
Werk. Bauen + Wohnen 75, Heft 7/8. S. 12/13; Otto Völckers (1932):<br />
Altersheim der Marie-von-Boschan-Aschrott-Stiftung <strong>in</strong> Kassel.<br />
In: <strong>Moderne</strong> Bauformen 31. S. 133–155.<br />
70
Wohnheim<br />
2.7<br />
Ferd<strong>in</strong>and Kramer<br />
Studentenwohnheim<br />
Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, 1956<br />
Schon während der Weimarer Republik engagiert<br />
sich Ferd<strong>in</strong>and Kramer (→ 2.3, 4.7, 11.6, 12.6) als Mitarbeiter<br />
Ernst Mays (→ 1.6, 3.3, 10.4, 17.1) im Frankfurter<br />
Hochbauamt für die moderne Umgestaltung<br />
der Ma<strong>in</strong>metropole – von 1925 bis 1930 ist er dort <strong>in</strong><br />
der Abteilung Typisierung und Planung angestellt.<br />
Wohl auf Betreiben Max Horkheimers (→ 11.4), dem<br />
damaligen Rektor der Universität, kehrt er 1952 aus<br />
dem amerikanischen Exil zurück, um das Amt des<br />
Baudirektors der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität<br />
anzutreten, das er bis zu se<strong>in</strong>er Pensionierung<br />
1964 <strong>in</strong>nehat. Das Studentenheim Bockenheimer<br />
Warte ist Teil se<strong>in</strong>es Gesamtplans für die Universitätsbauten<br />
und e<strong>in</strong>es von 23 der <strong>in</strong> diesem Kontext<br />
von ihm errichteten Gebäude.<br />
Die vier Wohngeschosse erheben sich auf drei<br />
Betonstützenreihen über e<strong>in</strong>em aufgeglasten Erdgeschoss,<br />
<strong>in</strong> dessen weiten Raum der E<strong>in</strong>gangsbereich,<br />
e<strong>in</strong> fast vollständig verglaster ›Klubraum‹ und die<br />
Hausmeisterwohnung <strong>in</strong> lockerer Gruppierung lediglich<br />
e<strong>in</strong>gestellt wirken. Der mit gelblichem Kl<strong>in</strong>ker gefüllte<br />
Stahlbetonskelettbau entwickelt sich zwar achsensymmetrisch<br />
vom E<strong>in</strong>gang her, unterdrückt durch<br />
se<strong>in</strong>e puristische und unprätentiöse Fassaden- und<br />
Materialgestaltung aber jeden Repräsentationscharakter.<br />
Die hohe architektonische Qualität zeigt sich <strong>in</strong><br />
der durch subtile Details erreichten E<strong>in</strong>fachheit und<br />
Leichtigkeit, vor allem auch der Innenräume. Hier erzeugen<br />
die weißen Wände, die schwarzgrauen Metallarbeiten,<br />
der schalungsraue Sichtbeton, die dunklen<br />
L<strong>in</strong>oleumböden und die zweckmäßige Möblierung<br />
e<strong>in</strong>e fast asketische Strenge, die Kramer selbst <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />
1956 gehaltenen Eröffnungsrede e<strong>in</strong>er »alten«<br />
Gemütlichkeit und der »Sehnsucht nach der Höhle«1<br />
entgegenstellt. Se<strong>in</strong> Studentenheim, »<strong>in</strong> dem das<br />
Wohnen nicht umständlich, sondern möglichst praktisch«<br />
se<strong>in</strong> soll, stehe so »wesensfremd«2 zwischen<br />
se<strong>in</strong>en Nachbarn. Diese Auffassung spaltet die Debatte<br />
über den Bau von Anfang an <strong>in</strong> schroffe Ablehnung<br />
und begeisterte Zustimmung. Im Kern zeigt sich an<br />
Kramers Gestaltung e<strong>in</strong> ganz eigener Beitrag zum<br />
demokratischen, rationalen und zukunftsgewandten<br />
Wiederaufbau e<strong>in</strong>er Stadt sowie e<strong>in</strong>er freien geistigen<br />
Haltung. M. E.<br />
1 Kramer 1959, S. 519 2 Ebd., S. 520<br />
Literatur<br />
Julian B<strong>in</strong>di (2015): Studentenwohnheim an der Bockenheimer Warte.<br />
In: Ferd<strong>in</strong>and Kramer. Die Bauten. Hg. W. Voigt, P. Sturm, P. Körner,<br />
P. C. Schmal. Tüb<strong>in</strong>gen. S. 142/143; Astrid Hansen (2001): Die Frankfurter<br />
Universitätsbauten Ferd<strong>in</strong>and Kramers. Überlegungen zum<br />
Hochschulbau der 50er <strong>Jahre</strong>. Weimar. S. 116–120; Ferd<strong>in</strong>and Kramer<br />
(1959): Wohnen im Studentenheim. Ansprache des Architekten zur<br />
E<strong>in</strong>weihung e<strong>in</strong>es Studentenheimes. In: Bauwelt 50. S. 519–521.<br />
71
Siedlung<br />
Auf der Suche nach modernen sozialen<br />
Wohnformen<br />
Zwischen Juni 1872 und Februar 1873 veröffentlicht Friedrich Engels <strong>in</strong> der<br />
sozialistischen Zeitschrift Der Volksstaat e<strong>in</strong>e Artikelserie mit dem Titel Zur<br />
Wohnungsfrage. Dar<strong>in</strong> stellt er die allgegenwärtige Wohnungsnot als Folge<br />
der raschen Industrialisierung und der kapitalistischen Wirtschaftsform<br />
dar. Scharf kritisiert Engels die verme<strong>in</strong>tlich philanthropischen bürgerlichen<br />
Lösungsversuche, die sich aus eigennützigen Motiven mit der Seuchenbekämpfung<br />
befassten und dem Kapitalismus <strong>in</strong> die Hände spielten.<br />
Damit benennt er allgeme<strong>in</strong>e Rahmenbed<strong>in</strong>gungen, die den Wohnungsund<br />
Siedlungsbau durch das ganze 20. Jahrhundert h<strong>in</strong>durch begleiten.<br />
1898 entwickelt der Brite Ebenezer Howard das Konzept der Gartenstadt,<br />
das städtische und ländliche Siedlungselemente mite<strong>in</strong>ander verknüpft.<br />
Zugleich sieht es vor, e<strong>in</strong>zelne Nutzungen (z. B. Wohngebiete, Industrieanlagen)<br />
<strong>in</strong> Subzentren zu konzentrieren und so streng vone<strong>in</strong>ander<br />
zu trennen. E<strong>in</strong> wichtiges Instrument für die Verwirklichung des Gartenstadtgedankens<br />
ist die Arbeitersiedlung. So gründet der Möbelfabrikant<br />
Karl Schmidt 1909 die Dresdener Gartenstadt Hellerau, die zum Vorbild<br />
ähnlicher Vorhaben <strong>in</strong> ganz Deutschland wird. Zu den beteiligten Architekten<br />
gehören Richard Riemerschmid (→ 1.4), Hermann Muthesius, Theodor<br />
Fischer (→ 14.6) und He<strong>in</strong>rich Tessenow (→ 10.3). Neben Wohnhäusern im<br />
Grünen entsteht e<strong>in</strong>e menschenfreundlich angelegte Möbelmanufaktur<br />
am Rand der Siedlung, der Walter Gropius später ›unsachliche Bauernhausromantik‹<br />
vorwirft, sowie die Bildungsanstalt Jaques-Dalcroze, die<br />
das Leben der Bewohner durch Rhythmische Gymnastik verbessern soll.<br />
Nach dem Ersten Weltkrieg werden politische und soziale Forderungen<br />
nach bezahlbarem, staatlich geförderten Wohnraum für Arbeiter und Angestellte<br />
immer lauter. Architekten, die sich selbst als ›modern‹ bezeichnen,<br />
machen das Arbeiterwohnhaus zu e<strong>in</strong>em zentralen Thema, und auch<br />
das unternehmerische Bürgertum beteiligt sich an Reformen zur allgeme<strong>in</strong>en<br />
Verbesserung der Wohnbed<strong>in</strong>gungen.<br />
Die gesetzliche Steuerung der Immobilienrendite bee<strong>in</strong>flusst die Entwicklung<br />
maßgeblich. Das bereits 1901 e<strong>in</strong>geführte holländische Won<strong>in</strong>gwet-<br />
Gesetz ermöglicht staatliche Interventionen auf dem Wohnungsbaumarkt,<br />
kommt jedoch nur gelegentlich <strong>in</strong> wirtschaftlichen Krisensituationen zur<br />
Anwendung, so dass Privat<strong>in</strong>vestoren weiterh<strong>in</strong> tonangebend für die Stadtentwicklung<br />
bleiben. Avantgardearchitekten entwickeln effizient ausgestattete<br />
Kle<strong>in</strong>raumwohnungen, bleiben jedoch – wie J. J. P. Oud mit se<strong>in</strong>er<br />
Siedlung Tussendijken (1920/21) <strong>in</strong> Rotterdam – dem städtebaulichen Vor<br />
74
Siedlung<br />
bild des Wohnblocks verhaftet. Dagegen ist die deutsche Hausz<strong>in</strong>ssteuer<br />
von 1924 e<strong>in</strong>e wirksamere Methode, um den Wohnungsbau zu sozialisieren.<br />
Sie erlaubt es den Geme<strong>in</strong>den, geme<strong>in</strong>nützige Wohnungsbaugesellschaften<br />
zu f<strong>in</strong>anzieren, die wiederum <strong>in</strong> breitem Maßstab mit neuen Wohnmodellen<br />
experimentieren.<br />
Auch die vom Deutschen Werkbund geförderte und von Ludwig Mies<br />
van der Rohe (→ 1.5) koord<strong>in</strong>ierte Versuchssiedlung am Weißenhof <strong>in</strong> Stuttgart<br />
von 1927 liefert wichtige <strong>in</strong>novative Impulse. Zahlreiche europäische<br />
Avantgardearchitekten beteiligen sich an dem Projekt, das unterschiedliche<br />
Wohnhaustypen mit Vorbildcharakter hervorbr<strong>in</strong>gt. Traditionelle Wohnblöcke<br />
werden mehr und mehr durch Reihen-, Turm- und Zeilenbauten <strong>in</strong><br />
Nord-Süd-Richtung ersetzt. Optimierte Wohnungskonzepte für Familien<br />
unterschiedlicher Größe sowie Vorschläge zur ›Volkswohnung‹ und zur<br />
›Wohnung für das Existenzm<strong>in</strong>imum‹ bestimmen die Debatten. Auch die<br />
Frage, ob das E<strong>in</strong>familienhaus oder das kollektive Wohnhaus zu bevorzugen<br />
ist, spielt e<strong>in</strong>e wichtige Rolle.<br />
Wegweisende Ideen zu städtebaulichen und siedlungsarchitektonischen<br />
Fragen entwickeln die 1928 <strong>in</strong>s Leben gerufenen Congrès <strong>in</strong>ternationaux<br />
d’architecture moderne (CIAM). Der zweite CIAM-Kongress f<strong>in</strong>det 1929 <strong>in</strong><br />
Frankfurt am Ma<strong>in</strong> statt und wird vom dortigen Stadtbaurat Ernst May<br />
(→ 1.6, 3.3, 10.4, 17.1) geleitet. May organisiert e<strong>in</strong>e Ausstellung, <strong>in</strong> der die besten<br />
Ansätze des öffentlichen Wohnungsbaus <strong>in</strong> Europa gezeigt werden, darunter<br />
die neueste Oud-Siedlung Kiefhoek <strong>in</strong> Rotterdam, das am Bauhaus<br />
unter der Leitung von Walter Gropius (→ 3.4) entwickelte Versuchsprojekt<br />
für das Stadtviertel Törten <strong>in</strong> Dessau und Le Corbusiers Pläne für e<strong>in</strong> Maison<br />
M<strong>in</strong>imum. Die Diskussion widmet sich sowohl dem Grundriss und der<br />
Ausstattung der Innenräume als auch den privaten Außenbereichen als Erweiterungen<br />
des Wohnraums. Der Reihenhausgarten erhält e<strong>in</strong>en gepflasterten<br />
Wohnhof, die Begrünung erfolgt als Zier-, vor allem aber auch als<br />
Nutzgarten zur Selbstversorgung. Ungelöst bleibt die Frage nach der politischen<br />
Rolle des Architekten. Le Corbusier vertritt die Auffassung, die Architekten<br />
sollten fortschrittliche Entwicklungsmodelle schaffen, die dann<br />
sowohl den öffentlichen Behörden wie auch Privat<strong>in</strong>vestoren zur Wahl stehen.<br />
Dagegen denken die radikalen Funktionalisten – darunter May und<br />
der neue Bauhausdirektor Hannes Meyer –, die Architekten sollten e<strong>in</strong>e<br />
aktive Führungsrolle e<strong>in</strong>nehmen, um Wohnformen zu fördern, die dem<br />
Ideal e<strong>in</strong>er sozialistischen Gesellschaft gerecht werden. Der vierte CIAM-<br />
Kongress von 1933 widmet sich dem Konzept e<strong>in</strong>er funktionalen Stadt und<br />
verabschiedet die Charta von Athen, <strong>in</strong> der die CIAM für e<strong>in</strong>e räumliche<br />
Entflechtung großstädtischer Siedlungsstrukturen werben und Le Corbusiers<br />
politische Haltung zu ihrer offiziellen Position erklären. Die Vorschläge<br />
75
Siedlung<br />
3.6<br />
Richard Neutra<br />
Bewobau-Siedlung<br />
Gartenstadt<br />
Mörfelden-Walldorf, 1960−64<br />
Anlässlich e<strong>in</strong>er Besichtigung des neuen<br />
Wohn hochhauses von Alvar Aalto im Bremer<br />
Stadtteil Neue Vahr kommt He<strong>in</strong>rich<br />
Plett, der Präsident der Wohnungsbaugesellschaft<br />
Neue Heimat, 1960 mit dem Architekten<br />
Richard Neutra <strong>in</strong> Kontakt. Er lädt ihn<br />
zur Zusammenarbeit mit der Bewobau e<strong>in</strong>,<br />
e<strong>in</strong>er Hamburger Tochtergesellschaft der<br />
Neuen Heimat. Im Herbst folgen weitere<br />
Gespräche im Atelier des Architekten <strong>in</strong> Los<br />
Angeles. Neutra soll zwei Zwill<strong>in</strong>gssiedlungen<br />
<strong>in</strong> der Nähe von Hamburg (Quickborn)<br />
und bei Frankfurt am Ma<strong>in</strong> (Mörfelden-<br />
Walldorf ) entwerfen. Die Bewobau setzt vor<br />
allem auf den <strong>in</strong>ternational bekannten Namen<br />
des Architekten, der sich damals auf<br />
dem Höhepunkt se<strong>in</strong>es Ruhms bef<strong>in</strong>det. Sie<br />
plant, luxuriöse E<strong>in</strong>familienhäuser für die<br />
neue gehobene Mittelschicht zu errichten.<br />
Das Siedlungskonzept soll e<strong>in</strong>e verdichtete<br />
Bebauung gewährleisten, ohne die <strong>in</strong>dividuellen<br />
Entfaltungsmöglichkeiten der Bewohner<br />
zu begrenzen.<br />
Die Bewobau ist überzeugt, dass Neutras<br />
Vorschläge, die an den Bedürfnissen reicher<br />
Auftraggeber aus Hollywood erprobt seien,<br />
auf die deutschen Verhältnisse zugeschnitten<br />
werden müssten. In se<strong>in</strong>em autobiografischen<br />
Buch Auftrag für morgen (1962) schildert<br />
Neutra die Diskussionen mit der Baugesellschaft<br />
aus se<strong>in</strong>er Sicht. Vorurteile wie die<br />
Notwendigkeit von Kellern und von W<strong>in</strong>dfängen<br />
im E<strong>in</strong>gangsbereich würden den<br />
90
Siedlung<br />
Blick auf die tatsächlichen Lebensvollzüge<br />
verstellen: »Die Zeitungen brachten breit die<br />
Neuigkeit, als hätte ich die Absicht, den modernen<br />
Segen und Zauber, die amerikanischen<br />
technischen Weisheiten, E<strong>in</strong>sparungen,<br />
Vere<strong>in</strong>fachungen, kurzerhand nach<br />
Deutschland zu importieren. Das war gewiß<br />
wohlgeme<strong>in</strong>t und schmeichelhaft. Und doch<br />
liegt es anders. […] Ich kam her, weil die<br />
Deutschen ziemlich so s<strong>in</strong>d, ja <strong>in</strong> manchem<br />
genau so s<strong>in</strong>d wie die Amerikaner und andere<br />
Menschen auch und ich hier ›drüben‹ <strong>in</strong><br />
langsamer Anstrengung gelernt hatte, mit<br />
diesen gleichen Vorlieben fertig zu werden<br />
und sie <strong>in</strong> etwas Neues umzuwandeln.«1<br />
Neutra schlägt vor, an se<strong>in</strong> Idealstadtprojekt<br />
Rush City Reformed aus den 1920er <strong>Jahre</strong>n<br />
anzuknüpfen und Lösungen se<strong>in</strong>er Arbeitersiedlung<br />
Channel Heights (1940–42)<br />
<strong>in</strong> San Pedro weiterzuentwickeln: e<strong>in</strong>- oder<br />
zweigeschossige, als gespiegelte Doppelhäuser<br />
gruppierte E<strong>in</strong>familienhäuser für e<strong>in</strong><br />
Leben im eigenen Haus mit eigenem Garten.<br />
Um die Baukosten zu senken und re<strong>in</strong> gewohnheitsmäßige<br />
Vorstellungen der künftigen<br />
Bewohner zurückzudrängen, schlägt<br />
Neutra vor, die Häuser vorzufabrizieren, zugleich<br />
aber bedarfsgerechte Lösungen für<br />
nachträgliche <strong>in</strong>dividuelle Wünsche vorzusehen.<br />
Dieses flexible Baukonzept erlaube es,<br />
91
Energiezentrum<br />
Rhe<strong>in</strong><br />
17a<br />
10a<br />
11b<br />
12b<br />
5b<br />
6b<br />
3b<br />
10b<br />
15b<br />
4b<br />
11b<br />
2b<br />
1b<br />
13b<br />
8b<br />
7b<br />
14b<br />
6a<br />
18a<br />
7a<br />
9b<br />
11a<br />
13a<br />
Block A<br />
1a Reaktorgebäude 2a Reaktorhilfsanlagengebäude<br />
3a Abluftkam<strong>in</strong> 4a Schaltanlagen- und Betriebsgebäude<br />
5a Masch<strong>in</strong>enhaus 6a Nebenanlagengebäude<br />
7a Verwaltungsgebäude 8a Kühlwasserpumpenhaus<br />
9a Sammelbecken 10a Kühlwasserrücklaufkanal<br />
11a 380-kV-Schaltanlagen 12a Blocktransformatoren<br />
13a Eigenbedarfstransformatoren 14a Regenwasserpumpwerk<br />
15a Kläranlage 16a Informationszentrum<br />
17a Schiffslände 18a Delonatbehälter 19a Kühlturm<br />
20a Kühlturmpumpenbauwerk 21a Kühlturmschalthaus<br />
Block B<br />
1b Reaktorgebäude 2b Reaktorhilfsanlagengebäude 3b Betriebs- und Schaltanlagengebäude mit Notstromdieseltrakt<br />
4b Masch<strong>in</strong>enhaus 5b Eigenbedarfstransformatoren 6b 220-kV-/380-kV-Freiluftschaltanlage mit Blocktransformatoren<br />
7b Kühlwasserre<strong>in</strong>igungs- und Pumpenbauwerk 8b Sammelbecken 9b Kühlwasserrücklaufkanal 10b Abluftkam<strong>in</strong><br />
11b Kühlturm 12b Kühlturmschalthaus 13b Kühlturmpumpenbauwerk mit Abwasserhebewerk 14b Garagengebäude<br />
15b Zwischentrakt<br />
4a<br />
16a<br />
1a<br />
5a<br />
8a<br />
2a<br />
12a<br />
9a<br />
3a<br />
14a<br />
15a<br />
20a<br />
19a<br />
21a<br />
19a<br />
<strong>100</strong> m<br />
als auch bei der RWE Widerstände gegen<br />
den Bau weiterer Kernkraftwerke zu überw<strong>in</strong>den.<br />
Biblis kann <strong>in</strong>sofern als e<strong>in</strong> Pilotprojekt<br />
gelten, das der Kernkraft <strong>in</strong> ganz Europa<br />
zum Durchbruch verhilft.2<br />
Ab 1971 fertigt e<strong>in</strong>e Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />
aus AEG, Siemens und Hochtief zwei nahezu<br />
baugleiche Druckwasserreaktoren für den<br />
neu en Standort. Die etwa fünfjährige Bauzeit<br />
des Kraftwerks ergibt sich aus den enormen<br />
Lieferschwierigkeiten bei fast allen Großkomponenten,<br />
vor allem aber aus den immer<br />
neuen Sicherheitsauflagen – die gesetzlichen<br />
Vorschriften wachsen quasi parallel zum Bau,<br />
da es zu dieser Zeit nur wenige Erfahrungen<br />
mit Kernkraftwerken dieser Größenordnung<br />
gibt. So werden die Kühltürme zum Beispiel<br />
erst nachträglich e<strong>in</strong>geplant, ursprünglich<br />
wäre das erhitzte Kühlwasser direkt <strong>in</strong> den<br />
Rhe<strong>in</strong> geleitet worden.3<br />
Um das Kraftwerk vor Hochwasser zu schützen,<br />
muss das gesamte Gelände aufgeschüttet<br />
werden. Die zwei Kraftwerksblöcke von Biblis<br />
stehen <strong>in</strong> Nord-Süd-Richtung nebene<strong>in</strong>ander:<br />
»Für beide Blöcke wurde e<strong>in</strong>e gleichartige<br />
Kompaktbauweise gewählt. Sie ermöglicht<br />
e<strong>in</strong>e optimale Flächenausnutzung, extrem kurze<br />
Rohr- und Kabelverb<strong>in</strong>dungen zwischen<br />
den verschiedenen Anlagebereichen und kurze<br />
Verb<strong>in</strong>dungswege für das Betriebspersonal.«4<br />
Die Reaktoren mit den sie umfassenden<br />
fünf- bis sechsgeschossigen Hilfsanlagen<br />
118
Energiezentrum<br />
Leitstand Block A, 1975 Baustelle Block A, 1970<br />
gebäuden bef<strong>in</strong>den sich im Süden. Sie liegen<br />
mit allen Anlagen zur Lagerung, Vor- und<br />
Aufbereitung der Brenn elemente <strong>in</strong> großen,<br />
zweischaligen Kugelkonstruktionen, deren<br />
<strong>in</strong>nere Hülle aus Stahl, die äußere aus Beton<br />
besteht. Die Wandstärke der Betonkugel beträgt<br />
bei Block A 60 cm, bei Block B 80 cm –<br />
wie Kuppeln ragen die Reaktorbauten aus den<br />
umliegenden Gebäuden hervor, ihre Scheitel<br />
liegen <strong>in</strong> etwa 50 m Höhe. Ins mehrgeschossige<br />
Innere führen drei Schleusen: e<strong>in</strong>e für Personen,<br />
e<strong>in</strong>e für Material und e<strong>in</strong>e Notfallschleuse.<br />
Die Anlagenräume im Kern der Reaktorgebäude<br />
s<strong>in</strong>d »von e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>neren Betonzyl<strong>in</strong>der<br />
und schweren Betondecken und Betonriegeln<br />
umschlossen«5. Während des Betriebs<br />
dürfen diese Räume wegen der hohen<br />
Strahlenbelastung nicht betreten werden. Sicherheitsaspekte<br />
def<strong>in</strong>ieren die meisten Bauteile:<br />
»Die schweren Betonstrukturen der Anla<br />
genräume haben […] die Funktion, die bei<br />
eventuellen Rohrleitungsbrüchen auftreten<br />
119
Verkehrs<strong>in</strong>frastruktur<br />
5.4<br />
Paul Bonatz<br />
Autobahnraststätte<br />
Re<strong>in</strong>hardsha<strong>in</strong><br />
Grünberg (<strong>Hessen</strong>), 1938<br />
Die Raststätte an der Bundesautobahn A 5<br />
bei Re<strong>in</strong>hardsha<strong>in</strong> entsteht 1938 im Zuge<br />
des nationalsozialistischen ›Reichsautobahnbaus‹.<br />
Auto bahnen (also kreuzungsfreie Straßenverb<strong>in</strong>dungen<br />
mit je zwei Fahrbahnen <strong>in</strong><br />
beide Fahrtrichtungen) sollen dem Fern- und<br />
Güterverkehr dienen, s<strong>in</strong>d im Dritten Reich<br />
längerfristig aber auch von militärstrategischer<br />
Bedeutung. Dabei können sie ke<strong>in</strong>esfalls<br />
als e<strong>in</strong>e ›Erf<strong>in</strong>dung Adolf Hitlers‹ gelten,<br />
denn schon die Weimarer Republik plant Autobahnen,<br />
1932 eröffnet zwischen Köln und<br />
Bonn sogar die erste Strecke. Die Nationalsozialisten<br />
stehen solchen Projekten vor 1933<br />
eher ablehnend gegenüber, weil sie <strong>in</strong> ihnen<br />
Straßen für privilegierte Automobilbesitzer<br />
sehen.1 Mit der Machtübernahme ändert sich<br />
diese Haltung grundlegend, sche<strong>in</strong>t der Bau<br />
von Autobahnen <strong>in</strong> verschiedensten Teilen<br />
140<br />
Altdeutscher Raum<br />
des Reiches doch die Möglichkeit zu bieten,<br />
das Heer der Arbeitslosen von der Straße zu<br />
holen und wieder <strong>in</strong> Arbeit und Lohn zu br<strong>in</strong>gen.<br />
Die Autobahnbaustellen beschäftigen<br />
dann aber weit weniger zuvor arbeitslose<br />
Menschen, als von der Propaganda angegeben,<br />
da man diese zumeist nicht für qualifizierte<br />
Arbeiten am Bau e<strong>in</strong>setzen kann.2<br />
Viele Autobahnpläne der Nationalsozialis<br />
ten greifen auf bereits vorliegende, ältere<br />
Über legungen zurück. Dazu gehört unter anderem<br />
e<strong>in</strong>e Nord-Süd-Strecke, die von Hamburg<br />
über Frankfurt nach Basel führt und<br />
deshalb als ›HaFraBa‹ bezeichnet wird.3 Sie<br />
ist im Wesentlichen mit der Bundesautobahn<br />
identisch, die <strong>Hessen</strong> heute von Norden her<br />
zunächst als A 7 und ab Bad Hersfeld als A 5<br />
nach Süden durchquert. In der hessischen<br />
Mittelgebirgslandschaft stellt der Bau dieser<br />
Strecke Planer und Ingenieure vor besondere<br />
Schwierigkeiten, müssen doch längere Aufund<br />
Abstiege bewältigt und zahlreiche Flusstäler<br />
mit hohen Brückenbauwerken über wunden<br />
werden. Obwohl sie auf Planungen des<br />
›Vere<strong>in</strong>s zur Vorbereitung der Autostraße<br />
Hanse städte–Frankfurt–Basel‹ von 1926 zurückgeht,<br />
stellt Fritz Todt – der NS-General<strong>in</strong>spektor<br />
für das Deutsche Straßenwesen –<br />
diese erste große Autobahnstrecke als s<strong>in</strong>guläre<br />
Leistung Adolf Hitlers dar.4<br />
Im Unterschied zu den Vorentwürfen betont<br />
er, dass die L<strong>in</strong>ienführung der Reichsautobahnen<br />
e<strong>in</strong>en »E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> die deutsche<br />
Landschaft« bedeute und diese Landschaft<br />
»nicht zerschlagen werden«5 dürfe. So sollten<br />
die Fahrbahnen beispielsweise nicht schnurgerade<br />
verlaufen, sondern im Rhythmus des<br />
Geländes schw<strong>in</strong>gen. Todt <strong>in</strong>teressiert an<br />
dieser Stelle auch der Blickw<strong>in</strong>kel der Autofahrer:<br />
Nach dem Vorbild amerikanischer<br />
Park- und Highways müssten die Trassenverläufe<br />
den ›Autowandernden‹ visuelle Erlebnisse<br />
verschaffen, die e<strong>in</strong>em durchkomponierten<br />
Spannungsbogen folgen.6 Diese
Verkehrs<strong>in</strong>frastruktur<br />
141
Verkehrs<strong>in</strong>frastruktur<br />
5.5<br />
Ernst Neufert<br />
Tankstellen, Rasthäuser und<br />
Motel an der A 67<br />
Pfungstadt, 1951–55<br />
An der Bundesautobahn A 67 zwischen Rüsselsheim<br />
und Viernheim, die teilweise noch aus nationalsozialistischer<br />
Zeit stammt, entsteht ab 1951 <strong>in</strong><br />
der Nähe von Pfungstadt beiderseits der Autobahn<br />
e<strong>in</strong>e Raststätte mit Tankanlagen, Restaurants und<br />
Motel nach Entwürfen des renommierten Darmstädter<br />
Architekturprofessors Ernst Neufert (→ 2.6,<br />
11.5).<br />
Den Vorgaben des Bundesverkehrsm<strong>in</strong>isteriums<br />
folgend, werden je Fahrtrichtung getrennte Tankbereiche<br />
für PKWs und LKWs geschaffen, zwischen die<br />
Neufert zentrale Pavillons <strong>in</strong> Stahlbetonskelettbauweise<br />
mit ockergelben Kl<strong>in</strong>kern platziert. Die Verkaufs-<br />
und Kassenräume im vorderen Teil der Pavillons<br />
erleuchten großzügige Glasfenster, während die<br />
h<strong>in</strong>teren Bereiche mit Wirtschaftsräumen und Sanitäranlagen<br />
nur spärliches Oberlicht erhalten. Markantester<br />
Teil der Anlage s<strong>in</strong>d die beiden großen, an<br />
den Ecken abgerundeten Dachflächen aus Stahlbeton,<br />
die sowohl die Tankzonen wie auch die Pavillons<br />
überspannen. Sie ruhen auf je acht pilzförmigen<br />
Pfeilern und gew<strong>in</strong>nen durch die verb<strong>in</strong>denden<br />
Betonverstrebungen e<strong>in</strong>e »Plastizität von hohem<br />
optischem Reiz«1. Offensichtlich ist Neuferts Entwurf<br />
<strong>in</strong>spiriert von den nach Plänen Carl August<br />
Bembés 1936/37 entstandenen Autobahntankstellen<br />
des ›Frank furter Typs‹.<br />
Auf e<strong>in</strong>er leichten Anhöhe südwestlich der Tankstelle<br />
Pfungstadt West errichtet Neufert <strong>in</strong> gleicher<br />
Bauweise e<strong>in</strong> Raststättengebäude, das ursprünglich<br />
e<strong>in</strong> Flachdach trägt. E<strong>in</strong> heller, sachlicher E<strong>in</strong>gangsbereich<br />
führt <strong>in</strong> das Restaurant, von dem aus man<br />
den Blick <strong>in</strong> die Landschaft genießen kann – gehört<br />
doch das erholsame Rasten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er schönen Umgebung<br />
unbed<strong>in</strong>gt zur idealen Vorstellung vom Reisen<br />
dazu. Die Raststätte Pfungstadt Ost auf der gegenüberliegenden<br />
Autobahnseite ist zweigeschossig angelegt<br />
und umfasst e<strong>in</strong>en zusätzlichen Hoteltrakt.<br />
Ihre funktionale Gestaltung und ihr Schwung verleihen<br />
der Gesamtanlage e<strong>in</strong>en besonderen Charme:<br />
»Von ferne er<strong>in</strong>nert das Ensemble mit se<strong>in</strong>en gestaffelten<br />
Flachdächern und Kl<strong>in</strong>kermauern <strong>in</strong> warmen<br />
Gelbtönen an Präriehäuser Frank Lloyd Wrights.«2<br />
O. V.<br />
1 Hansen 1998, S. 63 2 Dorn/Durth/Gleim/Svenshon 2011, S. 39<br />
Literatur<br />
Ralf Dorn/Werner Durth/Udo Gleim/Helge Svenshon (2011): Ernst<br />
Neufert. Leben und Werk des Architekten. 1900–1986. Darmstadt.<br />
S. 38/39; Astrid Hansen (1998): Tanken und Rasten am Kulturdenkmal.<br />
Die Raststätten Pfungstadt an der BAB 67 von Ernst Neufert.<br />
In: Denkmalpflege & Kulturgeschichte, Heft 1. S. 63/64.<br />
154
Verkehrs<strong>in</strong>frastruktur<br />
5.6<br />
Paul Bode, Ernst Brundig<br />
Parkhaus Centrum-Garagen<br />
Kassel, 1955/56<br />
Die rasche Motorisierung der so genannten ›Wirtschaftswunderjahre‹<br />
erzeugt Mitte der 1950er <strong>Jahre</strong><br />
auch <strong>in</strong> der Innenstadt von Kassel zunehmende<br />
Park raumprobleme, zumal viele kriegsbed<strong>in</strong>gte Freiflächen<br />
<strong>in</strong>zwischen wieder bebaut s<strong>in</strong>d. Auf dem<br />
Gelände e<strong>in</strong>es ehemaligen Stadtparks <strong>in</strong> der Oberneustadt<br />
errichtet deshalb e<strong>in</strong> privater Investor das<br />
erste Parkhaus der Stadt. Nach e<strong>in</strong>em Entwurf des<br />
Kasseler Architekturbüros von Paul Bode entstehen<br />
1955/56 zwischen Neuer Fahrt und Garde-du-<br />
Corps-Straße <strong>in</strong> zentraler Lage die schon bei der<br />
Eröffnung viel beachteten Centrum-Garagen. Bode,<br />
e<strong>in</strong> renommierter Architekt der beg<strong>in</strong>nenden Nachkriegs<br />
moderne, hatte <strong>in</strong> Kassel seit der Währungsreform<br />
bereits drei K<strong>in</strong>obauten (→ 15.4) sowie Hotels<br />
und e<strong>in</strong> Wohnhochhaus realisiert, bevor ihm<br />
der Planungsauftrag für das Parkhaus übertragen<br />
wird. Beteiligt ist auch der Architekt Ernst Brundig<br />
aus Bodes Büro. Zusammen schaffen die beiden e<strong>in</strong><br />
markantes Beispiel zeitgenössischen Parkhausbaus.<br />
Für das fünfstöckige Gebäude wählen sie e<strong>in</strong> von<br />
ihnen neu entwickeltes Bausystem, das auf dem nur<br />
2.000 m2 großen Grundstück e<strong>in</strong>e optimale Raumausnutzung<br />
gewährleistet. Grundpr<strong>in</strong>zip des <strong>in</strong>novativen,<br />
später patentierten Systems ist e<strong>in</strong>e das<br />
ganze Gebäude durchziehende Doppelwendel. Mit<br />
dieser Konstruktion lassen sich steile Rampen und<br />
Gegenverkehr vermeiden. Auf den um 5 bis 6 % geneigten<br />
Fahrbahnen, die über e<strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dungsstück<br />
