10.07.2019 Aufrufe

100 Jahre Moderne in Hessen

978-3-86859-583-3

978-3-86859-583-3

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>100</strong> <strong>Jahre</strong> <strong>Moderne</strong> <strong>in</strong> <strong>Hessen</strong><br />

Von der Reichsgründung<br />

bis zur Ölkrise<br />

E<strong>in</strong> Architekturführer<br />

Hg. Kai Buchholz und Philipp Oswalt


Inhaltsverzeichnis<br />

Grußwort6<br />

Vorwort der Herausgeber 7<br />

E<strong>in</strong>leitung10<br />

H<strong>in</strong>weise zur Benutzung 14<br />

Autor<strong>in</strong>nen und Autoren 14<br />

Das Wohnhaus 15<br />

Das Wohnheim 47<br />

Die Siedlung 73<br />

Das Energiezentrum 101<br />

Die Verkehrs<strong>in</strong>frastruktur 127<br />

Das Verwaltungsgebäude 157<br />

Die Produktionsstätte 183<br />

Der Firmensitz 213<br />

Die Handelsstätte 241<br />

Die Schule 267<br />

Die Hochschule 297<br />

Die Bibliothek und das Archiv 323<br />

Das Denkmal 347<br />

Das Ausstellungsgebäude 373<br />

Das Veranstaltungsgebäude 401<br />

Die Sportstätte 427<br />

Die Naturanlage 455<br />

Die Heilanstalt 483<br />

Die Militäranlage 511<br />

Der Sakralbau 537<br />

Karten570<br />

Personenregister576<br />

Bildnachweis581<br />

Impressum584<br />

5


Grußwort<br />

Liebe Leser<strong>in</strong>nen und Leser,<br />

das Bauhaus-Jubiläum 2019 hat den Fokus auf das Bauen Anfang des 20. Jahrhunderts<br />

geschärft. Das Bauhaus wollte nichts Ger<strong>in</strong>geres als ›die Welt neu<br />

denken‹ – und zwar im S<strong>in</strong>ne der Menschen. Es g<strong>in</strong>g um e<strong>in</strong> gutes Leben für alle,<br />

um Gerechtigkeit und Geme<strong>in</strong>schaftsgeist und darum, wie Kunst und Architektur<br />

dazu beitragen können. Die großen Fragen, die sich das Bauhaus stellte, s<strong>in</strong>d<br />

heute noch so aktuell wie vor <strong>100</strong> <strong>Jahre</strong>n.<br />

Für das Bauen der <strong>Moderne</strong> ist das Bauhaus mit se<strong>in</strong>er Bes<strong>in</strong>nung auf handwerkliche<br />

Pr<strong>in</strong>zipien und se<strong>in</strong>er klaren Formensprache e<strong>in</strong> herausragendes<br />

Beispiel. Aber auch andere Architekturschulen fanden seit der Zeit der Jahrhundertwende<br />

ihre je eigenen Lösungen für Herausforderungen wie Urbanisierung,<br />

Massenproduktion, Industrie- und Informationszeitalter und befassten<br />

sich mit immer neuen technischen Möglichkeiten wie dem Bauen aus Stahl,<br />

Glas und Beton.<br />

Der vorliegende Band, dessen Veröffentlichung das Hessische M<strong>in</strong>isterium<br />

für Wissenschaft und Kunst gern unterstützt hat, zeigt den Reichtum moderner<br />

Architektur ganz konkret an Gebäuden <strong>in</strong> <strong>Hessen</strong> auf. So ermöglicht er e<strong>in</strong>en<br />

neuen Blick auf alltägliche Begleiter <strong>in</strong> unserem Umfeld. Ich habe dar<strong>in</strong> zum<br />

Beispiel entdeckt, dass der Jubiläumsbau ›me<strong>in</strong>er‹ Universität <strong>in</strong> Marburg sich<br />

unter anderem mit dem Lesesaal der Bibliothek für die Stadtbevölkerung öffnete<br />

und mit se<strong>in</strong>er Raumaufteilung <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre Zusammenarbeit förderte.<br />

Schon <strong>in</strong> den 1920er <strong>Jahre</strong>n stand dieser Bau also für e<strong>in</strong>e Wissenschaft, die den<br />

Menschen und se<strong>in</strong>en Alltag <strong>in</strong> den Mittelpunkt stellt.<br />

Ich wünsche Ihnen viele ebenso <strong>in</strong>teressante Entdeckungen und e<strong>in</strong>e spannende<br />

und erkenntnisreiche Lektüre.<br />

Ihre<br />

Angela Dorn<br />

Hessische M<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> für Wissenschaft und Kunst<br />

6


Vorwort der Herausgeber<br />

Dieses Buch verdankt se<strong>in</strong>e Entstehung dem <strong>100</strong>-jährigen Jubiläum des Bauhauses,<br />

das Walter Gropius 1919 <strong>in</strong> Weimar eröffnet, um nach den traumatischen<br />

Erfahrungen des Ersten Weltkriegs neue Wege der Gestaltung e<strong>in</strong>zuschlagen.<br />

Dezidiert setzt sich se<strong>in</strong>e Schule mit den Lebens- und Produktionsverhältnissen<br />

der modernen Industriegesellschaft ause<strong>in</strong>ander. Doch bis heute<br />

ist die Frage ungelöst, wie Architektur zu e<strong>in</strong>em humanen Leben <strong>in</strong> der technischen<br />

Zivilisation beitragen kann. Deshalb konzentriert sich der vorliegende<br />

Band nicht auf die Programmatik und Praxis des Bauhauses, sondern stellt e<strong>in</strong><br />

weit gefächertes Spektrum hessischer Bauprojekte vor, die auf sehr unterschiedliche<br />

Weise Lebensräume für die moderne Gesellschaft zur Verfügung<br />

stellen. So erschließt sich e<strong>in</strong>em breiten Leserkreis, wie Architektur die <strong>in</strong>dividuellen<br />

und gesellschaftlichen Entfaltungsmöglichkeiten mitbestimmt, dass<br />

sie nicht nur e<strong>in</strong> Spiegelbild gesellschaftlichen Wandels ist, sondern der materielle<br />

Rahmen, <strong>in</strong> dem wir uns tagtäglich bewegen. Konkret nachvollziehen lässt<br />

sich das, wenn man die hier besprochenen Gebäude und Anlagen aufsucht, um<br />

ihre gestalterischen Qualitäten unmittelbar zu erleben. Die differenzierten Textbeiträge,<br />

das umfangreiche Bildmaterial, die Grundrisse und Lagepläne sowie<br />

die H<strong>in</strong>weise auf weiterführende Literatur bieten Hilfestellungen und Anknüpfungspunkte<br />

für e<strong>in</strong>e detaillierte, eigenständige Beschäftigung.<br />

An erster Stelle danken wir nachdrücklich dem Hessischen M<strong>in</strong>isterium<br />

für Wissenschaft und Kunst, das unser Projekt f<strong>in</strong>anziell unterstützt und so<br />

erst möglich gemacht hat. Die Kooperation mit unseren Ansprechpartner<strong>in</strong>nen<br />

und -partnern im M<strong>in</strong>isterium – Frau M<strong>in</strong>isterialdirigent<strong>in</strong> Irene Bauerfe<strong>in</strong>d-<br />

Roßmann, Herrn M<strong>in</strong>isterialdirigent a. D. Dr. Rolf Bernhardt, Frau M<strong>in</strong>isterialrät<strong>in</strong><br />

Dr. Dorothee Lux und Frau Doreen Epste<strong>in</strong> – war <strong>in</strong> allen Phasen ausgesprochen<br />

motivierend und wohlwollend. Auch das Präsidium der Hochschule Darm stadt<br />

(h_da), namentlich Präsident Prof. Dr. Ralph Stengler und Vizepräsident Prof. Dr.<br />

Manfred Loch, sowie der Fachbereich Gestaltung der h_da haben die vorliegende<br />

Publikation rückhaltlos gefördert.<br />

Besonderer Dank gilt Prof. Dr. Kris Scholz, der eigens durch <strong>Hessen</strong> gereist<br />

ist, um mit fe<strong>in</strong>em Sensorium und H<strong>in</strong>gabe die e<strong>in</strong>zigartigen Farbfotografien des<br />

Buches aufzunehmen. Die von ihm gewählten Perspektiven und Bildausschnitte<br />

lenken den Blick sowohl auf die Gesamtgestalt wie auch auf wichtige Details der<br />

gezeigten Gebäude. Die geme<strong>in</strong>samen Fahrten mit ihm waren <strong>in</strong>spirierend und<br />

lehrreich, die Zusammenarbeit äußerst engagiert, freundschaftlich, kooperativ<br />

7


E<strong>in</strong>leitung<br />

Was ist die Architektur der <strong>Moderne</strong>? In der Öffentlichkeit herrscht e<strong>in</strong> doppelt<br />

verkürzter E<strong>in</strong>druck vor: Oft gelten alle Ausformungen der klassischen<br />

Avantgarden und des Neuen Bauens schlichtweg als ›Bauhaus‹. De facto<br />

aber ist es eher umgekehrt – nicht das Bauhaus prägt die moderne Architektur,<br />

sondern e<strong>in</strong> Großteil der architektonischen Erneuerung der Avantgarde<br />

vollzieht sich vor und parallel zum Bauhaus und bee<strong>in</strong>flusst dieses. Aber<br />

wichtiger noch: Modernität ist nicht alle<strong>in</strong> oder primär e<strong>in</strong>e Frage des äußeren<br />

Ersche<strong>in</strong>ungsbildes e<strong>in</strong>es so genannten ›Bauhausstils‹ weißer Kuben,<br />

flacher Dächer und gläserner Fassaden. Die <strong>Moderne</strong> als Epoche von Verwissenschaftlichung<br />

und Industrialisierung, Kapitalismus und Demokratie,<br />

Massengesellschaft und Konsum verändert den Alltag und das Bauwesen<br />

tiefgreifend, bevor sich Abstraktion und Reduktionismus <strong>in</strong> der Gestaltung<br />

den Weg bahnen. Neue Bautypen wie der Bahnhof (→ 5.1), das Kaufhaus<br />

(→ 9.2), die Fabrik (→ 7.3), die Firmenzentrale, das Museum (→ 14.4) oder die<br />

Siedlung entstehen, um Räume zu bieten, <strong>in</strong> denen sich das Leben der modernen<br />

Gesellschaft entfalten kann. Auch die wesent lichen bautechnischen<br />

Erf<strong>in</strong>dungen wie Stahl, Beton, Flachglas, Aufzüge, Lüftungsanlagen und<br />

elektrische Beleuchtung revolutionieren das Bauen bereits im 19. Jahrhundert.<br />

Nicht zu vergessen ist die Lebensreformbewegung, welche die fortschreitende<br />

Technisierung kritisch begleitet.1 Sie plädiert für e<strong>in</strong>e menschliche<br />

<strong>Moderne</strong> und setzt neue Akzente: Natur-, Landschafts- und Heimatschutz,<br />

Reformpädagogik, Nacktkultur und Breiten sport, Gleichgewicht von<br />

Körper, Seele und Geist. Die Heimatschutzarchitektur (→ 1.3, 4.2, 10.2) wendet<br />

sich gegen e<strong>in</strong>e zunehmende Profitgier, die ge wachsene Natur- und Stadtlandschaften<br />

zerstört; die Jugendstilarchitekten (→ 1.2, 1.4, 5.2, 7.1, 13.3, 14.5, 15.2,<br />

16.2, 18.3, 20.4) greifen den Historismus als unzeit gemäße Maskerade an, fordern<br />

e<strong>in</strong>e ›Verschönerung des Lebens‹ und grün den 1907 den Deutschen<br />

Werkbund, der die gebrauchspraktische und ästhetische Qualität <strong>in</strong>dustrieller<br />

Erzeugnisse fördern soll (→ 2.2, 4.3, 7.2, 7.6, 12.2).<br />

Um die Entwicklung der <strong>Moderne</strong> im Spiegel ihrer Bauten sichtbar werden<br />

zu lassen, gliedert sich das vorliegende Buch nach zwanzig Architekturtypen,<br />

vom Wohnhaus bis zur Energiezentrale, vom Verwaltungssitz bis<br />

zur Naturanlage.2 In der Ausbildung dieser Typen manifestiert sich der gesellschaftliche<br />

Modernisierungsprozess – die Veränderung von Mobilität<br />

und Handel, Arbeit und Konsum, Natur und Kultur, Arbeitsteilung und Ge-<br />

1 Vgl. z. B. Buchholz/<br />

Latocha/Peckmann/<br />

Wolbert (Hg.) 2001<br />

2 E<strong>in</strong>e wertvolle Anre gung<br />

hierzu war Geisthövel/<br />

Knoch (Hg.) 2005<br />

10


E<strong>in</strong>leitung<br />

me<strong>in</strong>schaft, Macht und Emanzipation. Jedes Kapitel wird mit e<strong>in</strong>em Essay<br />

e<strong>in</strong>geleitet, der die allgeme<strong>in</strong>e Entwicklung des Typus schildert, gefolgt<br />

von e<strong>in</strong>er Analyse ausgewählter Bauten.<br />

Räumlicher Bezugsrahmen für diese Darstellung ist das Bundesland <strong>Hessen</strong>,<br />

das weder von e<strong>in</strong>em spezifischen Regionalstil (wie etwa Hamburger<br />

Backste<strong>in</strong>bau) noch von e<strong>in</strong>er spezifischen Architekturströmung (etwa<br />

Stutt garter Schule) geprägt ist und sich eher durch heterogene Positionen<br />

und Polyzentralität auszeichnet. Wesentlich für diese Vielfalt s<strong>in</strong>d auch die<br />

drei unterschiedlichen politischen Konstellationen, die <strong>Hessen</strong> zur Zeit der<br />

Reichsgründung bestimmen:<br />

1. die Prov<strong>in</strong>z <strong>Hessen</strong>-Nassau, <strong>in</strong> der die preußische Herrschaft moderne<br />

Verwaltungsstrukturen e<strong>in</strong>führt (→ 6.1, 6.2), die Hochschulen stärkt<br />

(→ 11.1, 11.2) und e<strong>in</strong> zusammenhängendes Eisenbahnnetz (→ 5.1), technische<br />

Großanlagen (→ 4.2) sowie militärische Infrastrukturen (→ 19.2)<br />

schafft,<br />

2. das Großherzogtum <strong>Hessen</strong>, wo der liberale und kulturaff<strong>in</strong>e Großherzog<br />

Ernst Ludwig ab 1892 nicht nur die Künstlerkolonie Darmstadt<br />

(→ 1.2, 7.1, 13.3, 14.5) gründet, sondern auch weitere wichtige Reformimpulse<br />

setzt und unterstützt (→ 4.1, 5.2, 10.2, 14.3, 16.2, 17.4, 18.3),<br />

3. die e<strong>in</strong>st Freie Stadt Frankfurt, die zwar 1866 von Preußen annek tiert<br />

wird, deren starke bürgerschaftliche Tradition aber fortwirkt und<br />

bemer kenswerte Projekte <strong>in</strong> den Bereichen Kunst (→ 14.1, 15.1),<br />

Kultur (→ 14.4, 17.1, 17.2), Bildung (→ 11.4) und soziale Fürsorge (→ 2.1, 2.2, 2.3)<br />

hervorbr<strong>in</strong>gt.<br />

Durch se<strong>in</strong>e zentrale Lage entwickelt sich Frankfurt bereits im 19. und frühen<br />

20. Jahrhundert mit Hauptbahnhof (→ 5.1), Banken (→ 1.1), Börse (→ 9.1),<br />

Großmarkthalle (→ 9.3) und Großkonzernen (→ 8.2, 8.3) zu e<strong>in</strong>em nationalen<br />

Verkehrs-, Handels- und Industrieknotenpunkt. Zugleich entfalten die Bauprojekte<br />

des Neuen Frankfurt (→ 1.6. 3.3, 4.6, 10.4, 16.3, 16.4, 16.5, 17.5, 18.6) <strong>in</strong> der<br />

Zwischenkriegszeit e<strong>in</strong>e weit ausstrahlende Vorbildwirkung. Nach dem<br />

Zweiten Weltkrieg steht <strong>Hessen</strong> als Teil der amerikanischen Besatzungszone<br />

(→ 6.4, 16.8) mit e<strong>in</strong>er Grenze zur DDR im Fokus des Kalten Kriegs (→ 13.9),<br />

was sich <strong>in</strong> hoher Militärpräsenz (→ 8.3, 13.8, 19.1, 19.3, 19.6, 19.7), <strong>in</strong> Bildungsund<br />

Demokratisierungs<strong>in</strong>itiativen (→ 10.5, 11.4, 12.5) sowie <strong>in</strong> amerikanischen<br />

Investitionen (→ 7.8, 9.8) niederschlägt. Zunehmend verwandelt sich das<br />

11


H<strong>in</strong>weise zur Benutzung<br />

Autor<strong>in</strong>nen und Autoren<br />

Das vorliegende Buch möchte dazu anregen, die be sproch enen Bauten<br />

an ihren Standorten zu erkunden, und bietet dafür besondere Hilfestellungen.<br />

Alle Objekte s<strong>in</strong>d mit Nummern versehen, die sich aus der<br />

Zahl des jeweiligen Kapitels und ihrem Platz <strong>in</strong> der chronologischen<br />

Abfolge ihrer Entstehung zusammensetzen. Ausführlich dargestellte<br />

Bauten tragen weiße Zahlen auf schwarzem Grund, kurz besprochene<br />

schwarze Zahlen auf weißem Grund. Die drei Karten im Anhang<br />

verzeich nen die Objekte und stellen <strong>in</strong> den Legenden – nach Orten<br />

sortiert – die jeweiligen Adressen bereit.<br />

Zahlreiche Grundrisse und Lagepläne <strong>in</strong>formieren über Größe, Anordnung<br />

und Nutzung der e<strong>in</strong>zelnen Räume des jeweiligen Gebäudes<br />

beziehungsweise über die Verteilung von Gebäuden, Grünanlagen, Tiergehegen,<br />

Schwimmbecken usw. auf dem jeweiligen Gelände. Der<br />

Nord stern gibt Orientierung über die Himmelsrichtungen, der Maß stab<br />

über die Darstellungsgröße. Die Pläne s<strong>in</strong>d nicht <strong>in</strong> allen Details<br />

präzise, sondern dienen lediglich der groben Übersicht.<br />

In Klammern gesetzte Pfeile verweisen <strong>in</strong> den Texten auf andere Objekte<br />

und stellen so <strong>in</strong>teressante Bezüge her. Quellennachweise und<br />

Literaturh<strong>in</strong>weise f<strong>in</strong>den sich jeweils am Textende, nur bei den allgeme<strong>in</strong>en<br />

Kapitele<strong>in</strong>führungen stehen die Anmerkungen an der entsprechenden<br />

Textstelle. Autor<strong>in</strong>nen und Autoren s<strong>in</strong>d meist mit Kürzeln<br />

am Schluss e<strong>in</strong>es Beitrags angegeben, die vollen Namen s<strong>in</strong>d auf<br />

dieser Seite rechts verzeichnet.<br />

B. K. Brigitte Kuntzsch<br />

C. K. Christ<strong>in</strong>e Kämmerer<br />

F. H. Florian Heilmeyer<br />

F. L.-I. Folckert Lüken-Isberner<br />

H. D. Hanna Dornieden<br />

H. K. Harald Kimpel<br />

J. V. Jennifer Verhoeven<br />

K. B. Kai Buchholz<br />

K. Be. Kar<strong>in</strong> Berkemann<br />

K. R. Kerst<strong>in</strong> Renz<br />

M. E. Markus Eisen<br />

M. S. Michele Stavagna<br />

O. E. Olaf Eigenbrodt<br />

O. V. Otto Volk<br />

P. A. Paul Andreas<br />

R. D. Ralf Dorn<br />

S. K. Sandra Kreß<br />

V. J. Verena Jakobi<br />

W. D. Werner Durth<br />

Das Personenregister im h<strong>in</strong>teren Teil des Buches gibt zu gleich Auskunft<br />

über die jeweiligen Lebens daten und eröffnet die Möglichkeit,<br />

weitere Querbezüge zu entdecken.<br />

14


Das Wohnhaus<br />

1


Wohnhaus<br />

In den 1930er und 1940er <strong>Jahre</strong>n propagiert der deutsche Nationalsozialismus<br />

Wohnhäuser, die vor allem e<strong>in</strong> ›Heim‹ bieten. Auch jetzt wendet<br />

man sich gegen e<strong>in</strong>e E<strong>in</strong>richtung, die <strong>in</strong> erster L<strong>in</strong>ie zur Schau gestellt<br />

werden soll und erst <strong>in</strong> zweiter L<strong>in</strong>ie e<strong>in</strong>er zweckmäßigen Nutzung dient.<br />

Hermann Gretsch – Leiter des gleichgeschalteten Deutschen Werkbunds –<br />

spricht sich für e<strong>in</strong>e gesunde und natürliche Wohnkultur aus, deren wichtigste<br />

Merkmale »E<strong>in</strong>fachheit, Ehrlichkeit und Klarheit«15 seien.<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg üben die von der Zeitschrift Arts & Architecture<br />

gesponserten Case Study Houses <strong>in</strong> den USA e<strong>in</strong>e Vorbildwirkung<br />

aus.16 Zwischen 1945 und 1966 entstehen Entwürfe für 28 Modellhäuser,<br />

die von renommierten Architekten wie Richard Neutra (→ 3.6), Charles Eames<br />

und Eero Saar<strong>in</strong>en stammen. Die freistehenden, komplett e<strong>in</strong>gerichteten<br />

E<strong>in</strong>familienhäuser sollen dem menschlichen Wunsch nach e<strong>in</strong>em guten<br />

Leben gerecht werden. Jedes Projekt orientiert sich an vorher spezifizierten<br />

Bedürfnissen und ist zugleich für die Serienproduktion ausgelegt. E<strong>in</strong><br />

Haus ist für e<strong>in</strong> k<strong>in</strong>derloses Ehepaar mittleren Alters gedacht, beide berufstätig<br />

und oft auf Reisen, e<strong>in</strong> anderes für e<strong>in</strong>e Familie mit drei K<strong>in</strong>dern<br />

und e<strong>in</strong>er an Kunst und Musik <strong>in</strong>teressierten Ehefrau.<br />

Die Gestaltung von Wohnhäusern bestimmt die praktischen Lebens vollzüge<br />

ihrer Bewohner und erzeugt spezifische Atmosphären. Sie erfordert<br />

Antworten darauf, wie s<strong>in</strong>nerfülltes Leben unter den Bed<strong>in</strong>gungen der<br />

technischen Zivilisation gel<strong>in</strong>gen kann.17 In diesem Punkt s<strong>in</strong>d die bisherigen<br />

Vorschläge modernen Wohnens vielleicht zu oberflächlich und zu sehr<br />

an zeitspezifischen Lebensauffassungen orientiert.<br />

15 Gretsch 1939, S. 229<br />

16 Vgl. z. B. S<strong>in</strong>german (Hg.)<br />

1989<br />

17 Vgl. Buchholz 2018,<br />

S. 90–95<br />

Kai Buchholz<br />

Literatur<br />

Gaston Bachelard (102014): Poetik des Raumes. Frankfurt a. M. [1957]; Judith Baumgartner (2001): Licht, Luft, Sonne,<br />

Bergwelt, Wandern und Baden als Sehnsuchtsziele der Lebensreformbewegung. In: Die Lebensreform. Bd. 1.<br />

Hg. K. Buchholz, R. Latocha, H. Peckmann, K. Wolbert. Darmstadt. S. 403–406; Otto Friedrich Bollnow (112010):<br />

Mensch und Raum. Stuttgart [1963]; Kai Buchholz (2018): Die private Wohnung. In: Kultur der Privatheit <strong>in</strong> der Netzgesellschaft.<br />

Hg. G. Böhme, U. Gahl<strong>in</strong>gs. Bielefeld. S. 65–96; Kai Buchholz/Renate Ulmer (2001): Reform des Wohnens.<br />

In: Die Lebensreform. Bd. 2. Hg. K. Buchholz, R. Latocha, H. Peckmann, K. Wolbert. Darmstadt. S. 547–570; Deutscher<br />

Werkbund (Hg. 1927): Bau und Wohnung. Stuttgart; Johann Peter Eckermann (21837): Gespräche mit Goethe <strong>in</strong><br />

den letzten <strong>Jahre</strong>n se<strong>in</strong>es Lebens. 1823–1832. Bd. 1. Leipzig; Hermann Gretsch (1939): Deutsches Wohnen. In: Innen-<br />

Dekoration 50. S. 225–232; Adolf Loos (1900): Vom armen reichen Mann. In: Neues Wiener Tagblatt 34, Heft 113.<br />

S. 1/2; Adolf Loos (1903): Wie wir leben. In: Das Andere 1. S. 7–9; Adolf Loos (1962): Die moderne Siedlung In: Ders.:<br />

Sämtliche Schriften. Bd. 1. Wien, München. S. 402–428 [1927]; Georg Muche (1925): Das Versuchshaus des Bauhauses.<br />

In: E<strong>in</strong> Versuchshaus des Bauhauses <strong>in</strong> Weimar. Hg. A. Meyer. München. S. 15–23; Hermann Muthesius (1906): Die<br />

neuere Entwicklung und der heutige Stand des kunstgewerblichen Schulwesens <strong>in</strong> Preußen. In: Das deutsche Kunstgewerbe<br />

1906. III. Deutsche Kunstgewerbe-Ausstellung Dresden 1906. Hg. Direktorium der Ausstellung. München.<br />

S. 41–51; John Rusk<strong>in</strong> (1903): The Works of John Rusk<strong>in</strong>. Bd. 8. London [1849]; André Salomon (1932): La maison de<br />

M. C. à Croix (Roubaix). In: L’architecture d’auhourd’hui 2, Heft 8. S. 3–23; Howard S<strong>in</strong>german (Hg. 1989): Bluepr<strong>in</strong>ts<br />

for Modern Liv<strong>in</strong>g. History and Legacy of the Case Study Houses. Los Angeles, Cambridge/Mass., London; Frank Lloyd<br />

Wright (1992): The architect and the mach<strong>in</strong>e. In: Ders.: Collected Writ<strong>in</strong>gs. Bd. 1. New York. S. 20–26. [1894].<br />

20


Wohnhaus<br />

1.2<br />

Peter Behrens<br />

Haus Peter Behrens<br />

Darmstadt, 1900/01<br />

1899 beruft der junge, kunsts<strong>in</strong>nige Großherzog<br />

Ernst Ludwig von <strong>Hessen</strong> und bei Rhe<strong>in</strong><br />

sieben Künstler nach Darmstadt, unter ihnen<br />

Peter Behrens (→ 4.3, 8.2), der sich als studierter<br />

Kunstmaler kurz zuvor der kunstgewerblichen<br />

Arbeit zugewandt hatte. Als die ›ersten<br />

Sieben‹ beschließen, e<strong>in</strong>e große Aus stellung<br />

zu organisieren, auf der sie vor allem<br />

für sich selbst entworfene und e<strong>in</strong>gerichtete<br />

Wohnhäuser zeigen wollen, kristallisiert sich<br />

Joseph Maria Olbrich (→ 7.1, 13.3, 14.5) aufgrund<br />

se<strong>in</strong>er Vorbildung als Architekt heraus. Behrens<br />

beschließt jedoch, se<strong>in</strong> Haus ohne Olbrichs<br />

Hilfe zu errichten. Es ist se<strong>in</strong> erstes<br />

architektonisches Werk.<br />

Die ursprünglich lichtgrau verputze Fassade<br />

des Gebäudes ruft zusammen mit den<br />

blauroten Eisenkl<strong>in</strong>kern und den dunkelgrünen<br />

Mauerblenden aus Keramik e<strong>in</strong>en ernsten,<br />

zurückhaltenden E<strong>in</strong>druck hervor: »als<br />

hülle sich hier e<strong>in</strong> vornehmer Herr <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

graues Über-Gewand, nur um den Glanz zu<br />

verbergen, den er darunter zum Feste tragen<br />

will«1. An der mit e<strong>in</strong>em stilisierten Mess<strong>in</strong>gadler<br />

geschmückten E<strong>in</strong>gangstür lässt sich<br />

dieser ›Glanz‹ der Innenräume bereits erahnen.<br />

Die Straßenfront des Hauses gibt die<br />

grund sätzliche Raumaufteilung von außen<br />

zu erkennen: H<strong>in</strong>ter der E<strong>in</strong>gangstür bef<strong>in</strong>den<br />

sich Entrée und Diele, l<strong>in</strong>ks von der Diele<br />

21


Wohnhaus


Wohnhaus<br />

Ahornmaserung. Zwei Treppenstufen aus rotem<br />

Marmor führen <strong>in</strong> das etwas tiefer gelegte<br />

Musikzimmer. Sie sollen die Bewegung rhythmisieren<br />

und dadurch menschlich bedeutsame<br />

Stimmungen hervorrufen.5<br />

Prachtvolle Glasmosaike, die zwei Genien<br />

mit großen Kristallen <strong>in</strong> den Händen zeigen,<br />

flankieren die Falttür im Musikzimmer. Mit<br />

demselben Motiv schmückt Behrens auch<br />

den Innentitel se<strong>in</strong>es Buches Feste des Lebens<br />

und der Kunst (1900). Dort wirbt er für e<strong>in</strong>e<br />

neue Form des Theaters, die Bühnenausstattung<br />

wie auch Bewegungen und Sprechweise<br />

der Schauspieler nicht illusionistisch,<br />

sondern rhythmisch gestaltet und so den<br />

tieferen S<strong>in</strong>n des menschlichen Lebens zum<br />

Ausdruck br<strong>in</strong>gt.6 Historistische Inszenierungen<br />

lehnt Behrens als »ästhetische Unkultur«<br />

ab, das naturalistische Theater als kunstwidrige<br />

»Panoptikums-Idee«7. Diese Auffas sung<br />

ist deckungsgleich mit der grund legenden<br />

Zielsetzung se<strong>in</strong>es Hauses: Ausdrücklich plädiert<br />

Behrens für e<strong>in</strong>e Archi tektur, die praktischen<br />

Nutzen und abstrakt Schönes mite<strong>in</strong>ander<br />

verb<strong>in</strong>det, die weder »ganz prosaisch«<br />

e<strong>in</strong>em bloßen Zweck dient (Naturalismus)<br />

noch den alltäglichen Zweck durch<br />

unnötigen »Zierrat« verschleiert (Histo rismus).8<br />

Zur Eröffnung der Ausstellung E<strong>in</strong> Dokument<br />

deutscher Kunst, auf der Behrens se<strong>in</strong><br />

Wohnhaus 1901 präsentiert, ist auch der bekannte<br />

Kunsthistoriker Julius Meier-Graefe<br />

zugegen, der <strong>in</strong> Paris die Galerie La Maison<br />

<strong>Moderne</strong> betreibt. E<strong>in</strong>zig das Haus von Behrens<br />

ist <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Augen vollkommen und<br />

lässt ihm die weite Reise lohnenswert ersche<strong>in</strong>en.9<br />

Nach der Ausstellung kommt es<br />

zu Unstimmigkeiten zwischen den Künstlern<br />

und der Stadtverwaltung. Enttäuscht<br />

kehrt Behrens Darmstadt 1902 den Rücken<br />

und übernimmt die Leitung der Kunstgewerbeschule<br />

<strong>in</strong> Düsseldorf. Das Haus auf der<br />

Mathildenhöhe bewohnt er nie. K. B.<br />

1 Breysig 1901/02, S. 149 2 Behrens 1901, S. 5 3 Vgl. Buchholz 2003,<br />

S. 85 4 Breysig 1901/02, S. 148 5 Vgl. Behrens 1901, S. 8<br />

6 Vgl. Buchholz 2007, S. 17–19, 32, 51/52, 133/134 7 Behrens 1900b,<br />

S. 401; Behrens 1900a, S. 14 8 Behrens 1901, S. 3/4 9 Vgl. Meier-<br />

Graefe 1901, S. 482/483<br />

Literatur<br />

Peter Behrens (1900a): Feste des Lebens und der Kunst. E<strong>in</strong>e Betrachtung<br />

des Theaters als höchsten Kultursymbols. Leipzig; Peter<br />

Behrens (1900b): Die Dekoration der Bühne. In: Deutsche Kunst<br />

und Dekoration 6. S. 401–406; Peter Behrens (1901): Haus Peter<br />

Behrens. Darmstadt; Kurt Breysig (1901/02): Das Haus Peter Behrens.<br />

In: Deutsche Kunst und Dekoration 9. S. 134–150; Kai Buchholz<br />

(2003): Künstlerische Durchdr<strong>in</strong>gung aller Lebensbereiche –<br />

Hector Guimard und Peter Behrens. In: Centenarium. E<strong>in</strong>hundert<br />

<strong>Jahre</strong> Künstlerkolonie Mathildenhöhe Darmstadt. Hg. K. Buchholz,<br />

K. Wolbert. Darmstadt. S. 76–87; Kai Buchholz (2007): Im Rhythmus<br />

des Lebens. Jugendstil und Bühnenkunst. Stuttgart; Tilmann Buddensieg<br />

(1980): Das Wohnhaus als Kultbau. Zum Darmstädter Haus<br />

von Behrens. In: Peter Behrens und Nürnberg. Hg. P.-K. Schuster.<br />

München. S. 37–47; Julius Meier-Graefe (1901): Darmstadt. In: Die<br />

Zukunft 35. S. 478–486; Wilhelm Schäfer (1901): Das Haus Peter<br />

Behrens <strong>in</strong> Darmstadt. In: Die Rhe<strong>in</strong>lande 2, Heft 11. S. 27–31; Karl<br />

Scheffler (1902): Das Haus Behrens. In: Dekorative Kunst 9. S. 1–48.<br />

25


Wohnhaus<br />

1.5<br />

Ludwig Mies van der Rohe,<br />

Gerhard Severa<strong>in</strong><br />

Haus Ryder<br />

Wiesbaden, 1923<br />

Am 28. März 1923 schreibt der Architekt Gerhard Severa<strong>in</strong><br />

an den befreundeten Ludwig Mies van der<br />

Rohe: »Ich habe den Auftrag e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es … Haus zu<br />

bauen. Ich bitte Dich, mir dabei behilflich zu se<strong>in</strong>.«1<br />

Mies und Severa<strong>in</strong> kennen sich aus ihrer geme<strong>in</strong>samen<br />

Aachener Jugendzeit und studieren etwa zeitgleich<br />

an der Kunstgewerbeschule <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>. Seit<br />

1921 lebt Severa<strong>in</strong> <strong>in</strong> Wiesbaden. Die Auftraggeber<strong>in</strong><br />

des <strong>in</strong> dem Brief erwähnten Hauses, die alle<strong>in</strong>stehende<br />

Engländer<strong>in</strong> Ada Ryder, wohnt im selben<br />

Gebäude, <strong>in</strong> dem Severa<strong>in</strong> se<strong>in</strong> Atelier unterhält.<br />

Den geplanten Wohnbau will sie nicht selbst nutzen:<br />

Durch die rasante Inflation <strong>in</strong> Deutschland legt<br />

ihr Vermögen <strong>in</strong> britischen Pfund an Kaufkraft zu,<br />

so dass der Hausbau e<strong>in</strong>e beträchtliche Rendite verspricht.<br />

Mies hatte seit 1908 bereits acht E<strong>in</strong>familienhäuser<br />

entworfen, das Wiesbadener Projekt ist aber<br />

se<strong>in</strong> erster Flachdachbau. Ausgelegt ist das Haus für<br />

e<strong>in</strong>e Familie mit zwei bis drei K<strong>in</strong>dern und e<strong>in</strong>er<br />

Hausangestellten. Um das Projekt zügig voranzubr<strong>in</strong>gen,<br />

legt Mies auf Severa<strong>in</strong>s Vorschlag den<br />

Grundriss des von ihm entworfenen Hauses Riehl<br />

(1908/09) zugrunde und verwertet kurz zuvor entstandene<br />

Modellplanungen.2 Ryder wünscht an e<strong>in</strong>igen<br />

Stellen der offenen Raumabfolge Änderungen,<br />

um Bewohner und Bedienstete stärker zu separieren.<br />

Bereits im Mai 1923 beg<strong>in</strong>nen die Bauarbeiten<br />

auf dem <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em herrschaftlichen Villenviertel gelegenen<br />

Grundstück. Der Haupte<strong>in</strong>gang des Hauses<br />

ist nach Süden ausgerichtet und führt <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en<br />

Flur, von dem aus man die zentral platzierte Wohndiele<br />

erreicht. Im Erdgeschoss bef<strong>in</strong>den sich außerdem<br />

e<strong>in</strong> Arbeitsraum, e<strong>in</strong>e Bibliothek, e<strong>in</strong>e Essnische<br />

und die Küche, im ersten Obergeschoss die<br />

Schlafzimmer und das Bad.<br />

Als im November 1923 die Rentenmark e<strong>in</strong>geführt<br />

wird, ist Ryders F<strong>in</strong>anzierungskonzept geschei<br />

tert. Die Bauarbeiten kommen zum Erliegen.<br />

1927 verkauft Ryder das noch im Rohbau bef<strong>in</strong>dliche<br />

Wohnhaus an den Lebensmittelfabrikanten August<br />

Zobus, der es nach Fertigstellung 1928 mit se<strong>in</strong>er<br />

Familie bezieht. K. B.<br />

1 Vgl. Neumann 2006, S. 205 2 Vgl. ebd., S. 206/207<br />

Literatur<br />

Dietrich Neumann (2006): Das Haus Ryder <strong>in</strong> Wiesbaden (1923) und<br />

die Zusammenarbeit zwischen Ludwig Mies van der Rohe und Gerhard<br />

Severa<strong>in</strong>. In: Architectura 36. S. 199–220.<br />

44


Wohnhaus<br />

1.6<br />

Ernst May<br />

Wohnhaus May<br />

Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, 1925/26<br />

1925 ernennt die Stadt Frankfurt den Architekten<br />

Ernst May (→ 3.3, 10.4, 17.1) zum Dezernenten für<br />

Städtebau. Umgehend entwirft er am Rand der<br />

Ma<strong>in</strong>metropole e<strong>in</strong> eigenes Haus, das bereits 1926<br />

bezugsfertig ist. In der Fachpresse f<strong>in</strong>det der Bau e<strong>in</strong><br />

breites Echo – von überschwänglichem Lob bis zum<br />

völligen Verriss.<br />

Das <strong>in</strong> warmem Weiß verputzte, zweigeschossige<br />

Wohnhaus ist für e<strong>in</strong>e fünf- bis sechsköpfige Familie<br />

mit e<strong>in</strong> bis zwei Hausangestellten ausgelegt.<br />

Es umfasst e<strong>in</strong>en streng kubischen Hauptbau, <strong>in</strong> den<br />

May auf L-förmigem Grundriss e<strong>in</strong>en etwas niedrigeren<br />

Kubus h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>schiebt. Fensterrahmen und<br />

Türen lässt er orangerot streichen. Der Haupttrakt<br />

beherbergt im Erdgeschoss die Küche, das Speise-,<br />

das Wohn- und das Arbeitszimmer, im Obergeschoss<br />

Schlaf-, K<strong>in</strong>der- und Gästezimmer sowie<br />

das Bad. Besonders e<strong>in</strong>drucksvoll gestaltet May das<br />

sich über zwei Stockwerke erstreckende, großzügig<br />

über Eck verglaste Wohnzimmer. Dessen weiße<br />

Wände bilden mit der blauen Decke, den korallenroten<br />

Holze<strong>in</strong>bauten und den blauen Möbelbezügen<br />

e<strong>in</strong>en aparten Farbakkord. Im niedrigeren<br />

Wirtschaftsanbau s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Garage und die Räume<br />

der Bediensteten untergebracht. Das als Lichtbad<br />

dienende flache Dach des Anbaus lässt sich über<br />

die Wohnzimmergalerie erreichen und mit e<strong>in</strong>em<br />

Vorhang vor fremden Blicken abschirmen.<br />

Nach Mays eigener Darstellung soll das Gebäude<br />

das Wohnbedürfnis e<strong>in</strong>es »unsere Zeit überzeugt<br />

bejahenden Menschen« befriedigen. Re<strong>in</strong>e Dekoration<br />

habe er vermieden, damit sich das Leben<br />

<strong>in</strong> »klaren, schlichten, aber zweckentsprechenden<br />

Räumen«1 entfalten könne. Dazu gehört e<strong>in</strong> Küchenmotor,<br />

der Messer putzt, Kaffee mahlt, Sahne<br />

schlägt, Eis und Teig rührt. Besonderen Wert legt<br />

May darauf, se<strong>in</strong>er Familie Sonne, Luft, Licht und<br />

Wasser zu bieten. Außer der Dachterrasse richtet er<br />

deshalb auch e<strong>in</strong>en vom Wohnzimmer aus zugänglichen<br />

Wohngarten e<strong>in</strong>. In dessen Mittelpunkt: e<strong>in</strong><br />