auf jeder Etage e<strong>in</strong>en Richtungswechsel ermöglichen,<br />
s<strong>in</strong>d die <strong>in</strong>sgesamt 350, jeweils 12 m2 großen<br />
Stellplätze gut zu erreichen. Im Erdgeschoss bef<strong>in</strong>den<br />
sich Läden, e<strong>in</strong>e Tankstelle und e<strong>in</strong>e Reparaturwerkstatt,<br />
das Obergeschoss bewirtschaftet e<strong>in</strong><br />
Chauffeur-Hotel.<br />
Ursprünglich ist das Parkhaus mit e<strong>in</strong>er gewölbten<br />
Fassade aus Ganzglas versehen und dadurch<br />
gut e<strong>in</strong>sehbar – bis das Glas <strong>in</strong> den 1970er <strong>Jahre</strong>n<br />
durch e<strong>in</strong>e Alum<strong>in</strong>iumverkleidung ersetzt wird. In<br />
den 1990er <strong>Jahre</strong>n erhält das Gebäude wieder<br />
e<strong>in</strong>e vorgesetzte, jetzt grünlich getönte Glasfassade,<br />
auf dem Flachdach werden 2006 zwei exklusive<br />
Wohne<strong>in</strong>heiten (›Roof Boxes‹) errichtet. Neben<br />
se<strong>in</strong>en Stellflächen bietet das Parkhaus heute<br />
Raum für Ladengeschäfte und Büros. O. V.<br />
Literatur<br />
Joachim Kle<strong>in</strong>manns (2011): Parkhäuser. Architekturgeschichte e<strong>in</strong>er<br />
ungeliebten Notwendigkeit. Marburg. S. 134–139; Ingrid Lübke<br />
(2009): Paul Bode. In: Kassel-Lexikon. Bd. 1. Hg. Stadt Kassel. Kassel.<br />
S. 78/79; Ralf Zumpfe/Kar<strong>in</strong> Schrader/Carsten Tiemann (1996):<br />
Architekturführer Kassel. 1900–1999. Kassel. S. 48.<br />
155
Verwaltungsgebäude<br />
Bundeskrim<strong>in</strong>alamt – Schränke für über e<strong>in</strong>e Million<br />
F<strong>in</strong>gerabdruckblätter, um 1960<br />
Die verschiedenen Funktionen der Behörde<br />
s<strong>in</strong>d auf mehrere Baukörper verteilt: e<strong>in</strong>en<br />
mehrgeschossigen Hauptbau, e<strong>in</strong>en niedrigeren<br />
Saalbau im Südwesten und e<strong>in</strong> e<strong>in</strong> geschossiges<br />
Nebengebäude mit Werkstatt,<br />
Garagen und Sozialräumen im Nordosten.<br />
Der riegelartige Hauptbau erhebt sich <strong>in</strong><br />
Hanglage über e<strong>in</strong>em zweigeschossigen, ungegliederten<br />
Sockel. Auf der Bergseite fußt<br />
das Erdgeschoss direkt auf dem Boden. Der<br />
Haupte<strong>in</strong>gang mit Pförtnerloge bef<strong>in</strong>det sich<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er zweigeschossigen, verglasten Halle,<br />
die gleichzeitig die Verb<strong>in</strong>dung zum Saalbau<br />
herstellt. Mustergültig greift der Hauptbau<br />
zwei Themen auf, die für Rimpl wie auch für<br />
andere Architekten der Nachkriegszeit von<br />
Bedeutung s<strong>in</strong>d: das Raster und die Schale.5<br />
Die fünf Geschosse des Hauptbaus prägt<br />
e<strong>in</strong>e Rasterfassade aus Sichtbeton, die »<strong>in</strong><br />
Anpassung an die Wiesen und Wälder r<strong>in</strong>gsum«6<br />
e<strong>in</strong>en lichtgrünen M<strong>in</strong>eralfarbanstrich<br />
erhält. Auch die Brüstungen der leicht zurückgesetzten<br />
Fensterebene s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Beton<br />
Erdgeschoss<br />
1 Büro 2 Gast 3 Unterricht 4 Haupte<strong>in</strong>gang mit Pförtnerloge<br />
5 Konferenzraum 6 Küche 7 Anrichte 8 Schulungs- und Tagungssaal<br />
20 m<br />
170
Verwaltungsgebäude<br />
ausgeführt. E<strong>in</strong> wellenförmiges Schalendach<br />
mit schlanken Stützen bedeckt die Galerie<br />
des obersten Stockwerks, wobei e<strong>in</strong>e Schale<br />
jeweils zwei Fenster überfängt. Diese Dachform<br />
wiederholt sich, den gesamten Baukörper<br />
überspannend, am benachbarten Saalbau.<br />
Se<strong>in</strong>e großflächig durchfensterten Fassaden<br />
s<strong>in</strong>d im Obergeschoss beidseitig mit<br />
Galerien versehen, deren filigrane Stützen<br />
und Brüstungsgeländer sich dezent zurücknehmen.<br />
Elegant geschwungene Außen wendel<br />
treppen ergänzen das Bild.<br />
Die Rasterfassade ergibt sich für Rimpl<br />
nicht nur aus praktischer oder konstruktiver<br />
Notwendigkeit – gerade für die Gestaltung<br />
von Verwaltungsbauten ersche<strong>in</strong>t sie ihm<br />
auch aus anderen Gründen besonders geeignet.<br />
Se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach ist der Mensch <strong>in</strong><br />
der modernen Arbeitswelt besonders effektiv,<br />
wenn er nur e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Spezialgebiet beherrscht<br />
und dadurch zu e<strong>in</strong>em brauchbaren<br />
Glied »<strong>in</strong> der Kette der modernen Technik«<br />
wird: »Das moderne Verwaltungsgebäude<br />
zeigt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Rasterfront am deutlichsten<br />
diese Arbeitsaufteilung; das Raster ist zugleich<br />
e<strong>in</strong> Symbol der heutigen Demokratie.«7<br />
Rimpl komb<strong>in</strong>iert das Stahlbetonraster<br />
häufiger mit dem Motiv der wellenförmigen<br />
Betonschale, etwa bei den Verwaltungsgebäuden<br />
der Hüttenwerke Oberhausen AG (1949)<br />
und der Berl<strong>in</strong>ischen Lebensversicherung<br />
AG (1955/56) <strong>in</strong> Wiesbaden. Elliptische Formen<br />
und Betonschalen verwendet er auch <strong>in</strong><br />
ganz anderen Zusammenhängen, zum Beispiel<br />
bei der Wiesbadener Heilig-Geist-Kirche<br />
von 1961/62.<br />
In se<strong>in</strong>em 1959 veröffentlichten Buch Verwaltungsbauten<br />
unternimmt Rimpl e<strong>in</strong>e Systematisierung<br />
verschiedener Arten von Verwaltungsgebäuden,<br />
denen er entsprechende<br />
Typengrundrisse zuordnet. Er unterscheidet<br />
zunächst zwischen re<strong>in</strong>en Verwaltungsbauten,<br />
die im Wesentlichen aus Büroräumen<br />
bestehen, und Bauten mit verstärktem Publikumsverkehr.<br />
Danach befasst er sich mit<br />
den Anforderungen an diverse Sondernutzungen.<br />
Das Bundeskrim<strong>in</strong>alamt Wiesbaden<br />
fällt hier unter die Rubrik »Verwaltungsgebäude<br />
mit Speziale<strong>in</strong>richtungen wie Laboratorien,<br />
Werk stätten usw.«8. An Sonderräumen<br />
171
Verwaltungsgebäude<br />
6.4<br />
Peter Grund<br />
US-amerikanisches Kreisamt<br />
(John-F.-Kennedy-Haus)<br />
Darmstadt, 1951<br />
Darmstadt wird im Zweiten Weltkrieg fast vollständig<br />
zerstört. Maßgeblich am Wiederaufbau beteiligt<br />
ist der Architekt Peter Grund (→ 9.6), von 1947 bis<br />
1959 Oberbaudirektor der Stadt. Se<strong>in</strong> Konzept umfasst<br />
die Wiederherstellung bestehender Straßenzüge,<br />
aber auch e<strong>in</strong> neues R<strong>in</strong>gsystem, das mit markanten<br />
Straßenachsen und -kreuzungen, mit Plätzen und<br />
wirkungsvoll gesetzten Bauten städtebauliche Dom<strong>in</strong>anten<br />
schafft. Das 1951 für die amerikanische Zivilverwaltung<br />
errichtete US Residence Office ist Teil<br />
dieses Programms. Es soll die zur Platzanlage aufgeweitete<br />
Kreuzung an der Rhe<strong>in</strong>straße nach Norden<br />
abschließen. Das benachbarte, 1947/48 ebenfalls von<br />
Grund errichtete Parkhotel Aachener Hof, das leicht<br />
schräg <strong>in</strong> den Platz h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>ragt, m<strong>in</strong>dert allerd<strong>in</strong>gs die<br />
beabsichtigte monumentale Wirkung.1<br />
Im Gegensatz zu vielen anderen Darmstädter<br />
Bei spielen des Wiederaufbaus, bei denen begrenzte<br />
Mittel und fehlende Baustoffe zu sparsamen<br />
Kon s truktionen aus Stahl und Glas führen, entsteht<br />
das US Residence Office als Massivbau mit<br />
Kalkste<strong>in</strong>verblendung. Auch <strong>in</strong> der Gestaltung<br />
nimmt das Gebäude kaum aktuelle Tendenzen auf.<br />
Se<strong>in</strong>e monumentale, breite und nur sparsam gegliederte<br />
Werkste<strong>in</strong>fassade knüpft an Bauten der 1930er<br />
und 1940er <strong>Jahre</strong> an. Fünf Reihen schmaler, rechteckiger<br />
Fenster und die dezente Betonung der Gebäudekanten<br />
prägen das Ersche<strong>in</strong>ungsbild. E<strong>in</strong>e<br />
ähnliche Gestaltung f<strong>in</strong>det sich schon früher <strong>in</strong><br />
Grunds Werk, etwa an dem 1929/30 errichteten<br />
Gebäude für die Industrie- und Handelskammer<br />
<strong>in</strong> Dortmund. Individuelle Gestaltungselemente<br />
des Darmstädter Baus s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Sonnenuhr an der<br />
südwestlichen Gebäudekante und sieben anonyme<br />
Porträtköpfe zwischen den obersten Fenstern<br />
der Südfassade, die vermutlich unter Anleitung<br />
des Darmstädter Bildhauers Fritz Schwarzbeck<br />
entstehen2. Richtig ›modern‹ wirkt der Verwaltungsbau<br />
erst im Dunkeln, wenn die Neonbeleuchtung<br />
am Überstand des flachen Daches e<strong>in</strong>geschaltet<br />
wird.<br />
Ab 1953 dient das Gebäude als Amerika-Haus, <strong>in</strong><br />
dem sich Deutsche über Geschichte, Traditionen<br />
und Politik der USA <strong>in</strong>formieren können, 1965 wird<br />
es <strong>in</strong> John-F.-Kennedy-Haus umbenannt. Seit 1995<br />
nutzt die Stadt den Bau als Literaturhaus, <strong>in</strong> dem<br />
unter anderem das PEN-Zentrum Deutschland, die<br />
Darmstädter Goethe-Gesellschaft, das Kunstarchiv<br />
und das Institut für Praxis der Philosophie untergebracht<br />
s<strong>in</strong>d. H. D.<br />
1 Vgl. Svensohn 1998 2 Vgl. Sauer 2006<br />
Literatur<br />
Eva Re<strong>in</strong>hold-Post<strong>in</strong>a (1990): Die Architektur der fünfziger <strong>Jahre</strong>.<br />
Darmstadt. S. 85; Mona Sauer (2006): John-F.-Kennedy-Haus.<br />
In: Stadtlexikon Darmstadt. Hg. R. Dotzert, P. Engels, A. Leonhardt.<br />
Stuttgart. S. 453; Helge Svensohn (1998): Amerika-Haus und<br />
Parkhotel ›Aachener Hof‹. In: Architektur der fünfziger <strong>Jahre</strong>. Die<br />
Darmstädter Meisterbauten. Hg. M. Bender, R. May. Stuttgart. S. 192.<br />
180
Verwaltungsgebäude<br />
6.6<br />
Wolf Maier, Re<strong>in</strong>er Graf,<br />
Max Speidel, Hans Wolz<br />
Rathaus Offenbach<br />
Offenbach am Ma<strong>in</strong>, 1968–71<br />
Anfang der 1960er <strong>Jahre</strong> beg<strong>in</strong>nt die City-Sanierung<br />
der im Zweiten Weltkrieg stark zerstörten<br />
Stadt Offenbach. Im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er ›autogerechten<br />
Stadt‹ durchzieht künftig die breite Schneise der<br />
Berl<strong>in</strong>er Straße das Zentrum. Teil dieser Planungen<br />
ist auch e<strong>in</strong> Rathausneubau, denn seit 1945 ist die<br />
Stadtverwaltung auf mehrere Bauten verteilt. 1962<br />
organisiert die Stadt e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>ternationalen Architekturwettbewerb,<br />
aus dem Wolf Maier, Re<strong>in</strong>er Graf<br />
und Max Speidel als erste Preisträger hervorgehen.<br />
Nach ihren Plänen beg<strong>in</strong>nen 1968 die Arbeiten an<br />
dem neuen Rathaus, das am 10. Juli 1971 e<strong>in</strong>geweiht<br />
werden kann.<br />
Mit se<strong>in</strong>em 70 m hohen, 15-stöckigen Büroturm<br />
ist der brutalistische Betonbau zunächst e<strong>in</strong> typisches<br />
›Hochhausrathaus‹ der 1960er und 1970er<br />
<strong>Jahre</strong>.1 Weniger typisch ist der dreieckige Grundriss<br />
des Hochhauses, den die Stuttgarter Architekten<br />
<strong>in</strong> den unteren drei Etagen mit e<strong>in</strong>em rechteckigen<br />
Flachbau verschneiden. Um Bürgernähe und<br />
demokratische Offenheit zu signalisieren, werden<br />
die Sitzungssäle, die Räume des Oberbürgermeisters<br />
und die stark frequentierten Ämter wie das<br />
Standesamt <strong>in</strong> dem Flachbau untergebracht2, im<br />
Hochhaus bef<strong>in</strong>den sich weitere Dezernate und<br />
Ämter sowie Küche und Speisesäle. Das Hochhaus<br />
besteht aus e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>neren Erschließungskern, um<br />
den sich <strong>in</strong> den oberen Etagen die Büroräume gruppieren.<br />
Den regelmäßigen Wechsel von Fensterbändern<br />
und Sichtbetonbrüstungen an den Fassaden<br />
durchbrechen lediglich e<strong>in</strong>ige vertikale Streben<br />
<strong>in</strong> der 14. Etage (dem Bereich der Kant<strong>in</strong>e) und<br />
die breiten Betonflächen der Gebäudekanten. Im<br />
unteren Bereich ruht das Hochhaus auf schlanken,<br />
teils außerhalb des Flachbaus liegenden Stützen.<br />
Die Verschneidung von Bauteilen charakterisiert<br />
auch das Innere des Gebäudes. Foyer und Treppenhäuser<br />
bestehen aus e<strong>in</strong>em komplexen System von<br />
Sichtbetonteilen, die durch aufgemalte, geometrische<br />
Formen im Stil der Op-Art belebende Farbakzente<br />
erhalten. Der große Sitzungssaal der Stadtverordneten,<br />
der sich schon von außen an e<strong>in</strong>er weitgehend<br />
fensterlosen Fassadenfläche und an der vorragenden<br />
Zuschauerempore erkennen lässt, ist mit<br />
farbigen Wandmalereien, dunklen Holzvertäfelungen<br />
und e<strong>in</strong>er Metallrasterdecke ausgestattet. H. D.<br />
1 Vgl. Damus 1988, S. 168 2 Vgl. auch Bon<strong>in</strong> 2007, S. 151<br />
Literatur<br />
Anonym (1973): Rathaus Offenbach am Ma<strong>in</strong>. In: Bauwelt 64.<br />
S. 462/463; Sonja Bon<strong>in</strong> (2007): Kulturdenkmäler <strong>in</strong> <strong>Hessen</strong>. Stadt<br />
Offenbach. Stuttgart. S. 147–151; Mart<strong>in</strong> Damus (1988): Das Rathaus.<br />
Architektur- und Sozialgeschichte von der Gründerzeit bis zur Postmoderne.<br />
Berl<strong>in</strong>. S. 168; Clemens Kieser (2012): Rathaus Offenbach.<br />
In: Zwischen Scheibe und Wabe. Verwaltungsbauten der Sechzigerjahre<br />
als Denkmale. Hg. Vere<strong>in</strong>igung der Landesdenkmalpfleger der<br />
Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden. S. 148–151.<br />
181
Produktionsstätte<br />
Vom historistischen Fabrikschloss<br />
zum modernen Industriebau<br />
Als Produktionsstätten, Fabrik- oder Industriebauten bezeichnet man E<strong>in</strong>richtungen,<br />
die durch e<strong>in</strong>e gewisse Anzahl an Arbeitskräften, durch die<br />
Verwendung von Masch<strong>in</strong>en sowie durch das Pr<strong>in</strong>zip der Arbeitsteilung<br />
charakterisiert s<strong>in</strong>d und <strong>in</strong> denen gewerbliche Erzeugnisse für e<strong>in</strong>en festgelegten<br />
Absatzmarkt hergestellt werden. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts,<br />
<strong>in</strong> der Phase der Hoch<strong>in</strong>dustrialisierung Europas, beg<strong>in</strong>nen sich die<br />
Architekten verstärkt für den Fabrikbau zu <strong>in</strong>teressieren. Bis dah<strong>in</strong> arbeiten<br />
auf diesem Gebiet fast ausschließlich Ingenieure. Deren Hauptaugenmerk<br />
liegt vornehmlich auf den Produktionsabläufen und weniger auf dem architektonischen<br />
Ersche<strong>in</strong>ungsbild der Gebäude. Für die Verkleidung der Ingenieurskonstruktionen<br />
sorgt oftmals der ästhetisch geschulte und <strong>in</strong> den<br />
historischen Stilen geübte Architekt. Der Typus des schlossartigen Fabrikbaus<br />
bildet <strong>in</strong> diesen Jahrzehnten das weit verbreitete S<strong>in</strong>nbild für wirtschaftliche<br />
Leistungsfähigkeit und für die gesellschaftliche Stellung des<br />
Fabrikanten. An den Textilfabriken und den Anlagen der Kohlezechen f<strong>in</strong>den<br />
sich daher regelmäßig die historistischen Bauformen der Neogotik und<br />
des Neobarocks. E<strong>in</strong> besonders prunkvolles Beispiel dieses Typs ist die nach<br />
Entwürfen von William Leiper zwischen 1888 und 1892 errichtete Templeton<br />
Carpet Factory <strong>in</strong> Glasgow.<br />
Um 1900 wandelt sich das Bild. In Vere<strong>in</strong>igungen wie dem von Paul<br />
Schultze-Naumburg (→ 1.3) geprägten Bund Heimatschutz entwickeln sich<br />
Strömungen, die gegen die <strong>in</strong>dustrielle ›Verschandelung‹ der Lebensräume<br />
kämpfen und die e<strong>in</strong>en starken E<strong>in</strong>fluss auf die Architektur gew<strong>in</strong>nen.<br />
Der spätere NS-Architekt Werner L<strong>in</strong>dner, Me<strong>in</strong>ungs- und von 1914 bis<br />
1933 Geschäftsführer des Bundes, propagiert se<strong>in</strong>e Vorstellungen von e<strong>in</strong>er<br />
guten Gestaltung der Ingenieur- beziehungsweise Industriebauten: »Unter<br />
Schönheit der Ingenieurbauten ist also zu verstehen e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nerliche Durchdr<strong>in</strong>gung,<br />
sachliche Vollendung und harmonische Abstimmung der durch<br />
Zweck, Werkstoff, Konstruktion und Umgebung bed<strong>in</strong>gten Anlage und<br />
Form.«1 Architekt und Ingenieur s<strong>in</strong>d fortan immer stärker zur Kooperation<br />
gezwungen und müssen sich <strong>in</strong> die Denkweise des jeweils anderen e<strong>in</strong>arbeiten,<br />
stehen sie doch nun <strong>in</strong> Konkurrenz um die gleichen Aufträge. Der<br />
Architekt muss sich mit den Produktionsabläufen der Betriebe vertraut machen,<br />
während sich der Ingenieur verstärkt ästhetischen Fragen zu stellen<br />
hat.<br />
1913 formuliert Hermann Muthesius, Mitbegründer des Deutschen Werkbundes,<br />
die Aufgabe folgendermaßen: »E<strong>in</strong>en Unterschied zu machen zwi<br />
1 L<strong>in</strong>dner/Ste<strong>in</strong>metz<br />
1923, S. 21<br />
184
Produktionsstätte<br />
2 Muthesius 1913,<br />
S. 30/31<br />
3 Anonym 1908, S. 184<br />
4 Ford 1923, S. 83<br />
schen Werken der Architektur und des Ingenieurbaues ist s<strong>in</strong>nlos. […] Nützlichkeits-<br />
und Schönheitsgesichtspunkte arbeiten hier wie dort von Anfang<br />
an <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander.«2 Der 1907 entstandene Werkbund, e<strong>in</strong> Zusammenschluss<br />
von Künstlern, Architekten und Industriellen, verfolgt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Satzung genau<br />
dieses Ziel: »Der Zweck des Bundes ist: die Veredlung der gewerblichen<br />
Arbeit im Zusammenwirken von Kunst, Industrie und Handwerk<br />
durch Erziehung, Propaganda und geschlossene Stellungnahme zu e<strong>in</strong>schlägigen<br />
Fragen.«3 Es s<strong>in</strong>d vor allem Werkbund-Mitglieder wie Muthesius,<br />
Peter Behrens (→ 1.2, 4.3, 8.2) und Walter Gropius (→ 3.4), die zu Beg<strong>in</strong>n des<br />
20. Jahrhunderts <strong>in</strong> Deutschland wegweisende Fabrikbauten errichten.<br />
Die große Symbolfigur des Industriezeitalters ist damals der amerikanische<br />
Automobilfabrikant Henry Ford, der sich später mit se<strong>in</strong>er hetzerischen<br />
Publikation The International Jew (1920–22) zum weltweiten Anführer<br />
des Antisemitismus herabwürdigt. Nicht nur Industriellen, sondern vielen<br />
der progressiv e<strong>in</strong>gestellten Architekten gilt er als Pionier und Vorbild. In<br />
se<strong>in</strong>er 1923 auf Deutsch erschienenen Autobiografie schreibt Ford: »Man<br />
nehme e<strong>in</strong>en passenden, bewährten Artikel und suche dann alles Überflüssige<br />
zu elim<strong>in</strong>ieren. […] Indem wir die überflüssigen Teile abbauen und die<br />
notwendigen vere<strong>in</strong>fachen, bauen wir zugleich die Herstellungskosten ab.«4<br />
Diesen zweckrationalen Optimierungsgedanken des amerikanischen Fordismus<br />
<strong>in</strong> die Architektur h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zutragen, e<strong>in</strong> Haus zu bauen wie e<strong>in</strong> Auto<br />
oder e<strong>in</strong>e Masch<strong>in</strong>e, wird zu e<strong>in</strong>em Leitbild für die modernen Architekten.<br />
E<strong>in</strong> wichtiger Protagonist der konsequenten Umsetzung derartiger Vorstellungen<br />
ist Giovanni Agnelli, Mitgründer der Fiat-Werke im Tur<strong>in</strong>er Stadtteil<br />
L<strong>in</strong>gotto. Für den Bau se<strong>in</strong>er Automobilfabrik gew<strong>in</strong>nt er den Ingenieur<br />
Giacomo Matté Trucco, der das Werk zusammen mit beteiligten Kollegen<br />
zwischen 1916 und 1926 als sechsgeschossige Stahlbetonkonstruktion realisiert.<br />
Den krönenden Abschluss der Anlage bildet die berühmte, über e<strong>in</strong>en<br />
Kilometer lange Teststrecke auf dem Dach der Fabrik, erreichbar über<br />
e<strong>in</strong>e Autorampe, die an der Produktionsl<strong>in</strong>ie vorbei vom Erd- bis zum Dachgeschoss<br />
führt.<br />
Der zu Beg<strong>in</strong>n des 20. Jahrhunderts noch junge Baustoff Stahlbeton ermöglicht<br />
derartige Innovationen. Bieten die <strong>in</strong> der Fabrikarchitektur des<br />
späten 19. Jahrhunderts üblichen Stützkonstruktionen aus unverkleidetem<br />
Gusseisen gefährliche Angriffsflächen für Feuer, so lassen sich jetzt auch<br />
weitgehend brandsichere Baugefüge mit vorgehängten Fassaden (curta<strong>in</strong><br />
walls) realisieren. Es ist <strong>in</strong>sbesondere der Industriebau, der durch se<strong>in</strong>e<br />
schlichte Gestaltung e<strong>in</strong>e neue Sachlichkeit befördert, die bald auch bei anderen<br />
Bauaufgaben zur Anwendung kommt. Auf diese Weise hält der Fordismus<br />
E<strong>in</strong>zug <strong>in</strong> die Architektur. Dies gilt nicht nur für die Gestaltung der<br />
Bauten, sondern auch für deren Herstellungsprozess. Die Dimensionierung<br />
185
Produktionsstätte<br />
196
7.7<br />
Fritz Mouson, Robert<br />
Wollmann, Hermann Geitner<br />
Mousonturm mit<br />
Fabrikanbau<br />
Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, 1925/26<br />
Die Geschichte des Frankfurter Familienunternehmens<br />
Mouson reicht bis <strong>in</strong> das 18. Jahrhundert<br />
zurück. 1798 gründet August Friedrich<br />
Mouson e<strong>in</strong>e Seifen- und Lichterfabrik,<br />
mit der er den Grundste<strong>in</strong> für e<strong>in</strong>e Dynastie<br />
von Seifensiedern und Parfümeuren legt.<br />
Nach <strong>Jahre</strong>n stetigen Wachstums zieht die<br />
Firma 1880 an den heutigen Standort um. Das<br />
erste Drittel des 20. Jahrhunderts ist die Blütezeit<br />
des Unternehmens, das noch vor dem<br />
Ausbruch des Ersten Weltkriegs se<strong>in</strong>en Verkaufsschlager<br />
Creme Mouson herausbr<strong>in</strong>gt.<br />
Diesem folgt das 1922/23 kreierte Parfüm Tai<br />
Tai, welches <strong>in</strong> den Goldenen Zwanzigern der<br />
Weimarer Republik viele Frauen betört. Auch<br />
die Zahncreme Eburit trägt bis zum Niedergang<br />
der Firma zu deren Umsatz bei.1 Verantwortlich<br />
für den Erfolg ist der Teil<strong>in</strong>haber und<br />
nach dem Zweiten Weltkrieg alle<strong>in</strong>ige Inhaber<br />
Friedrich August Mouson. Als Chefparfümeur<br />
entwickelt er im Lauf se<strong>in</strong>er 50-jährigen<br />
Tätigkeit viele exotische Duftmischungen.<br />
Mit dem beg<strong>in</strong>nenden wirtschaftlichen<br />
Pro fit geht e<strong>in</strong>e Umbauphase des Unternehmens<br />
e<strong>in</strong>her, die sich zunächst auf <strong>in</strong>nerbetriebliche<br />
Rationalisierungsmaßnahmen erstreckt<br />
und mit dem Namen Fritz Mouson<br />
verbunden ist. Dieser wird an der Technischen<br />
Hochschule <strong>in</strong> Darmstadt zum Diplom-<br />
Ingenieur ausgebildet und arbeitet danach<br />
bei der Adam Opel AG <strong>in</strong> Rüsselsheim (→7.6).<br />
1912 tritt er anstelle se<strong>in</strong>es zuvor verstorbenen<br />
Bruders Georg <strong>in</strong> das Familienunternehmen<br />
e<strong>in</strong>, modernisiert den Masch<strong>in</strong>enpark<br />
Produktionsstätte<br />
und optimiert so die Produktion.2 Nach dem<br />
Ersten Weltkrieg beg<strong>in</strong>nt Mouson mit ausgedehnten<br />
Neubaumaßnahmen, die 1925 im<br />
Bau e<strong>in</strong>es weiteren Produktionsgebäudes<br />
gipfeln: dem ›Mousonturm‹ mit mehrstöckigem<br />
Fabrikanbau. Das neue Bauwerk an<br />
der Nordwestecke des Firmengeländes plant<br />
Mouson selbst <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit den<br />
Architekten Hermann Geitner und Robert<br />
Wollmann. Der neungeschossige Treppenund<br />
Aufzugsturm, der den weith<strong>in</strong> lesbaren<br />
Schriftzug ›MOUSON‹ über den Dächern<br />
von Frankfurt zur Schau stellt, entwickelt<br />
sich schon bald zum Wahrzeichen der Firma.<br />
Das Gebäude gilt als das erste Hochhaus der<br />
Frankfurter Baugeschichte.3<br />
Der Turm ist Teil e<strong>in</strong>es siebengeschossigen<br />
Produktionsgebäudes, <strong>in</strong> dem weite Teile<br />
der Seifen-, Creme- und Parfümproduktion<br />
angesiedelt werden. Im Keller bef<strong>in</strong>den<br />
sich große Tanks zur Rohstofflagerung. Das<br />
durch Zwischenwände <strong>in</strong> mehrere Bereiche<br />
unterteilte Erdgeschoss beherbergt e<strong>in</strong>en<br />
197
Produktionsstätte<br />
7.8<br />
Marcel Breuer<br />
Firmengebäude der<br />
Mundipharma GmbH<br />
Limburg an der Lahn, 1973–75<br />
Zu den ungewöhnlichsten Industriebauten,<br />
die sich im Land <strong>Hessen</strong> f<strong>in</strong>den, gehört zweifellos<br />
die Niederlassung der Mundipharma<br />
GmbH <strong>in</strong> Limburg an der Lahn. Auf der Offheimer<br />
Höhe vor den Toren der Stadt steht<br />
e<strong>in</strong> Fabrikationsgebäude, das unter den zeitgenössischen<br />
Industriebauten <strong>in</strong> Deutschland<br />
se<strong>in</strong>esgleichen sucht. Errichtet hat es<br />
der Architekt Marcel Breuer (→1.8). Die Biografie<br />
des aus dem ungarischen Pécs stammenden<br />
Breuer ist bewegt. Ab 1920 studiert<br />
er an der Wiener Akademie der Bildenden<br />
Künste, wechselt jedoch im selben Jahr an<br />
das Bauhaus <strong>in</strong> Weimar und legt dort 1924<br />
se<strong>in</strong>e Gesellenprüfung ab. 1925 ernennt ihn<br />
Walter Gropius (→3.4) zum Jungmeister und<br />
Leiter der Möbelwerkstatt des mittlerweile<br />
nach Dessau umgezogenen Bauhauses, wo<br />
er bis 1928 tätig ist. Danach eröffnet Breuer<br />
202<br />
<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> se<strong>in</strong> eigenes Architekturbüro, das er<br />
bis 1933 betreibt. Er verlässt Deutschland<br />
aufgrund se<strong>in</strong>er jüdischen Herkunft <strong>in</strong> Richtung<br />
Budapest und lebt dort bis 1935. Dann<br />
siedelt er nach London über, wo er ebenfalls<br />
als Architekt wirkt. Zwei <strong>Jahre</strong> später geht er<br />
auf E<strong>in</strong>ladung von Gropius <strong>in</strong> die USA, um bis<br />
1941 <strong>in</strong> dessen Architekturbüro zu arbeiten.<br />
Anschließend macht er sich wieder selbstständig<br />
und avanciert nach Kriegsende zum<br />
gefragten Architekten im Bereich des Wohnhausbaus.<br />
In den 1950er <strong>Jahre</strong>n folgen bedeutende<br />
Großaufträge <strong>in</strong> den USA und <strong>in</strong><br />
Europa.<br />
Den Auftrag für Limburg erhält Breuer<br />
durch Raymond Sackler, e<strong>in</strong>en Mediz<strong>in</strong>er, der<br />
1952 zusammen mit se<strong>in</strong>em Bruder das amerikanische<br />
Arzneimittelunternehmen Purdue<br />
Pharma kauft und mit dem Medikament<br />
Oxycont<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es der umsatzstärksten Produkte<br />
der US-amerikanischen Pharma<strong>in</strong>dus trie<br />
herstellt. 1967 gründen die beiden Brüder <strong>in</strong><br />
Frankfurt die Mundipharma GmbH, die 1975<br />
<strong>in</strong> das fertiggestellte Werk <strong>in</strong> Limburg an der<br />
Lahn umzieht. Wie e<strong>in</strong> Brief von 1972 bezeugt,<br />
s<strong>in</strong>d Breuer und Sackler mite<strong>in</strong>ander<br />
befreundet, was die Direktbeauftragung erklärt.1<br />
Die beiden verb<strong>in</strong>det nicht nur ihr geme<strong>in</strong>samer<br />
jüdischer Migrationsh<strong>in</strong>tergrund,<br />
sondern auch die Aff<strong>in</strong>ität zur Kunst. Im Lauf<br />
se<strong>in</strong>es Lebens tritt Sackler mehrfach als Mäzen<br />
auf.<br />
Die ersten Entwurfszeichnungen für Mundi<br />
pharma datieren aus dem Jahr 1973. Auf<br />
e<strong>in</strong>er Grundfläche von 90 × 45 m entsteht<br />
e<strong>in</strong> zweigeschossiges Firmengebäude zusammen<br />
mit e<strong>in</strong>er quer dazu angeordneten<br />
Energiezentrale <strong>in</strong> unmittelbarer Nähe. Der<br />
Haupt bau ruht auf e<strong>in</strong>em niedrigen Sockelgeschoss,<br />
das leicht zurückspr<strong>in</strong>gt und durch<br />
e<strong>in</strong>e künstlich aufgeschüttete Böschung verdunkelt<br />
wird. Lediglich die Zugänge s<strong>in</strong>d orthogonal<br />
aus den Böschungen herausgezogen<br />
und mit Naturste<strong>in</strong>mauern akzentuiert.