Freiluftbadebecken, »<strong>in</strong> dem die Bewohner an warmen<br />

Sommertagen im kühlen Naß ruhend durch<br />

die Rispen des Ritterspornes und über das weiße<br />

Blütenmeer der Margueriten h<strong>in</strong>weg die Schönheit<br />

der Gipfel naher Höhenzüge genießen …«2.<br />

Nicht nur May selbst, auch die Werkbundzeitschrift<br />

Die Form bewertet das Wohnhaus positiv –<br />

der Gesamtentwurf sei »s<strong>in</strong>nlich und logisch zugleich«3.<br />

Wasmuths Monatshefte für Baukunst kommen<br />

zu e<strong>in</strong>em völlig anderen Urteil. Ihrem Herausgeber<br />

ersche<strong>in</strong>t die Treppe von den Dienst botenzimmern<br />

<strong>in</strong>s Erdgeschoss unpraktisch und äs thetisch<br />

misslungen, da sie für das Personal unnötig<br />

lange Wege bedeute, im darunter liegenden Arbeitszimmer<br />

e<strong>in</strong>en toten Raum erzeuge und die<br />

harmonische kubische Gebäudeform durchbreche.<br />

Mays eigenem Anspruch völlig widerspreche das<br />

an e<strong>in</strong>en Geldschrank er<strong>in</strong>nernde Gebilde neben<br />

dem Bücherregal, das sich <strong>in</strong> Wahrheit als Tür <strong>in</strong>s<br />

Freie entpuppe.4 Nicht lebenspraktische Angemessenheit<br />

präge Mays Haus, sondern »kunstgewerbliche<br />

Poetik«5. K. B.<br />

1 May 1927a, S. 38 2 Ebd., S. 40 3 Hahm 1926/26, S. 296<br />

4 Vgl. Hegemann 1927, S. 116 5 Ebd., S. 117<br />

Literatur<br />

Konrad Hahm (1925/26): Neue Baukunst. Haus May, Frankfurt a. M.<br />

In: Die Form 1. S. 293–298; Werner Hegemann (1927): Künstlerische<br />

Tagesfragen beim Bau von E<strong>in</strong>familienhäusern. In: Wasmuths Monatshefte<br />

für Baukunst 11. S. 106–127; Ernst May (1927a): E<strong>in</strong> neuzeitliches<br />

Wohnhaus. In: Innen-Dekoration 38. S. 38–41; Ernst May (1927b):<br />

Noch e<strong>in</strong>mal das Haus Ernst May, Frankfurt. In: Wasmuths Monatshefte<br />

für Baukunst 11. S. 264; Vs. (1926): Praxis der Neuen Architektur.<br />

E<strong>in</strong> Haus <strong>in</strong> G<strong>in</strong>nheim bei Frankfurt a. M. In: Ste<strong>in</strong>, Holz, Eisen<br />

40. S. 201–204.<br />

45


Wohnheim<br />

Erdgeschoss<br />

1 E<strong>in</strong>gang 2 Rentnerwohnung<br />

3 Geme<strong>in</strong>schafts- und Wirtschaftsgebäude 4 Garten<br />

10 m<br />

Südseite mit Balkonen<br />

sche Figur <strong>in</strong>nerhalb des Neuen Bauens verhasst<br />

ist, wird sie von den Urhebern mit dem<br />

H<strong>in</strong>weis auf den Zweck eigens gerechtfertigt:<br />

»Es wäre genauso unrichtig und lächerlich,<br />

e<strong>in</strong> Flugzeug absichtlich unsymme trisch<br />

zu bauen.«4 In den zweigeschossigen Wohnflügeln<br />

– e<strong>in</strong>e höhere Ausführung sei zu monumental,<br />

trenne die Bewohner vom Garten<br />

und von der Geme<strong>in</strong>schaft – werden die jeweils<br />

vollkommen identischen 94 E<strong>in</strong>zimmer-<br />

und sechs Zweizimmerwohnungen fast<br />

exakt nach Süden ausgerichtet. Das alles entspreche<br />

dem Bedürfnis älterer Menschen<br />

nach Licht und Sonne (Lore Kramer spricht<br />

im Rückblick von e<strong>in</strong>em »Solarhaus«5), solle<br />

aber auch die Gleichberechtigung der Bewohner<br />

stärken, deren Geme<strong>in</strong>schaftss<strong>in</strong>n<br />

fördern und der neuen demokratischen Gesellschaft<br />

gerecht werden. Alle Zimmer s<strong>in</strong>d<br />

be<strong>in</strong>ahe komplett aufgeglast, öffnen sich zu<br />

Balkon oder Terrasse und lösen so den modernen<br />

Anspruch nach ›Licht, Luft und Sonne‹<br />

besonders wirkungsvoll e<strong>in</strong>.6 Typisch für<br />

die betont wissenschaftliche Haltung ist die<br />

exakte Ableitung der Dach- und Balkonüberstände<br />

aus den Höchst- und Niedrigstständen<br />

der Mittagssonne am Breitengrad Frankfurts:<br />

Im Sommer fällt der Schatten genau<br />

auf die Fensterunterkante, im W<strong>in</strong>ter ist der<br />

gesamte Raum sonnendurchschienen.<br />

60


Wohnheim<br />

Großes Augenmerk richten die Architekten<br />

zudem auf die Ausgestaltung des Speiseraums,<br />

der je nach Verwendung durch Zuschalten<br />

weiterer Räume vergrößert oder verkle<strong>in</strong>ert<br />

werden kann. Alle Bewegungsabläufe<br />

des Personals, vor allem auch <strong>in</strong> der mit<br />

neuesten technischen Geräten ausgestatteten<br />

Küche, werden detailliert analysiert und<br />

<strong>in</strong> der Planung berücksichtigt.<br />

Das strahlend weiße, aus stereometrischen<br />

Kuben komponierte und durch den umfassenden<br />

E<strong>in</strong>satz von Glas und Metall betont<br />

technisch anmutende Gebäude ist nicht das,<br />

was man <strong>in</strong> der Zwischenkriegs zeit von e<strong>in</strong>em<br />

Bau dieser Art erwartet. In der Form, dem damaligen<br />

Publikationsorgan des Deutschen<br />

Werk bundes, ist anlässlich der Er öff nung denn<br />

auch nicht von e<strong>in</strong>em Alters heim, sondern von<br />

e<strong>in</strong>em »der ersten Appar te menthäuser größeren<br />

Ausmaßes <strong>in</strong> Deutsch land« die Rede, e<strong>in</strong>em<br />

»Rentnerhotel«, das neben e<strong>in</strong>er neuen<br />

Ästhetik auch e<strong>in</strong>e neue Lebensweise propagiere.<br />

Allerd<strong>in</strong>gs steht der Komfort dieses modernen,<br />

die Gleichheit se<strong>in</strong>er Bewohner programmatisch<br />

betonenden Projekts bei weitem<br />

nicht allen Menschen offen. Es handelt<br />

sich um e<strong>in</strong>en »Luxus bau«7, dessen Mieten<br />

von 180 Mark im Monat den Lohn e<strong>in</strong>es Arbeiters<br />

weit übersteigen und der deshalb nur dem<br />

gehobenen Bürgertum zugänglich ist.<br />

Um ihr Gebäude – das durchaus zur Nachahmung<br />

vorgesehen ist – bekannt zu machen,<br />

ziehen die Architekten alle Register. Fachund<br />

Tagespresse berichten breit, der 1929 <strong>in</strong><br />

Frankfurt stattf<strong>in</strong>dende legendäre Congrès<br />

<strong>in</strong>ternational d’architecture moderne (CIAM)<br />

61


Wohnheim<br />

2.5<br />

Otto Haesler, Karl Völker<br />

Altersheim der Marie-von-<br />

Boschan-Aschrott-Altersheim-<br />

Stiftung<br />

Kassel, 1929–31<br />

Das von Otto Haesler und Karl Völker kurz vor Ende<br />

der Weimarer Republik <strong>in</strong> Kassel errichtete Altersheim<br />

der Marie-von-Boschan-Aschrott-Altersheim-<br />

Stiftung gilt schon zu se<strong>in</strong>er Entstehungszeit als e<strong>in</strong>e<br />

Ikone des Neuen Bauens. Als solche f<strong>in</strong>det es auch<br />

E<strong>in</strong>gang <strong>in</strong> die legendäre und kanonbildende Ausstellung<br />

International Style, die 1932 im Museum of<br />

Von der Straßenführung losgelöst, orientieren sich<br />

die Gebäude direkt nach den vier Himmelsrichtungen.<br />

So können die voll verglasten und mit Balkonen<br />

ausgestatteten Wohnfassaden der modernen Forderung<br />

nach ›Licht, Luft und Sonne‹ idealtypisch<br />

gerecht werden. Richtung Norden entwickelt sich<br />

der Heizungstrakt, dessen drei hoch aufragende<br />

Schornste<strong>in</strong>e das re<strong>in</strong> technische Element geradezu<br />

zelebrieren und damit formal überhöhen.<br />

In se<strong>in</strong>er radikalen Modernität muss das Gebäude<br />

damals gerade als Altersheim überraschen.<br />

Haesler nutzt diese Gelegenheit zu e<strong>in</strong>em ironischen<br />

Seitenhieb und prophezeit <strong>in</strong> der Werkbundzeitschrift<br />

Die Form: »Die Zufriedenheit der Heimbewohner<br />

ist e<strong>in</strong> Beweis dafür, daß neue s<strong>in</strong>n- und<br />

gefühlsmäßig gewandelte Formen im Zusammenhang<br />

mit den Auswirkungen entwickelter Zweckformen<br />

selbst von der älteren Generation verstanden<br />

werden. Folgerung: Es kann nur e<strong>in</strong>e Frage<br />

der Zeit se<strong>in</strong>, daß diese großen Entwicklungsmöglichkeiten<br />

des neuen Bauens auch von der jüngeren<br />

Generation erkannt und gewertet werden.«1<br />

M. E.<br />

1 Haesler 1932, S. 171<br />

Modern Art <strong>in</strong> New York gezeigt wird. Schon der<br />

Wettbewerb ist glänzend besetzt. Das Kuratorium<br />

der Stiftung hat die Hauptprotagonisten der modernen<br />

und der konservativen Strömungen geladen –<br />

Haesler und Völker können sich unter anderem gegen<br />

Walter Gropius (→ 3.4), Hans Poelzig (→ 8.3),<br />

Ludwig Hilberseimer, Paul Schmitthenner und He<strong>in</strong>rich<br />

Tessenow (→ 10.3) durchsetzen.<br />

Ausgehend von e<strong>in</strong>er 22 m2 großen Musterwohnung<br />

– der Stifter Paul Felix Aschrott hatte als Zielgruppe<br />

alle<strong>in</strong>stehende, nicht mehr im Berufsleben<br />

stehende Frauen bestimmt –, entwickeln die Architekten<br />

e<strong>in</strong>e U-förmige Gesamtanlage, bei der sich<br />

zwei viergeschossige Wohnflügel über e<strong>in</strong>en niedrigeren,<br />

zweigeschossigen Gebäuderiegel mit großzügig<br />

bemessenen Geme<strong>in</strong>schaftsräumen erheben.<br />

Literatur<br />

Berthold Burckhardt/Roland Dorn/Benedikt Hotze (1993): Das<br />

Marie von Boschan-Aschrott-Altersheim von Otto Haesler und Karl<br />

Völker <strong>in</strong> Kassel. In: Erhaltungskonzepte. Methoden und Maßnahmen<br />

zur Sicherung historischer Bauwerke. Hg. H. Schmidt. Berl<strong>in</strong>. S. 27–40;<br />

Otto Haesler (1932): Altersheim <strong>in</strong> Kassel. Marie von Boschan-Aschrott-<br />

Stiftung. In: Die Form 7. S. 171–178; Carsten Hettwer/Monika Markgraf<br />

(1988): Modernisierung ohne <strong>Moderne</strong>. Zur Sanierung des Marievon-Boschan-Aschrott-Heims<br />

<strong>in</strong> Kassel von Otto Haesler, 1929. In:<br />

Werk. Bauen + Wohnen 75, Heft 7/8. S. 12/13; Otto Völckers (1932):<br />

Altersheim der Marie-von-Boschan-Aschrott-Stiftung <strong>in</strong> Kassel.<br />

In: <strong>Moderne</strong> Bauformen 31. S. 133–155.<br />

70


Wohnheim<br />

2.7<br />

Ferd<strong>in</strong>and Kramer<br />

Studentenwohnheim<br />

Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, 1956<br />

Schon während der Weimarer Republik engagiert<br />

sich Ferd<strong>in</strong>and Kramer (→ 2.3, 4.7, 11.6, 12.6) als Mitarbeiter<br />

Ernst Mays (→ 1.6, 3.3, 10.4, 17.1) im Frankfurter<br />

Hochbauamt für die moderne Umgestaltung<br />

der Ma<strong>in</strong>metropole – von 1925 bis 1930 ist er dort <strong>in</strong><br />

der Abteilung Typisierung und Planung angestellt.<br />

Wohl auf Betreiben Max Horkheimers (→ 11.4), dem<br />

damaligen Rektor der Universität, kehrt er 1952 aus<br />

dem amerikanischen Exil zurück, um das Amt des<br />

Baudirektors der Johann-Wolfgang-Goethe-Universität<br />

anzutreten, das er bis zu se<strong>in</strong>er Pensionierung<br />

1964 <strong>in</strong>nehat. Das Studentenheim Bockenheimer<br />

Warte ist Teil se<strong>in</strong>es Gesamtplans für die Universitätsbauten<br />

und e<strong>in</strong>es von 23 der <strong>in</strong> diesem Kontext<br />

von ihm errichteten Gebäude.<br />

Die vier Wohngeschosse erheben sich auf drei<br />

Betonstützenreihen über e<strong>in</strong>em aufgeglasten Erdgeschoss,<br />

<strong>in</strong> dessen weiten Raum der E<strong>in</strong>gangsbereich,<br />

e<strong>in</strong> fast vollständig verglaster ›Klubraum‹ und die<br />

Hausmeisterwohnung <strong>in</strong> lockerer Gruppierung lediglich<br />

e<strong>in</strong>gestellt wirken. Der mit gelblichem Kl<strong>in</strong>ker gefüllte<br />

Stahlbetonskelettbau entwickelt sich zwar achsensymmetrisch<br />

vom E<strong>in</strong>gang her, unterdrückt durch<br />

se<strong>in</strong>e puristische und unprätentiöse Fassaden- und<br />

Materialgestaltung aber jeden Repräsentationscharakter.<br />

Die hohe architektonische Qualität zeigt sich <strong>in</strong><br />

der durch subtile Details erreichten E<strong>in</strong>fachheit und<br />

Leichtigkeit, vor allem auch der Innenräume. Hier erzeugen<br />

die weißen Wände, die schwarzgrauen Metallarbeiten,<br />

der schalungsraue Sichtbeton, die dunklen<br />

L<strong>in</strong>oleumböden und die zweckmäßige Möblierung<br />

e<strong>in</strong>e fast asketische Strenge, die Kramer selbst <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er<br />

1956 gehaltenen Eröffnungsrede e<strong>in</strong>er »alten«<br />

Gemütlichkeit und der »Sehnsucht nach der Höhle«1<br />

entgegenstellt. Se<strong>in</strong> Studentenheim, »<strong>in</strong> dem das<br />

Wohnen nicht umständlich, sondern möglichst praktisch«<br />

se<strong>in</strong> soll, stehe so »wesensfremd«2 zwischen<br />

se<strong>in</strong>en Nachbarn. Diese Auffassung spaltet die Debatte<br />

über den Bau von Anfang an <strong>in</strong> schroffe Ablehnung<br />

und begeisterte Zustimmung. Im Kern zeigt sich an<br />

Kramers Gestaltung e<strong>in</strong> ganz eigener Beitrag zum<br />

demokratischen, rationalen und zukunftsgewandten<br />

Wiederaufbau e<strong>in</strong>er Stadt sowie e<strong>in</strong>er freien geistigen<br />

Haltung. M. E.<br />

1 Kramer 1959, S. 519 2 Ebd., S. 520<br />

Literatur<br />

Julian B<strong>in</strong>di (2015): Studentenwohnheim an der Bockenheimer Warte.<br />

In: Ferd<strong>in</strong>and Kramer. Die Bauten. Hg. W. Voigt, P. Sturm, P. Körner,<br />

P. C. Schmal. Tüb<strong>in</strong>gen. S. 142/143; Astrid Hansen (2001): Die Frankfurter<br />

Universitätsbauten Ferd<strong>in</strong>and Kramers. Überlegungen zum<br />

Hochschulbau der 50er <strong>Jahre</strong>. Weimar. S. 116–120; Ferd<strong>in</strong>and Kramer<br />

(1959): Wohnen im Studentenheim. Ansprache des Architekten zur<br />

E<strong>in</strong>weihung e<strong>in</strong>es Studentenheimes. In: Bauwelt 50. S. 519–521.<br />

71


Siedlung<br />

Auf der Suche nach modernen sozialen<br />

Wohnformen<br />

Zwischen Juni 1872 und Februar 1873 veröffentlicht Friedrich Engels <strong>in</strong> der<br />

sozialistischen Zeitschrift Der Volksstaat e<strong>in</strong>e Artikelserie mit dem Titel Zur<br />

Wohnungsfrage. Dar<strong>in</strong> stellt er die allgegenwärtige Wohnungsnot als Folge<br />

der raschen Industrialisierung und der kapitalistischen Wirtschaftsform<br />

dar. Scharf kritisiert Engels die verme<strong>in</strong>tlich philanthropischen bürgerlichen<br />

Lösungsversuche, die sich aus eigennützigen Motiven mit der Seuchenbekämpfung<br />

befassten und dem Kapitalismus <strong>in</strong> die Hände spielten.<br />

Damit benennt er allgeme<strong>in</strong>e Rahmenbed<strong>in</strong>gungen, die den Wohnungsund<br />

Siedlungsbau durch das ganze 20. Jahrhundert h<strong>in</strong>durch begleiten.<br />

1898 entwickelt der Brite Ebenezer Howard das Konzept der Gartenstadt,<br />

das städtische und ländliche Siedlungselemente mite<strong>in</strong>ander verknüpft.<br />

Zugleich sieht es vor, e<strong>in</strong>zelne Nutzungen (z. B. Wohngebiete, Industrieanlagen)<br />

<strong>in</strong> Subzentren zu konzentrieren und so streng vone<strong>in</strong>ander<br />

zu trennen. E<strong>in</strong> wichtiges Instrument für die Verwirklichung des Gartenstadtgedankens<br />

ist die Arbeitersiedlung. So gründet der Möbelfabrikant<br />

Karl Schmidt 1909 die Dresdener Gartenstadt Hellerau, die zum Vorbild<br />

ähnlicher Vorhaben <strong>in</strong> ganz Deutschland wird. Zu den beteiligten Architekten<br />

gehören Richard Riemerschmid (→ 1.4), Hermann Muthesius, Theodor<br />

Fischer (→ 14.6) und He<strong>in</strong>rich Tessenow (→ 10.3). Neben Wohnhäusern im<br />

Grünen entsteht e<strong>in</strong>e menschenfreundlich angelegte Möbelmanufaktur<br />

am Rand der Siedlung, der Walter Gropius später ›unsachliche Bauernhausromantik‹<br />

vorwirft, sowie die Bildungsanstalt Jaques-Dalcroze, die<br />

das Leben der Bewohner durch Rhythmische Gymnastik verbessern soll.<br />

Nach dem Ersten Weltkrieg werden politische und soziale Forderungen<br />

nach bezahlbarem, staatlich geförderten Wohnraum für Arbeiter und Angestellte<br />

immer lauter. Architekten, die sich selbst als ›modern‹ bezeichnen,<br />

machen das Arbeiterwohnhaus zu e<strong>in</strong>em zentralen Thema, und auch<br />

das unternehmerische Bürgertum beteiligt sich an Reformen zur allgeme<strong>in</strong>en<br />

Verbesserung der Wohnbed<strong>in</strong>gungen.<br />

Die gesetzliche Steuerung der Immobilienrendite bee<strong>in</strong>flusst die Entwicklung<br />

maßgeblich. Das bereits 1901 e<strong>in</strong>geführte holländische Won<strong>in</strong>gwet-<br />

Gesetz ermöglicht staatliche Interventionen auf dem Wohnungsbaumarkt,<br />

kommt jedoch nur gelegentlich <strong>in</strong> wirtschaftlichen Krisensituationen zur<br />

Anwendung, so dass Privat<strong>in</strong>vestoren weiterh<strong>in</strong> tonangebend für die Stadtentwicklung<br />

bleiben. Avantgardearchitekten entwickeln effizient ausgestattete<br />

Kle<strong>in</strong>raumwohnungen, bleiben jedoch – wie J. J. P. Oud mit se<strong>in</strong>er<br />

Siedlung Tussendijken (1920/21) <strong>in</strong> Rotterdam – dem städtebaulichen Vor­<br />

74


Siedlung<br />

bild des Wohnblocks verhaftet. Dagegen ist die deutsche Hausz<strong>in</strong>ssteuer<br />

von 1924 e<strong>in</strong>e wirksamere Methode, um den Wohnungsbau zu sozialisieren.<br />

Sie erlaubt es den Geme<strong>in</strong>den, geme<strong>in</strong>nützige Wohnungsbaugesellschaften<br />

zu f<strong>in</strong>anzieren, die wiederum <strong>in</strong> breitem Maßstab mit neuen Wohnmodellen<br />

experimentieren.<br />

Auch die vom Deutschen Werkbund geförderte und von Ludwig Mies<br />

van der Rohe (→ 1.5) koord<strong>in</strong>ierte Versuchssiedlung am Weißenhof <strong>in</strong> Stuttgart<br />

von 1927 liefert wichtige <strong>in</strong>novative Impulse. Zahlreiche europäische<br />

Avantgardearchitekten beteiligen sich an dem Projekt, das unterschiedliche<br />

Wohnhaustypen mit Vorbildcharakter hervorbr<strong>in</strong>gt. Traditionelle Wohnblöcke<br />

werden mehr und mehr durch Reihen-, Turm- und Zeilenbauten <strong>in</strong><br />

Nord-Süd-Richtung ersetzt. Optimierte Wohnungskonzepte für Familien<br />

unterschiedlicher Größe sowie Vorschläge zur ›Volkswohnung‹ und zur<br />

›Wohnung für das Existenzm<strong>in</strong>imum‹ bestimmen die Debatten. Auch die<br />

Frage, ob das E<strong>in</strong>familienhaus oder das kollektive Wohnhaus zu bevorzugen<br />

ist, spielt e<strong>in</strong>e wichtige Rolle.<br />

Wegweisende Ideen zu städtebaulichen und siedlungsarchitektonischen<br />

Fragen entwickeln die 1928 <strong>in</strong>s Leben gerufenen Congrès <strong>in</strong>ternationaux<br />

d’architecture moderne (CIAM). Der zweite CIAM-Kongress f<strong>in</strong>det 1929 <strong>in</strong><br />

Frankfurt am Ma<strong>in</strong> statt und wird vom dortigen Stadtbaurat Ernst May<br />

(→ 1.6, 3.3, 10.4, 17.1) geleitet. May organisiert e<strong>in</strong>e Ausstellung, <strong>in</strong> der die besten<br />

Ansätze des öffentlichen Wohnungsbaus <strong>in</strong> Europa gezeigt werden, darunter<br />

die neueste Oud-Siedlung Kiefhoek <strong>in</strong> Rotterdam, das am Bauhaus<br />

unter der Leitung von Walter Gropius (→ 3.4) entwickelte Versuchsprojekt<br />

für das Stadtviertel Törten <strong>in</strong> Dessau und Le Corbusiers Pläne für e<strong>in</strong> Maison<br />

M<strong>in</strong>imum. Die Diskussion widmet sich sowohl dem Grundriss und der<br />

Ausstattung der Innenräume als auch den privaten Außenbereichen als Erweiterungen<br />

des Wohnraums. Der Reihenhausgarten erhält e<strong>in</strong>en gepflasterten<br />

Wohnhof, die Begrünung erfolgt als Zier-, vor allem aber auch als<br />

Nutzgarten zur Selbstversorgung. Ungelöst bleibt die Frage nach der politischen<br />

Rolle des Architekten. Le Corbusier vertritt die Auffassung, die Architekten<br />

sollten fortschrittliche Entwicklungsmodelle schaffen, die dann<br />

sowohl den öffentlichen Behörden wie auch Privat<strong>in</strong>vestoren zur Wahl stehen.<br />

Dagegen denken die radikalen Funktionalisten – darunter May und<br />

der neue Bauhausdirektor Hannes Meyer –, die Architekten sollten e<strong>in</strong>e<br />

aktive Führungsrolle e<strong>in</strong>nehmen, um Wohnformen zu fördern, die dem<br />

Ideal e<strong>in</strong>er sozialistischen Gesellschaft gerecht werden. Der vierte CIAM-<br />

Kongress von 1933 widmet sich dem Konzept e<strong>in</strong>er funktionalen Stadt und<br />

verabschiedet die Charta von Athen, <strong>in</strong> der die CIAM für e<strong>in</strong>e räumliche<br />

Entflechtung großstädtischer Siedlungsstrukturen werben und Le Corbusiers<br />

politische Haltung zu ihrer offiziellen Position erklären. Die Vorschläge<br />

75


Siedlung<br />

3.6<br />

Richard Neutra<br />

Bewobau-Siedlung<br />

Gartenstadt<br />

Mörfelden-Walldorf, 1960−64<br />

Anlässlich e<strong>in</strong>er Besichtigung des neuen<br />

Wohn hochhauses von Alvar Aalto im Bremer<br />

Stadtteil Neue Vahr kommt He<strong>in</strong>rich<br />

Plett, der Präsident der Wohnungsbaugesellschaft<br />

Neue Heimat, 1960 mit dem Architekten<br />

Richard Neutra <strong>in</strong> Kontakt. Er lädt ihn<br />

zur Zusammenarbeit mit der Bewobau e<strong>in</strong>,<br />

e<strong>in</strong>er Hamburger Tochtergesellschaft der<br />

Neuen Heimat. Im Herbst folgen weitere<br />

Gespräche im Atelier des Architekten <strong>in</strong> Los<br />

Angeles. Neutra soll zwei Zwill<strong>in</strong>gssiedlungen<br />

<strong>in</strong> der Nähe von Hamburg (Quickborn)<br />

und bei Frankfurt am Ma<strong>in</strong> (Mörfelden-<br />

Walldorf ) entwerfen. Die Bewobau setzt vor<br />

allem auf den <strong>in</strong>ternational bekannten Namen<br />

des Architekten, der sich damals auf<br />

dem Höhepunkt se<strong>in</strong>es Ruhms bef<strong>in</strong>det. Sie<br />

plant, luxuriöse E<strong>in</strong>familienhäuser für die<br />

neue gehobene Mittelschicht zu errichten.<br />

Das Siedlungskonzept soll e<strong>in</strong>e verdichtete<br />

Bebauung gewährleisten, ohne die <strong>in</strong>dividuellen<br />

Entfaltungsmöglichkeiten der Bewohner<br />

zu begrenzen.<br />

Die Bewobau ist überzeugt, dass Neutras<br />

Vorschläge, die an den Bedürfnissen reicher<br />

Auftraggeber aus Hollywood erprobt seien,<br />

auf die deutschen Verhältnisse zugeschnitten<br />

werden müssten. In se<strong>in</strong>em autobiografischen<br />

Buch Auftrag für morgen (1962) schildert<br />

Neutra die Diskussionen mit der Baugesellschaft<br />

aus se<strong>in</strong>er Sicht. Vorurteile wie die<br />

Notwendigkeit von Kellern und von W<strong>in</strong>dfängen<br />

im E<strong>in</strong>gangsbereich würden den<br />

90


Siedlung<br />

Blick auf die tatsächlichen Lebensvollzüge<br />

verstellen: »Die Zeitungen brachten breit die<br />

Neuigkeit, als hätte ich die Absicht, den modernen<br />

Segen und Zauber, die amerikanischen<br />

technischen Weisheiten, E<strong>in</strong>sparungen,<br />

Vere<strong>in</strong>fachungen, kurzerhand nach<br />

Deutschland zu importieren. Das war gewiß<br />

wohlgeme<strong>in</strong>t und schmeichelhaft. Und doch<br />

liegt es anders. […] Ich kam her, weil die<br />

Deutschen ziemlich so s<strong>in</strong>d, ja <strong>in</strong> manchem<br />

genau so s<strong>in</strong>d wie die Amerikaner und andere<br />

Menschen auch und ich hier ›drüben‹ <strong>in</strong><br />

langsamer Anstrengung gelernt hatte, mit<br />

diesen gleichen Vorlieben fertig zu werden<br />

und sie <strong>in</strong> etwas Neues umzuwandeln.«1<br />

Neutra schlägt vor, an se<strong>in</strong> Idealstadtprojekt<br />

Rush City Reformed aus den 1920er <strong>Jahre</strong>n<br />

anzuknüpfen und Lösungen se<strong>in</strong>er Arbeitersiedlung<br />

Channel Heights (1940–42)<br />

<strong>in</strong> San Pedro weiterzuentwickeln: e<strong>in</strong>- oder<br />

zweigeschossige, als gespiegelte Doppelhäuser<br />

gruppierte E<strong>in</strong>familienhäuser für e<strong>in</strong><br />

Leben im eigenen Haus mit eigenem Garten.<br />

Um die Baukosten zu senken und re<strong>in</strong> gewohnheitsmäßige<br />

Vorstellungen der künftigen<br />

Bewohner zurückzudrängen, schlägt<br />

Neutra vor, die Häuser vorzufabrizieren, zugleich<br />

aber bedarfsgerechte Lösungen für<br />

nachträgliche <strong>in</strong>dividuelle Wünsche vorzusehen.<br />

Dieses flexible Baukonzept erlaube es,<br />

91


Energiezentrum<br />

Rhe<strong>in</strong><br />

17a<br />

10a<br />

11b<br />

12b<br />

5b<br />

6b<br />

3b<br />

10b<br />

15b<br />

4b<br />

11b<br />

2b<br />

1b<br />

13b<br />

8b<br />

7b<br />

14b<br />

6a<br />

18a<br />

7a<br />

9b<br />

11a<br />

13a<br />

Block A<br />

1a Reaktorgebäude 2a Reaktorhilfsanlagengebäude<br />

3a Abluftkam<strong>in</strong> 4a Schaltanlagen- und Betriebsgebäude<br />

5a Masch<strong>in</strong>enhaus 6a Nebenanlagengebäude<br />

7a Verwaltungsgebäude 8a Kühlwasserpumpenhaus<br />

9a Sammelbecken 10a Kühlwasserrücklaufkanal<br />

11a 380-kV-Schaltanlagen 12a Blocktransformatoren<br />

13a Eigenbedarfstransformatoren 14a Regenwasserpumpwerk<br />

15a Kläranlage 16a Informationszentrum<br />

17a Schiffslände 18a Delonatbehälter 19a Kühlturm<br />

20a Kühlturmpumpenbauwerk 21a Kühlturmschalthaus<br />

Block B<br />

1b Reaktorgebäude 2b Reaktorhilfsanlagengebäude 3b Betriebs- und Schaltanlagengebäude mit Notstromdieseltrakt<br />

4b Masch<strong>in</strong>enhaus 5b Eigenbedarfstransformatoren 6b 220-kV-/380-kV-Freiluftschaltanlage mit Blocktransformatoren<br />

7b Kühlwasserre<strong>in</strong>igungs- und Pumpenbauwerk 8b Sammelbecken 9b Kühlwasserrücklaufkanal 10b Abluftkam<strong>in</strong><br />

11b Kühlturm 12b Kühlturmschalthaus 13b Kühlturmpumpenbauwerk mit Abwasserhebewerk 14b Garagengebäude<br />

15b Zwischentrakt<br />

4a<br />

16a<br />

1a<br />

5a<br />

8a<br />

2a<br />

12a<br />

9a<br />

3a<br />

14a<br />

15a<br />

20a<br />

19a<br />

21a<br />

19a<br />

<strong>100</strong> m<br />

als auch bei der RWE Widerstände gegen<br />

den Bau weiterer Kernkraftwerke zu überw<strong>in</strong>den.<br />

Biblis kann <strong>in</strong>sofern als e<strong>in</strong> Pilotprojekt<br />

gelten, das der Kernkraft <strong>in</strong> ganz Europa<br />

zum Durchbruch verhilft.2<br />

Ab 1971 fertigt e<strong>in</strong>e Arbeitsgeme<strong>in</strong>schaft<br />

aus AEG, Siemens und Hochtief zwei nahezu<br />

baugleiche Druckwasserreaktoren für den<br />

neu en Standort. Die etwa fünfjährige Bauzeit<br />

des Kraftwerks ergibt sich aus den enormen<br />

Lieferschwierigkeiten bei fast allen Großkomponenten,<br />

vor allem aber aus den immer<br />

neuen Sicherheitsauflagen – die gesetzlichen<br />

Vorschriften wachsen quasi parallel zum Bau,<br />

da es zu dieser Zeit nur wenige Erfahrungen<br />

mit Kernkraftwerken dieser Größenordnung<br />

gibt. So werden die Kühltürme zum Beispiel<br />

erst nachträglich e<strong>in</strong>geplant, ursprünglich<br />

wäre das erhitzte Kühlwasser direkt <strong>in</strong> den<br />

Rhe<strong>in</strong> geleitet worden.3<br />

Um das Kraftwerk vor Hochwasser zu schützen,<br />

muss das gesamte Gelände aufgeschüttet<br />

werden. Die zwei Kraftwerksblöcke von Biblis<br />

stehen <strong>in</strong> Nord-Süd-Richtung nebene<strong>in</strong>ander:<br />

»Für beide Blöcke wurde e<strong>in</strong>e gleichartige<br />

Kompaktbauweise gewählt. Sie ermöglicht<br />

e<strong>in</strong>e optimale Flächenausnutzung, extrem kurze<br />

Rohr- und Kabelverb<strong>in</strong>dungen zwischen<br />

den verschiedenen Anlagebereichen und kurze<br />

Verb<strong>in</strong>dungswege für das Betriebspersonal.«4<br />

Die Reaktoren mit den sie umfassenden<br />

fünf- bis sechsgeschossigen Hilfsanlagen­<br />

118


Energiezentrum<br />

Leitstand Block A, 1975 Baustelle Block A, 1970<br />

gebäuden bef<strong>in</strong>den sich im Süden. Sie liegen<br />

mit allen Anlagen zur Lagerung, Vor- und<br />

Aufbereitung der Brenn elemente <strong>in</strong> großen,<br />

zweischaligen Kugelkonstruktionen, deren<br />

<strong>in</strong>nere Hülle aus Stahl, die äußere aus Beton<br />

besteht. Die Wandstärke der Betonkugel beträgt<br />

bei Block A 60 cm, bei Block B 80 cm –<br />

wie Kuppeln ragen die Reaktorbauten aus den<br />

umliegenden Gebäuden hervor, ihre Scheitel<br />

liegen <strong>in</strong> etwa 50 m Höhe. Ins mehrgeschossige<br />

Innere führen drei Schleusen: e<strong>in</strong>e für Personen,<br />

e<strong>in</strong>e für Material und e<strong>in</strong>e Notfallschleuse.<br />

Die Anlagenräume im Kern der Reaktorgebäude<br />

s<strong>in</strong>d »von e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>neren Betonzyl<strong>in</strong>der<br />

und schweren Betondecken und Betonriegeln<br />

umschlossen«5. Während des Betriebs<br />

dürfen diese Räume wegen der hohen<br />

Strahlenbelastung nicht betreten werden. Sicherheitsaspekte<br />

def<strong>in</strong>ieren die meisten Bauteile:<br />

»Die schweren Betonstrukturen der Anla<br />

genräume haben […] die Funktion, die bei<br />

eventuellen Rohrleitungsbrüchen auftreten­<br />

119


Verkehrs<strong>in</strong>frastruktur<br />

5.4<br />

Paul Bonatz<br />

Autobahnraststätte<br />

Re<strong>in</strong>hardsha<strong>in</strong><br />

Grünberg (<strong>Hessen</strong>), 1938<br />

Die Raststätte an der Bundesautobahn A 5<br />

bei Re<strong>in</strong>hardsha<strong>in</strong> entsteht 1938 im Zuge<br />

des nationalsozialistischen ›Reichsautobahnbaus‹.<br />

Auto bahnen (also kreuzungsfreie Straßenverb<strong>in</strong>dungen<br />

mit je zwei Fahrbahnen <strong>in</strong><br />

beide Fahrtrichtungen) sollen dem Fern- und<br />

Güterverkehr dienen, s<strong>in</strong>d im Dritten Reich<br />

längerfristig aber auch von militärstrategischer<br />

Bedeutung. Dabei können sie ke<strong>in</strong>esfalls<br />

als e<strong>in</strong>e ›Erf<strong>in</strong>dung Adolf Hitlers‹ gelten,<br />

denn schon die Weimarer Republik plant Autobahnen,<br />

1932 eröffnet zwischen Köln und<br />

Bonn sogar die erste Strecke. Die Nationalsozialisten<br />

stehen solchen Projekten vor 1933<br />

eher ablehnend gegenüber, weil sie <strong>in</strong> ihnen<br />

Straßen für privilegierte Automobilbesitzer<br />

sehen.1 Mit der Machtübernahme ändert sich<br />

diese Haltung grundlegend, sche<strong>in</strong>t der Bau<br />

von Autobahnen <strong>in</strong> verschiedensten Teilen<br />

140<br />

Altdeutscher Raum<br />

des Reiches doch die Möglichkeit zu bieten,<br />

das Heer der Arbeitslosen von der Straße zu<br />

holen und wieder <strong>in</strong> Arbeit und Lohn zu br<strong>in</strong>gen.<br />

Die Autobahnbaustellen beschäftigen<br />

dann aber weit weniger zuvor arbeitslose<br />

Menschen, als von der Propaganda angegeben,<br />

da man diese zumeist nicht für qualifizierte<br />

Arbeiten am Bau e<strong>in</strong>setzen kann.2<br />

Viele Autobahnpläne der Nationalsozialis<br />

ten greifen auf bereits vorliegende, ältere<br />

Über legungen zurück. Dazu gehört unter anderem<br />

e<strong>in</strong>e Nord-Süd-Strecke, die von Hamburg<br />

über Frankfurt nach Basel führt und<br />

deshalb als ›HaFraBa‹ bezeichnet wird.3 Sie<br />

ist im Wesentlichen mit der Bundesautobahn<br />

identisch, die <strong>Hessen</strong> heute von Norden her<br />

zunächst als A 7 und ab Bad Hersfeld als A 5<br />

nach Süden durchquert. In der hessischen<br />

Mittelgebirgslandschaft stellt der Bau dieser<br />

Strecke Planer und Ingenieure vor besondere<br />

Schwierigkeiten, müssen doch längere Aufund<br />

Abstiege bewältigt und zahlreiche Flusstäler<br />

mit hohen Brückenbauwerken über wunden<br />

werden. Obwohl sie auf Planungen des<br />

›Vere<strong>in</strong>s zur Vorbereitung der Autostraße<br />

Hanse städte–Frankfurt–Basel‹ von 1926 zurückgeht,<br />

stellt Fritz Todt – der NS-General<strong>in</strong>spektor<br />

für das Deutsche Straßenwesen –<br />

diese erste große Autobahnstrecke als s<strong>in</strong>guläre<br />

Leistung Adolf Hitlers dar.4<br />

Im Unterschied zu den Vorentwürfen betont<br />

er, dass die L<strong>in</strong>ienführung der Reichsautobahnen<br />

e<strong>in</strong>en »E<strong>in</strong>griff <strong>in</strong> die deutsche<br />

Landschaft« bedeute und diese Landschaft<br />

»nicht zerschlagen werden«5 dürfe. So sollten<br />

die Fahrbahnen beispielsweise nicht schnurgerade<br />

verlaufen, sondern im Rhythmus des<br />

Geländes schw<strong>in</strong>gen. Todt <strong>in</strong>teressiert an<br />

dieser Stelle auch der Blickw<strong>in</strong>kel der Autofahrer:<br />

Nach dem Vorbild amerikanischer<br />

Park- und Highways müssten die Trassenverläufe<br />

den ›Autowandernden‹ visuelle Erlebnisse<br />

verschaffen, die e<strong>in</strong>em durchkomponierten<br />

Spannungsbogen folgen.6 Diese


Verkehrs<strong>in</strong>frastruktur<br />

141


Verkehrs<strong>in</strong>frastruktur<br />

5.5<br />

Ernst Neufert<br />

Tankstellen, Rasthäuser und<br />

Motel an der A 67<br />

Pfungstadt, 1951–55<br />

An der Bundesautobahn A 67 zwischen Rüsselsheim<br />

und Viernheim, die teilweise noch aus nationalsozialistischer<br />

Zeit stammt, entsteht ab 1951 <strong>in</strong><br />

der Nähe von Pfungstadt beiderseits der Autobahn<br />

e<strong>in</strong>e Raststätte mit Tankanlagen, Restaurants und<br />

Motel nach Entwürfen des renommierten Darmstädter<br />

Architekturprofessors Ernst Neufert (→ 2.6,<br />

11.5).<br />

Den Vorgaben des Bundesverkehrsm<strong>in</strong>isteriums<br />

folgend, werden je Fahrtrichtung getrennte Tankbereiche<br />

für PKWs und LKWs geschaffen, zwischen die<br />

Neufert zentrale Pavillons <strong>in</strong> Stahlbetonskelettbauweise<br />

mit ockergelben Kl<strong>in</strong>kern platziert. Die Verkaufs-<br />

und Kassenräume im vorderen Teil der Pavillons<br />

erleuchten großzügige Glasfenster, während die<br />

h<strong>in</strong>teren Bereiche mit Wirtschaftsräumen und Sanitäranlagen<br />

nur spärliches Oberlicht erhalten. Markantester<br />

Teil der Anlage s<strong>in</strong>d die beiden großen, an<br />

den Ecken abgerundeten Dachflächen aus Stahlbeton,<br />

die sowohl die Tankzonen wie auch die Pavillons<br />

überspannen. Sie ruhen auf je acht pilzförmigen<br />

Pfeilern und gew<strong>in</strong>nen durch die verb<strong>in</strong>denden<br />