Produktionsstätte<br />
203
Firmensitz<br />
1. Obergeschoss<br />
1 Sitzungssaal 2 Lichthof 3 Vortragssaal 4 Garderobe<br />
5 Personalabteilung 6 Pensionskasse 7 Kalkulation<br />
8 Betriebsabteilung 9 Tresor 10 Säureabteilung<br />
11 E<strong>in</strong>kauf 12 Diener<br />
Erdgeschoss<br />
13 Patentabteilung 14 Lichthof 15 Ausstellungshalle<br />
16 Krankenkasse 17 Lohnabteilung 18 Hauptkasse 19 Tresor<br />
20 Spedition 21 Statistik 22 Akkordabteilung 23 Personalabteilung<br />
24 Rechnungsabteilung 25 Revisionsabteilung<br />
20 m<br />
Fenstern. Im oberen, leicht zurückgesetzten<br />
Stockwerk schmücken breite parabelförmige<br />
Fenster den Bau.<br />
Die eher schlicht gehaltene E<strong>in</strong>gangssituation<br />
des dom<strong>in</strong>ierenden Mittelbaus führt <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong> Foyer, von dem aus man <strong>in</strong> den zentralen<br />
Lichthof gelangt. Dessen überwältigendes<br />
Far benspiel beschreibt der Journalist und<br />
Schriftsteller Paul Joseph Cremers: »Aus niedrig<br />
geführten, dunklen Durchgängen kommt<br />
man <strong>in</strong> diese Halle und wird von dem Rausch<br />
dieser fast erdentbundenen, fast schwebenden<br />
Kräfte <strong>in</strong> die Höhe gerissen. Mit den Farben<br />
des Farbkreises, vom tiefsten Melos <strong>in</strong><br />
Blau-Grün-Violett bis zum Fanfaren-Gelb geschmückt,<br />
steigt die ›gefrorene Musik‹ dieser<br />
Architektur, kühner als jedes Mauerwerk<br />
der Kathedralen empor. […] Man kann auf<br />
die Konstruktion dieser aus überwältigender<br />
Massivität sich mehr und mehr verjüngenden<br />
Stalaktiten-Pfeiler verweisen, auf die schillernde<br />
Gliederung ihres Schaftmassivs an<br />
sich, auf die Metaphysik der Far ben klänge.«1<br />
Der Lichte<strong>in</strong>fall durch die vieleckig gebrochenen<br />
Lichtkuppeln ver leiht dem Innenraum<br />
e<strong>in</strong>e feierliche Stim mung. Die verwendeten<br />
leuchtenden Farben und die vielseitig<br />
e<strong>in</strong>gesetzten scharfkanti gen Motive visualisieren<br />
das Kerngeschäft des Unternehmens:<br />
Se<strong>in</strong> Produktionsschwerpunkt liegt auf der<br />
Herstellung von Farben; die Kristallmotive<br />
<strong>in</strong> Fenstern, Mosaiken und Lampen s<strong>in</strong>d von<br />
der kristall<strong>in</strong>en Form des Penicill<strong>in</strong>-Natriums<br />
abgeleitet, dem Bestandteil e<strong>in</strong>es weiteren<br />
220<br />
Zentraler Lichthof →
Firmensitz
Firmensitz<br />
8.3<br />
Hans Poelzig<br />
Verwaltungsgebäude der<br />
I. G. Farben<strong>in</strong>dustrie AG<br />
Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, 1928–31<br />
Anfang der 1930er <strong>Jahre</strong> besucht der Architekt<br />
Hans Josef Zechl<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e der viel beachteten<br />
Siedlungen des Neuen Frankfurt (→ 3.3).<br />
Auf dieser Reise macht er e<strong>in</strong>e bemerkenswerte<br />
Entdeckung: »Als der Schreiber dieser<br />
Zeilen vor etwa <strong>Jahre</strong>sfrist von der Siedlung<br />
Römerstadt nach Frankfurt h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>fuhr,<br />
bannte ihn der Anblick e<strong>in</strong>er breiten Hauswand,<br />
die kaum gegliedert über den Bäumen<br />
e<strong>in</strong>es alten Parkes auftauchte. Nach dem kritischen<br />
Wandel zwischen schlichten Siedlungsbauten<br />
übte dieser hohe Bau durch<br />
se<strong>in</strong>e Persönlichkeit e<strong>in</strong>e Wirkung aus, wie<br />
man sie an zeitgenössischen Werken ganz<br />
selten erlebt. Doch da man wußte, daß die<br />
alte Stadt am Ma<strong>in</strong> nicht Rom ist, suchten<br />
die Gedanken im Er<strong>in</strong>nern an das neue und<br />
das neueste Frankfurt, und fanden: es kann<br />
nur Poelzigs I. G. Farben-Bau se<strong>in</strong>.«1<br />
Aufgang zum Wirtschaftsgebäude (Kas<strong>in</strong>o)<br />
Mit se<strong>in</strong>er raumgreifenden baulichen Inszenierung<br />
gel<strong>in</strong>gt es dem Architekten Hans<br />
Poelzig, den ausgeprägten Repräsentationswillen<br />
der 1925 gegründeten I. G. Farben<strong>in</strong>dustrie<br />
AG zu befriedigen. Der mult<strong>in</strong>ational<br />
agierende Konzern war aus e<strong>in</strong>em<br />
Zusammenschluss von acht führenden deutschen<br />
Chemiefirmen hervorgegangen, darunter<br />
die Actien-Gesellschaft für Anil<strong>in</strong>-<br />
Fabrication (Agfa), die Badische Anil<strong>in</strong>- &<br />
Soda-Fabrik (BASF), die Bayer AG und die<br />
Farbwerke Hoechst AG (→ 8.2). Auch die Stadt<br />
Frankfurt am Ma<strong>in</strong> hat Interesse, mit dem<br />
Bürokomplex e<strong>in</strong>en städtebaulichen Akzent<br />
zu setzen, und bietet der I. G. Farben daher<br />
e<strong>in</strong> Grundstück auf dem Grüneburggelände<br />
im West end zum Kauf an. Poelzigs nach neuesten<br />
Standards organisierter Verwaltungskomplex<br />
am zentralen und verkehrsgünstigen<br />
Knoten punkt Frankfurt wird zum Domizil<br />
mehre rer Hauptverwaltungen mit <strong>in</strong>sgesamt<br />
rund 2.000 Angestellten. E<strong>in</strong>drucksvoll artikuliert<br />
dieser »Palast des Geldes«2, so Theodor<br />
Heuss 1929, den Geltungsanspruch des<br />
europaweit größten Industrieunternehmens.<br />
Anfangs herrscht nicht nur Une<strong>in</strong>igkeit<br />
über den Standort, sondern auch über die architektonische<br />
Ausführung des Gebäudes.<br />
Die Vorbereitungen für e<strong>in</strong>en bereits geplanten<br />
Bau werden abgebrochen. Nach langen<br />
Diskussionen fällt der Vorstandsvorsitzende<br />
Carl Bosch die Entscheidung, e<strong>in</strong>en geladenen<br />
Wettbewerb für Architekten von <strong>in</strong>ternationalem<br />
Renommee auszuloben. Paul Bonatz<br />
(→ 4.5, 5.4, 7.2), Fritz Höger, Jacob Koerfer,<br />
Hans Poelzig, Ernst May (→ 1.6, 3.3, 10.4, 17.1)<br />
und Mart<strong>in</strong> Elsaesser (→ 9.3, 16.5, 17.1, 18.6) sowie<br />
auch firmeneigene Planer reichen ihre<br />
Entwürfe e<strong>in</strong>. Die Entscheidung fällt auf Poelzig.<br />
Von 1928 bis 1931 realisiert dieser den<br />
langgestreckten, leicht konvex geschwungenen<br />
Hauptbau mit sechs radial angeordneten,<br />
kammartig abstehenden Querflügeln sowie<br />
226<br />
Wirtschaftsgebäude (Kas<strong>in</strong>o) →
Firmensitz<br />
227
Handelsstätte<br />
9.3<br />
Mart<strong>in</strong> Elsaesser<br />
Großmarkthalle<br />
Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, 1926–28<br />
Zur Eröffnung der neuen Großmarkthalle am<br />
25. Oktober 1928 wünscht Oberbürgermeister<br />
Ludwig Landmann, der politische Initiator<br />
des Neuen Frankfurt: »Mag gutes Gel<strong>in</strong>gen<br />
dem bewegten Treiben <strong>in</strong> den hochgewölbten<br />
Hallen immerdar beschieden se<strong>in</strong>!«.1 Mit<br />
e<strong>in</strong>em Volumen von 15 Millionen Reichsmark<br />
handelt es sich um e<strong>in</strong>es der teuersten städtischen<br />
Bauprojekte seit Jahrzehnten. Von der<br />
gewaltigen Anlage am Ma<strong>in</strong>ufer fasz<strong>in</strong>iert,<br />
meldet sich auch der Kunsthistoriker Fritz<br />
Wichert zu Wort – Gründungsdirektor der<br />
1923 eröffneten Frankfurter Kunstschule, an<br />
der unter anderem Paul Renner, Christian<br />
Dell und Adolf Meyer unterrichten. Wichert<br />
erklärt: »Im Ausdruck der Gesamtform, wie<br />
sie sich Raum schafft und gewaltig empordehnt,<br />
liegt das tierhaft Urmäßige, das die<br />
Bauten des Zeitalters der Technik, der Truste<br />
und der kollektivistischen Gesellschaftsentwickelung<br />
so seltsam von den Schöpfungen<br />
höfischer oder bürgerlicher Architektur unterscheidet.«2<br />
Alle<strong>in</strong> die Dimensionen des<br />
von Mart<strong>in</strong> Elsaesser (→ 16.5, 17.1, 18.6) entworfenen<br />
Bauwerks bee<strong>in</strong>drucken. Die 220 m<br />
lange und 50 m breite Großmarkthalle ist damals<br />
der größte stützenfreie Raum Europas.<br />
In funktionaler Gliederung schließen sich<br />
zu beiden Seiten, die Halle überragend, Kopfbauten<br />
an: im Westen die siebengeschossige<br />
Marktverwaltung, im Osten das Kühlhaus mit<br />
e<strong>in</strong>er Lagerfläche von 3.000 m2. E<strong>in</strong> Restaurant,<br />
e<strong>in</strong>e Sparkassenfiliale, die Güterabfertigung<br />
und 25 Wohnungen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>e-<br />
ren Flügelbauten untergebracht. Weiträumige<br />
Lade flächen für Handkarren, Pferdefuhrwerke<br />
und Lastautos sowie e<strong>in</strong>e südlich platzierte<br />
überdachte Bahnanlage3 flankieren den<br />
neuen Umschlagplatz für Obst, Gemüse und<br />
andere landwirtschaftliche Produkte. Auf der<br />
gegenüberliegenden Seite der Gleise bef<strong>in</strong>det<br />
sich e<strong>in</strong>e flachere Importhalle, die über zwei<br />
Brücken und e<strong>in</strong>en Tunnel mit der Haupthalle<br />
252
Handelsstätte<br />
verbunden ist. Hier werden Obst und Südfrüchte,<br />
Gemüse und Geflügel aus Österreich,<br />
der Schweiz, Frankreich, Italien, den Niederlanden,<br />
Dänemark, Schweden, F<strong>in</strong>nland, Ungarn<br />
und den Balkanstaaten angeliefert. Frankfurts<br />
zentrale Lage <strong>in</strong> Deutschland macht die<br />
Stadt zu e<strong>in</strong>em bedeutenden Handelsplatz<br />
für das gesamte Land, wobei die kaufkräftige<br />
Rhe<strong>in</strong>-Ma<strong>in</strong>-Region den Standort noch attraktiver<br />
ersche<strong>in</strong>en lässt.<br />
Wichert lobt nicht nur die funktionale<br />
und zugleich expressive Durchgestaltung<br />
der Groß markthalle, sondern auch deren positive<br />
städtebauliche Wirkung. Indem sie die<br />
Horizontale betone und so die ordnende<br />
Wirkung des nahen Flussufers und der Wasseroberfläche<br />
des Ma<strong>in</strong>s verstärke, setze sie<br />
<strong>in</strong> ihrem architektonisch verworrenen Umfeld<br />
e<strong>in</strong>e wirksame Dom<strong>in</strong>ante: »Mit Zaghaftigkeit<br />
wäre hier kaum etwas ausgerichtet<br />
worden. Die b<strong>in</strong>denden, beherrschenden,<br />
beruhigenden L<strong>in</strong>ien mußten gewaltig se<strong>in</strong>,<br />
um wirklich b<strong>in</strong>den und beherrschen zu können.<br />
Und auch von der Masse des Hauptkörpers<br />
war diese beherrschende Wucht gefordert.«4<br />
Elsaessers Markthalle <strong>in</strong> Eisenbetonkonstruktion<br />
besticht durch ihre schöne Backste<strong>in</strong>haut<br />
und durch den von immensen Fensterflächen<br />
gut belichteten, be<strong>in</strong>ahe sakralen Innenraum.<br />
Nicht umsonst setzt sich bei der Bevölkerung<br />
schnell das Attribut ›Gemieskersch‹<br />
253
Schule<br />
10.3<br />
He<strong>in</strong>rich Tessenow<br />
Malwida-von-Meysenbug-<br />
Schule<br />
Kassel, 1927–30<br />
278<br />
Manche Häuser dürfen nicht se<strong>in</strong>, wofür sie<br />
gebaut s<strong>in</strong>d: Die Malwida-von-Meysenbug<br />
Schule <strong>in</strong> Kassel wird 1930 als Mädchen lyzeum<br />
eröffnet, die Namensgeber<strong>in</strong> ist ge bürtige<br />
Kasseler<strong>in</strong> und Symbolfigur des Femi nismus.<br />
In direkter Nachbarschaft zur Monumentalachse<br />
der Wilhelmshöher Allee gelegen,<br />
ist das Schulhaus während der Weimarer<br />
Republik allgeme<strong>in</strong> bekannt. Für die<br />
NS-Machthaber und Gegner höherer Mädchenbildung<br />
Grund genug, e<strong>in</strong>e Umbenennung<br />
vorzunehmen: Seit 1940 trägt es den<br />
Namen des Renaissancekomponisten He<strong>in</strong>rich<br />
Schütz.<br />
Der Schule geht 1927 e<strong>in</strong> viel beachteter<br />
Wettbewerb voraus, an dem sich mit Paul<br />
Bonatz (→ 4.5, 5.4, 7.2), German Bestelmeyer<br />
und He<strong>in</strong>rich Tessenow bekannte Hoch schullehrer<br />
und Architekten beteiligten. Das Bauprogramm<br />
steht im Kontext der städtebaulichen<br />
Entwicklungspolitik für das so genannte<br />
›Groß Kassel‹ und damit e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>en<br />
Tendenz zur Expansion, E<strong>in</strong>geme<strong>in</strong>dung<br />
und verkehrstechnischen Neuordnung der<br />
Städte <strong>in</strong> der Weimarer Republik. Beispielhaft<br />
treiben Hamburg, Berl<strong>in</strong> und Dresden<br />
diese Entwicklung mit der E<strong>in</strong>richtung von<br />
Großschulen voran. In der Jury ist mit Fritz<br />
Höger e<strong>in</strong> Experte geladen, der als Architekt<br />
mehrerer Hamburger Schulgebäude an dieser<br />
Stelle besondere Erfahrung e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gt. Die<br />
Stadt stellt e<strong>in</strong> prom<strong>in</strong>entes Grundstück zur<br />
Verfügung: Am westlichen Ende e<strong>in</strong>er neuen,<br />
axial auf das Herkulesmonument ausgerichteten<br />
Grünanlage soll das Schulgebäude e<strong>in</strong>en<br />
dom<strong>in</strong>anten Abschluss bilden und so<br />
e<strong>in</strong>en effektvollen Übergang zwischen dem<br />
Berg park und der Kasseler Innenstadt schaffen.<br />
Die städtebauliche Motivation der kommu<br />
nalen Schulplanung tritt hier bereits deutlich<br />
zutage.<br />
Tessenow legt für dieses ehrgeizige Projekt<br />
den mit Abstand progressivsten Entwurf<br />
vor, der mit e<strong>in</strong>er perspektivischen Abfolge<br />
höhengestaffelter und flachgedeckter Baukörper<br />
klug auf die Topografie reagiert.1<br />
Trotz des nicht vergebenen ersten Preises<br />
erhält er den Auftrag. Den unregelmäßig geschnittenen<br />
Bauplatz zwischen zwei Straßen<br />
lehnt er allerd<strong>in</strong>gs selbstbewusst ab. Der<br />
Charlottenburger Hochschullehrer kann zu<br />
diesem Zeitpunkt auf e<strong>in</strong>ige Erfahrung <strong>in</strong> Sachen<br />
Großschulbau verweisen: Kurz zuvor<br />
war se<strong>in</strong>e streng axialsymmetrisch aufgebaute<br />
Internatsschule <strong>in</strong> Dresden-Klotzsche eröffnet<br />
worden.2 Für das Kasseler Projekt erwirkt<br />
Tessenow e<strong>in</strong>e direkte Nachbarschaft<br />
von Schulgrundstück und Parkanlage.3 Statt<br />
der ursprünglich geplanten Anlage, die mit<br />
langen Trakten e<strong>in</strong>en großen Pausenhof umstanden<br />
hätte, entsteht ab 1928 e<strong>in</strong> kompakter<br />
rechteckiger Block mit Lichthof. Im Westen<br />
schließt die große Aula mit Bühne und<br />
Empore, im Süden die Doppelturnhalle auf
Schule<br />
279
Schule<br />
B-Gebäude<br />
10.6<br />
Max Taut<br />
Ludwig-Georgs-Gymnasium<br />
Darmstadt, 1953–55<br />
Im Jahr 1951 nimmt Max Taut (→ 6.3) als ›Meisterarchitekt‹<br />
(→ 2.6, 18.8) an der Darmstädter<br />
Ausstellung Mensch und Raum teil. Se<strong>in</strong>e Entwurfsaufgabe<br />
für die im Zweiten Weltkrieg<br />
stark zerstörte Darmstädter Innenstadt ist e<strong>in</strong><br />
18-klassiges Gymnasium mit Aula für 600 Personen.<br />
Beim Ludwig-Georgs-Gymnasium handelt<br />
es sich um e<strong>in</strong>e der bekanntesten Schulen<br />
der Stadt, deren Geschichte bis <strong>in</strong>s 17. Jahrhundert<br />
zurückreicht.1 Der knapp 70-jährige<br />
Architekt ist zu diesem Zeitpunkt geschätzter<br />
Dekan der Bau- und Architekturschule an der<br />
Hochschule für Bildende Künste <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>.2<br />
Als erfahrenen Architekten gleich mehrerer<br />
Großschulen der Weimarer Republik und als<br />
288<br />
jemanden, der das Neue Bauen der 1920er<br />
und 1930er <strong>Jahre</strong> <strong>in</strong> Deutschland hautnah erlebt<br />
und aktiv mitgestaltet hatte, bittet man<br />
Taut <strong>in</strong> Darmstadt um e<strong>in</strong>en Beitrag zu den<br />
dort vorgesehenen ›Meisterbauten‹.<br />
Die Planung dieser Darmstädter Schule<br />
liest sich – wie die des ›Meisterarchitekten‹-<br />
Kollegen Hans Schwippert (→ 10.7) – als e<strong>in</strong>e<br />
Geschichte unklarer Prämissen und schmerzhafter<br />
Kompromisse. Während Schwippert <strong>in</strong><br />
Darmstadt e<strong>in</strong>en herkömmlichen Geschossbau<br />
präsentiert und schließlich e<strong>in</strong>e der größten<br />
e<strong>in</strong>geschossigen Pavillonschulen des Jahrzehnts<br />
baut, entwirft Taut e<strong>in</strong>e Freiluftschule,<br />
deren Pavillons mangels Baugrunds auf drei<br />
Geschossen gestapelt s<strong>in</strong>d. Taut greift die<br />
Idee der Openluchtschool von Johannes Duiker<br />
<strong>in</strong> Amsterdam auf und will das Thema<br />
Freiluftschule für e<strong>in</strong> knappes städtisches<br />
Grundstück nutzbar machen. Der Entwurf ist<br />
als Versuch zu lesen, der anhaltenden Kritik<br />
an dieser Bauweise e<strong>in</strong>e pragmatische Lösung<br />
entgegenzustellen. Von Seiten der Darm städ
ter Bauverwaltung heißt es bald, Tauts Entwurf<br />
sei zu teuer, enthalte zu viel Glas, berücksichtige<br />
das Darmstädter Klima nicht.3<br />
Den Bauauftrag hat er kurz darauf trotzdem<br />
<strong>in</strong> der Tasche. Was folgt, ist e<strong>in</strong> zweijähriges<br />
Anpassen an sich verändernde Grundstücksvorgaben<br />
und Kostenrahmen. Schließlich<br />
kann die Schule ab 1953 gebaut werden, Erstentwurf<br />
und Ausführungsplanung haben da<br />
schon fast nichts mehr mite<strong>in</strong>ander geme<strong>in</strong>.<br />
Taut verarbeitet diese Erfahrung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Reihe<br />
von Texten, <strong>in</strong> denen er se<strong>in</strong>e Vorstellungen<br />
erläutert.4 Der tatsächlich realisierte Neubau<br />
des Gymnasiums ist im Worts<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>e<br />
Errungenschaft.<br />
Die Architektur der Schule vere<strong>in</strong>t die Erfahrung<br />
des Neuen Bauens mit zeitgenössischen<br />
Reformtendenzen. Drei klare Baukörper,<br />
flach gedeckt und <strong>in</strong> der Höhe gestaffelt,<br />
stehen auf e<strong>in</strong>em leicht abschüssigen Gelände<br />
an der Nieder-Ramstädter Straße. Zusammen<br />
umschließen sie e<strong>in</strong>en großen Hof.<br />
Das viergeschossige Haupt gebäude (A) an der<br />
Schule<br />
höchsten Stelle des Grundstücks bildet mit<br />
se<strong>in</strong>er Dachterrasse e<strong>in</strong>e städtebauliche Dom<strong>in</strong>ante.<br />
Der zweigeschossige Flachbau für<br />
die Jüngeren (B) ist e<strong>in</strong>e Freiluftschule <strong>in</strong><br />
kompakter Form: Jedem Klassenraum wird<br />
auf demselben Geschoss e<strong>in</strong> überdachter<br />
Freibereich zugeordnet, die großen Fensterflächen<br />
ermöglichen den Blick <strong>in</strong>s Grüne.<br />
Zwischen den beiden Unterrichtstrakten vermittelt<br />
e<strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dungsbau mit <strong>in</strong>tegrierter<br />
Pausenhalle (C). Die Halle öffnet sich als<br />
Stoa zum Hof und schottet das Schulgelände<br />
zugleich zur Straße h<strong>in</strong> ab. Es entsteht e<strong>in</strong><br />
kle<strong>in</strong>er Schulplatz – e<strong>in</strong>e begrünte und zum<br />
Aufenthalt e<strong>in</strong>ladende Agora. Das alles ist<br />
bewusst komponiert und mit Anspielungen<br />
auf die antike Stadt an den humanistischen<br />
Anspruch der Schule angepasst. Den Pausenhof<br />
öffnet Taut zum angrenzenden kle<strong>in</strong>en<br />
Park rund um die kriegszerstörte ehemalige<br />
Stadtkapelle. Schon se<strong>in</strong> Modell zum<br />
Ausführungsentwurf zeigt mit durchgängigem<br />
Baumbewuchs <strong>in</strong> Schulhof und Park die<br />
Idee e<strong>in</strong>er ›Schule im Grünen‹, wie sie sich<br />
damals <strong>in</strong> den Aufbauplanungen zahlreicher<br />
deutscher Städte wiederf<strong>in</strong>det.5 In Verlängerung<br />
der Pausenhalle nach Süden folgt die<br />
Aula (D), deren halbrunder Abschluss ähnlich<br />
motiviert ist: die Schule im Stadtraum zu<br />
verankern und den Schülern zugleich e<strong>in</strong>en<br />
289
Schule<br />
10.4<br />
Ernst May, Albert Loecher<br />
Friedrich-Ebert-Schule<br />
Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, 1929/30<br />
Kaum e<strong>in</strong>e Schule hat im 20. Jahrhundert e<strong>in</strong>e ähnlich<br />
breite und <strong>in</strong>ternationale Aufmerksamkeit erfahren<br />
wie die Friedrich-Ebert-Schule. Das Schulhaus<br />
für die Siedlung am Bornheimer Hang ist Teil<br />
des Neuen Frankfurt, dessen Chefplaner Ernst May<br />
(→ 1.6, 3.3, 17.1) hier zusammen mit Albert Loecher<br />
se<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Schule <strong>in</strong> Frankfurt realisiert. Architektur<br />
und Gebrauch stehen zunächst im E<strong>in</strong>klang –<br />
1930 bezieht e<strong>in</strong>e koedukative Reformschule das<br />
Gebäude.<br />
Mays Ziel ist, mit dem Bornheimer Projekt e<strong>in</strong>en<br />
neuen Schulbautyp zu etablieren: die gegliederte<br />
städtische Pavillonschule. Schon zwei <strong>Jahre</strong> vor der<br />
Fertigstellung wird e<strong>in</strong> Schema des Gebäudes 1928<br />
auf dem Titel von Heft 12 der Zeitschrift Das Neue<br />
Frankfurt gezeigt. 1932 ist die Schule auf der Ausstellung<br />
Modern Architecture – International Exhibition<br />
im Museum of Modern Art <strong>in</strong> New York zu sehen.1<br />
Die klare Gliederung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en mehrgeschossigen<br />
Verwaltungstrakt mit Turn- und Festhalle und e<strong>in</strong>en<br />
im rechten W<strong>in</strong>kel anschließenden Verb<strong>in</strong>dungsgang,<br />
der zu den h<strong>in</strong>tere<strong>in</strong>andergereihten e<strong>in</strong>geschossigen<br />
Pavillonzeilen führt, stellt e<strong>in</strong>e radikale<br />
Abkehr vom städtischen Geschossbau dar. Die konsequente<br />
Ausformung als Freiflächenschule ist May<br />
e<strong>in</strong> wichtiges Anliegen: Alle vier Klassenräume e<strong>in</strong>es<br />
Pavillons öffnen sich auf e<strong>in</strong>e eigene Rasenfläche<br />
für den Unterricht im Freien. Die Möblierung ist<br />
flexibel, Stühle und e<strong>in</strong>zelne Tische können mit<br />
nach draußen genommen werden.<br />
›Licht, Luft und Sonne für alle‹ ist das zentrale<br />
Motiv dieser Schularchitektur, die sich damit <strong>in</strong> die<br />
übergeordnete Idee des Neuen Bauens e<strong>in</strong>fügt. Die<br />
quadratischen Klassenräume (7,50 × 7,50 m) für 35<br />
K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d nach Osten ausgerichtet. Bodentief verglaste<br />
Schiebefenster lassen e<strong>in</strong>e fast vollständige<br />
Öffnung der Räume zu, e<strong>in</strong> Oberlicht auf der Flurseite<br />
sorgt für zusätzlichen Tageslichte<strong>in</strong>fall.<br />
May erreicht, was er will: Die <strong>in</strong>ternationale <strong>Moderne</strong><br />
sieht <strong>in</strong> der Bornheimer Schule bald e<strong>in</strong> Referenzprojekt.2<br />
In Folge werden weltweit tageslichthelle,<br />
leicht erweiterbare und brandschutzkompatible<br />
kammförmige Schultypen gebaut. K. R.<br />
1 Vgl. Renz 2017, S. 79 2 Vgl. ebd., S. 62–72<br />
Literatur<br />
Ernst May (1928): Die neue Schule. In: Das Neue Frankfurt 2.<br />
S. 225–232; Kerst<strong>in</strong> Renz (2017): Testfall der <strong>Moderne</strong>. Diskurs und<br />
Transfer im Schulbau der 1950er <strong>Jahre</strong>. Tüb<strong>in</strong>gen, Berl<strong>in</strong>. S. 44/45,<br />
79/80; Heike Risse (1984): Frühe <strong>Moderne</strong> <strong>in</strong> Frankfurt am Ma<strong>in</strong><br />
1920–1933. Frankfurt a. M. S. 47–49.<br />
294
Schule<br />
10.7<br />
Hans Schwippert<br />
Georg-Büchner-Schule<br />