Betonverstrebungen e<strong>in</strong>e »Plastizität von hohem<br />

optischem Reiz«1. Offensichtlich ist Neuferts Entwurf<br />

<strong>in</strong>spiriert von den nach Plänen Carl August<br />

Bembés 1936/37 entstandenen Autobahntankstellen<br />

des ›Frank furter Typs‹.<br />

Auf e<strong>in</strong>er leichten Anhöhe südwestlich der Tankstelle<br />

Pfungstadt West errichtet Neufert <strong>in</strong> gleicher<br />

Bauweise e<strong>in</strong> Raststättengebäude, das ursprünglich<br />

e<strong>in</strong> Flachdach trägt. E<strong>in</strong> heller, sachlicher E<strong>in</strong>gangsbereich<br />

führt <strong>in</strong> das Restaurant, von dem aus man<br />

den Blick <strong>in</strong> die Landschaft genießen kann – gehört<br />

doch das erholsame Rasten <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er schönen Umgebung<br />

unbed<strong>in</strong>gt zur idealen Vorstellung vom Reisen<br />

dazu. Die Raststätte Pfungstadt Ost auf der gegenüberliegenden<br />

Autobahnseite ist zweigeschossig angelegt<br />

und umfasst e<strong>in</strong>en zusätzlichen Hoteltrakt.<br />

Ihre funktionale Gestaltung und ihr Schwung verleihen<br />

der Gesamtanlage e<strong>in</strong>en besonderen Charme:<br />

»Von ferne er<strong>in</strong>nert das Ensemble mit se<strong>in</strong>en gestaffelten<br />

Flachdächern und Kl<strong>in</strong>kermauern <strong>in</strong> warmen<br />

Gelbtönen an Präriehäuser Frank Lloyd Wrights.«2<br />

O. V.<br />

1 Hansen 1998, S. 63 2 Dorn/Durth/Gleim/Svenshon 2011, S. 39<br />

Literatur<br />

Ralf Dorn/Werner Durth/Udo Gleim/Helge Svenshon (2011): Ernst<br />

Neufert. Leben und Werk des Architekten. 1900–1986. Darmstadt.<br />

S. 38/39; Astrid Hansen (1998): Tanken und Rasten am Kulturdenkmal.<br />

Die Raststätten Pfungstadt an der BAB 67 von Ernst Neufert.<br />

In: Denkmalpflege & Kulturgeschichte, Heft 1. S. 63/64.<br />

154


Verkehrs<strong>in</strong>frastruktur<br />

5.6<br />

Paul Bode, Ernst Brundig<br />

Parkhaus Centrum-Garagen<br />

Kassel, 1955/56<br />

Die rasche Motorisierung der so genannten ›Wirtschaftswunderjahre‹<br />

erzeugt Mitte der 1950er <strong>Jahre</strong><br />

auch <strong>in</strong> der Innenstadt von Kassel zunehmende<br />

Park raumprobleme, zumal viele kriegsbed<strong>in</strong>gte Freiflächen<br />

<strong>in</strong>zwischen wieder bebaut s<strong>in</strong>d. Auf dem<br />

Gelände e<strong>in</strong>es ehemaligen Stadtparks <strong>in</strong> der Oberneustadt<br />

errichtet deshalb e<strong>in</strong> privater Investor das<br />

erste Parkhaus der Stadt. Nach e<strong>in</strong>em Entwurf des<br />

Kasseler Architekturbüros von Paul Bode entstehen<br />

1955/56 zwischen Neuer Fahrt und Garde-du-<br />

Corps-Straße <strong>in</strong> zentraler Lage die schon bei der<br />

Eröffnung viel beachteten Centrum-Garagen. Bode,<br />

e<strong>in</strong> renommierter Architekt der beg<strong>in</strong>nenden Nachkriegs<br />

moderne, hatte <strong>in</strong> Kassel seit der Währungsreform<br />

bereits drei K<strong>in</strong>obauten (→ 15.4) sowie Hotels<br />

und e<strong>in</strong> Wohnhochhaus realisiert, bevor ihm<br />

der Planungsauftrag für das Parkhaus übertragen<br />

wird. Beteiligt ist auch der Architekt Ernst Brundig<br />

aus Bodes Büro. Zusammen schaffen die beiden e<strong>in</strong><br />

markantes Beispiel zeitgenössischen Parkhausbaus.<br />

Für das fünfstöckige Gebäude wählen sie e<strong>in</strong> von<br />

ihnen neu entwickeltes Bausystem, das auf dem nur<br />

2.000 m2 großen Grundstück e<strong>in</strong>e optimale Raumausnutzung<br />

gewährleistet. Grundpr<strong>in</strong>zip des <strong>in</strong>novativen,<br />

später patentierten Systems ist e<strong>in</strong>e das<br />

ganze Gebäude durchziehende Doppelwendel. Mit<br />

dieser Konstruktion lassen sich steile Rampen und<br />

Gegenverkehr vermeiden. Auf den um 5 bis 6 % geneigten<br />

Fahrbahnen, die über e<strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dungsstück<br />

auf jeder Etage e<strong>in</strong>en Richtungswechsel ermöglichen,<br />

s<strong>in</strong>d die <strong>in</strong>sgesamt 350, jeweils 12 m2 großen<br />

Stellplätze gut zu erreichen. Im Erdgeschoss bef<strong>in</strong>den<br />

sich Läden, e<strong>in</strong>e Tankstelle und e<strong>in</strong>e Reparaturwerkstatt,<br />

das Obergeschoss bewirtschaftet e<strong>in</strong><br />

Chauffeur-Hotel.<br />

Ursprünglich ist das Parkhaus mit e<strong>in</strong>er gewölbten<br />

Fassade aus Ganzglas versehen und dadurch<br />

gut e<strong>in</strong>sehbar – bis das Glas <strong>in</strong> den 1970er <strong>Jahre</strong>n<br />

durch e<strong>in</strong>e Alum<strong>in</strong>iumverkleidung ersetzt wird. In<br />

den 1990er <strong>Jahre</strong>n erhält das Gebäude wieder<br />

e<strong>in</strong>e vorgesetzte, jetzt grünlich getönte Glasfassade,<br />

auf dem Flachdach werden 2006 zwei exklusive<br />

Wohne<strong>in</strong>heiten (›Roof Boxes‹) errichtet. Neben<br />

se<strong>in</strong>en Stellflächen bietet das Parkhaus heute<br />

Raum für Ladengeschäfte und Büros. O. V.<br />

Literatur<br />

Joachim Kle<strong>in</strong>manns (2011): Parkhäuser. Architekturgeschichte e<strong>in</strong>er<br />

ungeliebten Notwendigkeit. Marburg. S. 134–139; Ingrid Lübke<br />

(2009): Paul Bode. In: Kassel-Lexikon. Bd. 1. Hg. Stadt Kassel. Kassel.<br />

S. 78/79; Ralf Zumpfe/Kar<strong>in</strong> Schrader/Carsten Tiemann (1996):<br />

Architekturführer Kassel. 1900–1999. Kassel. S. 48.<br />

155


Verwaltungsgebäude<br />

Bundeskrim<strong>in</strong>alamt – Schränke für über e<strong>in</strong>e Million<br />

F<strong>in</strong>gerabdruckblätter, um 1960<br />

Die verschiedenen Funktionen der Behörde<br />

s<strong>in</strong>d auf mehrere Baukörper verteilt: e<strong>in</strong>en<br />

mehrgeschossigen Hauptbau, e<strong>in</strong>en niedrigeren<br />

Saalbau im Südwesten und e<strong>in</strong> e<strong>in</strong> geschossiges<br />

Nebengebäude mit Werkstatt,<br />

Garagen und Sozialräumen im Nordosten.<br />

Der riegelartige Hauptbau erhebt sich <strong>in</strong><br />

Hanglage über e<strong>in</strong>em zweigeschossigen, ungegliederten<br />

Sockel. Auf der Bergseite fußt<br />

das Erdgeschoss direkt auf dem Boden. Der<br />

Haupte<strong>in</strong>gang mit Pförtnerloge bef<strong>in</strong>det sich<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er zweigeschossigen, verglasten Halle,<br />

die gleichzeitig die Verb<strong>in</strong>dung zum Saalbau<br />

herstellt. Mustergültig greift der Hauptbau<br />

zwei Themen auf, die für Rimpl wie auch für<br />

andere Architekten der Nachkriegszeit von<br />

Bedeutung s<strong>in</strong>d: das Raster und die Schale.5<br />

Die fünf Geschosse des Hauptbaus prägt<br />

e<strong>in</strong>e Rasterfassade aus Sichtbeton, die »<strong>in</strong><br />

Anpassung an die Wiesen und Wälder r<strong>in</strong>gsum«6<br />

e<strong>in</strong>en lichtgrünen M<strong>in</strong>eralfarbanstrich<br />

erhält. Auch die Brüstungen der leicht zurückgesetzten<br />

Fensterebene s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> Beton<br />

Erdgeschoss<br />

1 Büro 2 Gast 3 Unterricht 4 Haupte<strong>in</strong>gang mit Pförtnerloge<br />

5 Konferenzraum 6 Küche 7 Anrichte 8 Schulungs- und Tagungssaal<br />

20 m<br />

170


Verwaltungsgebäude<br />

ausgeführt. E<strong>in</strong> wellenförmiges Schalendach<br />

mit schlanken Stützen bedeckt die Galerie<br />

des obersten Stockwerks, wobei e<strong>in</strong>e Schale<br />

jeweils zwei Fenster überfängt. Diese Dachform<br />

wiederholt sich, den gesamten Baukörper<br />

überspannend, am benachbarten Saalbau.<br />

Se<strong>in</strong>e großflächig durchfensterten Fassaden<br />

s<strong>in</strong>d im Obergeschoss beidseitig mit<br />

Galerien versehen, deren filigrane Stützen<br />

und Brüstungsgeländer sich dezent zurücknehmen.<br />

Elegant geschwungene Außen wendel<br />

treppen ergänzen das Bild.<br />

Die Rasterfassade ergibt sich für Rimpl<br />

nicht nur aus praktischer oder konstruktiver<br />

Notwendigkeit – gerade für die Gestaltung<br />

von Verwaltungsbauten ersche<strong>in</strong>t sie ihm<br />

auch aus anderen Gründen besonders geeignet.<br />

Se<strong>in</strong>er Me<strong>in</strong>ung nach ist der Mensch <strong>in</strong><br />

der modernen Arbeitswelt besonders effektiv,<br />

wenn er nur e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>es Spezialgebiet beherrscht<br />

und dadurch zu e<strong>in</strong>em brauchbaren<br />

Glied »<strong>in</strong> der Kette der modernen Technik«<br />

wird: »Das moderne Verwaltungsgebäude<br />

zeigt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Rasterfront am deutlichsten<br />

diese Arbeitsaufteilung; das Raster ist zugleich<br />

e<strong>in</strong> Symbol der heutigen Demokratie.«7<br />

Rimpl komb<strong>in</strong>iert das Stahlbetonraster<br />

häufiger mit dem Motiv der wellenförmigen<br />

Betonschale, etwa bei den Verwaltungsgebäuden<br />

der Hüttenwerke Oberhausen AG (1949)<br />

und der Berl<strong>in</strong>ischen Lebensversicherung<br />

AG (1955/56) <strong>in</strong> Wiesbaden. Elliptische Formen<br />

und Betonschalen verwendet er auch <strong>in</strong><br />

ganz anderen Zusammenhängen, zum Beispiel<br />

bei der Wiesbadener Heilig-Geist-Kirche<br />

von 1961/62.<br />

In se<strong>in</strong>em 1959 veröffentlichten Buch Verwaltungsbauten<br />

unternimmt Rimpl e<strong>in</strong>e Systematisierung<br />

verschiedener Arten von Verwaltungsgebäuden,<br />

denen er entsprechende<br />

Typengrundrisse zuordnet. Er unterscheidet<br />

zunächst zwischen re<strong>in</strong>en Verwaltungsbauten,<br />

die im Wesentlichen aus Büroräumen<br />

bestehen, und Bauten mit verstärktem Publikumsverkehr.<br />

Danach befasst er sich mit<br />

den Anforderungen an diverse Sondernutzungen.<br />

Das Bundeskrim<strong>in</strong>alamt Wiesbaden<br />

fällt hier unter die Rubrik »Verwaltungsgebäude<br />

mit Speziale<strong>in</strong>richtungen wie Laboratorien,<br />

Werk stätten usw.«8. An Sonderräumen<br />

171


Verwaltungsgebäude<br />

6.4<br />

Peter Grund<br />

US-amerikanisches Kreisamt<br />

(John-F.-Kennedy-Haus)<br />

Darmstadt, 1951<br />

Darmstadt wird im Zweiten Weltkrieg fast vollständig<br />

zerstört. Maßgeblich am Wiederaufbau beteiligt<br />

ist der Architekt Peter Grund (→ 9.6), von 1947 bis<br />

1959 Oberbaudirektor der Stadt. Se<strong>in</strong> Konzept umfasst<br />

die Wiederherstellung bestehender Straßenzüge,<br />

aber auch e<strong>in</strong> neues R<strong>in</strong>gsystem, das mit markanten<br />

Straßenachsen und -kreuzungen, mit Plätzen und<br />

wirkungsvoll gesetzten Bauten städtebauliche Dom<strong>in</strong>anten<br />

schafft. Das 1951 für die amerikanische Zivilverwaltung<br />

errichtete US Residence Office ist Teil<br />

dieses Programms. Es soll die zur Platzanlage aufgeweitete<br />

Kreuzung an der Rhe<strong>in</strong>straße nach Norden<br />

abschließen. Das benachbarte, 1947/48 ebenfalls von<br />

Grund errichtete Parkhotel Aachener Hof, das leicht<br />

schräg <strong>in</strong> den Platz h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>ragt, m<strong>in</strong>dert allerd<strong>in</strong>gs die<br />

beabsichtigte monumentale Wirkung.1<br />

Im Gegensatz zu vielen anderen Darmstädter<br />

Bei spielen des Wiederaufbaus, bei denen begrenzte<br />

Mittel und fehlende Baustoffe zu sparsamen<br />

Kon s truktionen aus Stahl und Glas führen, entsteht<br />

das US Residence Office als Massivbau mit<br />

Kalkste<strong>in</strong>verblendung. Auch <strong>in</strong> der Gestaltung<br />

nimmt das Gebäude kaum aktuelle Tendenzen auf.<br />

Se<strong>in</strong>e monumentale, breite und nur sparsam gegliederte<br />

Werkste<strong>in</strong>fassade knüpft an Bauten der 1930er<br />

und 1940er <strong>Jahre</strong> an. Fünf Reihen schmaler, rechteckiger<br />

Fenster und die dezente Betonung der Gebäudekanten<br />

prägen das Ersche<strong>in</strong>ungsbild. E<strong>in</strong>e<br />

ähnliche Gestaltung f<strong>in</strong>det sich schon früher <strong>in</strong><br />

Grunds Werk, etwa an dem 1929/30 errichteten<br />

Gebäude für die Industrie- und Handelskammer<br />

<strong>in</strong> Dortmund. Individuelle Gestaltungselemente<br />

des Darmstädter Baus s<strong>in</strong>d e<strong>in</strong>e Sonnenuhr an der<br />

südwestlichen Gebäudekante und sieben anonyme<br />

Porträtköpfe zwischen den obersten Fenstern<br />

der Südfassade, die vermutlich unter Anleitung<br />

des Darmstädter Bildhauers Fritz Schwarzbeck<br />

entstehen2. Richtig ›modern‹ wirkt der Verwaltungsbau<br />

erst im Dunkeln, wenn die Neonbeleuchtung<br />

am Überstand des flachen Daches e<strong>in</strong>geschaltet<br />

wird.<br />

Ab 1953 dient das Gebäude als Amerika-Haus, <strong>in</strong><br />

dem sich Deutsche über Geschichte, Traditionen<br />

und Politik der USA <strong>in</strong>formieren können, 1965 wird<br />

es <strong>in</strong> John-F.-Kennedy-Haus umbenannt. Seit 1995<br />

nutzt die Stadt den Bau als Literaturhaus, <strong>in</strong> dem<br />

unter anderem das PEN-Zentrum Deutschland, die<br />

Darmstädter Goethe-Gesellschaft, das Kunstarchiv<br />

und das Institut für Praxis der Philosophie untergebracht<br />

s<strong>in</strong>d. H. D.<br />

1 Vgl. Svensohn 1998 2 Vgl. Sauer 2006<br />

Literatur<br />

Eva Re<strong>in</strong>hold-Post<strong>in</strong>a (1990): Die Architektur der fünfziger <strong>Jahre</strong>.<br />

Darmstadt. S. 85; Mona Sauer (2006): John-F.-Kennedy-Haus.<br />

In: Stadtlexikon Darmstadt. Hg. R. Dotzert, P. Engels, A. Leonhardt.<br />

Stuttgart. S. 453; Helge Svensohn (1998): Amerika-Haus und<br />

Parkhotel ›Aachener Hof‹. In: Architektur der fünfziger <strong>Jahre</strong>. Die<br />

Darmstädter Meisterbauten. Hg. M. Bender, R. May. Stuttgart. S. 192.<br />

180


Verwaltungsgebäude<br />

6.6<br />

Wolf Maier, Re<strong>in</strong>er Graf,<br />

Max Speidel, Hans Wolz<br />

Rathaus Offenbach<br />

Offenbach am Ma<strong>in</strong>, 1968–71<br />

Anfang der 1960er <strong>Jahre</strong> beg<strong>in</strong>nt die City-Sanierung<br />

der im Zweiten Weltkrieg stark zerstörten<br />

Stadt Offenbach. Im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>er ›autogerechten<br />

Stadt‹ durchzieht künftig die breite Schneise der<br />

Berl<strong>in</strong>er Straße das Zentrum. Teil dieser Planungen<br />

ist auch e<strong>in</strong> Rathausneubau, denn seit 1945 ist die<br />

Stadtverwaltung auf mehrere Bauten verteilt. 1962<br />

organisiert die Stadt e<strong>in</strong>en <strong>in</strong>ternationalen Architekturwettbewerb,<br />

aus dem Wolf Maier, Re<strong>in</strong>er Graf<br />

und Max Speidel als erste Preisträger hervorgehen.<br />

Nach ihren Plänen beg<strong>in</strong>nen 1968 die Arbeiten an<br />

dem neuen Rathaus, das am 10. Juli 1971 e<strong>in</strong>geweiht<br />

werden kann.<br />

Mit se<strong>in</strong>em 70 m hohen, 15-stöckigen Büroturm<br />

ist der brutalistische Betonbau zunächst e<strong>in</strong> typisches<br />

›Hochhausrathaus‹ der 1960er und 1970er<br />

<strong>Jahre</strong>.1 Weniger typisch ist der dreieckige Grundriss<br />

des Hochhauses, den die Stuttgarter Architekten<br />

<strong>in</strong> den unteren drei Etagen mit e<strong>in</strong>em rechteckigen<br />