Darmstadt, 1958–60<br />
Hans Schwipperts Entwurf zur Georg-Büchner-<br />
Schule ist Teil des Darmstädter Meisterbauprojekts<br />
(→ 2.6, 10.6, 18.8) von 1951. Anlässlich des 50-jährigen<br />
Jubiläums der ersten Darmstädter Künstlerkolonie-<br />
Ausstellung (→ 1.2, 7.1) sollen für die zeitgenössischen<br />
Verhältnisse vorbildliche öffentliche Bauten<br />
entstehen. Zu den pädagogischen Grundsätzen se<strong>in</strong>es<br />
Entwurfs äußert Schwippert, »das Wesentliche<br />
am Gymnasium sche<strong>in</strong>t mir zu se<strong>in</strong>, daß dort eigentlich<br />
<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er letzten Form, die wir heute noch<br />
haben, e<strong>in</strong>e geschlossene, musische, neunjährige<br />
Geme<strong>in</strong>schaftsarbeit vorliegt. Es s<strong>in</strong>d dort auf neun<br />
<strong>Jahre</strong> junge Menschen zusammen, um ohne Nutzendenken<br />
recht eigentlich der Bildung des Menschen<br />
zu leben.«1 Zwischen Entwurf und Ausführung<br />
der Schule liegen fast zehn <strong>Jahre</strong>, die e<strong>in</strong>e bee<strong>in</strong>druckende<br />
Anpassungsfähigkeit seitens des Architekten<br />
beweisen. Nach mehrfachem Um disponieren<br />
von Bauplatz und Baukörper – Schwippert<br />
setzt sich anfangs vehement für e<strong>in</strong>en Geschossbau<br />
e<strong>in</strong> – wird die Schule schließlich als Pavillonschule<br />
südlich des Alten Friedhofs <strong>in</strong>mitten e<strong>in</strong>es bevorzugten<br />
und durchgrünten Wohngebiets gebaut.<br />
Das Luftbild ist die beste Darstellungsform für<br />
diesen großflächigen Bau, dessen e<strong>in</strong>fache Struktur<br />
sich von der Straße aus nicht unmittelbar erschließt:<br />
In vier h<strong>in</strong>tere<strong>in</strong>andergereihten Pavillonzeilen s<strong>in</strong>d<br />
die normalen Klassenräume untergebracht, der<br />
fünfte Pavillon im Osten bietet als offene Halle an<br />
der großen Pausenfläche Schutz vor Regen. E<strong>in</strong><br />
zweigeschossiger Riegelbau für Empfang, Verwaltung<br />
und Unterrichtsräume schließt nach Westen<br />
ab, die Turnhalle po<strong>in</strong>tiert und rahmt den Pausenplatz.<br />
Drei Verb<strong>in</strong>dungsgänge, die so genannten<br />
›Schulstraßen‹, erschließen die Pavillonzeilen <strong>in</strong><br />
West-Ost-Richtung. Dadurch ergibt sich e<strong>in</strong>e Gitterstruktur<br />
mit zehn geschlossenen, begrünten Höfen<br />
vor den Klassenräumen, die sich zu Pausen- wie<br />
Unterrichtszwecken nutzen lassen. Monotonie ist<br />
der Begleiter jeder Großstruktur. Schwippert wirkt<br />
im Inneren mit hochwertigen Materialien entgegen,<br />
setzt mit wechselnden Pultdachneigungen die Gänge<br />
und Pavillons gegene<strong>in</strong>ander, lässt Glas auf Sichtziegel,<br />
Beton auf Holz stoßen und erreicht e<strong>in</strong>en<br />
kontrastreichen Rhythmus der Architektur. K. R.<br />
1 Schwippert 1952, S. 173<br />
Literatur<br />
Gerda Breuer (Hg. 2010): Hans Schwippert 1899–1973. Moderation<br />
des Wiederaufbaus. Berl<strong>in</strong>. S. 298–305; Bärbel Herbig (2000): Die<br />
Darmstädter Meisterbauten. E<strong>in</strong> Beitrag zur Architektur der 50er<br />
<strong>Jahre</strong>. Darmstadt. S. 73–84; Dietrich Plehn (2010): Fünfzig <strong>Jahre</strong><br />
Georg-Büchner-Schule Darmstadt. Der letzte Meisterbau. Das Buch<br />
zum Bau. Darmstadt; Kerst<strong>in</strong> Renz (2017): Diskurs und Transfer im<br />
Schulbau der 1950er <strong>Jahre</strong>. Tüb<strong>in</strong>gen, Berl<strong>in</strong>. S. 116; Hans Schwippert<br />
(1952): Professor Dr.-Ing. Hans Schwippert zu se<strong>in</strong>em Entwurf für<br />
den Bau e<strong>in</strong>es Realgymnasiums an der Mornewegstraße <strong>in</strong> Darmstadt.<br />
In: Darmstädter Gespräch. Mensch und Raum. Hg. O. Bartn<strong>in</strong>g.<br />
Darmstadt. S. 173–181.<br />
295
Hochschule<br />
11.3<br />
Hubert Lütcke<br />
Jubiläumsbau der<br />
Universität Marburg<br />
Marburg, 1926/27<br />
1927 feiert die Universität Marburg ihr 400-<br />
jähriges Jubiläum. Zu diesem Anlass entstehen<br />
nicht nur zwei dr<strong>in</strong>gend benötigte Kl<strong>in</strong>iken<br />
(→ 18.4), sondern auch e<strong>in</strong> repräsentativer<br />
›Jubiläumsbau‹. Dessen Nutzung geht auf Ideen<br />
des 1913 berufenen Kunstgeschichtsprofessors<br />
Richard Hamann zurück, der sich vor allem<br />
für die Wechselwirkung zwischen Kunst<br />
und Gesellschaft <strong>in</strong>teressiert.1 Se<strong>in</strong> Sem<strong>in</strong>ar ist<br />
im Auditoriengebäude (→ 11.1) untergebracht,<br />
wo er auch e<strong>in</strong> Archiv mit den Fotografien<br />
se<strong>in</strong>er kunsthistorischen Exkursionen anlegt.<br />
Damit ist der Grundstock für das heutige Bildarchiv<br />
Foto Marburg geschaffen. Doch die<br />
Innenhof<br />
räumlichen Verhältnisse s<strong>in</strong>d äußerst beengt.<br />
Bereits 1919 entwickelt Hamann Pläne für e<strong>in</strong><br />
Kunst<strong>in</strong>stitut, das weit über akademische Zirkel<br />
h<strong>in</strong>aus <strong>in</strong> die Öffentlichkeit wirken soll.2<br />
Mit Blick auf das bevorstehende Jubiläum wendet<br />
er sich an die Universitätsleitung und unterbreitet<br />
Vorschläge für e<strong>in</strong>en neuen, eigenständigen<br />
Institutsbau. Se<strong>in</strong> Vorstoß ist erfolgreich:<br />
1924 stellt der Kurator der Universität,<br />
Ernst von Hülsen, Hamanns Konzept dem<br />
Marburger Universitätsbund vor. Vor allem die<br />
Verb<strong>in</strong>dung von Hochschule und Öffentlichkeit<br />
überzeugt. Das von Hamann vorgesehene<br />
Museum eröffnet zudem die Möglichkeit, die<br />
bedeutenden Sammlungen des Hessischen<br />
Geschichtsvere<strong>in</strong>s und des Altertumsvere<strong>in</strong>s<br />
angemessen auszustellen. Umgehend gründet<br />
der Universitätsbund e<strong>in</strong>en Arbeitsausschuss,<br />
dem es trotz der allgeme<strong>in</strong> prekären Wirtschaftslage<br />
gel<strong>in</strong>gt, ausreichend hohe öffentliche<br />
und private Spenden e<strong>in</strong>zuwerben.3 Die<br />
Stadt Marburg überlässt der Universität e<strong>in</strong> geeignetes<br />
Grundstück, das preußische F<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>isterium<br />
übernimmt die Betriebs- und Unterhaltskosten.<br />
Noch 1924 legt Max Sch<strong>in</strong>dowski, M<strong>in</strong>isterialrat<br />
<strong>in</strong> der Hochbauabteilung des F<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>isteriums,<br />
e<strong>in</strong>en ersten Entwurf für das Gebäude<br />
vor. Die Überarbeitung der Pläne und<br />
die Bauausführung überträgt man dem Regierungsbaumeister<br />
Hubert Lütcke. In nur 15-monatiger<br />
Bauzeit entsteht e<strong>in</strong>e nahezu quadratische,<br />
dreigeschossige Anlage mit vier Flügeln<br />
und e<strong>in</strong>em Innenhof von rund 24 × 28 m. Der<br />
Hauptflügel des Museums ist an die verkehrsreiche<br />
Biegenstraße im Westen gelegt, der<br />
Haupttrakt der Lehr<strong>in</strong>stitute nach Osten an die<br />
Lahnseite. Alle Fassaden s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> hellem Braungrau<br />
verputzt und vere<strong>in</strong>zelt mit Bauschmuck<br />
aus rotem Sandste<strong>in</strong> versehen. Der Kunsthistoriker<br />
Mart<strong>in</strong> Warnke merkt an: »Das hohe<br />
Dach erfüllt den Begriff des ›Hauses‹, der für<br />
Hamanns architekturgeschichtliche Deutungspraxis<br />
wichtig war, so wie die durch kräftige<br />
Rahmen akzentuierten Fenster ›bewohnbare<br />
Häuslichkeit‹ signalisieren sollen«4. Die repräsentative<br />
Westfassade zeigt im Erdgeschoss<br />
neun zusammengruppierte hochrecht eckige<br />
Öffnungen, im Obergeschoss <strong>in</strong> der Breite identische<br />
querrechteckige Fenster, die paarweise<br />
308<br />
Oste<strong>in</strong>gang →
Hochschule<br />
309
Bibliothek/Archiv<br />
336
Bibliothek/Archiv<br />
Ausstellungssaal<br />
bung im freien Leben, ehe man sie <strong>in</strong> den<br />
Lehrplan der Bildungsanstalten aufnimmt. Bis<br />
jetzt ist an solchen Gedanken nur der Zug zur<br />
Verne<strong>in</strong>ung des historisch gewordenen und<br />
e<strong>in</strong>e verzerrte Nachahmung der echten Reformbestrebungen<br />
älterer und maßvoller Vorgänger<br />
zu erkennen.«5 1931 war Nonn <strong>in</strong> die<br />
NSDAP e<strong>in</strong>getreten und Mitglied <strong>in</strong> dem 1928<br />
von Alfred Rosenberg gegründeten Kampfbund<br />
für deutsche Kultur geworden.<br />
Die Fassade des Marburger Archivgebäudes<br />
ist durch den Sockel und die sich vom<br />
hellen Putz abhebenden Fensterrahmungen<br />
aus rotweißem Sandste<strong>in</strong> klar strukturiert.<br />
Im Erdgeschoss des zum Platz h<strong>in</strong> ausgerichteten<br />
vorderen Baukörpers liegen die Räume<br />
der Archivverwaltung, im ersten Obergeschoss<br />
der Lesesaal für die Nutzer, e<strong>in</strong> Hörsaal<br />
und e<strong>in</strong> Sem<strong>in</strong>arraum, im zweiten Obergeschoss<br />
die Bibliothek. Das E<strong>in</strong>gangsportal<br />
führt durch e<strong>in</strong>en W<strong>in</strong>dfang zunächst <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>e bee<strong>in</strong>druckende marmorausgekleidete<br />
Treppen halle, von der aus die verschiedenen<br />
Bereiche des Gebäudes zugänglich s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong><br />
Deckenmosaik mit <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander verschlungenen<br />
goldenen Hakenkreuzen auf grauem<br />
Grund umrahmt das großflächige Oberlicht<br />
der Halle. Über dem Durchgang zum anschließenden<br />
Ausstellungsraum thront e<strong>in</strong>e<br />
Hitlerbüste von He<strong>in</strong>rich Jobst (→ 13.3, 14.5, 16.2,<br />
18.3), die heute durch e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>erva ersetzt<br />
ist. Der holzgetäfelte Ausstellungssaal dient<br />
der öffentlichen Propaganda, se<strong>in</strong> »Raume<strong>in</strong>druck<br />
wird bestimmt durch 16 <strong>in</strong> die Vertäfelung<br />
e<strong>in</strong>gelassene Gemälde der hessischen<br />
Landesfürsten, die mit der Geschichte<br />
des Marburger Archivs <strong>in</strong> engster Beziehung<br />
stehen. […] Von diesem Saal aus hat man e<strong>in</strong>en<br />
reizvollen Blick <strong>in</strong> den Innenhof, auf den<br />
Brunnen und das beherrschende Portal der<br />
Rückseite, das durch e<strong>in</strong>en Hoheitsadler bekrönt<br />
wird.«6 Über der Tür des Ausstellungsraums<br />
f<strong>in</strong>det sich das von den Nationalsozialisten<br />
<strong>in</strong> ähnlichen Kontexten häufiger programmatisch<br />
verwendete Hitler-Zitat »Ke<strong>in</strong><br />
Volk lebt länger als die Dokumen te se<strong>in</strong>er<br />
Kultur«.<br />
Der Vorderbau ist durch e<strong>in</strong>en als Feuerschleuse<br />
konzipierten Flur von den drei h<strong>in</strong>teren<br />
Magaz<strong>in</strong>flügeln getrennt. Diese umschließen<br />
den Innenhof, der wiederum der<br />
Belichtung der Archivräume dient. Je nach<br />
← Treppenhalle<br />
337
Denkmal<br />
Architekturen der Er<strong>in</strong>nerung:<br />
Zeitzeichen im Wandel der Zeiten<br />
Darlegungen zur Gattung Denkmal beg<strong>in</strong>nen gern mit dem H<strong>in</strong>weis auf<br />
Robert Musils Bonmot, das Auffallendste an diesen Objekten sei, dass man<br />
sie nicht bemerke: »Es gibt nichts auf der Welt, was so unsichtbar wäre wie<br />
Denkmäler.«1 Allerd<strong>in</strong>gs kl<strong>in</strong>gt das Schriftstellerwort wahrer, als es ist.<br />
Denn aller Skepsis zum Trotz machen sich überall auf der Welt materielle<br />
Zeugnisse des Er<strong>in</strong>nerns breit, die unübersehbar im menschlichen Blickfeld<br />
liegen. Unausweichlich drängen sie das zu Er<strong>in</strong>nernde denjenigen auf,<br />
die von dessen Er<strong>in</strong>nerungswürdigkeit überzeugt werden sollen. Schon zutreffender<br />
ist daher die Feststellung, dass, wie Johann Nestroy beobachtete,<br />
e<strong>in</strong> denkmalgewürdigter Mensch oder Anlass »viel größer ausschaut, als er<br />
wirklich ist«2. Überlebensgroß <strong>in</strong> Ste<strong>in</strong> gemeißelt oder <strong>in</strong> Bronze gegossen,<br />
aufgesockelt, um den Untenstehenden die Köpfe <strong>in</strong> die Nacken zu zw<strong>in</strong>gen,<br />
erhebt sich das für unsterblich Deklarierte über die Lebenswelt der gewöhnlichen<br />
Sterblichen.<br />
E<strong>in</strong> Denkmal will Ereignisse oder Personen, die <strong>in</strong> der Gegenwart für<br />
bedeutend erachtet werden, dauerhaft im kollektiven Gedächtnis verankern.<br />
Damit verkörpert es zugleich die gesellschaftlichen Bed<strong>in</strong>gungen, politischen<br />
Wertvorstellungen und ästhetischen Normen se<strong>in</strong>er Entstehungszeit,<br />
vor allem die sozialen Kräfteverhältnisse, die zu se<strong>in</strong>er Errichtung<br />
geführt haben. In ihm manifestieren sich nicht nur die als verehrenswert<br />
behaupteten Helden oder Geschehnisse, sondern auch die Art und Weise,<br />
wie über sie <strong>in</strong> Gegenwart und Zukunft gedacht werden soll.<br />
E<strong>in</strong> Denkmal ist e<strong>in</strong> künstlerisch gestalteter Ort, an dem e<strong>in</strong>e Interessengeme<strong>in</strong>schaft<br />
ihr Verständnis herausragender Individuen oder Ereignisse<br />
fixiert – e<strong>in</strong> Objekt, an dem sich e<strong>in</strong>e Gesellschaft über ihre historischen<br />
Maßstäbe verständigt. Doch bilden Denkmäler Vergangenheit nicht ab: Sie<br />
konstruieren sie. Sie prägen Er<strong>in</strong>nerungs<strong>in</strong>halte und bee<strong>in</strong>flussen das kollektive<br />
Bewusstse<strong>in</strong>. Indem sie ihre Aussagen nicht zur Diskussion stellen,<br />
sondern als alternativlose Werturteile formulieren, beanspruchen sie Endgültigkeit<br />
– anstatt zu denken zu geben, fordern sie auf zu akzeptieren.<br />
Insbesondere Ereignisse, bei denen Menschen zu Tode gekommen s<strong>in</strong>d,<br />
bedürfen solch nachträglicher Rechtfertigung: Individuelles oder kollektives<br />
Sterben muss durch Würdigung der Umstände, unter denen es stattgefunden<br />
hat, mit S<strong>in</strong>n ausgestattet werden. Zu den häufigsten Denkmälern<br />
gehören daher jene, die Kriege, deren militärische Repräsentanten oder<br />
deren Opfer thematisieren (→ 13.4, 13.5, 13.6). Zu unterscheiden ist dabei zwischen<br />
affirmativen Gedenkstätten, die kriegerische Leistungen oder Ereig<br />
1 Musil 1962, S. 62<br />
2 Nestroy 1926, IV, 10<br />
348
Denkmal<br />
3 Vgl. W<strong>in</strong>kler/Bergeijk<br />
2004, S. 29<br />
nisse positiv ersche<strong>in</strong>en lassen sollen, und mahnenden, von denen e<strong>in</strong><br />
›Nie-wieder!‹-Appell ausgeht.<br />
Entscheidend für Wirkung und Aussagekraft e<strong>in</strong>es Denkmals ist se<strong>in</strong><br />
Standort im öffentlichen Raum. Se<strong>in</strong>e Inszenierung <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Stadt<br />
oder Landschaft, die den Zugang regelt und für e<strong>in</strong>e ästhetische Bee<strong>in</strong>druckungskulisse<br />
sorgt, gehört daher zu den unerlässlichen Aufgaben jeder<br />
Denkmalkonzeption. In dieser H<strong>in</strong>sicht hat sich das 19. Jahrhundert besonders<br />
angestrengt.<br />
Er<strong>in</strong>nerungstechnische Großunterfangen sprießen nicht nur aus europäischem<br />
Kulturboden und gelten äußerst unterschiedlichen Tatbeständen:<br />
Das Albert von Sachsen-Coburg und Gotha gewidmete Albert Memorial<br />
(1864–75) <strong>in</strong> London rühmt e<strong>in</strong> hervorragendes Individuum und e<strong>in</strong>en<br />
geliebten Ehemann. E<strong>in</strong>en weniger beschaulichen Personenkult stiftet dagegen<br />
das Moskauer Len<strong>in</strong>mausoleum (1930) – jenes bunkerartige Bauwerk<br />
am Roten Platz, wo der Revolutionsheld, im Schneewittchensarg von<br />
L<strong>in</strong>de gekühlt, als Mumie <strong>in</strong> ewigem Kälteschlaf ruht. Seit Stal<strong>in</strong>s Zeiten ist<br />
es nicht nur Schauplatz e<strong>in</strong>er andauernden Selbst<strong>in</strong>szenierung des sowjetischen<br />
wie russischen Regimes, sondern auch Pilgerstätte und veränderungsresistente<br />
Touristenattraktion. Der ›W<strong>in</strong>d of Change‹ ist an diesen<br />
Granitplatten spurlos vorübergegangen. Andere großräumige Installationen<br />
wie beispielsweise das antike Größe beschwörende Monumento Nazionale<br />
a Vittorio Emanuele II (1885–1911) <strong>in</strong> Rom fungieren als Instrumente<br />
nationaler S<strong>in</strong>nstiftung (→ 13.1, 13.2). Wiederum andere widmen sich e<strong>in</strong>er<br />
politisch-philosophischen Idee, etwa die Statue of Liberty im Hafen von<br />
New York (1886), oder feiern e<strong>in</strong>en naturwissenschaftlichen Sachverhalt<br />
und dessen Beherrschung, so das Brüsseler Atomium (1958), Symbol des<br />
›Atomzeitalters‹ und der, selbstverständlich friedlichen, Nutzung der Kernenergie.<br />
Oft beziehen sich Denkmäler auch auf Opfergruppen politischer<br />
Prozesse, wie jene expressionistische Konstruktion, die Walter Gropius<br />
1922 <strong>in</strong> Weimar für die ›Märzgefallenen‹ des Kapp-Putsches konzipiert und<br />
die wie e<strong>in</strong> »Blitzstahl aus dem Grabesboden als Wahrzeichen des lebendigen<br />
Geistes«3 <strong>in</strong> den Raum ragt.<br />
Gerade auf dem Denkmalsektor ist Größenwahn Pflicht und Tugend.<br />
Um das menschliche Maß zu würdigen, wird dieses überstiegen – Heroisierung<br />
durch Überhöhung ist das traditionelle Geschäft des Denkmals. Dieser<br />
Hang zur Überlebensgröße zeigt sich am deutlichsten <strong>in</strong> den Bemühungen,<br />
komplette Landschaften <strong>in</strong> personalisierte Monumente zu verwandeln. Die<br />
Überlegungen dazu s<strong>in</strong>d so schlicht wie überzeugend: Dauer soll durch<br />
Härte, behauptete Größe durch reale Größe zum Ausdruck gebracht werden.<br />
Als Extrembeispiel darf das Mount Rushmore National Memorial (1927–41)<br />
im Bundesstaat South Dakota gelten, <strong>in</strong> dem sich die Geme<strong>in</strong>schaft der vier<br />
349
Denkmal<br />
13.3<br />
Joseph Maria Olbrich<br />
Hochzeitsturm<br />
Darmstadt, 1907/08<br />
Seit 1908 ist der von Joseph Maria Olbrich<br />
entworfene Hochzeitsturm auf der Mathildenhöhe<br />
das weith<strong>in</strong> sichtbare Wahrzeichen<br />
der Stadt Darmstadt. Fast 50 m hoch, auf der<br />
Kuppe des Hügels gelegen, prägt der wie e<strong>in</strong>e<br />
erhobene ›Schwurhand‹1 aufragende, deshalb<br />
auch ›Fünff<strong>in</strong>gerturm‹ genannte Bau im<br />
Ensemble mit Platanenha<strong>in</strong>, Ausstellungsgebäude<br />
und russischer Kapelle (→ 20.1) die Stadtkrone.<br />
Am 2. Februar 1905 vermählt sich der hessische<br />
Großherzog Ernst Ludwig <strong>in</strong> zweiter<br />
Ehe mit Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong> Eleonore zu Solms-Hohensolms-Lich.<br />
Die Darmstädter Bürger wollen<br />
ihm e<strong>in</strong> Ehrengeschenk machen und wenden<br />
sich an Olbrich, der ihnen wiederum rät, den<br />
Großherzog selbst zu konsultieren. Ernst<br />
Ludwig wünscht sich e<strong>in</strong> Erkennungsmerkmal<br />
Darmstadts, e<strong>in</strong>en »Turm, der als Hochzeitsturm<br />
e<strong>in</strong> Denkmal von vielfacher Bedeutung<br />
se<strong>in</strong> würde«2. Zusammen mit dem<br />
ebenfalls von Olbrich geplanten städtischen<br />
Ausstellungsgebäude (→ 14.5) wird das Bauwerk<br />
ab 1907 errichtet und auf der Hessischen<br />
Landesausstellung 1908 präsentiert.<br />
Über dem E<strong>in</strong>gangsportal ist e<strong>in</strong> großes Relief<br />
aus hellem Ste<strong>in</strong> von He<strong>in</strong>rich Jobst<br />
(→ 12.3, 14.5, 16.2, 18.3) angebracht, das Allegorien<br />
der Stärke, der Weisheit, der Gerechtigkeit<br />
und der Milde zeigt, darunter die Inschrift<br />
»Zum Gedächtnis der Vermählung<br />
Ihrer Königlichen Hoheiten des Großherzogs<br />
Ernst Ludwig und der Großherzog<strong>in</strong> Eleonore«.3<br />
In se<strong>in</strong>er Komposition greift der Hochzeitsturm<br />
die Gliederung klassischer Säulen<br />
(Basis, Schaft, Kapitell) auf, die Olbrich jedoch<br />
358<br />
überraschend unkonventionell realisiert: In<br />
der Achse des Platanenha<strong>in</strong>s an der Nordwestecke<br />
des Ausstellungsgebäudes plat ziert,<br />
wirkt das Sockelgeschoss aus Beton wie e<strong>in</strong><br />
wuchtiger Kubus, <strong>in</strong> den sich die Stufen zum<br />
E<strong>in</strong>gang und die gestaffelte Rahmung der<br />
Tür streng geometrisch e<strong>in</strong>fügen. Darüber<br />
erhebt sich der rechteckige Schaft des Turms<br />
<strong>in</strong> unverputzten, tief rot schimmernden Eisenkl<strong>in</strong>kern,<br />
wobei die Ste<strong>in</strong>e nicht <strong>in</strong> glatter<br />
Fläche, sondern unregelmäßig vermauert<br />
s<strong>in</strong>d und dadurch den Wänden des Turms<br />
e<strong>in</strong>en reliefartigen Charakter verleihen. Dieser<br />
belebten Haut des Gebäudes schneidet<br />
Olbrich <strong>in</strong> den oberen Geschossen zwei<br />
schmale horizontale Fensterbänder e<strong>in</strong>, die<br />
mit ihrer Sandste<strong>in</strong>rahmung über die Ecke<br />
laufen – e<strong>in</strong> Motiv, das ab den 1920er <strong>Jahre</strong>n<br />
zu e<strong>in</strong>em Kennzeichen des Neuen Bauens<br />
Haupte<strong>in</strong>gang
Denkmal<br />
359
Denkmal
Besuch John F. Kennedys – Rede <strong>in</strong> der Paulskirche, 1963<br />
Denkmal<br />
rich Wilhelm IV. lehnt die ihm angebotene<br />
Kaiserkrone ab. Im Mai 1849 legen die meisten<br />
Abgeordneten ihr Mandat nieder – die<br />
Demokratie ist gescheitert.<br />
Ab 1852 dient die Paulskirche wieder ihrer<br />
ursprünglichen Bestimmung. An der Außenfassade<br />
und im Umfeld er<strong>in</strong>nert die Stadt<br />
jedoch an die politischen Ereignisse von<br />
1848/49. 1903 lässt der Magistrat auf dem<br />
Paulsplatz e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>heitsdenkmal errichten.<br />
Den dreiseitigen Travert<strong>in</strong>-Obelisken umr<strong>in</strong>gen<br />
drei bronzene Figurengruppen, die<br />
den »Kampf um die Freiheit«, das »Freiheitslied«<br />
und die »<strong>in</strong> der Pflege der deutschen<br />
Wissenschaft gewährleistete Geistesfreiheit«3<br />
verkörpern. 1926 kommt e<strong>in</strong>e Jüngl<strong>in</strong>gsplastik<br />
von Richard Scheibe h<strong>in</strong>zu, die<br />
zu Ehren des verstorbenen SPD-Reichs präsidenten<br />
Friedrich Ebert an der Paulskirche<br />
angebracht und Anfang 1933 von den Nationalsozialisten<br />
wieder entfernt wird.<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg liegt Frankfurt<br />
<strong>in</strong> Schutt und Asche. Bei Luftangriffen war<br />
die Paulskirche von Brandbomben getroffen<br />
und schwer beschädigt worden. Da Frankfurt<br />
als neue deutsche Hauptstadt im Gespräch ist,<br />
wäre die symbolträchtige Kirche e<strong>in</strong> ideales<br />
Parlamentsgebäude mit demokratischer Tradition.<br />
Im Juni 1946 lobt die Stadt e<strong>in</strong>en entsprechenden<br />
Gestaltungs wettbewerb aus. Der<br />
Architekt Hermann Mäck ler (→ 5.7, 11.4, 12.5),<br />
der die ausgestellten Pläne im November<br />
1946 besichtigt, zeigt sich entsetzt. Die Mehrzahl<br />
der 109 Vorschlä ge wirkt auf ihn wie e<strong>in</strong>e<br />
»Versammlung hellbraun Uniformierter«, wie<br />
e<strong>in</strong> Aufmarsch <strong>in</strong> »Hellbraun mit Gold«4. E<strong>in</strong>ige<br />
Entwürfe gefallen sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em geläuterten<br />
Barock, e<strong>in</strong>er ›Superneorenaissance‹ oder<br />
e<strong>in</strong>er Wiederbelebung des Jugendstils. Die<br />
meisten aber knüpfen an die Repräsen tationsbauten<br />
der gerade überwundenen NS-Diktatur<br />
an. Nur e<strong>in</strong>e verschw<strong>in</strong>dend ger<strong>in</strong>ge<br />
Zahl fühlt sich den Tugenden verpflichtet, die<br />
Mäckler verb<strong>in</strong>dlich ersche<strong>in</strong>en: Wahrhaftigkeit<br />
und Mut. Am Ende gew<strong>in</strong>nt der Entwurf<br />
von Gott lob Schaupp, Architekt des Neuen<br />
Frank furt und ehemaliges NSDAP-Mitglied.<br />
Um die aufgeheizte Stimmung zu besänftigen,<br />
bildet man e<strong>in</strong> vierköpfiges Team, dem neben<br />
Schaupp auch Rudolf Schwarz, Johannes<br />
Krahn und Baudezernent Eugen Blanck angehören.<br />
Es fehlt jedoch an Geld, und da man<br />
die 1948 anstehende Feier zum <strong>100</strong>-jährigen<br />
Jubiläum der Nationalversammlung unbed<strong>in</strong>gt<br />
am Orig<strong>in</strong>alschauplatz abhalten will, drängt<br />
zugleich die Zeit. Anfang 1947 wendet sich<br />
Oberbürgermeister Walter Kolb mit e<strong>in</strong>em<br />
Spendenaufruf an alle deutschen Städ te und<br />
Geme<strong>in</strong>den. Er er<strong>in</strong>nert daran, dass die Paulskirche<br />
als Symbol für E<strong>in</strong>heit, Freiheit, Gerechtigkeit<br />
und Brüderlichkeit von höchstem<br />
nationalen Interesse ist – gerade <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zeit,<br />
<strong>in</strong> der Deutschland glaubwürdige demokratische<br />
Strukturen aufbauen muss. Kolbs Aktion<br />
ist äußerst erfolgreich: Unter anderem spendet<br />
Straub<strong>in</strong>g 4.500 Ziegel stei ne, Fürth das<br />
gesamte Fensterglas und Thür<strong>in</strong>gen drei<br />
Waggons Schalungsholz, selbst die SED steuert<br />
10.000 Reichsmark bei.5 Die Umsetzung<br />
des Projekts wird von e<strong>in</strong>er Diskussion überschattet,<br />
die sich an der Wiedererrichtung<br />
des Frankfurter Goethe hauses entzündet hatte.<br />
Die Geburtsstät te des Dich ters war im<br />
Krieg nahezu vollständig zerstört und danach<br />
365
Ausstellungsgebäude<br />
Gemäldegalerie<br />
E<strong>in</strong>gangshalle<br />
heißt es beispielsweise, »die für e<strong>in</strong> Museum<br />
so überaus wichtige Aufgabe, Übersichtlichkeit<br />
und Bequemlichkeit mit Schönheit und<br />
Feierlichkeit zu verb<strong>in</strong>den, ist mit e<strong>in</strong>em<br />
wun derbaren rhythmischen Gefühl und e<strong>in</strong>er<br />
maßvollen Beherrschung gelöst«3.<br />
Besondere Aufmerksamkeit widmet Messel<br />
dem Südbau, wo er jeden Ausstellungsraum<br />
<strong>in</strong> dezenter Weise dem Zeitstil der dort<br />
gezeigten Gegenstände anpasst und zugleich<br />
darauf achtet, für jedes Objekt e<strong>in</strong>e geeignete<br />
Präsentationsform zu f<strong>in</strong>den. So sollen die<br />
historischen Entstehungskontexte der Exponate<br />
s<strong>in</strong>nlich erfahrbar werden. Den von stattlichen<br />
Sandste<strong>in</strong>pfeilern gegliederten Waffensaal<br />
überspannt e<strong>in</strong>e rustikale Holzbalkendecke,<br />
die metallisch glänzenden Rüstun gen<br />
f<strong>in</strong>den dort auf rot gestrichenen Holzgestellen<br />
Halt, die historischen Gewehre s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />
382<br />
e<strong>in</strong>er eisengerahmten, von allen Seiten e<strong>in</strong>sehbaren<br />
Glasvitr<strong>in</strong>e untergebracht: »Unbeschreiblich<br />
ist die farbliche Vornehmheit des<br />
Ganzen, die <strong>in</strong> hellem Licht schimmernden<br />
Waffen, das matte Rot des Fliesenbodens,<br />
das Grau der Wände und der Decke, und unter<br />
ihr <strong>in</strong> zwei langen Reihen die wundervoll<br />
gedämpften Töne der alten seidenen Fahnen.«4<br />
Die mittelalterliche Sakralkunst präsentiert<br />
Messel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er gotischen Kapelle<br />
mit orig<strong>in</strong>alen historischen Glasfenstern, den<br />
römischen Mosaikfußboden aus Bad Vilbel<br />
legt er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en von Säulen umgebenen Innenhof:<br />
»Obwohl die Architektur sehr stark<br />
spricht, ist man doch ke<strong>in</strong>en Moment im Unklaren,<br />
dass es sich um e<strong>in</strong>e freie Nachschöpfung<br />
ohne direkten Selbstzweck handelt. Es<br />
ist eben Sache des Taktes, wie weit man jeweils<br />
bei e<strong>in</strong>er solchen die Zeit charakterisie
Ausstellungsgebäude
Veranstaltungsgebäude<br />
15.5<br />
Hans Busch<br />
Haus der Begegnung<br />
Königste<strong>in</strong> im Taunus, 1954/55<br />
Mitte der 1950er <strong>Jahre</strong> entsteht im Auftrag<br />
des Albertus-Magnus-Kollegs am Rand von<br />
Königste<strong>in</strong> das Haus der Begegnung: e<strong>in</strong> religiöses<br />
Zentrum der vertriebenen Katholiken<br />
<strong>in</strong> Deutschland.1 Es soll dem <strong>in</strong>ternationalen<br />
Hilfswerk Kirche <strong>in</strong> Not als Tagungshaus<br />
mit Veranstaltungssaal und Über nachtungsmög<br />
lichkeiten für die zahlreichen Kongresse<br />
dienen und während der W<strong>in</strong>termonate<br />
den Fuhrpark des Hilfswerks aufnehmen,<br />
zu dem auch e<strong>in</strong> so genannter Kapellenwagen<br />
gehört. Nach 1945 setzt die Organisation<br />
Kirche <strong>in</strong> Not Kapellenwagen <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>eren<br />
Or ten e<strong>in</strong>, <strong>in</strong> denen sich katholische Flüchtl<strong>in</strong>ge<br />
oder Heimatvertriebe niedergelassen<br />
haben, ohne dort über e<strong>in</strong> eigenes Gotteshaus<br />
zu verfügen.<br />
Das bauliche Ensemble Haus der Begegnung<br />
wird 1954/55 nach den Plänen des Frankfurter<br />
Architekten Hans Busch auf e<strong>in</strong>em<br />
ehe maligen Kasernengelände errichtet, welches<br />
das Kolleg 1952 mit Spendengeldern erworben<br />
hatte. Busch konzipiert e<strong>in</strong>e Baugruppe,<br />
deren Gestaltung er nicht von den<br />
starren Kasernengebäuden ableitet, sondern<br />
eigenständig aus dem Bauprogramm entwickelt.2<br />
Am Hang entstehen e<strong>in</strong> Saalgebäude<br />
mit Foyeranbau sowie e<strong>in</strong> Gästehaus mit anschließender<br />
Tore<strong>in</strong>fahrt und Pförtnerloge.<br />
1964 erhält das Gästehaus e<strong>in</strong>en ebenfalls<br />
von Busch entworfenen Kas<strong>in</strong>oanbau.<br />
Buschs Grund<strong>in</strong>tention ist es, »lebendige,<br />
frische, der Landschaft offene Räume für<br />
e<strong>in</strong>e Neubes<strong>in</strong>nung zu schaffen«3. Das Hauptgebäude<br />
legt er als kubisch schlichten, zweigeschossigen<br />
Putzbau mit leicht geneigtem<br />
Pultdach an. Markant ist die südliche, zur<br />
412<br />
Bischof-Kaller-Straße gelegene Fassade mit<br />
e<strong>in</strong>er 300 m2 großen Fensterfront, vor der<br />
sich e<strong>in</strong> über zwei seitliche Treppen erreichbarer<br />
Balkon erstreckt. Im Untergeschoss<br />
liegen die geforderten Garagen. An diesen<br />
Gebäudekubus schließt leicht versetzt im<br />
Nordwesten e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>geschossiger Foyeranbau<br />
an. Die nord- und südwestlichen Fassaden<br />
s<strong>in</strong>d jeweils mit überdimensionalen Sgraffito-<br />
Engeln – den so genannten ›Königste<strong>in</strong>er Engeln‹<br />
– nach Entwürfen des Hattersheimer<br />
Künstlers Jupp Jost versehen. Se<strong>in</strong>e formale<br />
Entsprechung f<strong>in</strong>det das fe<strong>in</strong>e grafische L<strong>in</strong>ienspiel<br />
dieser Figuren <strong>in</strong> den dynamischen
Veranstaltungsgebäude<br />
abstrakten L<strong>in</strong>ien der großen Glasfenster des<br />
Veranstaltungssaals.<br />
Das Innere betritt man auf der nördlichen<br />
Seite über das schmale Foyer. Auf der rechten<br />
Seite bef<strong>in</strong>det sich die Garderobe, der die E<strong>in</strong>gänge<br />
<strong>in</strong> den großen Konferenzsaal ge genüberliegen.<br />
Die schräg verlaufende Foyerdecke<br />
steigt <strong>in</strong> Richtung Saal an und vermittelt<br />
so e<strong>in</strong>en idealen Übergang. Im Veranstaltungssaal<br />
selbst erstreckt sich die große Fensterfront<br />
fast vollständig über e<strong>in</strong>e der beiden<br />
Längsseiten. An der schmalen Stirnseite bef<strong>in</strong>det<br />
sich e<strong>in</strong>e erhöhte Bühne, die beiden<br />
restlichen Wände nehmen e<strong>in</strong>e L-förmige Empore<br />
auf. Insgesamt fasst der Saal, <strong>in</strong> dem Sem<strong>in</strong>are<br />
und Kongresse stattf<strong>in</strong>den, 900 Gäste.<br />
1968 tagt hier auch die Deutsche Bischofskonferenz<br />
und verabschiedet die viel beachtete<br />
Königste<strong>in</strong>er Erklärung. Prägend für die Wirkung<br />
des Saals ist die ›gefaltete‹ Arcella-Decke<br />
aus gelben, hellgrünen, hellblau en und<br />
dunkelblauen Farbelementen. Dieses Material<br />
– e<strong>in</strong>e Kunststofffolie – erfreut sich <strong>in</strong> der<br />
Nachkriegszeit großer Beliebtheit und kommt<br />
<strong>in</strong> vielfältigen Bereichen nicht nur wegen se<strong>in</strong>er<br />
dekorativen Wirkung, sondern auch wegen<br />
se<strong>in</strong>er günstigen akustischen Eigenschaften<br />
zum E<strong>in</strong>satz.<br />
413
Veranstaltungsgebäude<br />
15.3<br />
Friedrich von Thiersch<br />
Festhalle<br />
Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, 1907–09<br />
Das historische Herzstück des heutigen Frankfurter<br />
Messegeländes bildet die Festhalle, die zwischen<br />
1907 und 1909 nach den Plänen des Münchener Architekten<br />
Friedrich von Thiersch (→ 17.1, 18.2) entsteht.<br />
Vorausgegangen war e<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>er Wettbewerb,<br />
den die Stadt Frankfurt unter deutschen<br />
Architekten und Eisenbauanstalten ausgeschrieben<br />
hatte, um Entwürfe e<strong>in</strong>er Festhalle für große Veranstaltungen,<br />
e<strong>in</strong>es Konzerthauses, e<strong>in</strong>es Kunst ausstellungsgebäudes<br />
sowie e<strong>in</strong>es Baus zur Dauerpräsentation<br />
von Masch<strong>in</strong>en und Werkzeugen für die<br />
Industrie zu erhalten.1 Von diesem umfangreichen<br />
Bauprogramm wird letztlich nur die große Festhalle<br />
umgesetzt.<br />
Maßgeblich für deren Grundrissentwicklung<br />
s<strong>in</strong>d die Wettbewerbsvorgaben, die neben e<strong>in</strong>er<br />
Größe von 6.000 m2 auch e<strong>in</strong> 2.000 m2 großes<br />
Oberlicht und Platz für e<strong>in</strong>e Sängertribüne fordern.<br />
Thiersch entscheidet sich für e<strong>in</strong>e 112 m lange, ellipsenförmige<br />
Halle, die an den Enden von rechteckigen<br />
Annexbauten flankiert wird. E<strong>in</strong> Konstruktionssystem<br />
aus 20 radial angeordneten bogenförmigen<br />
Dachträgern mündet <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Höhe von 30,5 m <strong>in</strong><br />
e<strong>in</strong>em elliptischen Druckr<strong>in</strong>g, der wiederum e<strong>in</strong>e<br />
Laterne trägt. Die stützenfrei konzipierte Halle mit<br />
der großen gläsernen Dachabdeckung entfaltet<br />
e<strong>in</strong>e spektakuläre ästhetische Wirkung und bietet<br />
über 12.000 Personen Platz. Den Raume<strong>in</strong>druck<br />
bestimmt die unverkleidete Eisenkonstruktion, die<br />
Thiersch nach eigenen Angaben »zugleich verständlich<br />
und angenehm <strong>in</strong> der Form«2 ausbildet. Dagegen<br />
zeigt die prunkvolle Fassade stilistische Anleihen<br />
der Spätrenaissance (z. B. E<strong>in</strong>gangspavillon,<br />
Kolonnaden und Arkaden, Sandste<strong>in</strong> als Baumaterial).<br />
Zum Zeitpunkt ihrer Entstehung gilt die Festhalle<br />
als Höhepunkt der Ingenieursbaukunst – sie ist<br />
damals der größte Kuppelbau Europas, Max Berg<br />
nennt sie explizit als Vorbild für se<strong>in</strong>e viel gerühmte<br />
Jahrhunderthalle (1911–13) <strong>in</strong> Breslau3.<br />
Nach starken Zerstörungen während des Zweiten<br />
Weltkriegs erfolgt bis 1950 e<strong>in</strong> Wiederaufbau <strong>in</strong><br />
vere<strong>in</strong>fachten Formen. Erst im Zuge der jüngsten<br />
Sanierung anlässlich des <strong>100</strong>-jährigen Jubiläums<br />
wird das repräsentative äußere Ersche<strong>in</strong>ungsbild<br />
der ursprünglichen Dachlandschaft und der historischen<br />
Farbgebung wiederhergestellt.4 J. V.<br />
1 Vgl. Thiersch 1909, S. 8 2 Ebd., S. 20; zur Eisenkonstruktion vgl.<br />
auch ebd., S. 29–36 3 Vgl. Timpe 2008, S. 9, 13 4 Vgl. Timpe 2008<br />
Literatur<br />
Anonym (1909): Die Ausstellungs- und Festhalle der Stadt Frank -<br />
furt a. M. In: Der Baumeister 7. S. 137–143; Thomas Bauer (2009):<br />
<strong>100</strong> <strong>Jahre</strong> unter e<strong>in</strong>er Kuppel. Die Geschichte der Festhalle Frankfurt.<br />
Frankfurt a. M.; Sylvia Habermann (1977): Festhalle Frankfurt a. M.<br />
In: Friedrich von Thiersch. E<strong>in</strong> Münchner Architekt des Späthistorismus,<br />
1852–1921. Hg. W. Nerd<strong>in</strong>ger. München. S. 139–143; Kanold<br />
(1909): Die Ausstellungs- und Festhalle <strong>in</strong> Frankfurt a. M. In: Zentralblatt<br />
der Bauverwaltung 29. S. 345–357, 365–367; He<strong>in</strong>rich<br />
Lömpel/Friedrich von Thiersch (1920): Das Ausstellungsgelände<br />
zu Frankfurt a. M. E<strong>in</strong>e Studie für die bauliche Entwicklung des Gebietes<br />
der Ausstellungs- und Festhalle, März 1920. München; Horst<br />
Karl Marschall (1982): Friedrich von Thiersch. E<strong>in</strong> Münchener Architekt<br />
des Späthistorismus 1852–1921. München. S. 29–31, 312–316;<br />
Masch<strong>in</strong>en fabrik Augsburg-Nürnberg (Hg. 1909): Die Eisenkonstruktion<br />
der Ausstellungs- und Festhalle zu Frankfurt am Ma<strong>in</strong>.<br />
Frankfurt a. M.; Friedrich von Thiersch (1909): Die Ausstellungsund<br />
Festhalle der Stadt Frankfurt a. M. Denkschrift zur Feier der<br />
E<strong>in</strong>weihung im Mai 1909. Frankfurt a. M.; Hermann Thiersch (1925):<br />
Friedrich von Thiersch, der Architekt. 1852–1921. E<strong>in</strong> Lebensbild.<br />
München. S. 207–224; Stefan Timpe (2008): Friedrich von Thierschs<br />
Frankfurter Festhalle. Zur Wiederherstellung ihres äußeren Ersche<strong>in</strong>ungsbildes.<br />
In: Denkmalpflege & Kulturgeschichte, Heft 2. S. 9–17.<br />
423
Veranstaltungsgebäude<br />
15.7<br />
Friedrich Wilhelm Kraemer<br />
Jahrhunderthalle<br />
Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, 1961–63<br />
Anlässlich ihres <strong>100</strong>-jährigen Bestehens plant die<br />
1863 gegründete Farbwerke Hoechst AG den Bau<br />
e<strong>in</strong>er Multifunktionshalle für Konzerte, Theateraufführungen,<br />
Betriebsversammlungen und Sportveranstaltungen.1<br />
Der Konzern will – wie se<strong>in</strong>erzeit mit<br />
Peter Behrens (→ 8.2) und Hans Poelzig (→ 8.3) – e<strong>in</strong><br />
architektonisch herausragendes Glanzstück schaffen.<br />
Anfang 1960 lädt er deshalb <strong>in</strong>ternational reno m<br />
mier te Architekten, darunter Alvar Aalto, Le Corbusier,<br />
Arne Jacobsen, Pier Luigi Nervi und Bernard<br />
Zehrfuss, zu e<strong>in</strong>em Wettbewerb e<strong>in</strong>. Wegen der<br />
äußerst kurzen Planungs- und Bauzeit beteiligen<br />
sich jedoch nur vier Büros. Obwohl der Beitrag von<br />
Zehrfuss mit dem ersten Preis ausgezeichnet wird,<br />
kommt der Entwurf des Braunschweigers Friedrich<br />
Wilhelm Kraemer zur Ausführung, denn se<strong>in</strong> Konzept<br />
ersche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> der sehr kurzen Zeit realisierbar.<br />
Kraemers Vision: e<strong>in</strong> »kühner großer Raum, dessen<br />
Impuls der großen Idee des Werkes und se<strong>in</strong>er Menschen<br />
symbolisch adäquat ist«2.<br />
Die so genannte Jahrhunderthalle ist von eleganter,<br />
schlichter Form und mit ihrer hellen, <strong>in</strong> schlagfestem<br />
Hart-PVC e<strong>in</strong>gedeckten Kuppel als Landmarke<br />
weith<strong>in</strong> sichtbar. E<strong>in</strong> rechteckiges Sockelgeschoss<br />
von 136 × 96 m beherbergt das Foyer, die<br />
Besuchergarderoben, kle<strong>in</strong>ere Säle, Tagungsräume,<br />
e<strong>in</strong>e Gaststätte mit Kegelbahn, die Künstlergarderoben,<br />
Umkleideräume für die Sportler sowie alle<br />
technischen Funktionsräume. Zugleich bildet es die<br />
Basis für die sich darüber aufspannende Kuppel.<br />
Die Kuppelkonstruktion aus Beton besitzt e<strong>in</strong>en<br />
Durchmesser von 86 m, ist im Scheitelpunkt 25 m<br />
hoch und ruht auf sechs Auflagepunkten. Ihren unteren<br />
Rand gliedern sechs segmentförmige Fensterbögen,<br />
die Sichtbeziehungen zwischen <strong>in</strong>nen und<br />
außen schaffen. Die Halle lässt sich flexibel nutzen<br />
und kann bis zu 4.800 Besucher aufnehmen. Zum<br />
Farbkonzept des Baus äußert Kraemer: Wo immer<br />
möglich, »wurden die materialeigenen Naturfarben<br />
belassen: mattes Grau des Betons, schimmerndes<br />
Silber des Alum<strong>in</strong>iums, warmer Holzton der Treppenstufen<br />
und des Parkettbodens, naturle<strong>in</strong>ene Vorhangflächen.<br />
Diese zurückhaltende Farbgebung erhält<br />
ihre Akzente durch den Neutralgrund der vielen<br />
großen, mit weißem Kunststoff belegten Flächen;<br />
den e<strong>in</strong>zigen Kontrast bilden die leuchtend<br />
roten Bezüge des Gestühls.«3<br />
In Anspielung auf den damaligen Vorstandschef<br />
der Hoechst AG trägt die hochwertig ausgestattete<br />
Jahrhunderthalle den Spitznamen ›W<strong>in</strong>nackers Wirtschaftswunderwarze‹.<br />
In den ersten zehn <strong>Jahre</strong>n<br />
treten hier so unterschiedliche Künstler auf wie Yehudi<br />
Menuh<strong>in</strong>, Ella Fitzgerald, Mireille Mathieu,<br />
Marcel Marceau, James Brown, Jimi Hendrix, James<br />
Last und The Doors. Legendär wird das Gebäude<br />
nicht zuletzt durch He<strong>in</strong>rich Heidersbergers spektakuläre<br />
Fotografien, die es im kollektiven Bildgedächtnis<br />
der Nachkriegsmoderne verankern.4 J. V.<br />
1 Vgl. Burkhardt 2007, S. 88 2 Kraemer/Joedicke 1963, S. 361<br />
3 Ebd., S. 362 4 Vgl. Lauterbach 2007, S. 99/<strong>100</strong><br />
Literatur<br />
Hubert Beck (1963): Die tragende Konstruktion der Festhalle der<br />
Farbwerke Hoechst AG. In: Der Bau<strong>in</strong>genieur 38. S. 95–106; Berthold<br />
Burkhardt (2007): Jahrhunderthalle <strong>in</strong> Frankfurt-Höchst. In: Gesetz<br />
und Freiheit. Der Architekt Friedrich Wilhelm Kraemer (1907–1990).<br />
Hg. K. Wilhelm, O. Gisbertz, D. Jessen-Kl<strong>in</strong>genberg, A. Schmedd<strong>in</strong>g.<br />
Berl<strong>in</strong>. S. 88–95; Friedrich Wilhelm Kraemer (Hg. 1983): Bauten<br />
und Projekte. Stuttgart. S. 211; Friedrich Wilhelm Kraemer/Jürgen<br />
Joedicke (1963): Festhalle der Farbwerke Höchst AG. In: Bauen +<br />
Wohnen 17. S. 359–366; Barbara Lauterbach (2007): Architekturfotografie.<br />
In: Gesetz und Freiheit. Der Architekt Friedrich Wilhelm<br />
Kraemer (1907–1990). Hg. K. Wilhelm, O. Gisbertz, D. Jessen-Kl<strong>in</strong>genberg,<br />
A. Schmedd<strong>in</strong>g. Berl<strong>in</strong>. S. 86–101; Adrian Seib (2016): Jahrhunderthalle.<br />
In: Frankfurt 1960–1969. Hg. W. E. Opatz. Zürich. S. 56–65;<br />
Wolf-Christian Setzepfandt (32002): Architekturführer Frankfurt<br />
am Ma<strong>in</strong>. Berl<strong>in</strong>. Objekt-Nr. 224.<br />
426
Sportstätte<br />
16.4<br />
Max Bromme,<br />
Gustav Schaumann<br />
Stadionbad<br />
Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, 1925<br />
Während der Planungen für den Sportpark<br />
im Frankfurter Stadtwald, die 1920 beg<strong>in</strong>nen,<br />
fällt die Entscheidung, neben e<strong>in</strong>em Stadion<br />
und Übungsstätten für Ballsport und Leichtathletik<br />
auch e<strong>in</strong> großes Schwimmbad anzulegen.<br />
Im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es gesunden Städtebaus<br />
soll der Sportpark außerhalb der engen<br />
Wohn bebauung und abseits der Industriegebiete<br />
<strong>in</strong> der ›grünen Lunge‹ der Stadt liegen.<br />
E<strong>in</strong> Waldabschnitt an der Mörfelder Landstraße<br />
stellt sich als besonders geeignet heraus:<br />
Er ist gut ans Straßennetz angebunden<br />
438<br />
Johann Joseph Belz: Struwwelpeterbrunnen<br />
und mit öffentlichen Verkehrsmitteln leicht<br />
erreichbar.<br />
Das Gelände des neuen Schwimmbades<br />
steigt nach Nordosten leicht an. Am höchsten<br />
Punkt steht das E<strong>in</strong>gangsgebäude mit Caférestaurant<br />
und großer Terrasse. Von hier blicken<br />
die Besucher über die gesamte Anlage,<br />
die neben den sportlichen E<strong>in</strong>richtungen<br />
auch e<strong>in</strong> weitläufiges Licht- und Luftbad zu<br />
bieten hat. Unmittelbar unterhalb der Terrasse<br />
liegt, e<strong>in</strong>gerahmt von zwei halbrunden<br />
Lau bengängen, e<strong>in</strong> Sandspielplatz für K<strong>in</strong>der.<br />
1929 wird hier der Struwwelpeter-Brunnen<br />
von Johann Joseph Belz (→19.3) aufgestellt.<br />
Den Brunnen aus Sandste<strong>in</strong> krönt e<strong>in</strong>e bronzene,<br />
auf e<strong>in</strong>em Schaukelpferd thronen de<br />
Struwwelpeterfigur mit typischer Haarmähne<br />
und charakteristischen langen F<strong>in</strong>ger nägeln.<br />
Darunter s<strong>in</strong>d neun K<strong>in</strong>der dargestellt,<br />
die zwei Schrifttafeln sowie e<strong>in</strong> Porträt relief<br />
des K<strong>in</strong>derbuchautors und Psy chiaters He<strong>in</strong>rich<br />
Hoffmann flankieren. Auf den Sand platz<br />
folgt e<strong>in</strong> quadratisches Planschbass<strong>in</strong> und<br />
dah<strong>in</strong>ter e<strong>in</strong> langgestrecktes, auch als Wellenbad<br />
dienendes Nichtschwimmerbecken.<br />
Beide umschließt e<strong>in</strong>e große Rasen fläche,<br />
neben der rechts und l<strong>in</strong>ks größere Umkleidegebäude<br />
und e<strong>in</strong>e Reihe e<strong>in</strong>facher ›Wechselzellen‹<br />
aus Holz angeordnet s<strong>in</strong>d.<br />
H<strong>in</strong>ter der Spiel- und Liegewiese, abgetrennt<br />
durch e<strong>in</strong>en niedrigen Zaun, erstreckt<br />
sich der eigentliche Sportbereich der Anlage<br />
mit e<strong>in</strong>er <strong>100</strong>-m-Schwimmbahn und e<strong>in</strong>em<br />
separaten Sprungbecken. Die beiden Becken<br />
trennt ursprünglich nur e<strong>in</strong> schmaler Steg,<br />
auf dem sich die Startblöcke bef<strong>in</strong>den. Zwischen<br />
1985 und 1987 wird die Schwimmbahn<br />
durch e<strong>in</strong>e breite, gepflasterte Zone <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />
50-m-Becken und e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>eres Nichtschwimmerbecken<br />
unterteilt. Damit ist die bee<strong>in</strong>druckende<br />
Wirkung der langen Bahn verloren.<br />
Am Kopf des Sprungbeckens steht e<strong>in</strong><br />
sich nach oben verjüngender Eisen beton turm<br />
mit Sprungbrettern auf 3, 5, 7 und 10 m Höhe.