Flachbau verschneiden. Um Bürgernähe und<br />

demokratische Offenheit zu signalisieren, werden<br />

die Sitzungssäle, die Räume des Oberbürgermeisters<br />

und die stark frequentierten Ämter wie das<br />

Standesamt <strong>in</strong> dem Flachbau untergebracht2, im<br />

Hochhaus bef<strong>in</strong>den sich weitere Dezernate und<br />

Ämter sowie Küche und Speisesäle. Das Hochhaus<br />

besteht aus e<strong>in</strong>em <strong>in</strong>neren Erschließungskern, um<br />

den sich <strong>in</strong> den oberen Etagen die Büroräume gruppieren.<br />

Den regelmäßigen Wechsel von Fensterbändern<br />

und Sichtbetonbrüstungen an den Fassaden<br />

durchbrechen lediglich e<strong>in</strong>ige vertikale Streben<br />

<strong>in</strong> der 14. Etage (dem Bereich der Kant<strong>in</strong>e) und<br />

die breiten Betonflächen der Gebäudekanten. Im<br />

unteren Bereich ruht das Hochhaus auf schlanken,<br />

teils außerhalb des Flachbaus liegenden Stützen.<br />

Die Verschneidung von Bauteilen charakterisiert<br />

auch das Innere des Gebäudes. Foyer und Treppenhäuser<br />

bestehen aus e<strong>in</strong>em komplexen System von<br />

Sichtbetonteilen, die durch aufgemalte, geometrische<br />

Formen im Stil der Op-Art belebende Farbakzente<br />

erhalten. Der große Sitzungssaal der Stadtverordneten,<br />

der sich schon von außen an e<strong>in</strong>er weitgehend<br />

fensterlosen Fassadenfläche und an der vorragenden<br />

Zuschauerempore erkennen lässt, ist mit<br />

farbigen Wandmalereien, dunklen Holzvertäfelungen<br />

und e<strong>in</strong>er Metallrasterdecke ausgestattet. H. D.<br />

1 Vgl. Damus 1988, S. 168 2 Vgl. auch Bon<strong>in</strong> 2007, S. 151<br />

Literatur<br />

Anonym (1973): Rathaus Offenbach am Ma<strong>in</strong>. In: Bauwelt 64.<br />

S. 462/463; Sonja Bon<strong>in</strong> (2007): Kulturdenkmäler <strong>in</strong> <strong>Hessen</strong>. Stadt<br />

Offenbach. Stuttgart. S. 147–151; Mart<strong>in</strong> Damus (1988): Das Rathaus.<br />

Architektur- und Sozialgeschichte von der Gründerzeit bis zur Postmoderne.<br />

Berl<strong>in</strong>. S. 168; Clemens Kieser (2012): Rathaus Offenbach.<br />

In: Zwischen Scheibe und Wabe. Verwaltungsbauten der Sechzigerjahre<br />

als Denkmale. Hg. Vere<strong>in</strong>igung der Landesdenkmalpfleger der<br />

Bundesrepublik Deutschland. Wiesbaden. S. 148–151.<br />

181


Produktionsstätte<br />

Vom historistischen Fabrikschloss<br />

zum modernen Industriebau<br />

Als Produktionsstätten, Fabrik- oder Industriebauten bezeichnet man E<strong>in</strong>richtungen,<br />

die durch e<strong>in</strong>e gewisse Anzahl an Arbeitskräften, durch die<br />

Verwendung von Masch<strong>in</strong>en sowie durch das Pr<strong>in</strong>zip der Arbeitsteilung<br />

charakterisiert s<strong>in</strong>d und <strong>in</strong> denen gewerbliche Erzeugnisse für e<strong>in</strong>en festgelegten<br />

Absatzmarkt hergestellt werden. Im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts,<br />

<strong>in</strong> der Phase der Hoch<strong>in</strong>dustrialisierung Europas, beg<strong>in</strong>nen sich die<br />

Architekten verstärkt für den Fabrikbau zu <strong>in</strong>teressieren. Bis dah<strong>in</strong> arbeiten<br />

auf diesem Gebiet fast ausschließlich Ingenieure. Deren Hauptaugenmerk<br />

liegt vornehmlich auf den Produktionsabläufen und weniger auf dem architektonischen<br />

Ersche<strong>in</strong>ungsbild der Gebäude. Für die Verkleidung der Ingenieurskonstruktionen<br />

sorgt oftmals der ästhetisch geschulte und <strong>in</strong> den<br />

historischen Stilen geübte Architekt. Der Typus des schlossartigen Fabrikbaus<br />

bildet <strong>in</strong> diesen Jahrzehnten das weit verbreitete S<strong>in</strong>nbild für wirtschaftliche<br />

Leistungsfähigkeit und für die gesellschaftliche Stellung des<br />

Fabrikanten. An den Textilfabriken und den Anlagen der Kohlezechen f<strong>in</strong>den<br />

sich daher regelmäßig die historistischen Bauformen der Neogotik und<br />

des Neobarocks. E<strong>in</strong> besonders prunkvolles Beispiel dieses Typs ist die nach<br />

Entwürfen von William Leiper zwischen 1888 und 1892 errichtete Templeton<br />

Carpet Factory <strong>in</strong> Glasgow.<br />

Um 1900 wandelt sich das Bild. In Vere<strong>in</strong>igungen wie dem von Paul<br />

Schultze-Naumburg (→ 1.3) geprägten Bund Heimatschutz entwickeln sich<br />

Strömungen, die gegen die <strong>in</strong>dustrielle ›Verschandelung‹ der Lebensräume<br />

kämpfen und die e<strong>in</strong>en starken E<strong>in</strong>fluss auf die Architektur gew<strong>in</strong>nen.<br />

Der spätere NS-Architekt Werner L<strong>in</strong>dner, Me<strong>in</strong>ungs- und von 1914 bis<br />

1933 Geschäftsführer des Bundes, propagiert se<strong>in</strong>e Vorstellungen von e<strong>in</strong>er<br />

guten Gestaltung der Ingenieur- beziehungsweise Industriebauten: »Unter<br />

Schönheit der Ingenieurbauten ist also zu verstehen e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>nerliche Durchdr<strong>in</strong>gung,<br />

sachliche Vollendung und harmonische Abstimmung der durch<br />

Zweck, Werkstoff, Konstruktion und Umgebung bed<strong>in</strong>gten Anlage und<br />

Form.«1 Architekt und Ingenieur s<strong>in</strong>d fortan immer stärker zur Kooperation<br />

gezwungen und müssen sich <strong>in</strong> die Denkweise des jeweils anderen e<strong>in</strong>arbeiten,<br />

stehen sie doch nun <strong>in</strong> Konkurrenz um die gleichen Aufträge. Der<br />

Architekt muss sich mit den Produktionsabläufen der Betriebe vertraut machen,<br />

während sich der Ingenieur verstärkt ästhetischen Fragen zu stellen<br />

hat.<br />

1913 formuliert Hermann Muthesius, Mitbegründer des Deutschen Werkbundes,<br />

die Aufgabe folgendermaßen: »E<strong>in</strong>en Unterschied zu machen zwi­<br />

1 L<strong>in</strong>dner/Ste<strong>in</strong>metz<br />

1923, S. 21<br />

184


Produktionsstätte<br />

2 Muthesius 1913,<br />

S. 30/31<br />

3 Anonym 1908, S. 184<br />

4 Ford 1923, S. 83<br />

schen Werken der Architektur und des Ingenieurbaues ist s<strong>in</strong>nlos. […] Nützlichkeits-<br />

und Schönheitsgesichtspunkte arbeiten hier wie dort von Anfang<br />

an <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander.«2 Der 1907 entstandene Werkbund, e<strong>in</strong> Zusammenschluss<br />

von Künstlern, Architekten und Industriellen, verfolgt <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er Satzung genau<br />

dieses Ziel: »Der Zweck des Bundes ist: die Veredlung der gewerblichen<br />

Arbeit im Zusammenwirken von Kunst, Industrie und Handwerk<br />

durch Erziehung, Propaganda und geschlossene Stellungnahme zu e<strong>in</strong>schlägigen<br />

Fragen.«3 Es s<strong>in</strong>d vor allem Werkbund-Mitglieder wie Muthesius,<br />

Peter Behrens (→ 1.2, 4.3, 8.2) und Walter Gropius (→ 3.4), die zu Beg<strong>in</strong>n des<br />

20. Jahrhunderts <strong>in</strong> Deutschland wegweisende Fabrikbauten errichten.<br />

Die große Symbolfigur des Industriezeitalters ist damals der amerikanische<br />

Automobilfabrikant Henry Ford, der sich später mit se<strong>in</strong>er hetzerischen<br />

Publikation The International Jew (1920–22) zum weltweiten Anführer<br />

des Antisemitismus herabwürdigt. Nicht nur Industriellen, sondern vielen<br />

der progressiv e<strong>in</strong>gestellten Architekten gilt er als Pionier und Vorbild. In<br />

se<strong>in</strong>er 1923 auf Deutsch erschienenen Autobiografie schreibt Ford: »Man<br />

nehme e<strong>in</strong>en passenden, bewährten Artikel und suche dann alles Überflüssige<br />

zu elim<strong>in</strong>ieren. […] Indem wir die überflüssigen Teile abbauen und die<br />

notwendigen vere<strong>in</strong>fachen, bauen wir zugleich die Herstellungskosten ab.«4<br />

Diesen zweckrationalen Optimierungsgedanken des amerikanischen Fordismus<br />

<strong>in</strong> die Architektur h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zutragen, e<strong>in</strong> Haus zu bauen wie e<strong>in</strong> Auto<br />

oder e<strong>in</strong>e Masch<strong>in</strong>e, wird zu e<strong>in</strong>em Leitbild für die modernen Architekten.<br />

E<strong>in</strong> wichtiger Protagonist der konsequenten Umsetzung derartiger Vorstellungen<br />

ist Giovanni Agnelli, Mitgründer der Fiat-Werke im Tur<strong>in</strong>er Stadtteil<br />

L<strong>in</strong>gotto. Für den Bau se<strong>in</strong>er Automobilfabrik gew<strong>in</strong>nt er den Ingenieur<br />

Giacomo Matté Trucco, der das Werk zusammen mit beteiligten Kollegen<br />

zwischen 1916 und 1926 als sechsgeschossige Stahlbetonkonstruktion realisiert.<br />

Den krönenden Abschluss der Anlage bildet die berühmte, über e<strong>in</strong>en<br />

Kilometer lange Teststrecke auf dem Dach der Fabrik, erreichbar über<br />

e<strong>in</strong>e Autorampe, die an der Produktionsl<strong>in</strong>ie vorbei vom Erd- bis zum Dachgeschoss<br />

führt.<br />

Der zu Beg<strong>in</strong>n des 20. Jahrhunderts noch junge Baustoff Stahlbeton ermöglicht<br />

derartige Innovationen. Bieten die <strong>in</strong> der Fabrikarchitektur des<br />

späten 19. Jahrhunderts üblichen Stützkonstruktionen aus unverkleidetem<br />

Gusseisen gefährliche Angriffsflächen für Feuer, so lassen sich jetzt auch<br />

weitgehend brandsichere Baugefüge mit vorgehängten Fassaden (curta<strong>in</strong><br />

walls) realisieren. Es ist <strong>in</strong>sbesondere der Industriebau, der durch se<strong>in</strong>e<br />

schlichte Gestaltung e<strong>in</strong>e neue Sachlichkeit befördert, die bald auch bei anderen<br />

Bauaufgaben zur Anwendung kommt. Auf diese Weise hält der Fordismus<br />

E<strong>in</strong>zug <strong>in</strong> die Architektur. Dies gilt nicht nur für die Gestaltung der<br />

Bauten, sondern auch für deren Herstellungsprozess. Die Dimensionierung<br />

185


Produktionsstätte<br />

196


7.7<br />

Fritz Mouson, Robert<br />

Wollmann, Hermann Geitner<br />

Mousonturm mit<br />

Fabrikanbau<br />

Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, 1925/26<br />

Die Geschichte des Frankfurter Familienunternehmens<br />

Mouson reicht bis <strong>in</strong> das 18. Jahrhundert<br />

zurück. 1798 gründet August Friedrich<br />

Mouson e<strong>in</strong>e Seifen- und Lichterfabrik,<br />

mit der er den Grundste<strong>in</strong> für e<strong>in</strong>e Dynastie<br />

von Seifensiedern und Parfümeuren legt.<br />

Nach <strong>Jahre</strong>n stetigen Wachstums zieht die<br />

Firma 1880 an den heutigen Standort um. Das<br />

erste Drittel des 20. Jahrhunderts ist die Blütezeit<br />

des Unternehmens, das noch vor dem<br />

Ausbruch des Ersten Weltkriegs se<strong>in</strong>en Verkaufsschlager<br />

Creme Mouson herausbr<strong>in</strong>gt.<br />

Diesem folgt das 1922/23 kreierte Parfüm Tai<br />

Tai, welches <strong>in</strong> den Goldenen Zwanzigern der<br />

Weimarer Republik viele Frauen betört. Auch<br />

die Zahncreme Eburit trägt bis zum Niedergang<br />

der Firma zu deren Umsatz bei.1 Verantwortlich<br />

für den Erfolg ist der Teil<strong>in</strong>haber und<br />

nach dem Zweiten Weltkrieg alle<strong>in</strong>ige Inhaber<br />

Friedrich August Mouson. Als Chefparfümeur<br />

entwickelt er im Lauf se<strong>in</strong>er 50-jährigen<br />

Tätigkeit viele exotische Duftmischungen.<br />

Mit dem beg<strong>in</strong>nenden wirtschaftlichen<br />

Pro fit geht e<strong>in</strong>e Umbauphase des Unternehmens<br />

e<strong>in</strong>her, die sich zunächst auf <strong>in</strong>nerbetriebliche<br />

Rationalisierungsmaßnahmen erstreckt<br />

und mit dem Namen Fritz Mouson<br />

verbunden ist. Dieser wird an der Technischen<br />

Hochschule <strong>in</strong> Darmstadt zum Diplom-<br />

Ingenieur ausgebildet und arbeitet danach<br />

bei der Adam Opel AG <strong>in</strong> Rüsselsheim (→7.6).<br />

1912 tritt er anstelle se<strong>in</strong>es zuvor verstorbenen<br />

Bruders Georg <strong>in</strong> das Familienunternehmen<br />

e<strong>in</strong>, modernisiert den Masch<strong>in</strong>enpark<br />

Produktionsstätte<br />

und optimiert so die Produktion.2 Nach dem<br />

Ersten Weltkrieg beg<strong>in</strong>nt Mouson mit ausgedehnten<br />

Neubaumaßnahmen, die 1925 im<br />

Bau e<strong>in</strong>es weiteren Produktionsgebäudes<br />

gipfeln: dem ›Mousonturm‹ mit mehrstöckigem<br />

Fabrikanbau. Das neue Bauwerk an<br />

der Nordwestecke des Firmengeländes plant<br />

Mouson selbst <strong>in</strong> Zusammenarbeit mit den<br />

Architekten Hermann Geitner und Robert<br />

Wollmann. Der neungeschossige Treppenund<br />

Aufzugsturm, der den weith<strong>in</strong> lesbaren<br />

Schriftzug ›MOUSON‹ über den Dächern<br />

von Frankfurt zur Schau stellt, entwickelt<br />

sich schon bald zum Wahrzeichen der Firma.<br />

Das Gebäude gilt als das erste Hochhaus der<br />

Frankfurter Baugeschichte.3<br />

Der Turm ist Teil e<strong>in</strong>es siebengeschossigen<br />

Produktionsgebäudes, <strong>in</strong> dem weite Teile<br />

der Seifen-, Creme- und Parfümproduktion<br />

angesiedelt werden. Im Keller bef<strong>in</strong>den<br />

sich große Tanks zur Rohstofflagerung. Das<br />

durch Zwischenwände <strong>in</strong> mehrere Bereiche<br />

unterteilte Erdgeschoss beherbergt e<strong>in</strong>en<br />

197


Produktionsstätte<br />

7.8<br />

Marcel Breuer<br />

Firmengebäude der<br />

Mundipharma GmbH<br />

Limburg an der Lahn, 1973–75<br />

Zu den ungewöhnlichsten Industriebauten,<br />

die sich im Land <strong>Hessen</strong> f<strong>in</strong>den, gehört zweifellos<br />

die Niederlassung der Mundipharma<br />

GmbH <strong>in</strong> Limburg an der Lahn. Auf der Offheimer<br />

Höhe vor den Toren der Stadt steht<br />

e<strong>in</strong> Fabrikationsgebäude, das unter den zeitgenössischen<br />

Industriebauten <strong>in</strong> Deutschland<br />

se<strong>in</strong>esgleichen sucht. Errichtet hat es<br />

der Architekt Marcel Breuer (→1.8). Die Biografie<br />

des aus dem ungarischen Pécs stammenden<br />

Breuer ist bewegt. Ab 1920 studiert<br />

er an der Wiener Akademie der Bildenden<br />

Künste, wechselt jedoch im selben Jahr an<br />

das Bauhaus <strong>in</strong> Weimar und legt dort 1924<br />

se<strong>in</strong>e Gesellenprüfung ab. 1925 ernennt ihn<br />

Walter Gropius (→3.4) zum Jungmeister und<br />

Leiter der Möbelwerkstatt des mittlerweile<br />

nach Dessau umgezogenen Bauhauses, wo<br />

er bis 1928 tätig ist. Danach eröffnet Breuer<br />

202<br />

<strong>in</strong> Berl<strong>in</strong> se<strong>in</strong> eigenes Architekturbüro, das er<br />

bis 1933 betreibt. Er verlässt Deutschland<br />

aufgrund se<strong>in</strong>er jüdischen Herkunft <strong>in</strong> Richtung<br />

Budapest und lebt dort bis 1935. Dann<br />

siedelt er nach London über, wo er ebenfalls<br />

als Architekt wirkt. Zwei <strong>Jahre</strong> später geht er<br />

auf E<strong>in</strong>ladung von Gropius <strong>in</strong> die USA, um bis<br />

1941 <strong>in</strong> dessen Architekturbüro zu arbeiten.<br />

Anschließend macht er sich wieder selbstständig<br />

und avanciert nach Kriegsende zum<br />

gefragten Architekten im Bereich des Wohnhausbaus.<br />

In den 1950er <strong>Jahre</strong>n folgen bedeutende<br />

Großaufträge <strong>in</strong> den USA und <strong>in</strong><br />

Europa.<br />

Den Auftrag für Limburg erhält Breuer<br />

durch Raymond Sackler, e<strong>in</strong>en Mediz<strong>in</strong>er, der<br />

1952 zusammen mit se<strong>in</strong>em Bruder das amerikanische<br />

Arzneimittelunternehmen Purdue<br />

Pharma kauft und mit dem Medikament<br />

Oxycont<strong>in</strong> e<strong>in</strong>es der umsatzstärksten Produkte<br />

der US-amerikanischen Pharma<strong>in</strong>dus trie<br />

herstellt. 1967 gründen die beiden Brüder <strong>in</strong><br />

Frankfurt die Mundipharma GmbH, die 1975<br />

<strong>in</strong> das fertiggestellte Werk <strong>in</strong> Limburg an der<br />

Lahn umzieht. Wie e<strong>in</strong> Brief von 1972 bezeugt,<br />

s<strong>in</strong>d Breuer und Sackler mite<strong>in</strong>ander<br />

befreundet, was die Direktbeauftragung erklärt.1<br />

Die beiden verb<strong>in</strong>det nicht nur ihr geme<strong>in</strong>samer<br />

jüdischer Migrationsh<strong>in</strong>tergrund,<br />

sondern auch die Aff<strong>in</strong>ität zur Kunst. Im Lauf<br />

se<strong>in</strong>es Lebens tritt Sackler mehrfach als Mäzen<br />

auf.<br />

Die ersten Entwurfszeichnungen für Mundi<br />

pharma datieren aus dem Jahr 1973. Auf<br />

e<strong>in</strong>er Grundfläche von 90 × 45 m entsteht<br />

e<strong>in</strong> zweigeschossiges Firmengebäude zusammen<br />

mit e<strong>in</strong>er quer dazu angeordneten<br />

Energiezentrale <strong>in</strong> unmittelbarer Nähe. Der<br />

Haupt bau ruht auf e<strong>in</strong>em niedrigen Sockelgeschoss,<br />

das leicht zurückspr<strong>in</strong>gt und durch<br />

e<strong>in</strong>e künstlich aufgeschüttete Böschung verdunkelt<br />

wird. Lediglich die Zugänge s<strong>in</strong>d orthogonal<br />

aus den Böschungen herausgezogen<br />

und mit Naturste<strong>in</strong>mauern akzentuiert.