Sportstätte<br />
439
Sportstätte<br />
Schwimmbecken<br />
446<br />
Duschen, e<strong>in</strong> Geräte- und e<strong>in</strong> Sanitätsraum,<br />
e<strong>in</strong>e Garage sowie die Räume für den Sportlehrer<br />
und die Woh nung des Sportplatzmeisters.<br />
Das Schwimmbad nimmt im Sommersemester<br />
1928 se<strong>in</strong>en Betrieb auf: »Der Hochschulsportplatz<br />
wurde mit e<strong>in</strong>em Schlage<br />
der Anziehungspunkt der Studentenschaft.<br />
Es kam vor, daß oft über tausend Studenten<br />
an den heißen Tagen den Sportplatz aufsuchten,<br />
um bei Gymnastik, Leichtathletik, Spielen<br />
und Schwimmen Erholung und Ausspannung<br />
zu suchen.«5 Während der Sommerferien<br />
steht das Gelände auch der Darmstädter<br />
Bevölkerung offen.<br />
Wenig später gel<strong>in</strong>gt es der Technischen<br />
Hochschule, die zuvor von Warschau, Rom<br />
und Paris ausgerichtete Studentenolympiade<br />
nach Darmstadt zu holen und dabei starke<br />
Konkurrenten wie Berl<strong>in</strong>, Dresden und München<br />
auszustechen. Um »allen sporttechnischen<br />
und <strong>in</strong>ternationalen Anforderungen«6<br />
der Olympiade gerecht zu werden, erfolgt<br />
jetzt der Ausbau des Sportplatzes zum Stadion.<br />
So entstehen e<strong>in</strong>e Kampfbahn mit Wurf-,<br />
Stoß- und Sprunganlagen, e<strong>in</strong>e Tribüne, auf<br />
deren Stufen bis zu 15.000 Besucher das Geschehen<br />
verfolgen können, und e<strong>in</strong> so genanntes<br />
›Marathontor‹, durch das die Langstreckenläufer<br />
ihr Ziel im Stadion erreichen.<br />
Auf dem Tor bef<strong>in</strong>den sich, umrahmt von<br />
weith<strong>in</strong> sichtbaren Fahnenmasten, die Anzeigevorrichtungen<br />
sowie Terrassen für die<br />
Musikkapelle und für prom<strong>in</strong>ente Besucher.<br />
Der Torbau nimmt zudem e<strong>in</strong>e Lautsprecheranlage<br />
auf, die der Nachrichtentechniker<br />
und Leichtathlet Fritz Schilgen im Rahmen<br />
se<strong>in</strong>er Diplomarbeit konzipiert.<br />
Wenige Monate nach se<strong>in</strong>er Fertigstellung<br />
wird das Hochschulstadion am 1. August 1930<br />
anlässlich der 4. Studentenolympiade feierlich<br />
eröffnet. Mehr als 1.000 Studierende<br />
aus über 30 Ländern nehmen an der Großveranstaltung<br />
teil: »Von riesigem Beifall begleitet<br />
schritten die Kämpfer der verschiedenen<br />
Nationen durch den Torbogen <strong>in</strong>s Stadion,<br />
rund 15 000 Zuschauer erhoben sich. […]
Sportstätte
Sportstätte<br />
16.2<br />
August Buxbaum<br />
Hallenschwimmbad<br />
Darmstadt, 1907–09<br />
»Jedem Deutschen wöchentlich e<strong>in</strong> Bad«1, ist der<br />
Leitspruch der 1899 gegründeten Gesellschaft für<br />
Volksbäder. Seit Mitte der 1880er <strong>Jahre</strong> fordert auch<br />
die Darmstädter Bevölkerung immer wieder e<strong>in</strong>e<br />
öffentliche Badeanstalt, <strong>in</strong> der man neben e<strong>in</strong>em<br />
Wannenbad das deutlich kostengünstigere ›Volksbrausebad‹<br />
nehmen kann. Das eigene, private Bad<br />
zu Hause bleibt immer noch der Luxus e<strong>in</strong>er w<strong>in</strong>zigen<br />
Elite. 1904 organisiert die Stadt schließlich e<strong>in</strong>en<br />
Architekturwettbewerb unter Vorsitz des Architekten<br />
Ludwig Hoffmann.<br />
Der zweigeschossige, schlicht verputzte Bau mit<br />
Walmdach – dessen E<strong>in</strong>gang durch die Platzierung<br />
direkt unter dem Wasserturm und durch e<strong>in</strong> Skulpturenportal<br />
von He<strong>in</strong>rich Jobst (→ 12.3, 13.3, 14.5, 18.3)<br />
deutlich betont ist – gliedert sich klar und funktionsgerecht<br />
<strong>in</strong> drei Teile. Das Erdgeschoss des U-förmig<br />
um zwei Lichthöfe geführten Vordergebäudes umfasst<br />
den zentralen E<strong>in</strong>gangs- und Kassenbereich,<br />
die Wartesalons und <strong>in</strong> den Seitenflügeln nach Geschlechtern<br />
getrennte Volksbrause- und -wannenbäder<br />
aus Beton. Die luxuriöser ausgestatteten<br />
Wannenräume und Heilbäder für e<strong>in</strong> f<strong>in</strong>anzkräftigeres<br />
Badeklientel f<strong>in</strong>den separat im Obergeschoss<br />
ihren Platz. Nach Norden orientiert sich die große,<br />
von e<strong>in</strong>em Tonnengewölbe allseitig belichtete Männerschwimmhalle,<br />
um deren 28-m-Becken sich die<br />
Umkleidekab<strong>in</strong>en reihen. Nach Süden liegt die etwas<br />
kle<strong>in</strong>ere Frauenschwimmhalle, die im Zweiten<br />
Weltkrieg zerstört und später wiederholt neu aufgebaut<br />
wird. Baulich mite<strong>in</strong>ander verbunden s<strong>in</strong>d<br />
die beiden Hallen durch e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>geschossigen, von<br />
Lichthöfen erhellten Ruhesaal sowie e<strong>in</strong>en Kurbereich<br />
mit Räumen für elektrische Lichtbestrahlungs-,<br />
Dampf-, Kohlensäure- und Warmluftbäder.<br />
Im rückseitigen Teil des Gebäudes bef<strong>in</strong>den sich e<strong>in</strong><br />
dem Ensemble angefügtes Wohnhaus für den Hausmeister<br />
und das Kesselhaus, dessen Abwärme von<br />
e<strong>in</strong>er im Keller untergebrachten städtischen Wäscherei<br />
genutzt wird.<br />
Die <strong>in</strong>tensive Farbgestaltung der Kacheln und<br />
Wände <strong>in</strong> kontrastierenden Blau-, Rot- und Gelbgrüntönen<br />
erzeugt e<strong>in</strong> breites Spektrum verschiedener<br />
Raumatmosphären, die von den mehrfarbig<br />
und mit Mosaike<strong>in</strong>sätzen gestalteten Terrazzoböden<br />
harmonisch mite<strong>in</strong>ander verknüpft werden. Auf<br />
den E<strong>in</strong>satz kostspieliger Schmuckmotive verzichtet<br />
Buxbaum weitgehend. Alle<strong>in</strong> Jobsts bukolische<br />
Keramikreliefs <strong>in</strong> der Vorhalle und die Brunnenfigur<br />
<strong>in</strong> der Männerschwimmhalle setzen künstlerische<br />
Akzente. Der heute sichtbare Reichtum an<br />
wiederhergestellten Dekorationsmalereien ist dagegen<br />
nicht direkt auf den Architekten zurückzuführen.2<br />
P. A.<br />
1 Spieker 1996, S. 113 2 Vgl. Schmidt 2009, S. 60<br />
Literatur<br />
Anonym (1906): Schwimmbad für Darmstadt. Leipzig; August Buxbaum<br />
(1909): Das städtische Hallenschwimmbad zu Darmstadt. Beschreibung<br />
nebst Haus- und Badeordnung. Darmstadt; August Buxbaum<br />
(1910): Städtisches Hallenschwimmbad <strong>in</strong> Darmstadt. In: Der Profanbau<br />
6. S. 220–231; Friedrich Ritzert (1925): Das Hallenschwimmbad<br />
und der ›Große Woog‹. In: Kunst und Leben im Darmstadt von heute.<br />
Hg. R. Mueller. Darmstadt. S. 82–85; Kathr<strong>in</strong> Schmidt (2009): Die Geschichte<br />
des Städtischen Hallenschwimmbades. In: Jugendstilbad<br />
Darmstadt. Hg. N. Heiss. Darmstadt. S. 13–66; Ir<strong>in</strong>a Spieker (1996):<br />
›Jedem Deutschen wöchentlich e<strong>in</strong> Bad!‹. Die Popularisierung von<br />
Volksbädern um die Jahrhundertwende und ihre E<strong>in</strong>richtung im ländlichen<br />
Raum. In: Re<strong>in</strong>liche Leiber – Schmutzige Geschäfte. Körperhygiene<br />
und Re<strong>in</strong>lichkeitsvorstellungen <strong>in</strong> zwei Jahrhunderten.<br />
Hg. R. Löneke, I. Spieker. Gött<strong>in</strong>gen. S. 113–140.<br />
450
Sportstätte<br />
16.3<br />
Max Bromme, Gustav Schaumann<br />
Waldstadion<br />
Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, 1923–25<br />
Als Zentrum e<strong>in</strong>es großen Sport- und Erholungsparks<br />
wird am 21. Mai 1925 das legendäre Frankfurter<br />
Waldstadion e<strong>in</strong>geweiht. Alle Turn- und Sportvere<strong>in</strong>e<br />
s<strong>in</strong>d bei der feierlichen Zeremonie zugegen.<br />
Die Planungen für die Anlage beg<strong>in</strong>nen kurz nach<br />
dem Ersten Weltkrieg. Damals bietet sich der Stadt<br />
die Gelegenheit, das Gelände der aufgelassenen<br />
Garnisonschießstände zu erwerben und umzunutzen.<br />
Verantwortlich für die Gestaltung zeichnet der<br />
städtische Gartenbaudirektor Max Bromme (→ 16.4,<br />
17.1, 17.5), der neben e<strong>in</strong>er großen Arena für Wettkampfveranstaltungen<br />
auch Übungsstätten für den<br />
Breiten- und Vere<strong>in</strong>ssport vorsieht.<br />
Der 6 m hohe Kugelfang des ehemaligen Schießstandes<br />
wird zu beiden Seiten um e<strong>in</strong>en neu aufgeschütteten<br />
Erdwall verlängert. So entstehen die<br />
Zuschauerterrassen des Stadions, die das Spielfeld<br />
mit Laufbahn, Wurf- und Sprunganlagen umgeben.<br />
An der Nordseite unterbricht der von Gustav<br />
Schaumann entworfene Tribünenbau das umlaufende<br />
Terrassenband. Er bildet den »architektonischen<br />
Brennpunkt«1 der Gesamtanlage, liegt er doch<br />
am Ende der 400 m langen Aufmarschallee, die<br />
zwischen den großen Festwiesen h<strong>in</strong>durch vom<br />
Haupte<strong>in</strong>gang zum Stadion führt. Der leicht geschwungene<br />
Grundriss der Tribüne folgt der Kurve<br />
der Terrassen. In den langen seitlichen Flügeln des<br />
Baus bef<strong>in</strong>den sich auf ansteigenden Reihen die<br />
überdachten Sitzplätze. Darunter s<strong>in</strong>d Sanitäts-, Umkleide-,<br />
Dusch- und Geräteräume untergebracht<br />
sowie e<strong>in</strong> Vortragssaal und die Verwaltungszimmer<br />
der Stadiongesellschaft. Der mittlere Teil des mit<br />
Muschelkalk verkleideten Gebäudes ist antiken griechischen<br />
Theatern nachempfunden. Se<strong>in</strong> flaches<br />
Giebeldreieck und se<strong>in</strong>e ionischen Säulen dienen<br />
als klassischer H<strong>in</strong>tergrund für Tanz- und Schauspiel<br />
aufführungen, so dass hier neben dem Sport<br />
auch die Künste e<strong>in</strong>en repräsentativen Rahmen f<strong>in</strong>den.<br />
Dass der gesamte Bau trotz se<strong>in</strong>er klassizistischen<br />
Gestaltung <strong>in</strong> Eisenbeton ausgeführt ist, bezeichnet<br />
Schaumann als »Vermählung antiken Baugedankens<br />
mit der denkbar modernsten Bauweise«2.<br />
Im Juli 1925 ist das Waldstadion Austragungsort<br />
der 1. Internationalen Arbeiter-Olympiade, bei deren<br />
Eröffnung die Sportler ohne Nationalflaggen,<br />
begleitet von der Internationale <strong>in</strong> die Arena e<strong>in</strong>ziehen.3<br />
1937 wird die Zuschauerkapazität des Stadions<br />
durch den Ausbau der Gegengeraden von ursprünglich<br />
40.000 auf 55.000 erhöht. Weitere Umund<br />
Ausbauten erfolgen Anfang der 1950er <strong>Jahre</strong>.<br />
Im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaften 1974<br />
und 2006 erhält der Standort zwei Mal komplette<br />
Neubauten. C. K.<br />
1 Schaumann 1926, S. 524 2 Ebd. 3 Vgl. z. B. Schröder 1980<br />
Literatur<br />
Anonym (1928): Das Stadion zu Frankfurt am Ma<strong>in</strong>. Frankfurt a. M.;<br />
Thomas Bauer (2000): Frankfurter Waldstadion. 75 <strong>Jahre</strong> Sportgeschichte.<br />
1925–2000. Frankfurt a. M.; Max Bromme (1924): Das<br />
Stadion <strong>in</strong> Frankfurt am Ma<strong>in</strong>. In: Die Gartenkunst 37. S. 140–145; Max<br />
Ostrop (1928): Deutschlands Kampfbahnen. Berl<strong>in</strong>. S. 98–105; Gustav<br />
Schaumann (1926): Das Stadion zu Frankfurt a. M. In: Deutsche Bauzeitung<br />
60. S. 521–525; Bernd P. Schröder (1980): Arbeitersport,<br />
Waldstadion und Arbeiter-Olympiade <strong>in</strong> Frankfurt am Ma<strong>in</strong>. In: Archiv<br />
für Frankfurts Geschichte und Kunst 57. S. 209–218.<br />
451
Naturanlage
Gesellschaftshaus, 1901<br />
Großes Restaurant im neuen Gesellschaftshaus, 1929<br />
Naturanlage<br />
Die Anlage umfasst im Südosten e<strong>in</strong>en im<br />
englischen Stil angelegten Park mit Weiher,<br />
nördlich schließen sich die herzoglichen Gewächshäuser<br />
zur Überw<strong>in</strong>terung und Aufzucht<br />
der Pflanzen an. Der Haupte<strong>in</strong>gang<br />
führt zunächst auf e<strong>in</strong>en großen, künstlerisch<br />
gestalteten Pflanzenteppich. Dah<strong>in</strong>ter<br />
liegt die Hauptattraktion des Gartens: das von<br />
Friedrich Kayser entworfene Gesellschaftshaus3<br />
mit klassizistischer Fassade und e<strong>in</strong>em<br />
650 m2 großen Festsaal, der über e<strong>in</strong>e Terrasse<br />
mit dem großen Palmenhaus verbunden<br />
ist, »man taucht mit Leib und S<strong>in</strong>nen <strong>in</strong><br />
die Schwüle des Treibhauses, das Tageslicht<br />
ist fern, sche<strong>in</strong>t nur verdünnt aus der gläsernen<br />
Höhe e<strong>in</strong>zusickern, von den Moosen am<br />
Boden vollends verschluckt zu werden, ke<strong>in</strong><br />
Vogellaut, ke<strong>in</strong> Schnattern und ke<strong>in</strong> Zirpsen<br />
ist zu vernehmen […]. Das Wachstum selber<br />
sche<strong>in</strong>t hier gegenwärtig, dr<strong>in</strong>gt von allen<br />
Seiten auf uns e<strong>in</strong>. Es ist uns zumute, als wolle<br />
das monströse Schweigen unser eignes Wesen<br />
e<strong>in</strong>saugen, unsere eigene Spur vergehen<br />
machen.«4<br />
Bis 1890 erfolgen unter Siesmayers Leitung<br />
bedeutende Erweiterungen5: im Westen<br />
e<strong>in</strong> großer Bootsweiher, h<strong>in</strong>ter dem sich e<strong>in</strong>e<br />
mit dunklen Nadelhölzern, Buchen und ameri<br />
kanischen Eichen bepflanzte Gebirgslandschaft<br />
erhebt, im Nordosten e<strong>in</strong>e hippodromförmige<br />
Rasenfläche, auf der im Sommer<br />
Tennis oder Kricket gespielt wird und die<br />
sich im W<strong>in</strong>ter <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e künstliche Eisbahn<br />
verwandelt. Um den Rasen legt Siesmayer<br />
e<strong>in</strong>e 400 m lange Fahrradstrecke, h<strong>in</strong>zu kommen<br />
Spielplätze und e<strong>in</strong> Rosengarten.<br />
Nach e<strong>in</strong>em verheerenden Brand im Gesellschaftshaus<br />
kann der Architekt He<strong>in</strong>rich<br />
Theodor Schmidt den Bau dank Spenden bis<br />
Ende 1879 wiedererrichten. Die zweistöckige<br />
Loggia an der Hauptfront behält er bei,<br />
wählt jedoch für die Fassadenentwürfe Formen<br />
der Neorenaissance. Die Gestaltung des<br />
Festsaals überträgt man dem jungen Friedrich<br />
von Thiersch (→ 15.3, 18.2): »Aus dem blühenden<br />
Garten kommend, trat der Gast <strong>in</strong><br />
den von Tageslicht erhellten Raum h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>.<br />
Se<strong>in</strong> Blick fiel zuallererst auf die durch Fenster<br />
und Glastüren transparent wirkende Wand<br />
und das dah<strong>in</strong>ter liegende tropische Grün<br />
des Palmenhauses. E<strong>in</strong> Überraschungseffekt,<br />
der beim ersten Besuch jeden bee<strong>in</strong>druckt<br />
haben dürfte. Auch der zweite Blick verursachte<br />
Staunen. Denn erst dann nahm der<br />
Gast die bis zur Kassettendecke <strong>in</strong> 16 Metern<br />
Höhe mit Stuck und Malereien reich verzierten<br />
Wände wahr. Die Beige-Töne und matten<br />
Vergoldungen blieben dabei fe<strong>in</strong> zurückhaltend,<br />
um nicht zu sehr von der üppigen<br />
Natur vor den Fenstern abzulenken.«6<br />
Der ab 1886 amtierende Direktor August<br />
Siebert sorgt dafür, dass die Zahl der gezeigten<br />
← Hochzeitssaal des neuen Gesellschaftshauses<br />
← Kle<strong>in</strong>er Weiher<br />
463
Heilanstalt<br />
sich die Stationen und jeweiligen fachspezifischen Funktionsbereiche im<br />
selben Geschoss, der Mischtyp verfügt über Flachbauten mit zwei bis maximal<br />
vier re<strong>in</strong>en Funktionsgeschossen, die den Stationen zugeordnet s<strong>in</strong>d,<br />
der Vertikaltyp – auch Breitfußsystem genannt – trennt die im Erdgeschoss<br />
angeordneten Funktionsräume von den im Hochhaus untergebrachten<br />
Bettenstationen. Bereits Mitte der 1950er <strong>Jahre</strong> muss e<strong>in</strong> Krankenhaus für<br />
die volle kl<strong>in</strong>ische Versorgung e<strong>in</strong>er städtischen Bevölkerung zwölf fachärztliche<br />
Abteilungen aufweisen: Chirurgie, Urologie, Hals-Nasen-Ohren-<br />
Heilkunde, Ophthalmologie, Orthopädie, Zahn- und Kieferbehandlung,<br />
Gynäkologie, Innere Mediz<strong>in</strong>, Neurologie, Dermatologie, Radio logie und<br />
Pädiatrie.7<br />
In den 1960er <strong>Jahre</strong>n bestimmt das Hochhaus die Bautypologie des<br />
Krankenhauses. Den vorläufigen Höhe- und Endpunkt der Baugeschichte<br />
bildet das so genannte ›Großkl<strong>in</strong>ikum‹, das meist als Universitätskl<strong>in</strong>ik der<br />
mediz<strong>in</strong>ischen Fakultät e<strong>in</strong>er Hochschule angegliedert ist. Es stellt gewissermaßen<br />
den architektonischen Ausdruck e<strong>in</strong>es überdimensionierten Pflegeapparates<br />
dar. Zugleich spiegelt es den technischen Fortschritt <strong>in</strong> der Apparatemediz<strong>in</strong><br />
wider, der diesen Bautyp immer mehr zu e<strong>in</strong>em re<strong>in</strong> technisierten<br />
Gehäuse mutieren lässt. In den 1970er <strong>Jahre</strong>n erhält das Großkl<strong>in</strong>ikum<br />
dann auch e<strong>in</strong>e entsprechende Hightechform, für die das Pariser<br />
Centre Georges-Pompidou (1971–77) von Renzo Piano und Richard Rogers<br />
Pate steht. Beredtes Beispiel dieser Entwicklung ist die Aachener Universitätskl<strong>in</strong>ik<br />
(1971–85), geplant und gebaut vom Büro Weber, Brand & Partner<br />
unter Mitarbeit von Benno Schachner. In diesem »Monsterkrankenhaus«8<br />
wird der Patient – ähnlich wie die Bewohner zeitgenössischer Großsiedlungen<br />
– zu e<strong>in</strong>er anonymen Größe, deren Pflegeaufwand sich quantifizieren<br />
und berechnen lässt.<br />
7 Vgl. Murken 1988,<br />
S. 235<br />
8 Anonym 1984<br />
Ralf Dorn<br />
Literatur<br />
Alvar Aalto (1985): Rationalismus und Mensch. In: Alvar Aalto. Skizzen und Essays. Hg. Akademie der bildenden<br />
Künste, Wien. Wien. S. 48–51 [1935]; Anonym (1984): Tückische Pfützen. Das Monsterkrankenhaus ist noch nicht<br />
fertig, da ist es schon teilweise h<strong>in</strong>fällig. In: Der Spiegel, Heft 28. S. 71; Kurt Bayertz/Jürgen Kroll/Peter We<strong>in</strong>gart<br />
(1988): Rasse, Blut und Gene. Geschichte der Eugenik und Rassenhygiene <strong>in</strong> Deutschland. Frankfurt a. M.; Günter<br />
Grass (2007): Die Blechtrommel. Gött<strong>in</strong>gen [1959]; Otto E. Guttentag (1931): Der Mensch im Krankenhaus. In: Das<br />
Neue Frankfurt 5. S. 84–90; Gustav Hassenpflug (1957): Krankenhausbau. In: Handbuch moderner Architektur.<br />
Hg. R. Jaspert. Berl<strong>in</strong>. S. 525–609; Wolfgang R. Krabbe (1974): Gesellschaftsveränderung durch Lebensreform.<br />
Strukturmerkmale e<strong>in</strong>er sozialreformerischen Bewegung im Deutschland der Industrialisierungsperiode. Gött<strong>in</strong>gen;<br />
Axel H<strong>in</strong>rich Murken (1979): Die bauliche Entwicklung des deutschen Allgeme<strong>in</strong>en Krankenhauses im 19. Jahrhundert.<br />
Gött<strong>in</strong>gen; Axel H<strong>in</strong>rich Murken (1988): Vom Armenhospital zum Großkl<strong>in</strong>ikum. Die Geschichte des Krankenhauses<br />
vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Köln; Sab<strong>in</strong>e Schulte (2001): Das Deutsche Hygiene-Museum <strong>in</strong><br />
Dresden von Wilhelm Kreis. Biographie e<strong>in</strong>es Museums der Weimarer Republik. Diss. Bonn.<br />
488<br />
Badehaus 2 – Schmuckhof →
18.3<br />
Wilhelm Jost<br />
Neue Kuranlagen<br />
Bad Nauheim, 1905–11<br />
Rückblickend schreibt Wilhelm Jost 1944<br />
über se<strong>in</strong> bedeutendstes Werk: »Der Hauptreiz<br />
der Badeanlage, wie auch der Tr<strong>in</strong>k kuranlage,<br />
liegt ja <strong>in</strong> der Verb<strong>in</strong>dung von Architektur<br />
und Natur, die ganz bewußt gesucht,<br />
gepflegt und betont wurde«1. Bis heute begeistert<br />
der vor waldreicher Kulisse ele gant<br />
<strong>in</strong>s Stadtgebiet e<strong>in</strong>gebettete Kur kom plex von<br />
Bad Nauheim Besucher aus aller Welt. Se<strong>in</strong><br />
Herzstück, der Sprudelhof, gilt als e<strong>in</strong> Gesamtkunstwerk,<br />
das die Ideen und Ideale der<br />
Reformbewegung um 1900 <strong>in</strong> sich vere<strong>in</strong>t.<br />
Die H<strong>in</strong>wendung zur Natur und ihren Heilkräf<br />
ten sowie die »Ästhetisierung der Lebenswelt«2<br />
als Gegenentwurf zu den schlech ten<br />
Wohn- und Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> den <strong>in</strong>dustrialisierten<br />
Städten s<strong>in</strong>d hier kunstvoll <strong>in</strong><br />
ste<strong>in</strong>erne Form gebracht.<br />
Heilanstalt<br />
Schon im 19. Jahrhundert verhilft die wohltuende<br />
Heilkraft der Sole dem prosperierenden<br />
Ort zu Ruhm. Die Entdeckung des Großen<br />
Sprudels 1846, der mit dem 1855 erbohrten<br />
Friedrich-Wilhelm-Sprudel das Zentrum<br />
des Sprudelhofs bildet, empf<strong>in</strong>den die<br />
Nauheimer als göttliches Geschenk. Mit den<br />
Sprudeln wächst der Kurbetrieb. Die ›Nauheimer<br />
Badekur‹ mit ihren <strong>in</strong>dividuell dosierbaren<br />
Kohlensäure-Solebädern geht als Fachbegriff<br />
<strong>in</strong> die frühe Kardiologie e<strong>in</strong> und lockt<br />
Herzkranke aller Klassen und Nationalitäten<br />
nach Bad Nauheim. Dabei geraten die ständig<br />
erweiterten Bade- und Kuranlagen immer<br />
wieder an ihre Grenzen.<br />
Mit der Popularisierung der Bademediz<strong>in</strong><br />
wird der Kurort zum gesellschaftlichen Treffpunkt.<br />
Se<strong>in</strong>e Badehäuser dienen jetzt auch<br />
als Orte der Geselligkeit mit Raum für geistige<br />
und künstlerische Bedürfnisse.3 1904 fällt<br />
deshalb die Entscheidung, e<strong>in</strong>en neuen, ganzheitlich<br />
geplanten Kurkomplex nach aktueller<br />
Mode, Technik und Wirtschaftlichkeit zu<br />
errichten. Der kunsts<strong>in</strong>nige Landesherr Großherzog<br />
Ernst Ludwig setzt das Großprojekt,<br />
489
Heilanstalt<br />
Kl<strong>in</strong>ikneubau. Die beiden Architekten werden<br />
sowohl mit der Planung als auch mit der<br />
Oberbauleitung beauftragt. Diese Konstellati<br />
on erweist sich als vorteilhaft, da es während<br />
der Bauarbeiten mehrfach zu Quere len mit<br />
der Stadtbauverwaltung kommt, die dar<strong>in</strong><br />
502<br />
Zweibett-Krankenzimmer der Privatstation, 1959<br />
gipfeln, dass Stadtbaurat Peter Grund (→ 6.4,<br />
9.6) die weitere Verantwortung für den Bau<br />
ablehnt. Dieser wird im April 1952 begonnen<br />
und im August 1954 offi ziell e<strong>in</strong>geweiht. Er<br />
trägt bis heute die Bezeichnung ›Otto-Bartn<strong>in</strong>g-Bau‹.<br />
Bartn<strong>in</strong>gs Gesamtplanung sieht<br />
ursprünglich e<strong>in</strong>e dreiteilige Gebäudegruppe<br />
<strong>in</strong>klusive e<strong>in</strong>es Chirurgiebaus vor. Dieser<br />
wird jedoch erst nach Bartn<strong>in</strong>gs Tod von dem<br />
mittlerweile pensionierten und seit 1959<br />
freischaffend tätigen Grund errichtet. Das<br />
Raumprogramm der Frauenkl<strong>in</strong>ik umfasst<br />
e<strong>in</strong> sechsgeschossiges Gebäude mit fünf Stati<br />
onen für je 40 Betten. Durch die Ost-West-<br />
Ausrichtung des Baus können die Patient<strong>in</strong>nenzimmer<br />
auf die Südseite gelegt, die<br />
Versorgungsräume entlang der Bismarckstraße<br />
nach Norden ausgerichtet werden.<br />
Westlich fügt sich der viergeschossige Operationstrakt<br />
an. Dieser ist im Grundriss als Viertelkreis<br />
ausgeführt und schließt das damals<br />
noch sehr heterogene Gelände des Darmstädter<br />
Kl<strong>in</strong>ikums städtebaulich gekonnt ab.<br />
Auf der Südseite, zwischen dem Operationsund<br />
dem Krankenzimmertrakt, liegt e<strong>in</strong> großzügig<br />
gestaltet es Treppenhaus samt Auf zugsanlage.<br />
Durch den späteren E<strong>in</strong>bau gläserner<br />
Brandschutztüren ist es heute se<strong>in</strong>er Raumwirkung<br />
weitestgehend beraubt.<br />
Bartn<strong>in</strong>g entwickelt das Gebäude ausgehend<br />
von der kle<strong>in</strong>sten baulichen E<strong>in</strong>heit,<br />
dem Krankenzimmer, das »<strong>in</strong> Proportion und<br />
E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> sich geordnete stille Welt<br />
mit voller Öffnung zum Leben der Natur«3<br />
bilden soll. Mit Schiebefenstern versehen,<br />
die Bartn<strong>in</strong>g bereits früher erprobt hatte, öffnen<br />
sich die Zimmer <strong>in</strong> voller Höhe zur Südseite.<br />
Die Größe der Fenster variiert <strong>in</strong> Abhängigkeit<br />
von der Bettenzahl, so dass sich<br />
der Unterschied zwischen Zwei-, Vier- und<br />
Sechsbettzimmern an der Fassade ablesen<br />
lässt. Die Fensterfront der Sechsbettzimmer<br />
ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong> auskragendes Betonraster e<strong>in</strong>gebettet<br />
und dom<strong>in</strong>iert so das Gesamtbild.