Produktionsstätte<br />

203


Firmensitz<br />

1. Obergeschoss<br />

1 Sitzungssaal 2 Lichthof 3 Vortragssaal 4 Garderobe<br />

5 Personalabteilung 6 Pensionskasse 7 Kalkulation<br />

8 Betriebsabteilung 9 Tresor 10 Säureabteilung<br />

11 E<strong>in</strong>kauf 12 Diener<br />

Erdgeschoss<br />

13 Patentabteilung 14 Lichthof 15 Ausstellungshalle<br />

16 Krankenkasse 17 Lohnabteilung 18 Hauptkasse 19 Tresor<br />

20 Spedition 21 Statistik 22 Akkordabteilung 23 Personalabteilung<br />

24 Rechnungsabteilung 25 Revisionsabteilung<br />

20 m<br />

Fenstern. Im oberen, leicht zurückgesetzten<br />

Stockwerk schmücken breite parabelförmige<br />

Fenster den Bau.<br />

Die eher schlicht gehaltene E<strong>in</strong>gangssituation<br />

des dom<strong>in</strong>ierenden Mittelbaus führt <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong> Foyer, von dem aus man <strong>in</strong> den zentralen<br />

Lichthof gelangt. Dessen überwältigendes<br />

Far benspiel beschreibt der Journalist und<br />

Schriftsteller Paul Joseph Cremers: »Aus niedrig<br />

geführten, dunklen Durchgängen kommt<br />

man <strong>in</strong> diese Halle und wird von dem Rausch<br />

dieser fast erdentbundenen, fast schwebenden<br />

Kräfte <strong>in</strong> die Höhe gerissen. Mit den Farben<br />

des Farbkreises, vom tiefsten Melos <strong>in</strong><br />

Blau-Grün-Violett bis zum Fanfaren-Gelb geschmückt,<br />

steigt die ›gefrorene Musik‹ dieser<br />

Architektur, kühner als jedes Mauerwerk<br />

der Kathedralen empor. […] Man kann auf<br />

die Konstruktion dieser aus überwältigender<br />

Massivität sich mehr und mehr verjüngenden<br />

Stalaktiten-Pfeiler verweisen, auf die schillernde<br />

Gliederung ihres Schaftmassivs an<br />

sich, auf die Metaphysik der Far ben klänge.«1<br />

Der Lichte<strong>in</strong>fall durch die vieleckig gebrochenen<br />

Lichtkuppeln ver leiht dem Innenraum<br />

e<strong>in</strong>e feierliche Stim mung. Die verwendeten<br />

leuchtenden Farben und die vielseitig<br />

e<strong>in</strong>gesetzten scharfkanti gen Motive visualisieren<br />

das Kerngeschäft des Unternehmens:<br />

Se<strong>in</strong> Produktionsschwerpunkt liegt auf der<br />

Herstellung von Farben; die Kristallmotive<br />

<strong>in</strong> Fenstern, Mosaiken und Lampen s<strong>in</strong>d von<br />

der kristall<strong>in</strong>en Form des Penicill<strong>in</strong>-Natriums<br />

abgeleitet, dem Bestandteil e<strong>in</strong>es weiteren<br />

220<br />

Zentraler Lichthof →


Firmensitz


Firmensitz<br />

8.3<br />

Hans Poelzig<br />

Verwaltungsgebäude der<br />

I. G. Farben<strong>in</strong>dustrie AG<br />

Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, 1928–31<br />

Anfang der 1930er <strong>Jahre</strong> besucht der Architekt<br />

Hans Josef Zechl<strong>in</strong> e<strong>in</strong>e der viel beachteten<br />

Siedlungen des Neuen Frankfurt (→ 3.3).<br />

Auf dieser Reise macht er e<strong>in</strong>e bemerkenswerte<br />

Entdeckung: »Als der Schreiber dieser<br />

Zeilen vor etwa <strong>Jahre</strong>sfrist von der Siedlung<br />

Römerstadt nach Frankfurt h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>fuhr,<br />

bannte ihn der Anblick e<strong>in</strong>er breiten Hauswand,<br />

die kaum gegliedert über den Bäumen<br />

e<strong>in</strong>es alten Parkes auftauchte. Nach dem kritischen<br />

Wandel zwischen schlichten Siedlungsbauten<br />

übte dieser hohe Bau durch<br />

se<strong>in</strong>e Persönlichkeit e<strong>in</strong>e Wirkung aus, wie<br />

man sie an zeitgenössischen Werken ganz<br />

selten erlebt. Doch da man wußte, daß die<br />

alte Stadt am Ma<strong>in</strong> nicht Rom ist, suchten<br />

die Gedanken im Er<strong>in</strong>nern an das neue und<br />

das neueste Frankfurt, und fanden: es kann<br />

nur Poelzigs I. G. Farben-Bau se<strong>in</strong>.«1<br />

Aufgang zum Wirtschaftsgebäude (Kas<strong>in</strong>o)<br />

Mit se<strong>in</strong>er raumgreifenden baulichen Inszenierung<br />

gel<strong>in</strong>gt es dem Architekten Hans<br />

Poelzig, den ausgeprägten Repräsentationswillen<br />

der 1925 gegründeten I. G. Farben<strong>in</strong>dustrie<br />

AG zu befriedigen. Der mult<strong>in</strong>ational<br />

agierende Konzern war aus e<strong>in</strong>em<br />

Zusammenschluss von acht führenden deutschen<br />

Chemiefirmen hervorgegangen, darunter<br />

die Actien-Gesellschaft für Anil<strong>in</strong>-<br />

Fabrication (Agfa), die Badische Anil<strong>in</strong>- &<br />

Soda-Fabrik (BASF), die Bayer AG und die<br />

Farbwerke Hoechst AG (→ 8.2). Auch die Stadt<br />

Frankfurt am Ma<strong>in</strong> hat Interesse, mit dem<br />

Bürokomplex e<strong>in</strong>en städtebaulichen Akzent<br />

zu setzen, und bietet der I. G. Farben daher<br />

e<strong>in</strong> Grundstück auf dem Grüneburggelände<br />

im West end zum Kauf an. Poelzigs nach neuesten<br />

Standards organisierter Verwaltungskomplex<br />

am zentralen und verkehrsgünstigen<br />

Knoten punkt Frankfurt wird zum Domizil<br />

mehre rer Hauptverwaltungen mit <strong>in</strong>sgesamt<br />

rund 2.000 Angestellten. E<strong>in</strong>drucksvoll artikuliert<br />

dieser »Palast des Geldes«2, so Theodor<br />

Heuss 1929, den Geltungsanspruch des<br />

europaweit größten Industrieunternehmens.<br />

Anfangs herrscht nicht nur Une<strong>in</strong>igkeit<br />

über den Standort, sondern auch über die architektonische<br />

Ausführung des Gebäudes.<br />

Die Vorbereitungen für e<strong>in</strong>en bereits geplanten<br />

Bau werden abgebrochen. Nach langen<br />

Diskussionen fällt der Vorstandsvorsitzende<br />

Carl Bosch die Entscheidung, e<strong>in</strong>en geladenen<br />

Wettbewerb für Architekten von <strong>in</strong>ternationalem<br />

Renommee auszuloben. Paul Bonatz<br />

(→ 4.5, 5.4, 7.2), Fritz Höger, Jacob Koerfer,<br />

Hans Poelzig, Ernst May (→ 1.6, 3.3, 10.4, 17.1)<br />

und Mart<strong>in</strong> Elsaesser (→ 9.3, 16.5, 17.1, 18.6) sowie<br />

auch firmeneigene Planer reichen ihre<br />

Entwürfe e<strong>in</strong>. Die Entscheidung fällt auf Poelzig.<br />

Von 1928 bis 1931 realisiert dieser den<br />

langgestreckten, leicht konvex geschwungenen<br />

Hauptbau mit sechs radial angeordneten,<br />

kammartig abstehenden Querflügeln sowie<br />

226<br />

Wirtschaftsgebäude (Kas<strong>in</strong>o) →


Firmensitz<br />

227


Handelsstätte<br />

9.3<br />

Mart<strong>in</strong> Elsaesser<br />

Großmarkthalle<br />

Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, 1926–28<br />

Zur Eröffnung der neuen Großmarkthalle am<br />

25. Oktober 1928 wünscht Oberbürgermeister<br />

Ludwig Landmann, der politische Initiator<br />

des Neuen Frankfurt: »Mag gutes Gel<strong>in</strong>gen<br />

dem bewegten Treiben <strong>in</strong> den hochgewölbten<br />

Hallen immerdar beschieden se<strong>in</strong>!«.1 Mit<br />

e<strong>in</strong>em Volumen von 15 Millionen Reichsmark<br />

handelt es sich um e<strong>in</strong>es der teuersten städtischen<br />

Bauprojekte seit Jahrzehnten. Von der<br />

gewaltigen Anlage am Ma<strong>in</strong>ufer fasz<strong>in</strong>iert,<br />

meldet sich auch der Kunsthistoriker Fritz<br />

Wichert zu Wort – Gründungsdirektor der<br />

1923 eröffneten Frankfurter Kunstschule, an<br />

der unter anderem Paul Renner, Christian<br />

Dell und Adolf Meyer unterrichten. Wichert<br />

erklärt: »Im Ausdruck der Gesamtform, wie<br />

sie sich Raum schafft und gewaltig empordehnt,<br />

liegt das tierhaft Urmäßige, das die<br />

Bauten des Zeitalters der Technik, der Truste<br />

und der kollektivistischen Gesellschaftsentwickelung<br />

so seltsam von den Schöpfungen<br />

höfischer oder bürgerlicher Architektur unterscheidet.«2<br />

Alle<strong>in</strong> die Dimensionen des<br />

von Mart<strong>in</strong> Elsaesser (→ 16.5, 17.1, 18.6) entworfenen<br />

Bauwerks bee<strong>in</strong>drucken. Die 220 m<br />

lange und 50 m breite Großmarkthalle ist damals<br />

der größte stützenfreie Raum Europas.<br />

In funktionaler Gliederung schließen sich<br />

zu beiden Seiten, die Halle überragend, Kopfbauten<br />

an: im Westen die siebengeschossige<br />

Marktverwaltung, im Osten das Kühlhaus mit<br />

e<strong>in</strong>er Lagerfläche von 3.000 m2. E<strong>in</strong> Restaurant,<br />

e<strong>in</strong>e Sparkassenfiliale, die Güterabfertigung<br />

und 25 Wohnungen s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>e-­<br />

ren Flügelbauten untergebracht. Weiträumige<br />

Lade flächen für Handkarren, Pferdefuhrwerke<br />

und Lastautos sowie e<strong>in</strong>e südlich platzierte<br />

überdachte Bahnanlage3 flankieren den<br />

neuen Umschlagplatz für Obst, Gemüse und<br />

andere landwirtschaftliche Produkte. Auf der<br />

gegenüberliegenden Seite der Gleise bef<strong>in</strong>det<br />

sich e<strong>in</strong>e flachere Importhalle, die über zwei<br />

Brücken und e<strong>in</strong>en Tunnel mit der Haupthalle<br />

252


Handelsstätte<br />

verbunden ist. Hier werden Obst und Südfrüchte,<br />

Gemüse und Geflügel aus Österreich,<br />

der Schweiz, Frankreich, Italien, den Niederlanden,<br />

Dänemark, Schweden, F<strong>in</strong>nland, Ungarn<br />

und den Balkanstaaten angeliefert. Frankfurts<br />

zentrale Lage <strong>in</strong> Deutschland macht die<br />

Stadt zu e<strong>in</strong>em bedeutenden Handelsplatz<br />

für das gesamte Land, wobei die kaufkräftige<br />

Rhe<strong>in</strong>-Ma<strong>in</strong>-Region den Standort noch attraktiver<br />

ersche<strong>in</strong>en lässt.<br />

Wichert lobt nicht nur die funktionale<br />

und zugleich expressive Durchgestaltung<br />

der Groß markthalle, sondern auch deren positive<br />

städtebauliche Wirkung. Indem sie die<br />

Horizontale betone und so die ordnende<br />

Wirkung des nahen Flussufers und der Wasseroberfläche<br />

des Ma<strong>in</strong>s verstärke, setze sie<br />

<strong>in</strong> ihrem architektonisch verworrenen Umfeld<br />

e<strong>in</strong>e wirksame Dom<strong>in</strong>ante: »Mit Zaghaftigkeit<br />

wäre hier kaum etwas ausgerichtet<br />

worden. Die b<strong>in</strong>denden, beherrschenden,<br />

beruhigenden L<strong>in</strong>ien mußten gewaltig se<strong>in</strong>,<br />

um wirklich b<strong>in</strong>den und beherrschen zu können.<br />

Und auch von der Masse des Hauptkörpers<br />

war diese beherrschende Wucht gefordert.«4<br />

Elsaessers Markthalle <strong>in</strong> Eisenbetonkonstruktion<br />

besticht durch ihre schöne Backste<strong>in</strong>haut<br />

und durch den von immensen Fensterflächen<br />

gut belichteten, be<strong>in</strong>ahe sakralen Innenraum.<br />

Nicht umsonst setzt sich bei der Bevölkerung<br />

schnell das Attribut ›Gemieskersch‹<br />

253


Schule<br />

10.3<br />

He<strong>in</strong>rich Tessenow<br />

Malwida-von-Meysenbug-<br />

Schule<br />

Kassel, 1927–30<br />

278<br />

Manche Häuser dürfen nicht se<strong>in</strong>, wofür sie<br />

gebaut s<strong>in</strong>d: Die Malwida-von-Meysenbug­<br />

Schule <strong>in</strong> Kassel wird 1930 als Mädchen lyzeum<br />

eröffnet, die Namensgeber<strong>in</strong> ist ge bürtige<br />

Kasseler<strong>in</strong> und Symbolfigur des Femi nismus.<br />

In direkter Nachbarschaft zur Monumentalachse<br />

der Wilhelmshöher Allee gelegen,<br />

ist das Schulhaus während der Weimarer<br />

Republik allgeme<strong>in</strong> bekannt. Für die<br />

NS-Machthaber und Gegner höherer Mädchenbildung<br />

Grund genug, e<strong>in</strong>e Umbenennung<br />

vorzunehmen: Seit 1940 trägt es den<br />

Namen des Renaissancekomponisten He<strong>in</strong>rich<br />

Schütz.<br />

Der Schule geht 1927 e<strong>in</strong> viel beachteter<br />

Wettbewerb voraus, an dem sich mit Paul<br />

Bonatz (→ 4.5, 5.4, 7.2), German Bestelmeyer<br />

und He<strong>in</strong>rich Tessenow bekannte Hoch schullehrer<br />

und Architekten beteiligten. Das Bauprogramm<br />

steht im Kontext der städtebaulichen<br />

Entwicklungspolitik für das so genannte<br />

›Groß­ Kassel‹ und damit e<strong>in</strong>er allgeme<strong>in</strong>en<br />

Tendenz zur Expansion, E<strong>in</strong>geme<strong>in</strong>dung<br />

und verkehrstechnischen Neuordnung der<br />

Städte <strong>in</strong> der Weimarer Republik. Beispielhaft<br />

treiben Hamburg, Berl<strong>in</strong> und Dresden<br />

diese Entwicklung mit der E<strong>in</strong>richtung von<br />

Großschulen voran. In der Jury ist mit Fritz<br />

Höger e<strong>in</strong> Experte geladen, der als Architekt<br />

mehrerer Hamburger Schulgebäude an dieser<br />

Stelle besondere Erfahrung e<strong>in</strong>br<strong>in</strong>gt. Die<br />

Stadt stellt e<strong>in</strong> prom<strong>in</strong>entes Grundstück zur<br />

Verfügung: Am westlichen Ende e<strong>in</strong>er neuen,<br />

axial auf das Herkulesmonument ausgerichteten<br />

Grünanlage soll das Schulgebäude e<strong>in</strong>en<br />

dom<strong>in</strong>anten Abschluss bilden und so<br />

e<strong>in</strong>en effektvollen Übergang zwischen dem<br />

Berg park und der Kasseler Innenstadt schaffen.<br />

Die städtebauliche Motivation der kommu<br />

nalen Schulplanung tritt hier bereits deutlich<br />

zutage.<br />

Tessenow legt für dieses ehrgeizige Projekt<br />

den mit Abstand progressivsten Entwurf<br />

vor, der mit e<strong>in</strong>er perspektivischen Abfolge<br />

höhengestaffelter und flachgedeckter Baukörper<br />

klug auf die Topografie reagiert.1<br />

Trotz des nicht vergebenen ersten Preises<br />

erhält er den Auftrag. Den unregelmäßig geschnittenen<br />

Bauplatz zwischen zwei Straßen<br />

lehnt er allerd<strong>in</strong>gs selbstbewusst ab. Der<br />

Charlottenburger Hochschullehrer kann zu<br />

diesem Zeitpunkt auf e<strong>in</strong>ige Erfahrung <strong>in</strong> Sachen<br />

Großschulbau verweisen: Kurz zuvor<br />

war se<strong>in</strong>e streng axialsymmetrisch aufgebaute<br />

Internatsschule <strong>in</strong> Dresden-Klotzsche eröffnet<br />

worden.2 Für das Kasseler Projekt erwirkt<br />

Tessenow e<strong>in</strong>e direkte Nachbarschaft<br />

von Schulgrundstück und Parkanlage.3 Statt<br />

der ursprünglich geplanten Anlage, die mit<br />

langen Trakten e<strong>in</strong>en großen Pausenhof umstanden<br />

hätte, entsteht ab 1928 e<strong>in</strong> kompakter<br />

rechteckiger Block mit Lichthof. Im Westen<br />

schließt die große Aula mit Bühne und<br />

Empore, im Süden die Doppelturnhalle auf


Schule<br />

279


Schule<br />

B-Gebäude<br />

10.6<br />

Max Taut<br />

Ludwig-Georgs-Gymnasium<br />

Darmstadt, 1953–55<br />

Im Jahr 1951 nimmt Max Taut (→ 6.3) als ›Meisterarchitekt‹<br />

(→ 2.6, 18.8) an der Darmstädter<br />

Ausstellung Mensch und Raum teil. Se<strong>in</strong>e Entwurfsaufgabe<br />

für die im Zweiten Weltkrieg<br />

stark zerstörte Darmstädter Innenstadt ist e<strong>in</strong><br />

18-klassiges Gymnasium mit Aula für 600 Personen.<br />

Beim Ludwig-Georgs-Gymnasium handelt<br />

es sich um e<strong>in</strong>e der bekanntesten Schulen<br />

der Stadt, deren Geschichte bis <strong>in</strong>s 17. Jahrhundert<br />

zurückreicht.1 Der knapp 70-jährige<br />

Architekt ist zu diesem Zeitpunkt geschätzter<br />

Dekan der Bau- und Architekturschule an der<br />

Hochschule für Bildende Künste <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>.2<br />

Als erfahrenen Architekten gleich mehrerer<br />

Großschulen der Weimarer Republik und als<br />

288<br />

jemanden, der das Neue Bauen der 1920er<br />

und 1930er <strong>Jahre</strong> <strong>in</strong> Deutschland hautnah erlebt<br />

und aktiv mitgestaltet hatte, bittet man<br />

Taut <strong>in</strong> Darmstadt um e<strong>in</strong>en Beitrag zu den<br />

dort vorgesehenen ›Meisterbauten‹.<br />

Die Planung dieser Darmstädter Schule<br />

liest sich – wie die des ›Meisterarchitekten‹-<br />

Kollegen Hans Schwippert (→ 10.7) – als e<strong>in</strong>e<br />

Geschichte unklarer Prämissen und schmerzhafter<br />

Kompromisse. Während Schwippert <strong>in</strong><br />

Darmstadt e<strong>in</strong>en herkömmlichen Geschossbau<br />

präsentiert und schließlich e<strong>in</strong>e der größten<br />

e<strong>in</strong>geschossigen Pavillonschulen des Jahrzehnts<br />

baut, entwirft Taut e<strong>in</strong>e Freiluftschule,<br />

deren Pavillons mangels Baugrunds auf drei<br />

Geschossen gestapelt s<strong>in</strong>d. Taut greift die<br />

Idee der Openluchtschool von Johannes Duiker<br />

<strong>in</strong> Amsterdam auf und will das Thema<br />

Freiluftschule für e<strong>in</strong> knappes städtisches<br />

Grundstück nutzbar machen. Der Entwurf ist<br />

als Versuch zu lesen, der anhaltenden Kritik<br />

an dieser Bauweise e<strong>in</strong>e pragmatische Lösung<br />

entgegenzustellen. Von Seiten der Darm städ­


ter Bauverwaltung heißt es bald, Tauts Entwurf<br />

sei zu teuer, enthalte zu viel Glas, berücksichtige<br />

das Darmstädter Klima nicht.3<br />

Den Bauauftrag hat er kurz darauf trotzdem<br />

<strong>in</strong> der Tasche. Was folgt, ist e<strong>in</strong> zweijähriges<br />

Anpassen an sich verändernde Grundstücksvorgaben<br />

und Kostenrahmen. Schließlich<br />

kann die Schule ab 1953 gebaut werden, Erstentwurf<br />

und Ausführungsplanung haben da<br />

schon fast nichts mehr mite<strong>in</strong>ander geme<strong>in</strong>.<br />

Taut verarbeitet diese Erfahrung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Reihe<br />

von Texten, <strong>in</strong> denen er se<strong>in</strong>e Vorstellungen<br />

erläutert.4 Der tatsächlich realisierte Neubau<br />

des Gymnasiums ist im Worts<strong>in</strong>n e<strong>in</strong>e<br />

Errungenschaft.<br />

Die Architektur der Schule vere<strong>in</strong>t die Erfahrung<br />

des Neuen Bauens mit zeitgenössischen<br />

Reformtendenzen. Drei klare Baukörper,<br />

flach gedeckt und <strong>in</strong> der Höhe gestaffelt,<br />

stehen auf e<strong>in</strong>em leicht abschüssigen Gelände<br />

an der Nieder-Ramstädter Straße. Zusammen<br />

umschließen sie e<strong>in</strong>en großen Hof.<br />

Das viergeschossige Haupt gebäude (A) an der<br />

Schule<br />

höchsten Stelle des Grundstücks bildet mit<br />

se<strong>in</strong>er Dachterrasse e<strong>in</strong>e städtebauliche Dom<strong>in</strong>ante.<br />