Heilanstalt
Militäranlage<br />
19.4<br />
Kurt Schönfeld, Ernst Wendel<br />
Wehrkreisdienstgebäude<br />
der Deutschen Wehrmacht,<br />
Kommando IX<br />
Kassel, 1935–38<br />
Mit den Worten, es sei »<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er monumentalen<br />
Größe e<strong>in</strong>e Symphonie deutschen Schaffensgeistes«1,<br />
kommentiert der kurhessische<br />
Gauleiter Karl We<strong>in</strong>rich den Bau des neuen<br />
Wehrkreisdienstgebäudes <strong>in</strong> Kassel. Den Entwurf<br />
erstellt Heeresoberbaurat Ernst Wendel<br />
<strong>in</strong> Kooperation mit Kurt Schönfeld von<br />
der örtlichen Wehrkreisverwaltung. Das Gesamtkonzept<br />
sieht vor, die Umgebung des<br />
städtischen Grundstücks radikal umzuorganisieren:<br />
E<strong>in</strong>e nach dem jüdischen Industriellen<br />
Sigmund Aschrott benannte Diagonalstraße<br />
wird demnach beseitigt und durch<br />
e<strong>in</strong>e rechtw<strong>in</strong>klig von der Wilhelmshöher<br />
Allee abzweigende platzartige Aufmarschstraße<br />
ersetzt. Diese ist Teil e<strong>in</strong>es neu geplanten<br />
Verkehrsr<strong>in</strong>ges für die ›Stadt der<br />
Reichskriegertage‹.2 Der angrenzende, diagonal<br />
ausgerichtete Schulbau von He<strong>in</strong>rich<br />
Tessenow (→ 10.3) wird dadurch städtebaulich<br />
degradiert.<br />
Im Oktober 1935 legt der Befehlshaber<br />
des Wehrkreises IX, Generalleutnant Friedrich<br />
Dollmann, den Grundste<strong>in</strong> der Anlage.<br />
Die Kasseler Post glorifiziert den Monumentalbau<br />
damals als »Symbol für die vom Führer<br />
dem deutschen Volk wiedergegebene<br />
Wehrfreiheit«. Er demonstriere den »deutschen<br />
Wehr willen«, der bereit sei, das Reich<br />
gegen jeden zu schützen, der »des deutschen<br />
Volkes Friedenswillen«3 störe. Nach mehrjähriger<br />
Bauzeit erfolgt am 11. Mai 1938 die<br />
E<strong>in</strong>weihungsfeier.<br />
522<br />
Der Hauptbau mit sehr flacher Dachschräge<br />
präsentiert sich als vierflügelige Anlage, an<br />
die sich e<strong>in</strong> zusätzlicher, gleich hoher Anbau<br />
im Westen anschließt. Die beiden Hauptflügel<br />
s<strong>in</strong>d durch Mittelflure, die beiden zurückspr<strong>in</strong>genden,<br />
schmaleren Verb<strong>in</strong>dungsflügel<br />
durch belichtete Seitenflure erschlossen.<br />
Zusammen bilden sie <strong>in</strong> der Mitte e<strong>in</strong>en<br />
quadratischen, durch Rasenflächen, Pflasterwege<br />
und kle<strong>in</strong>kronige Bäume streng symmetrisch<br />
gegliederten Innenhof. Dieser liegt<br />
etwas tiefer als die Erdgeschosse, was dem<br />
Souterra<strong>in</strong>, unter dem sich e<strong>in</strong> Keller mit<br />
Luftschutzräumen bef<strong>in</strong>det, Tageslicht zuführt.<br />
In Elbsandste<strong>in</strong> e<strong>in</strong>gefasste Fenster<br />
e<strong>in</strong>heitlicher Größe rastern die Fassaden,<br />
wobei das erste Obergeschoss mit durchlaufend<br />
etwas höherem Fensterformat den strengen<br />
geometrischen Aufbau leicht durch bricht.<br />
Zweier- und Dreiergruppierungen von Fens
Militäranlage<br />
tern im Innenhof verlassen dort die klare<br />
Geo metrie. Die vertikale optische Zu sammen<br />
fas sung mehrerer Fensterreihen an den<br />
Außenseiten ist neoklassizistische Atti tü de,<br />
da gegen erweisen sich die senkrechten Fenster<br />
bänder zur optimalen Ausleuchtung der<br />
Trep penhäuser als funktional bed<strong>in</strong>gt.<br />
An der Südfront – dem Ort des heutigen<br />
Haupte<strong>in</strong>gangs – f<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>gerückter,<br />
durch e<strong>in</strong>e Kolonnade gefasster Ehrenhof,<br />
der <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e zweigeschossige, vom Hof her beleuchtete<br />
Fahnenhalle mündet. Den Haupte<strong>in</strong>gang<br />
an der Ostfassade dom<strong>in</strong>iert e<strong>in</strong><br />
kolossaler Pfeilervorbau, zu dem e<strong>in</strong>e großzügige,<br />
von zwei mächtigen Rossebändigern<br />
des Münchener Bildhauers Joseph Wackerle<br />
flankierte Freitreppe h<strong>in</strong>aufführt.<br />
Mit Wandverkleidungen <strong>in</strong> Marmor und<br />
Travert<strong>in</strong>, figürlichen Reliefs von Augusto<br />
Varnesi (→ 19.3) und e<strong>in</strong>er dreiläufigen Haupttreppe<br />
wollen auch die öffentlich zugänglichen<br />
Innenräume bee<strong>in</strong>drucken. E<strong>in</strong> großes<br />
Treppenhausfenster zeigt Glasmalereien<br />
mit den Stadtwappen sämtlicher Standorte<br />
des Wehr kreises. Erich Schmidt-Kestner – damals<br />
Professor an der Kasseler Meisterschule<br />
des deutschen Handwerks – liefert bildhauerische<br />
Arbeiten. Der massive, sandfarben<br />
verputzte Bau beherbergt knapp 600<br />
E<strong>in</strong>zelräume und mehrere Sitzungszimmer.<br />
Zur Liegenschaft gehören außerdem e<strong>in</strong>e<br />
Turnhalle, e<strong>in</strong> Dienstwohnhaus, e<strong>in</strong>e Fahrzeughalle<br />
mit Ställen, e<strong>in</strong>e Reitbahn, e<strong>in</strong>e<br />
Schmiede und e<strong>in</strong> Schießstand.<br />
Als Ende August 1939 die Mobilmachung<br />
erfolgt, verlässt Dollmann Kassel, um den<br />
Oberbefehl der 7. Armee zu übernehmen.<br />
Die Leitung des Wehrkreises IX geht durch<br />
mehrere Hände, zuletzt an Maximilian Fretter-Pico,<br />
der Ende April 1945 im Harzkessel<br />
523
Militäranlage<br />
19.3<br />
Heeresbauamt Gießen<br />
Herzbachkaserne<br />
Gelnhausen, 1935/36<br />
Im Herzbachtal, direkt unterhalb der Hügel, liegt<br />
die zwischen 1935 und 1936 von der Deutschen<br />
Wehrmacht für e<strong>in</strong>e Panzerabwehre<strong>in</strong>heit errichtete<br />
Herzbachkaserne. Wie e<strong>in</strong> städtebauliches Kle<strong>in</strong>od<br />
gruppieren sich die fünf Unterkunftsbauten mit<br />
markanten, halbkreisförmig vorgewölbten Treppenhäusern<br />
locker um e<strong>in</strong>en künstlichen Weiher. Sie<br />
umrahmen das etwas niedrigere Wirtschafts- und<br />
Kas<strong>in</strong>ogebäude, dessen pittoreskes Uhrtürmchen<br />
kaum an e<strong>in</strong>e Kaserne denken lässt1. Der rote Sandste<strong>in</strong><br />
der Fensterlaibungen zitiert Bauwerke <strong>in</strong> Gelnhausens<br />
historischer Altstadt. Im »völkischen Regionalstil<br />
deutscher Tradition«2 gestaltet, kaschieren<br />
die Gebäudehüllen, dass die gesamte <strong>in</strong>nere und<br />
äußere Struktur der Kaserne detaillierten Normen<br />
für alle Heeresbauten folgt.3 Deutlich entfernt von<br />
den Unterkünften bef<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong> Technikbereich<br />
zur Unterbr<strong>in</strong>gung und Wartung von Panzerabwehrgerät.<br />
Neun aufwändige antikisierende Sandste<strong>in</strong>reliefs<br />
über den E<strong>in</strong>gängen der Treppenhäuser heroisieren<br />
Kriegsereignisse der deutschen Geschichte:<br />
Hermann der Cherusker besiegt im Teutoburger<br />
Wald die Römer, Freiherr vom Ste<strong>in</strong> mit preußischen<br />
Soldaten, Panzerabwehrkräfte des deutschen<br />
Heeres im Ersten Weltkrieg und nicht zuletzt e<strong>in</strong><br />
Relief mit dem Titel Die <strong>in</strong> Frieden lebende Volksgeme<strong>in</strong>schaft<br />
des Dritten Reiches, das e<strong>in</strong>en Soldaten<br />
der Wehrmacht zum B<strong>in</strong>deglied stilisiert – zwischen<br />
Handwerker, Bauer, fürsorglicher Mutter, SA-Mann<br />
und HJ-Knabe. Die ausführenden Künstler s<strong>in</strong>d Augusto<br />
Varnesi (→ 19.4), Johann Joseph Belz (→ 16.4),<br />
Emil Hub (→ 7.6, 20.4) und Albert Kraemer.4<br />
Bei der offiziellen E<strong>in</strong>weihungsfeier am 6. Oktober<br />
1936 zieht die Panzerabwehr-Abteilung 9 <strong>in</strong> die<br />
Kaserne e<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>en Tag später berichtet das örtliche<br />
NSDAP-Parteiorgan K<strong>in</strong>zig-Wacht über die Veranstaltung,<br />
dass »die Herzen der Menschen« an diesem<br />
»sonnenklaren Herbstmorgen« dabei gewesen<br />
seien: Das »haben uns die Tausende und Abertausende<br />
leuchtende Augen bewiesen. Das bewies uns<br />
der Flaggenschmuck, bewies uns die re<strong>in</strong> feiertägliche<br />
Stimmung, die über der Stadt und ihren Menschen<br />
lag, und bewies uns vor Allem die tiefe Herzlichkeit,<br />
mit der die jungen Waffenträger der Nation<br />
bei ihrem E<strong>in</strong>zug im künftigen Standorte begrüßt<br />
wurden.«5 1938 marschiert die E<strong>in</strong>heit <strong>in</strong>s Sudetenland<br />
e<strong>in</strong>, <strong>in</strong> den folgenden <strong>Jahre</strong>n kämpft sie gegen<br />
Frankreich, Polen und die Sowjetunion.<br />
1945 übernimmt das US-Militär die Anlage und<br />
benennt sie 1950 nach dem postum mit dem Silver<br />
Star dekorierten afroamerikanischen Offizier Kenneth<br />
W. Coleman6. Berühmtester Soldat der Coleman-Kaserne<br />
ist der spätere US-Außenm<strong>in</strong>ister<br />
Col<strong>in</strong> Powell. Er kommt 1958 im Rang e<strong>in</strong>es Leutnants<br />
nach Gelnhausen, wo se<strong>in</strong> Infanteriezug e<strong>in</strong><br />
schweres Artilleriegeschütz zu sichern hat, das im<br />
Ernstfall mit Nukleargeschossen bestückt werden<br />
soll.7 F. L.-I.<br />
1 Vgl. jedoch Heiß 1993, S. 470; Meyer-Bohe 2005, S. 167 2 Friedrich<br />
2011, S. 535 3 Vgl. Heiß 1993, S. 469–471 4 Vgl. Friedrich 2011,<br />
S. 534 5 Vgl. Freund 1996, S. 28/29 6 Vgl. Anderson 1945, S. 11, 32,<br />
102, 132 7 Vgl. Hammerich 2017, S. 14<br />
Literatur<br />
Trezzvant W. Anderson (1945): Come out Fight<strong>in</strong>g. The Epic Tale of<br />
the 761st Tank Battalion 1942–1945. Salzburg; Gerhard Freund<br />
(1996): Die Panzer-Abwehrabteilung 9 <strong>in</strong> Gelnhausen und ihr Schicksal<br />
1935–1945. Ste<strong>in</strong>au an der Straße; Waltraud Friedrich (2011):<br />
Kulturdenkmäler <strong>in</strong> <strong>Hessen</strong>. Ma<strong>in</strong>-K<strong>in</strong>zig-Kreis. Bd. 2.2. Stuttgart,<br />
Wiesbaden. S. 532–535; Helmut R. Hammerich (32017): Fulda Gap:<br />
E<strong>in</strong> Brennpunkt des Kalten Krieges zwischen Mythos und Wirklichkeit.<br />
In: Schlachtfeld Fulda Gap. Hg. D. Krüger. Fulda. S. 12–48; Ulrich<br />
Heiß (1993): Militärbauten. In: Bauen im Nationalsozialismus.<br />
Bayern 1933–1945. Hg. W. Nerd<strong>in</strong>ger. München. S. 462–513; Thomas<br />
Meyer-Bohe (2005): Militärisches Bauen <strong>in</strong> den 30er und 40er<br />
<strong>Jahre</strong>n. Bonn.<br />
534
Militäranlage<br />
Po<strong>in</strong>t Alpha ist der erste von fünf US-Beobachtungsstützpunkten<br />
(boarder observation po<strong>in</strong>ts), die ab<br />
1965 am hessischen Abschnitt des Eisernen Vorhangs<br />
entstehen. Die Orte s<strong>in</strong>d militärstrategisch<br />
gewählt: Die landschaftliche Senke zwischen Bad<br />
Hersfeld und Bad Kiss<strong>in</strong>gen (Fulda-Gap) gilt nämlich<br />
als wahrsche<strong>in</strong>lichstes Kampf- und E<strong>in</strong>marschgebiet,<br />
falls der Warschauer Pakt Westeuropa angreifen<br />
sollte.1 Bereits Anfang der 1950er <strong>Jahre</strong><br />
bereiten sich US-amerikanische Geheimdienste auf<br />
e<strong>in</strong>en solchen Tag X vor. Mit Hilfe von Re<strong>in</strong>hard<br />
Gehlen, dem ehemaligen Leiter der Nazi-Spionageabteilung<br />
Fremde Heere Ost, bauen sie deutsche<br />
Geheimarmeen auf, die sich im Fall e<strong>in</strong>es Angriffs<br />
überrollen lassen sollen, um dann im H<strong>in</strong>terland<br />
des Fe<strong>in</strong>des Terror- und Sabotageakte zu verüben.2<br />
Vergleichbare geheime Guerillatruppen unterhält<br />
damals auch die DDR.3<br />
Der Stützpunkt Po<strong>in</strong>t Alpha entsteht auf e<strong>in</strong>em<br />
Höhenzug zwischen Geisa und Rasdorf unmittelbar<br />
an der deutsch-deutschen Grenze. Neben den Baracken<br />
des Camps wird 1968 e<strong>in</strong> erster dreigeschossiger<br />
Beobachtungsturm <strong>in</strong> grober Holzstützbauweise<br />
errichtet. Diesen löst bereits zu Beg<strong>in</strong>n der 1970er<br />
<strong>Jahre</strong> e<strong>in</strong> fünfgeschossiger Stahlturm mit stabilisierenden<br />
Kreuzverstrebungen ab. Se<strong>in</strong>e vorgehängte<br />
Leichttreppe führt auf e<strong>in</strong> weites Podest, das e<strong>in</strong>en<br />
Beobachtungspavillon mit gleich weit auskragendem<br />
Dach trägt. Auch dieser Turm ist nicht mehr<br />
erhalten. Er wird 1985 durch den heute noch existierenden<br />
Betonturm <strong>in</strong> viergeschossiger Fertigteilkonstruktion<br />
ersetzt.<br />
Anfangs ist der Stützpunkt vom 14th Armored<br />
Cavalry Regiment besetzt, ab 1972 vom 11th Armored<br />
Cavalry Regiment Black Horse.4 Im Regelbetrieb<br />
stellen 40 Soldaten die Besatzung, die sich alle vier<br />
Wochen ablöst. In Krisensituationen steigt die Zahl<br />
aber auf bis zu 200. 1991 gibt das US-Militär den<br />
Standort auf. Heute beherbergt das Gelände die Gedenkstätte<br />
Po<strong>in</strong>t Alpha am Kreuzungspunkt der als<br />
Friedensprojekte <strong>in</strong>itiierten Radwege Deutsche E<strong>in</strong>heit<br />
(Berl<strong>in</strong>–Bonn) und Iron Curta<strong>in</strong> Trail (Barentssee–Schwarzes<br />
Meer). K. B./F. L.-I.<br />
19.6<br />
Po<strong>in</strong>t Alpha<br />
bei Rasdorf, ab 1965<br />
1 Vgl. z. B. Friedensbüro Osthessen (Hg.) 1984 2 Vgl. Schmidt-<br />
Eenboom/Stoll 2015 3 Vgl. F<strong>in</strong>gerle/Gieseke 1996 4 Vgl. Cirillo 2014<br />
Literatur<br />
Roger Cirillo (2014): Die Verteidigung der Bundestraße 84. Er<strong>in</strong>nerungen<br />
des Kompaniechefs der B-Kompanie des 11th Armored Cavalry<br />
Regiment 1978–1980. In: Schlachtfeld Fulda Gap. Strategien und<br />
Operationspläne der Bündnisse im Kalten Krieg. Hg. D. Krüger Fulda.<br />
S. 125–164; Karl-He<strong>in</strong>z Dörsmann (2009): Po<strong>in</strong>t Alpha. E<strong>in</strong> Relikt<br />
des Kalten Krieges. Me<strong>in</strong><strong>in</strong>gen; Stephan F<strong>in</strong>gerle/Jens Gieseke<br />
(1996): Partisanen des Kalten Krieges. Die Untergrundtruppe der<br />
Nationalen Volksarmee 1957 bis 1962 und ihre Übernahme durch die<br />
Staatssicherheit. Berl<strong>in</strong>; Friedensbüro Osthessen (Hg. 21984):<br />
Fulda-Gap. Hier könnte der 3. Weltkrieg beg<strong>in</strong>nen. Fulda; Mira Keune<br />
(22015): Po<strong>in</strong>t Alpha. Vom heißen Ort im Kalten Krieg zum Lernort der<br />
Geschichte. Geisa; Erich Schmidt-Eenboom/Ulrich Stoll (2015):<br />
Die Partisanen der NATO. Stay-Beh<strong>in</strong>d-Organisationen <strong>in</strong> Deutschland<br />
1946–1991. Berl<strong>in</strong>; Klaus Hartwig Stoll (2007): Po<strong>in</strong>t Alpha.<br />
Brennpunkt der Geschichte. Petersberg.<br />
535
Sakralbau<br />
20.5<br />
Dom<strong>in</strong>ikus Böhm<br />
Katholische<br />
Christkönigskirche<br />
Bischofsheim (Ma<strong>in</strong>spitze), 1926<br />
Obwohl die kle<strong>in</strong>e St. Josefskirche der katholischen<br />
Geme<strong>in</strong>de Bischofsheim erst 25 <strong>Jahre</strong><br />
zählt, ist sie Anfang 1926 so baufällig, dass die<br />
baubehördliche Schließung droht. Zudem s<strong>in</strong>d<br />
die räumlichen Verhältnisse für die mittlerweile<br />
1.200 Katholiken des Orts sehr beengt.<br />
Zwei Architekten werden mit Entwürfen für<br />
e<strong>in</strong>en Neubau beauftragt: Arthur Wienkoop,<br />
Professor an der Landesbaugewerkeschule <strong>in</strong><br />
Darmstadt, und Dom<strong>in</strong>ikus Böhm, der an den<br />
Technischen Lehranstalten Offenbach unterrichtet.<br />
Die Wahl fällt auf Böhm – se<strong>in</strong> Projekt<br />
kann am bisherigen Standort realisiert werden,<br />
verursacht ger<strong>in</strong>gere Kosten und entspricht<br />
wohl auch eher den liturgischen Vorstellungen<br />
der Geme<strong>in</strong>de als die von Wien koop<br />
vorgeschlagene neobarocke Hallenkirche. Außer<br />
dem lässt es sich <strong>in</strong>nerhalb weniger Monate<br />
umsetzen: Im Juni 1926 erfolgt der Abriss<br />
der Josefskirche, im Juli beg<strong>in</strong>nen die Bauarbeiten,<br />
Ende August kann der Grundste<strong>in</strong> gelegt<br />
werden, am 21. November wird das neue<br />
Gebäude von Bischof Ludwig Maria Hugo<br />
geweiht: »Während dieser Weihehandlung<br />
versenkte der Bischof auch die Gebe<strong>in</strong>e der<br />
Katakombenmärtyrer Deodatus, Gaudentius<br />
und Modesta <strong>in</strong> der Mitte der Altarplatte.<br />
Rund tausend Gläubige nahmen am Nachmittag<br />
des gleichen Tages an e<strong>in</strong>em zweiten Gottesdienst<br />
<strong>in</strong> der neuen Kirche teil«1.<br />
In e<strong>in</strong>er schmalen Seitenstraße gelegen,<br />
stellt die Christkönigskirche e<strong>in</strong>e enge Verb<strong>in</strong>dung<br />
zur Geme<strong>in</strong>de her. Sie umfasst zwei<br />
<strong>in</strong> Eisenbetonkonstruktion errichtete, mit<br />
rotem Backste<strong>in</strong> verkleidete Hauptbaukörper:<br />
e<strong>in</strong>en quaderförmigen, mit der Schmalseite<br />
zur Straße gelegenen Turm und dah<strong>in</strong>ter<br />
das von e<strong>in</strong>em Satteldach bedeckte Kirchenschiff.<br />
Sechs horizontale helle Betonbän der<br />
Grundste<strong>in</strong>legung<br />
548
Sakralbau
Sakralbau<br />
20.7<br />
Fritz Nathan<br />
Israelitischer Friedhof<br />
Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, 1927–29<br />
Die Israelitische Geme<strong>in</strong>de Frankfurt organisiert<br />
1921 e<strong>in</strong>en Architekturwettbewerb für<br />
e<strong>in</strong>en neuen Friedhof zwischen Friedberger<br />
Warte und Marbachweg, weil die Grabflächen<br />
der bisherigen Anlage an der Rat-Beil-Straße<br />
nicht mehr ausreichen. Acht Frank furter Archi<br />
tekten werden aufgefordert, Entwürfe abzuliefern,<br />
darunter Franz Roeckle, der <strong>in</strong><br />
Fran kfurt bereits die Westend-Synagoge<br />
(→ 20.3) und e<strong>in</strong> Israelitisches Krankenhaus<br />
errichtet hatte.1 Die Jury vergibt drei gleiche<br />
Preise, die Geme<strong>in</strong>de entscheidet sich dafür,<br />
Roeckles Pläne weiterzuverfolgen. Doch als<br />
Roeckle, selbst ke<strong>in</strong> Jude, 1923 die NSDAP<br />
unterstützt, kommt es zum Bruch. Um zu klären,<br />
wie es mit dem Projekt weitergehen<br />
kann, zieht man den jüdischen Architekten<br />
Fritz Nathan zurate, der an der Planung des<br />
Ehrenfeldes auf dem Israelitischen Friedhof<br />
Berl<strong>in</strong>-Weißensee für die im Ersten Weltkrieg<br />
gefallenen jüdischen Soldaten beteiligt<br />
gewesen war. 1924 beschließt die Geme<strong>in</strong>de<br />
e<strong>in</strong> neues Bauprogramm: »Der neue jüdische<br />
Friedhof soll die hohe Tradition der alten<br />
würdigen und e<strong>in</strong>heitlichen jüdischen Begräb<br />
nisplätze verb<strong>in</strong>den mit den neuzeitlichen<br />
Anforderungen hygienischer und technischer<br />
Art, die die Häufigkeit der Beerdigungen<br />
e<strong>in</strong>er Großgeme<strong>in</strong>de bed<strong>in</strong>gen. Die<br />
äußere Erschei nung des Portales, der E<strong>in</strong>friedigung<br />
und der Gebäude soll durch die<br />
Verwendung soliden Materials und e<strong>in</strong>facher<br />
Formen, durch geschlossene Silhouette der<br />
Baugruppe e<strong>in</strong>e weihevolle Monumentalität<br />
erzielen. Mit e<strong>in</strong> fachsten Mitteln gilt es, durch<br />
Proportionen und Farbgebung e<strong>in</strong>e Stät te<br />
des Friedens zu schaffen, die ohne Ver wendung<br />
plastischen und malerischen Schmuckes<br />
die ernste und pietätvolle Bestimmung<br />
der Anlage auszeich net.«2 Im Januar 1925<br />
prä sentiert Nathan e<strong>in</strong>en Vorentwurf und erhält<br />
den Auftrag, se<strong>in</strong>e Pläne umzusetzen.<br />
Bereits im Juli 1925 erfolgen die ersten Tiefbauarbeiten,<br />
doch die Stadt Frank furt beansprucht<br />
das Gelände für sich, um dort dr<strong>in</strong>gend<br />
benötigten Wohnraum zu schaffen.<br />
Nach langen Verhandlungen e<strong>in</strong>igt man sich<br />
auf e<strong>in</strong>en von Kle<strong>in</strong>gärtnern genutz ten Standort<br />
an der Eckenheimer Landstraße. Als die<br />
554
Sakralbau<br />
555
Sakralbau<br />
20.8<br />
Otto Bartn<strong>in</strong>g<br />
Evangelische Pankratiuskapelle<br />
Gießen, 1949<br />
Otto Bartn<strong>in</strong>g (→ 18.8) zählt zweifellos zu den bedeuten<br />
dsten deutschen Kirchenbaumeistern des<br />
20. Jahrhunderts. Anknüpfend an das Wiesbadener<br />
Programm (→ 20.4), das Geme<strong>in</strong>de und Predigt <strong>in</strong><br />
den Mittelpunkt rückt, entwickelt er eigene Ideen<br />
zur evangelischen Kirchenarchitektur. Besonderen<br />
Wert legt Bartn<strong>in</strong>g darauf, dass die stimmungsvolle<br />
Ausgestaltung des Kirchenraums den Gottesdienst<br />
zum Geme<strong>in</strong>schaftserlebnis werden lässt – die Geme<strong>in</strong>schaft<br />
der Betenden sei »nicht nur e<strong>in</strong>e Addition,<br />
sondern e<strong>in</strong>e Potenz der Seelen«1. Neue Kirchenhäuser<br />
seien vom religiösen Willen und Gefühl der<br />
bauenden Geme<strong>in</strong>de her zu konzipieren. Das Abendmahl<br />
als sichtbarer Ausdruck der Geme<strong>in</strong>schaft solle<br />
sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em über die praktische Notwendigkeit<br />
h<strong>in</strong>aus sakral gestalteten Raum vollziehen, damit<br />
»dieser heilige Vorgang besser, re<strong>in</strong>er und vollkommener<br />
gel<strong>in</strong>gt und den Ort dauernd erfüllt«2.<br />
Nach dem Zweiten Weltkrieg steht der Wiederaufbau<br />
von Wohnraum an erster Stelle, doch auch<br />
für die zerstörten Kirchen wird dr<strong>in</strong>gend Ersatz benötigt.<br />
Hier br<strong>in</strong>gt sich Bartn<strong>in</strong>g engagiert e<strong>in</strong>. 1946<br />
übernimmt er die Leitung der Bauabteilung des<br />
Hilfswerks der Evangelischen Kirchen <strong>in</strong> Deutschland<br />
(HEKD), das vor allem Hilfe zur Selbsthilfe<br />
anbietet. Im Rahmen e<strong>in</strong>es Notkirchenprogramms<br />
entwirft Bartn<strong>in</strong>g den auf Serienfertigung angelegten<br />
Typ B, der sich an die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten<br />
anpassen lässt und <strong>in</strong> drei Varianten verfügbar<br />
ist: ohne Altarraum, mit gemauertem Altarraum<br />
und mit polygonalem Altarraum.3 F<strong>in</strong>anziert<br />
werden die Typenbauten aus Hilfsmitteln <strong>in</strong>ternationaler<br />
Kirchenverbände. Den am Programm beteiligten<br />
Geme<strong>in</strong>den liefert und montiert das HEKD widerstandsfähige<br />
vorfabrizierte Tragekonstruktio nen<br />
aus Holz. In Eigenleistung bauen die Geme<strong>in</strong>den<br />
die Fundamente und füllen das Tragwerk mit Trümmermaterial,<br />
so dass jede Kirche automatisch e<strong>in</strong>en<br />
<strong>in</strong>dividuellen Charakter erhält. Entwürfe für e<strong>in</strong>en<br />
nur zwei Mal ausgeführten Typ A erstellt der Architekt<br />
Emil Staudacher aus Zürich. Insgesamt stehen<br />
Mittel für 48 Notkirchen zur Verfügung.4 Auf alle<br />
vier Besatzungszonen verteilt, werden am Ende 43<br />
errichtet – von Stralsund bis München, von Aachen<br />
bis Dresden. Die Gießener Pankratiuskapelle gehört<br />
zum Typ B mit polygonalem Altarraum und<br />
besitzt Wände aus Quaderste<strong>in</strong>en der alten Stadtkirche.<br />
K. B.<br />
1 Vgl. Bartn<strong>in</strong>g 1922, S. 26 2 Ebd., S. 27 3 Vgl. Schrickel 2005,<br />
S. 201–204 4 Vgl. Bartn<strong>in</strong>g 1949<br />
Literatur<br />
Otto Bartn<strong>in</strong>g (1922): Das evangelische Kirchbauprogramm. In: Die<br />
Form 1, Heft 4. S. 26/27; Otto Bartn<strong>in</strong>g (1949): Die 48 Notkirchen <strong>in</strong><br />
Deutschland. Heidelberg; Dagmar Kle<strong>in</strong> (2009): Die Pankratiuskapelle<br />
<strong>in</strong> Gießen. Von der Burgkapelle zur Bartn<strong>in</strong>g-Kirche 1248–2009.<br />
Gießen; Christoph Schneider (1995): Das Notkirchenprogramm von<br />
Otto Bartn<strong>in</strong>g. Diss. Marburg; Svenja Schrickel (2005): Die Notkirchen<br />
von Otto Bartn<strong>in</strong>g – e<strong>in</strong>e serielle Kirchenbauproduktion der<br />
Nachkriegszeit. Überlieferte Zeichen e<strong>in</strong>es Neuanfanges nach<br />
dem Zweiten Weltkrieg. In: Denkmalpflege <strong>in</strong> Baden-Württemberg 34.<br />
S. 201–213.<br />
568
Sakralbau<br />
20.9<br />
Teuto Rocholl<br />
Bahā’ī-Haus der Andacht<br />
Hofheim am Taunus, 1960–64<br />
Im 19. Jahrhundert stiftet der aus wohlhabenden<br />
Verhältnissen stammende Perser Bahā’u’llāh e<strong>in</strong>e<br />
nach ihm benannte neue Religion, die das Geme<strong>in</strong>same<br />
aller Menschen und Religionen betont. Unabhängig<br />
von Rasse, sozialer Schicht, Staatsangehörigkeit<br />
und Religion betrachten die Bahā’ī jeden<br />
Menschen als Ausdruck der universellen Liebe und<br />
setzen sich für den Weltfrieden e<strong>in</strong>. Zwischen 1902<br />
und 1908 entsteht im turkmenischen Aschgabat ihr<br />
erstes Haus der Andacht, dem weitere auf verschiedenen<br />
Kont<strong>in</strong>enten folgen.1 Die Häuser stehen allen<br />
Menschen offen und s<strong>in</strong>d Orte des Gebets, der<br />
Meditation und der Bes<strong>in</strong>nung ohne feste Rituale.<br />
Ihre Architektur orientiert sich an den jeweiligen<br />
landschaftlichen und kulturellen Bed<strong>in</strong>gungen.<br />
1964 wird im hessischen Hofheim das europäische<br />
Bahā’ī-Haus der Andacht eröffnet. Das Bauprogramm<br />
schildert der beauftragte Architekt Teuto<br />
Rocholl <strong>in</strong> der Deutschen Bauzeitung: »Die Forderungen<br />
des Bauherrn an den Architekten für die<br />
Gestaltung dieses Tempels waren e<strong>in</strong>e hochaufragende<br />
Kuppel über e<strong>in</strong>em Zentralraum mit neun<br />
symmetrisch angeordneten E<strong>in</strong>gängen, Sitzmöglichkeiten<br />
für etwa 500 Personen und die Bekrönung<br />
der Kuppel mit e<strong>in</strong>er Laterne. Den geistigen Anschauungen<br />
der Baha’i entsprechend sollte e<strong>in</strong> hoher,<br />
lichtdurchfluteter Raum <strong>in</strong> möglichst enger<br />
Be ziehung zur umgebenden Außenwelt geschaffen<br />
werden.«2<br />
Rocholl entwirft e<strong>in</strong>e Kuppel aus 27 gleichartigen<br />
Betonrippen, deren Zwischenräume dünnwandige<br />
Elemente mit rhombenförmigen Glasöffnungen<br />
füllen. Im Zenit der Kuppel ist e<strong>in</strong>e Kalligrafie<br />
mit der Bedeutung »O du, Herrlichkeit des Allherrlichen!«<br />
angebracht. R<strong>in</strong>gs um das Gebäude verläuft<br />
e<strong>in</strong> flacher verglaster Vorbau, der e<strong>in</strong>en allseitigen<br />
Blick <strong>in</strong> die umgebende Naturlandschaft öffnet.<br />
Die neun Zugänge zum Gebäude unterstreichen<br />
den symbolischen Wert der Zahl neun im Bahā’ī-<br />
Glauben. Sie steht für die neun Weltreligionen, wird<br />
als höchste e<strong>in</strong>stellige Zahl mit Perfektion verbunden<br />
und entspricht zugleich der numerisch en Quersumme<br />
des Worts ›Bahā’‹ <strong>in</strong> der persischen Zahlenmystik.<br />
K. B.<br />
1 Vgl. Badiee 1992 2 Rocholl 1963, S. 1038<br />
Literatur<br />
Julie Badiee (1992): An Earthly Paradise. Bahá’í Houses of Worship<br />
around the World. Oxford; Francesco Ficicchia (1981): Der Bahā’ismus.<br />
Weltreligion der Zukunft? Geschichte, Lehre und Organisation <strong>in</strong><br />
kritischer Anfrage. Stuttgart; Manfred Hutter (2009): Handbuch<br />
Bahā’ī. Geschichte – Theologie – Gesellschaftsbezug. Stuttgart; Teuto<br />
Rocholl (1963): Die konstruktive Ausbildung des Baha’i-Tempels<br />
<strong>in</strong> Langenha<strong>in</strong>/Taunus. In: Deutsche Bauzeitung 68. S. 1038–1042;<br />
Udo Schaefer/Nicola Towfigh/Ulrich Gollmer (1995): Des<strong>in</strong>formation<br />
als Methode. Die Bahā’ismus-Monographie des F. Ficicchia.<br />
Hildesheim, Zürich, New York.<br />
569
Borken (<strong>Hessen</strong>)<br />
4.4 Werner Issel/Georg und Walter Kl<strong>in</strong>genberg:<br />
Großkraftwerk Ma<strong>in</strong>-Weser (heute u. a.<br />
Diskothek), Zum Alten Kraftwerk 1<br />
Edertal bei Hemfurth<br />
4.2 Otto Intze: Edertalsperre, Zur Sperrmauer<br />
Eschwege<br />
16.1 Turnhalle, Dünzebacher Straße 2a<br />
Gießen<br />
12.4 Hans Köhler: Universitätsbibliothek<br />
Gießen (heute teilweise umgenutzt),<br />
Bismarckstraße 37<br />
15.2 Ferd<strong>in</strong>and Fellner d. J./Hermann Helmer:<br />
Stadttheater Gießen, Südanlage 1<br />
20.8 Otto Bartn<strong>in</strong>g: Evangelische Pankratiuskapelle,<br />
Georg-Schlosser-Straße 5<br />
Grünberg (<strong>Hessen</strong>)<br />
5.4 Paul Bonatz: Autobahnraststätte Re<strong>in</strong>hardsha<strong>in</strong><br />
(heute Hotel Autobahnmotel<br />
Re<strong>in</strong>hardsha<strong>in</strong> Nord), A 5<br />
Herborn<br />
19.7 Aartalkaserne (heute Gewerbegebiet),<br />
Hohe Straße 700<br />
Her<strong>in</strong>gen (Werra)<br />
13.9 Wilhelm Hugues/Karl Schumann: Mahnmal<br />
Bodesruh, Bodesruh<br />
Hofgeismar<br />
17.3 Naturschutzgebiet Urwald Sababurg,<br />
Gutsbezirk Re<strong>in</strong>hardswald, und Tierpark<br />
Sababurg, Sababurg 1<br />
Kassel<br />
2.5 Otto Haesler/Karl Völker: Altersheim der<br />
Marie-von-Boschan-Aschrott-Altersheim-<br />
Stiftung, Friedrich-Ebert-Straße 178<br />
5.6 Paul Bode/Ernst Brundig: Parkhaus<br />
Centrum-Garagen (heute Parkhaus<br />
Wilhelmsstraße), Neue Fahrt/Gardedu-Corps-Straße<br />
5<br />
7.5 Curt von Brocke: Fabrikbauten für den<br />
Eisenbahn- und Masch<strong>in</strong>enhersteller<br />
Henschel & Sohn (heute verschiedene<br />
Nutzungen), Mittelfeld<br />
10.3 He<strong>in</strong>rich Tessenow: Malwida-von-Meysenbug-Schule<br />
(heute He<strong>in</strong>rich-Schütz-<br />
Schule), Freiherr-vom-Ste<strong>in</strong>-Straße 11<br />
11.7 Paulfriedrich Posenenske: Staatliche<br />
Hochschule für Bildende Künste Kassel<br />
(heute Kunsthochschule Kassel),<br />
Menzelstraße 13<br />
12.1 Emil Hagberg: Murhardsche Bibliothek<br />
(heute Landesbibliothek und Murhardsche<br />
Bibliothek), Brüder-Grimm-Platz 4a<br />
13.2 Wilhelm Kreis/Franz Zahn: Bismarckturm,<br />
Brasselsberg<br />
13.4 Hans Sautter: Ehrenmal an der Schönen<br />
Aussicht, Schöne Aussicht<br />
14.2 He<strong>in</strong>rich von Dehn-Rotfelser: Neue<br />
Gemäldegalerie (heute Neue Galerie),<br />
Schöne Aussicht 1<br />
15.4 Paul Bode: K<strong>in</strong>o Kaskade (heute Biomarkt),<br />
Königsplatz 53<br />
17.6 Hermann Mattern: Bundesgartenschau 1955<br />
(heute Staatspark Karlsaue), Karlswiese<br />
und Auehang<br />
19.4 Kurt Schönfeld/Ernst Wendel: Wehrkreisdienstgebäude<br />
der Deutschen Wehrmacht,<br />
Kommando IX (heute Bundes sozialgericht),<br />
Graf-Bernadotte-Platz 5<br />
20.10 Olaf Andreas Gulbransson: Evangelische<br />
Immanuelkirche, Wißmannstraße 66<br />
Künzell<br />
3.2 Frauensiedlung Loheland, Loheland<br />
Marburg<br />
6.8 Johannes Möhrle: Hauptpost (heute verschiedene<br />
Nutzungen), Zimmermannstraße 2<br />
11.1 Carl Schäfer: Auditoriengebäude (heute<br />
Philipps-Universität Marburg – Alte<br />
Uni versität), Lahntor 3<br />
11.3 Hubert Lütcke: Jubiläumsbau der Universität<br />
Marburg (heute Philipps-Universität<br />
Marburg – Kunstgebäude), Biegenstraße 11<br />
11.8 Helmut Spieker/W<strong>in</strong>fried Scholl:<br />
Chemische Institute der Universität<br />
Marburg, Hans-Meerwe<strong>in</strong>-Straße 4<br />
12.3 Alfred Henrich/Konrad Nonn: Staatsarchiv<br />
Marburg (heute Hessisches Staatsarchiv<br />
Marburg), Friedrichsplatz 15<br />
13.5 Kurt Schmelz: Denkmal für die gefallenen<br />
Jäger von 1914–1918, Ludwig-Schüler-Park<br />
18.4 Mart<strong>in</strong> Spielberg: Universitätskl<strong>in</strong>ik<br />
für Ohren-, Nasen- und Halskrankheiten<br />
(heute verschiedene Institute der Philipps-<br />
Universität Marburg), Deutschhausstraße 3<br />
18.7 Werner Hebebrand/Willi Kle<strong>in</strong>ertz:<br />
Tuberkulose-Sanatorium Sonnenblick<br />
(durch Neubau Kl<strong>in</strong>ik Sonnenblick<br />
ersetzt), Amöneburger Straße 1–6<br />
Neustadt (<strong>Hessen</strong>)<br />
3.5 Karl Rumpf/Karl Ludwig Groth: WASAG-<br />
Siedlungen Am Steimbel, Emil-Rössler-<br />
Straße, und Graf-Spee-Straße, Graf-Spee-<br />
Straße<br />
19.5 Ra<strong>in</strong>er Schell/Ernst Balser: Ernst-<br />
Moritz-Arndt-Kaserne (heute Hessische<br />
Erst aufnahmee<strong>in</strong>richtung), Niederkle<strong>in</strong>er<br />
Straße 21<br />
Rasdorf<br />
19.6 Po<strong>in</strong>t Alpha (heute Gedenkstätte Po<strong>in</strong>t<br />
Alpha), Platz der deutschen E<strong>in</strong>heit 1,<br />
36419 Geisa<br />
19.7<br />
Herborn<br />
Stadtallendorf<br />
8.4 Verwaltungsgebäude der Dynamit Nobel AG<br />
(heute Dokumentations- und Informa tionszentrum<br />
Stadtallendorf), Aufbauplatz 4<br />
Wetzlar<br />
8.5 Ludwig Leitz/Friedrich Groß/Otto Keune:<br />
Verwaltungsgebäude der Firma Leitz<br />
(heute Rathaus), Ernst-Leitz-Straße 30<br />
20.6 Hermann Bill<strong>in</strong>g d. J./Emil Kleemann/<br />
Theodor Golder: Totenfeierhalle mit<br />
Krematorium, Alter Friedhof, Frankfurter<br />
Straße 38<br />
Witzenhausen<br />
1.4 Richard Riemerschmid: Landhaus<br />
Fritz Frank, Am Johannisberg 2<br />
LAHN<br />
EDER<br />
6.8<br />
11.3<br />
11.8<br />
18.4<br />
11.1<br />
Marburg<br />
12.3<br />
13.5<br />
18.7<br />
12.4<br />
5<br />
570<br />
45<br />
8.5<br />
20.6<br />
Wetzlar<br />
15.2 20.8<br />
Gießen
<strong>Hessen</strong> (nördlicher Teil)<br />
WESER<br />
17.3<br />
Hofgeismar<br />
44<br />
Kassel<br />
7<br />
2.5 5.6 7.5 11.7<br />
1.4<br />
Witzenhausen<br />
13.2<br />
13.4 14.2 15.4<br />
WERRA<br />
10.3<br />
12.1<br />
17.6<br />
4.2<br />
Edertal<br />
49<br />
19.4<br />
20.10<br />
16.1<br />
Eschwege<br />
4.4<br />
Borken (<strong>Hessen</strong>)<br />
7<br />
19.5<br />
4<br />
13.9<br />
Her<strong>in</strong>gen (Werra)<br />
3.5<br />
8.4<br />
Neustadt (<strong>Hessen</strong>)<br />
Stadtallendorf<br />
5<br />
FULDA<br />
19.6<br />
Rasdorf<br />
7<br />
5.4<br />
Grünberg (<strong>Hessen</strong>)<br />
3.2<br />
Künzell<br />
571
45<br />
NIDDA<br />
7.8<br />
Limburg an der Lahn<br />
5<br />
4.1 18.3<br />
16.8<br />
Bad Nauheim<br />
10.1<br />
Friedberg (<strong>Hessen</strong>)<br />
1.10<br />
Altenstadt<br />
572<br />
RHEIN<br />
13.1<br />
Rüdesheim am Rhe<strong>in</strong><br />
Altenstadt<br />
1.10 Wolfgang Feierbach: Kunststoffhaus<br />
fg 2000, Industriestraße 6<br />
Bad Homburg vor der Höhe<br />
1.9 Hans Scharoun: Haus Tormann,<br />
Schillerstraße 29<br />
20.2 Max Spitta/Franz Schwechten: Evangelische<br />
Erlöserkirche, Dorotheenstraße 1<br />
Bad Nauheim<br />
4.1 Wilhelm Jost: Staatliche Masch<strong>in</strong>enzentrale,<br />
Fernheizwerk und Eisfabrik,<br />
Am Goldste<strong>in</strong> 5<br />
16.8 Hanns Ostler: Colonel-Knight-Stadion,<br />
Nördlicher Park 18<br />
18.3 Wilhelm Jost: Neue Kuranlagen,<br />
Nördlicher Park 3<br />
Bad Schwalbach<br />
18.5 Wilhelm Kreis: Staatliches Kurhotel<br />
(heute Eden Parc Hotel), Am Alleesaal 2<br />
Biblis<br />
4.8 He<strong>in</strong>rich Mandel: Kernkraftwerk Biblis,<br />
Kraftwerkstraße<br />
Bischofsheim (Ma<strong>in</strong>spitze)<br />
20.5 Dom<strong>in</strong>ikus Böhm: Katholische Christkönigskirche,<br />
Hochheimer Straße 3<br />
Darmstadt<br />
1.2 Peter Behrens: Haus Peter Behrens,<br />
Alexandraweg 17<br />
1.7 Fritz August Breuhaus: Haus Alexander<br />
Koch, Annastraße 25<br />
2.6 Ernst Neufert: Ledigenwohnheim (heute<br />
Wohnhaus), Pützerstraße 6<br />
18.5<br />
Bad Schwalbach<br />
66<br />
3<br />
4.8<br />
Biblis<br />
2.8<br />
67<br />
10.8<br />
5.5<br />
1.9<br />
10.5<br />
10.7<br />
20.2<br />
14.3 14.5 16.6<br />
3.1 5.2 6.4<br />
9.4<br />
Pfungstadt<br />
Bad Homburg vor der Höhe<br />
3.8 Oberursel (Taunus)<br />
Kronberg im Taunus<br />
Königste<strong>in</strong> im Taunus<br />
1.8 6.5 7.2<br />
1.1 15.5<br />
661<br />
66<br />
11.2 19.2<br />
1.3 1.5 9.5<br />
Sulzbach (Taunus)<br />
Hanau<br />
12.2 14.6<br />
9.8<br />
Frankfurt am Ma<strong>in</strong><br />
16.7 18.1 18.2<br />
20.9<br />
Offenbach am Ma<strong>in</strong><br />
Wiesbaden<br />
Hofheim am Taunus<br />
5.3 6.6 7.4<br />
66<br />
15.8<br />
5<br />
8.1 13.6 17.4<br />
7.6<br />
661<br />
3<br />
20.5 Rüsselsheim am Ma<strong>in</strong><br />
Bischofsheim<br />
Mörfelden-Walldorf<br />
(Ma<strong>in</strong>spitze)<br />
3.6<br />
1.2 1.7 2.6 10.6 13.3<br />
3.1 Friedrich Pützer (Bebauungsplan): Paulusviertel,<br />
zwischen He<strong>in</strong>richstraße, Nieder-<br />
Ramstädter Straße, Ste<strong>in</strong>bergweg/Seekatzstraße<br />
und Klappacher Straße/Karlstraße<br />
5.2 Friedrich Pützer: Hauptbahnhof Darmstadt,<br />
Am Hauptbahnhof 20<br />
6.4 Peter Grund: US-amerikanisches Kreisamt<br />
(John-F.-Kennedy-Haus) (heute Literaturhaus<br />
Darmstadt), Kas<strong>in</strong>ostraße 3<br />
67<br />
5<br />
Darmstadt<br />
10.2<br />
11.5<br />
MAIN<br />
18.8<br />
7.1 7.3 9.2<br />
16.2<br />
Seeheim-Jugenheim<br />
20.1<br />
Heppenheim (Bergstraße)<br />
4.5<br />
Hirschhorn<br />
(Neckar)<br />
45
FULDA<br />
<strong>Hessen</strong> (südlicher Teil)<br />
19.3<br />
Gelnhausen<br />
KINZIG<br />
7.1 Joseph Maria Olbrich: Ernst-Ludwig-Haus<br />
(heute Museum Künstlerkolonie),<br />
Olbrichweg 13a<br />
7.3 Friedrich Pützer/He<strong>in</strong>rich Walbe/<br />
Eugen Seibert: Gebäude der Firma Merck,<br />
Frankfurter Straße 250<br />
9.2 Karl Klee/Josef R<strong>in</strong>dsfüßer/Mart<strong>in</strong> Kühn:<br />
Damenkonfektions- und Manufakturwarengeschäft<br />
Gebr. Rothschild (heute Kaufhaus<br />
Henschel), Marktplatz 2<br />
9.4 Eugen Seibert/Georg Markwort:<br />
Miele-Haus (heute Geschäftshäuser),<br />
Poststraße 7, 9, 11 und 13<br />
10.6 Max Taut: Ludwig-Georgs-Gymnasium,<br />
Nieder-Ramstädter Straße 2<br />
10.7 Hans Schwippert: Georg-Büchner-Schule,<br />
Nieder-Ramstädter Straße 120<br />
11.5 Ernst Neufert: Wasserbauhalle der<br />
Technischen Hochschule Darmstadt<br />
(heute Ernst-Neufert-Halle der Technischen<br />
Universität Darmstadt), Rundeturmstraße 1<br />
13.3 Joseph Maria Olbrich: Hochzeitsturm,<br />
Olbrichweg 11<br />
14.3 Alfred Messel: Großherzoglich Hessisches<br />
Landesmuseum (heute Hessisches Landesmuseum<br />
Darmstadt), Friedensplatz 1<br />
14.5 Joseph Maria Olbrich: Städtisches<br />
Ausstellungsgebäude, Sabaisplatz 1<br />
16.2 August Buxbaum: Hallenschwimmbad (heute<br />
Jugendstilbad Darmstadt), Mercksplatz 1<br />
16.6 Karl Roth: Hochschulstadion,<br />
Lichtwiesenweg 3<br />
18.8 Otto Bartn<strong>in</strong>g/Otto Dörzbach: Frauenkl<strong>in</strong>ik<br />
(heute Kl<strong>in</strong>ikum Darmstadt, Gebäude 2),<br />
Grafenstraße 9<br />
20.1 Leonti Benua: Russische Kapelle St. Maria<br />
Magdalena, Nikolaiweg 18<br />
Friedberg (<strong>Hessen</strong>)<br />
10.1 Franz Thyriot: August<strong>in</strong>erschule,<br />
Goetheplatz 4<br />
Gelnhausen<br />
19.3 Heeresbauamt Gießen: Herzbachkaserne<br />
(heute verschiedene Nutzungen), Vor der<br />
Kaserne<br />
Hanau<br />
11.2 Julius Carl Raschdorff: Zeichenakademie<br />
(heute Staatliche Zeichenakademie Hanau),<br />
Akademiestraße 52<br />
19.2 Yorckhof (heute Yorckhof Stadtvillen),<br />
Chemnitzer Straße 1–17<br />
Heppenheim (Bergstraße)<br />
10.2 He<strong>in</strong>rich Metzendorf: Odenwaldschule<br />
(heute Wohnpark Ober-Hambach),<br />
Odenwaldschule 1<br />
Hirschhorn (Neckar)<br />
4.5 Paul Bonatz: Wasserkraftwerk, Ersheimer<br />
Straße<br />
Hofheim am Taunus<br />
20.9 Teuto Rocholl: Bahā’ī-Haus der Andacht,<br />
Eppste<strong>in</strong>er Straße 89<br />
Königste<strong>in</strong> im Taunus<br />
1.1 Franz von Hoven: Villa Andreae,<br />
Johann-H<strong>in</strong>rich-Wichern-Straße 4<br />
15.5 Hans Busch: Haus der Begegnung,<br />
Bischof-Kaller-Straße 3<br />
Kronberg im Taunus<br />
2.8 Walter Schwagenscheidt/Tassilo<br />
Sittmann: Schwesternwohnheim (heute<br />
Wohnhaus und K<strong>in</strong>dertagesstätte),<br />
Walter-Schwagenscheidt-Straße 13<br />
3.8 Rudolf Kramer/Dieter Rams: Siedlung Roter<br />
Hang, Am Roten Hang – Schirnbornweg –<br />
Kellergrundweg – Am Forsthaus – Viktoriastraße<br />
Limburg an der Lahn<br />
7.8 Marcel Breuer: Firmengebäude der Mundipharma<br />
GmbH, Mundipharmastraße 2<br />
Mörfelden-Walldorf<br />
3.6 Richard Neutra: Bewobau-Siedlung<br />
Gartenstadt, Fasanenweg – Drosselweg –<br />
Meisenweg – F<strong>in</strong>kenweg – Amselweg<br />
Oberursel (Taunus)<br />
10.8 Hans Heidenreich/Michael Polensky/<br />
Re<strong>in</strong>hard Vogel/Helmut Zeumer: Schulzentrum<br />
Oberursel (heute Hochtaunusschule),<br />
Bleibiskopfstraße 1<br />
Offenbach am Ma<strong>in</strong><br />
5.3 Ernst de la Sauce/Franz Schenck:<br />
Empfangsgebäude des Hauptbahnhofs<br />
Offenbach, Bismarckstraße 146<br />
6.6 Wolf Maier/Re<strong>in</strong>er Graf/Max Speidel/<br />
Hans Wolz: Rathaus Offenbach, Berl<strong>in</strong>er<br />
Straße <strong>100</strong><br />
7.4 Philipp Forster II.: Fabrikations- und<br />
Bürogebäude der Lederwarenfabrik<br />
Ludwig Krumm (heute Bürgerbüro Stadt<br />
Offenbach a. M.), Kaiserstraße 39<br />
8.1 Hugo Eberhardt: Verwaltungsgebäude<br />
der Gebrüder Heyne GmbH (heute verschiedene<br />
Nutzungen), Ludwigstraße 178<br />
13.6 Hugo Eberhardt: Gefallenendenkmal,<br />
Leonhard-Eißnert-Park<br />
17.4 Ferd<strong>in</strong>and Tutenberg/Leonhard Eißnert/<br />
Oskar Gutsche: Waldpark am Bieberer<br />
Berg (heute Leonhard-Eißnert-Park)<br />
Pfungstadt<br />
5.5 Ernst Neufert: Tankstellen, Rasthäuser<br />
und Motel an der A 67, Pfungstadt Ost und<br />
Pfungstadt West<br />
Rüdesheim am Rhe<strong>in</strong><br />
13.1 Johannes Schill<strong>in</strong>g/Karl Weißbach:<br />
Niederwalddenkmal, Tempelweg<br />
Rüsselsheim am Ma<strong>in</strong><br />
7.6 Paul Meißner: Fabrikgebäude der Adam<br />
Opel AG (heute u. a. Opel-Forum),<br />
Bahnhofsplatz 1<br />
15.8 Dietrich Hirsch: Stadttheater Rüsselsheim,<br />
Am Treff 7<br />
Seeheim-Jugenheim<br />
10.5 Gerhard Weber/Günther Gottwald/Carl<br />
Otto Vorländer: Schuldorf Bergstraße,<br />
Sandstraße<br />
Sulzbach (Taunus)<br />
9.8 Paul Schwebes/Hans Schoszberger: Ma<strong>in</strong>-<br />
Taunus-Zentrum, Ma<strong>in</strong>-Taunus-Zentrum<br />
Wiesbaden<br />
1.3 Paul Schultze-Naumburg: Schloss<br />
Freudenberg, Freudenbergstraße 226<br />
1.5 Ludwig Mies van der Rohe/Gerhard<br />
Severa<strong>in</strong>: Haus Ryder, Schöne Aussicht 20<br />
1.8 Marcel Breuer: Haus Harnischmacher I,<br />
Schöne Aussicht 55 (weitgehend zerstört),<br />
und Haus Harnischmacher II, Schöne<br />
Aussicht 53<br />
6.5 Herbert Rimpl: Hauptgebäude des<br />
Bundeskrim<strong>in</strong>alamts, Thaerstraße 11<br />
7.2 Paul Bonatz: Gebäude der Sektkellerei<br />
Henkell & Co., Biebricher Allee 142<br />
9.5 Johann Wilhelm Lehr: Sporthaus Schaefer<br />
(heute Jack Wolfsk<strong>in</strong> Store), Langgasse 17<br />
12.2 Bruno Engels: Nassauische Landesbibliothek<br />
(heute Hochschul- und Landesbibliothek<br />
Rhe<strong>in</strong>Ma<strong>in</strong>), Rhe<strong>in</strong>straße 55/57<br />
14.6 Theodor Fischer: Museum Wiesbaden –<br />
Hessisches Landesmuseum für Kunst und<br />
Natur, Friedrich-Ebert-Allee 2<br />
16.7 Franz Schuster/Edmund Fabry/Friedrich<br />
Wilhelm Hirsch: Opelbad, Neroberg 2<br />
18.1 Philipp Hoffmann: Kaiser-Wilhelms-<br />
Heilanstalt (heute Hessischer Rundfunk),<br />
Schlossplatz 3<br />
18.2 Friedrich von Thiersch: Kurhaus,<br />
Kurhausplatz 1<br />
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Wohnhaus