Der zweigeschossige Flachbau für<br />

die Jüngeren (B) ist e<strong>in</strong>e Freiluftschule <strong>in</strong><br />

kompakter Form: Jedem Klassenraum wird<br />

auf demselben Geschoss e<strong>in</strong> überdachter<br />

Freibereich zugeordnet, die großen Fensterflächen<br />

ermöglichen den Blick <strong>in</strong>s Grüne.<br />

Zwischen den beiden Unterrichtstrakten vermittelt<br />

e<strong>in</strong> Verb<strong>in</strong>dungsbau mit <strong>in</strong>tegrierter<br />

Pausenhalle (C). Die Halle öffnet sich als<br />

Stoa zum Hof und schottet das Schulgelände<br />

zugleich zur Straße h<strong>in</strong> ab. Es entsteht e<strong>in</strong><br />

kle<strong>in</strong>er Schulplatz – e<strong>in</strong>e begrünte und zum<br />

Aufenthalt e<strong>in</strong>ladende Agora. Das alles ist<br />

bewusst komponiert und mit Anspielungen<br />

auf die antike Stadt an den humanistischen<br />

Anspruch der Schule angepasst. Den Pausenhof<br />

öffnet Taut zum angrenzenden kle<strong>in</strong>en<br />

Park rund um die kriegszerstörte ehemalige<br />

Stadtkapelle. Schon se<strong>in</strong> Modell zum<br />

Ausführungsentwurf zeigt mit durchgängigem<br />

Baumbewuchs <strong>in</strong> Schulhof und Park die<br />

Idee e<strong>in</strong>er ›Schule im Grünen‹, wie sie sich<br />

damals <strong>in</strong> den Aufbauplanungen zahlreicher<br />

deutscher Städte wiederf<strong>in</strong>det.5 In Verlängerung<br />

der Pausenhalle nach Süden folgt die<br />

Aula (D), deren halbrunder Abschluss ähnlich<br />

motiviert ist: die Schule im Stadtraum zu<br />

verankern und den Schülern zugleich e<strong>in</strong>en<br />

289


Schule<br />

10.4<br />

Ernst May, Albert Loecher<br />

Friedrich-Ebert-Schule<br />

Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, 1929/30<br />

Kaum e<strong>in</strong>e Schule hat im 20. Jahrhundert e<strong>in</strong>e ähnlich<br />

breite und <strong>in</strong>ternationale Aufmerksamkeit erfahren<br />

wie die Friedrich-Ebert-Schule. Das Schulhaus<br />

für die Siedlung am Bornheimer Hang ist Teil<br />

des Neuen Frankfurt, dessen Chefplaner Ernst May<br />

(→ 1.6, 3.3, 17.1) hier zusammen mit Albert Loecher<br />

se<strong>in</strong>e e<strong>in</strong>zige Schule <strong>in</strong> Frankfurt realisiert. Architektur<br />

und Gebrauch stehen zunächst im E<strong>in</strong>klang –<br />

1930 bezieht e<strong>in</strong>e koedukative Reformschule das<br />

Gebäude.<br />

Mays Ziel ist, mit dem Bornheimer Projekt e<strong>in</strong>en<br />

neuen Schulbautyp zu etablieren: die gegliederte<br />

städtische Pavillonschule. Schon zwei <strong>Jahre</strong> vor der<br />

Fertigstellung wird e<strong>in</strong> Schema des Gebäudes 1928<br />

auf dem Titel von Heft 12 der Zeitschrift Das Neue<br />

Frankfurt gezeigt. 1932 ist die Schule auf der Ausstellung<br />

Modern Architecture – International Exhibition<br />

im Museum of Modern Art <strong>in</strong> New York zu sehen.1<br />

Die klare Gliederung <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en mehrgeschossigen<br />

Verwaltungstrakt mit Turn- und Festhalle und e<strong>in</strong>en<br />

im rechten W<strong>in</strong>kel anschließenden Verb<strong>in</strong>dungsgang,<br />

der zu den h<strong>in</strong>tere<strong>in</strong>andergereihten e<strong>in</strong>geschossigen<br />

Pavillonzeilen führt, stellt e<strong>in</strong>e radikale<br />

Abkehr vom städtischen Geschossbau dar. Die konsequente<br />

Ausformung als Freiflächenschule ist May<br />

e<strong>in</strong> wichtiges Anliegen: Alle vier Klassenräume e<strong>in</strong>es<br />

Pavillons öffnen sich auf e<strong>in</strong>e eigene Rasenfläche<br />

für den Unterricht im Freien. Die Möblierung ist<br />

flexibel, Stühle und e<strong>in</strong>zelne Tische können mit<br />

nach draußen genommen werden.<br />

›Licht, Luft und Sonne für alle‹ ist das zentrale<br />

Motiv dieser Schularchitektur, die sich damit <strong>in</strong> die<br />

übergeordnete Idee des Neuen Bauens e<strong>in</strong>fügt. Die<br />

quadratischen Klassenräume (7,50 × 7,50 m) für 35<br />

K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d nach Osten ausgerichtet. Bodentief verglaste<br />

Schiebefenster lassen e<strong>in</strong>e fast vollständige<br />

Öffnung der Räume zu, e<strong>in</strong> Oberlicht auf der Flurseite<br />

sorgt für zusätzlichen Tageslichte<strong>in</strong>fall.<br />

May erreicht, was er will: Die <strong>in</strong>ternationale <strong>Moderne</strong><br />

sieht <strong>in</strong> der Bornheimer Schule bald e<strong>in</strong> Referenzprojekt.2<br />

In Folge werden weltweit tageslichthelle,<br />

leicht erweiterbare und brandschutzkompatible<br />

kammförmige Schultypen gebaut. K. R.<br />

1 Vgl. Renz 2017, S. 79 2 Vgl. ebd., S. 62–72<br />

Literatur<br />

Ernst May (1928): Die neue Schule. In: Das Neue Frankfurt 2.<br />

S. 225–232; Kerst<strong>in</strong> Renz (2017): Testfall der <strong>Moderne</strong>. Diskurs und<br />

Transfer im Schulbau der 1950er <strong>Jahre</strong>. Tüb<strong>in</strong>gen, Berl<strong>in</strong>. S. 44/45,<br />

79/80; Heike Risse (1984): Frühe <strong>Moderne</strong> <strong>in</strong> Frankfurt am Ma<strong>in</strong><br />

1920–1933. Frankfurt a. M. S. 47–49.<br />

294


Schule<br />

10.7<br />

Hans Schwippert<br />

Georg-Büchner-Schule<br />

Darmstadt, 1958–60<br />

Hans Schwipperts Entwurf zur Georg-Büchner-<br />

Schule ist Teil des Darmstädter Meisterbauprojekts<br />

(→ 2.6, 10.6, 18.8) von 1951. Anlässlich des 50-jährigen<br />

Jubiläums der ersten Darmstädter Künstlerkolonie-<br />

Ausstellung (→ 1.2, 7.1) sollen für die zeitgenössischen<br />

Verhältnisse vorbildliche öffentliche Bauten<br />

entstehen. Zu den pädagogischen Grundsätzen se<strong>in</strong>es<br />

Entwurfs äußert Schwippert, »das Wesentliche<br />

am Gymnasium sche<strong>in</strong>t mir zu se<strong>in</strong>, daß dort eigentlich<br />

<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er letzten Form, die wir heute noch<br />

haben, e<strong>in</strong>e geschlossene, musische, neunjährige<br />

Geme<strong>in</strong>schaftsarbeit vorliegt. Es s<strong>in</strong>d dort auf neun<br />

<strong>Jahre</strong> junge Menschen zusammen, um ohne Nutzendenken<br />

recht eigentlich der Bildung des Menschen<br />

zu leben.«1 Zwischen Entwurf und Ausführung<br />

der Schule liegen fast zehn <strong>Jahre</strong>, die e<strong>in</strong>e bee<strong>in</strong>druckende<br />

Anpassungsfähigkeit seitens des Architekten<br />

beweisen. Nach mehrfachem Um disponieren<br />

von Bauplatz und Baukörper – Schwippert<br />

setzt sich anfangs vehement für e<strong>in</strong>en Geschossbau<br />

e<strong>in</strong> – wird die Schule schließlich als Pavillonschule<br />

südlich des Alten Friedhofs <strong>in</strong>mitten e<strong>in</strong>es bevorzugten<br />

und durchgrünten Wohngebiets gebaut.<br />

Das Luftbild ist die beste Darstellungsform für<br />

diesen großflächigen Bau, dessen e<strong>in</strong>fache Struktur<br />

sich von der Straße aus nicht unmittelbar erschließt:<br />

In vier h<strong>in</strong>tere<strong>in</strong>andergereihten Pavillonzeilen s<strong>in</strong>d<br />

die normalen Klassenräume untergebracht, der<br />

fünfte Pavillon im Osten bietet als offene Halle an<br />

der großen Pausenfläche Schutz vor Regen. E<strong>in</strong><br />

zweigeschossiger Riegelbau für Empfang, Verwaltung<br />

und Unterrichtsräume schließt nach Westen<br />

ab, die Turnhalle po<strong>in</strong>tiert und rahmt den Pausenplatz.<br />

Drei Verb<strong>in</strong>dungsgänge, die so genannten<br />

›Schulstraßen‹, erschließen die Pavillonzeilen <strong>in</strong><br />

West-Ost-Richtung. Dadurch ergibt sich e<strong>in</strong>e Gitterstruktur<br />

mit zehn geschlossenen, begrünten Höfen<br />

vor den Klassenräumen, die sich zu Pausen- wie<br />

Unterrichtszwecken nutzen lassen. Monotonie ist<br />

der Begleiter jeder Großstruktur. Schwippert wirkt<br />

im Inneren mit hochwertigen Materialien entgegen,<br />

setzt mit wechselnden Pultdachneigungen die Gänge<br />

und Pavillons gegene<strong>in</strong>ander, lässt Glas auf Sichtziegel,<br />

Beton auf Holz stoßen und erreicht e<strong>in</strong>en<br />

kontrastreichen Rhythmus der Architektur. K. R.<br />

1 Schwippert 1952, S. 173<br />

Literatur<br />

Gerda Breuer (Hg. 2010): Hans Schwippert 1899–1973. Moderation<br />

des Wiederaufbaus. Berl<strong>in</strong>. S. 298–305; Bärbel Herbig (2000): Die<br />

Darmstädter Meisterbauten. E<strong>in</strong> Beitrag zur Architektur der 50er<br />

<strong>Jahre</strong>. Darmstadt. S. 73–84; Dietrich Plehn (2010): Fünfzig <strong>Jahre</strong><br />

Georg-Büchner-Schule Darmstadt. Der letzte Meisterbau. Das Buch<br />

zum Bau. Darmstadt; Kerst<strong>in</strong> Renz (2017): Diskurs und Transfer im<br />

Schulbau der 1950er <strong>Jahre</strong>. Tüb<strong>in</strong>gen, Berl<strong>in</strong>. S. 116; Hans Schwippert<br />

(1952): Professor Dr.-Ing. Hans Schwippert zu se<strong>in</strong>em Entwurf für<br />

den Bau e<strong>in</strong>es Realgymnasiums an der Mornewegstraße <strong>in</strong> Darmstadt.<br />

In: Darmstädter Gespräch. Mensch und Raum. Hg. O. Bartn<strong>in</strong>g.<br />

Darmstadt. S. 173–181.<br />

295


Hochschule<br />

11.3<br />

Hubert Lütcke<br />

Jubiläumsbau der<br />

Universität Marburg<br />

Marburg, 1926/27<br />

1927 feiert die Universität Marburg ihr 400-<br />

jähriges Jubiläum. Zu diesem Anlass entstehen<br />

nicht nur zwei dr<strong>in</strong>gend benötigte Kl<strong>in</strong>iken<br />

(→ 18.4), sondern auch e<strong>in</strong> repräsentativer<br />

›Jubiläumsbau‹. Dessen Nutzung geht auf Ideen<br />

des 1913 berufenen Kunstgeschichtsprofessors<br />

Richard Hamann zurück, der sich vor allem<br />

für die Wechselwirkung zwischen Kunst<br />

und Gesellschaft <strong>in</strong>teressiert.1 Se<strong>in</strong> Sem<strong>in</strong>ar ist<br />

im Auditoriengebäude (→ 11.1) untergebracht,<br />

wo er auch e<strong>in</strong> Archiv mit den Fotografien<br />

se<strong>in</strong>er kunsthistorischen Exkursionen anlegt.<br />

Damit ist der Grundstock für das heutige Bildarchiv<br />

Foto Marburg geschaffen. Doch die<br />

Innenhof<br />

räumlichen Verhältnisse s<strong>in</strong>d äußerst beengt.<br />

Bereits 1919 entwickelt Hamann Pläne für e<strong>in</strong><br />

Kunst<strong>in</strong>stitut, das weit über akademische Zirkel<br />

h<strong>in</strong>aus <strong>in</strong> die Öffentlichkeit wirken soll.2<br />

Mit Blick auf das bevorstehende Jubiläum wendet<br />

er sich an die Universitätsleitung und unterbreitet<br />

Vorschläge für e<strong>in</strong>en neuen, eigenständigen<br />

Institutsbau. Se<strong>in</strong> Vorstoß ist erfolgreich:<br />

1924 stellt der Kurator der Universität,<br />

Ernst von Hülsen, Hamanns Konzept dem<br />

Marburger Universitätsbund vor. Vor allem die<br />

Verb<strong>in</strong>dung von Hochschule und Öffentlichkeit<br />

überzeugt. Das von Hamann vorgesehene<br />

Museum eröffnet zudem die Möglichkeit, die<br />

bedeutenden Sammlungen des Hessischen<br />

Geschichtsvere<strong>in</strong>s und des Altertumsvere<strong>in</strong>s<br />

angemessen auszustellen. Umgehend gründet<br />

der Universitätsbund e<strong>in</strong>en Arbeitsausschuss,<br />

dem es trotz der allgeme<strong>in</strong> prekären Wirtschaftslage<br />

gel<strong>in</strong>gt, ausreichend hohe öffentliche<br />

und private Spenden e<strong>in</strong>zuwerben.3 Die<br />

Stadt Marburg überlässt der Universität e<strong>in</strong> geeignetes<br />

Grundstück, das preußische F<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>isterium<br />

übernimmt die Betriebs- und Unterhaltskosten.<br />

Noch 1924 legt Max Sch<strong>in</strong>dowski, M<strong>in</strong>isterialrat<br />

<strong>in</strong> der Hochbauabteilung des F<strong>in</strong>anzm<strong>in</strong>isteriums,<br />

e<strong>in</strong>en ersten Entwurf für das Gebäude<br />

vor. Die Überarbeitung der Pläne und<br />

die Bauausführung überträgt man dem Regierungsbaumeister<br />

Hubert Lütcke. In nur 15-monatiger<br />

Bauzeit entsteht e<strong>in</strong>e nahezu quadratische,<br />

dreigeschossige Anlage mit vier Flügeln<br />

und e<strong>in</strong>em Innenhof von rund 24 × 28 m. Der<br />

Hauptflügel des Museums ist an die verkehrsreiche<br />

Biegenstraße im Westen gelegt, der<br />

Haupttrakt der Lehr<strong>in</strong>stitute nach Osten an die<br />

Lahnseite. Alle Fassaden s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> hellem Braungrau<br />

verputzt und vere<strong>in</strong>zelt mit Bauschmuck<br />

aus rotem Sandste<strong>in</strong> versehen. Der Kunsthistoriker<br />

Mart<strong>in</strong> Warnke merkt an: »Das hohe<br />

Dach erfüllt den Begriff des ›Hauses‹, der für<br />

Hamanns architekturgeschichtliche Deutungspraxis<br />

wichtig war, so wie die durch kräftige<br />

Rahmen akzentuierten Fenster ›bewohnbare<br />

Häuslichkeit‹ signalisieren sollen«4. Die repräsentative<br />

Westfassade zeigt im Erdgeschoss<br />

neun zusammengruppierte hochrecht eckige<br />

Öffnungen, im Obergeschoss <strong>in</strong> der Breite identische<br />

querrechteckige Fenster, die paarweise<br />

308<br />

Oste<strong>in</strong>gang →


Hochschule<br />

309


Bibliothek/Archiv<br />

336


Bibliothek/Archiv<br />

Ausstellungssaal<br />

bung im freien Leben, ehe man sie <strong>in</strong> den<br />

Lehrplan der Bildungsanstalten aufnimmt. Bis<br />

jetzt ist an solchen Gedanken nur der Zug zur<br />

Verne<strong>in</strong>ung des historisch gewordenen und<br />

e<strong>in</strong>e verzerrte Nachahmung der echten Reformbestrebungen<br />

älterer und maßvoller Vorgänger<br />

zu erkennen.«5 1931 war Nonn <strong>in</strong> die<br />

NSDAP e<strong>in</strong>getreten und Mitglied <strong>in</strong> dem 1928<br />

von Alfred Rosenberg gegründeten Kampfbund<br />

für deutsche Kultur geworden.<br />

Die Fassade des Marburger Archivgebäudes<br />

ist durch den Sockel und die sich vom<br />

hellen Putz abhebenden Fensterrahmungen<br />

aus rotweißem Sandste<strong>in</strong> klar strukturiert.<br />

Im Erdgeschoss des zum Platz h<strong>in</strong> ausgerichteten<br />

vorderen Baukörpers liegen die Räume<br />

der Archivverwaltung, im ersten Obergeschoss<br />

der Lesesaal für die Nutzer, e<strong>in</strong> Hörsaal<br />

und e<strong>in</strong> Sem<strong>in</strong>arraum, im zweiten Obergeschoss<br />

die Bibliothek. Das E<strong>in</strong>gangsportal<br />

führt durch e<strong>in</strong>en W<strong>in</strong>dfang zunächst <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>e bee<strong>in</strong>druckende marmorausgekleidete<br />

Treppen halle, von der aus die verschiedenen<br />

Bereiche des Gebäudes zugänglich s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong><br />

Deckenmosaik mit <strong>in</strong>e<strong>in</strong>ander verschlungenen<br />

goldenen Hakenkreuzen auf grauem<br />

Grund umrahmt das großflächige Oberlicht<br />

der Halle. Über dem Durchgang zum anschließenden<br />

Ausstellungsraum thront e<strong>in</strong>e<br />

Hitlerbüste von He<strong>in</strong>rich Jobst (→ 13.3, 14.5, 16.2,<br />

18.3), die heute durch e<strong>in</strong>e M<strong>in</strong>erva ersetzt<br />

ist. Der holzgetäfelte Ausstellungssaal dient<br />

der öffentlichen Propaganda, se<strong>in</strong> »Raume<strong>in</strong>druck<br />

wird bestimmt durch 16 <strong>in</strong> die Vertäfelung<br />

e<strong>in</strong>gelassene Gemälde der hessischen<br />

Landesfürsten, die mit der Geschichte<br />

des Marburger Archivs <strong>in</strong> engster Beziehung<br />

stehen. […] Von diesem Saal aus hat man e<strong>in</strong>en<br />

reizvollen Blick <strong>in</strong> den Innenhof, auf den<br />

Brunnen und das beherrschende Portal der<br />

Rückseite, das durch e<strong>in</strong>en Hoheitsadler bekrönt<br />

wird.«6 Über der Tür des Ausstellungsraums<br />

f<strong>in</strong>det sich das von den Nationalsozialisten<br />

<strong>in</strong> ähnlichen Kontexten häufiger programmatisch<br />

verwendete Hitler-Zitat »Ke<strong>in</strong><br />

Volk lebt länger als die Dokumen te se<strong>in</strong>er<br />

Kultur«.<br />

Der Vorderbau ist durch e<strong>in</strong>en als Feuerschleuse<br />

konzipierten Flur von den drei h<strong>in</strong>teren<br />

Magaz<strong>in</strong>flügeln getrennt. Diese umschließen<br />

den Innenhof, der wiederum der<br />

Belichtung der Archivräume dient. Je nach<br />

← Treppenhalle<br />

337


Denkmal<br />

Architekturen der Er<strong>in</strong>nerung:<br />

Zeitzeichen im Wandel der Zeiten<br />

Darlegungen zur Gattung Denkmal beg<strong>in</strong>nen gern mit dem H<strong>in</strong>weis auf<br />

Robert Musils Bonmot, das Auffallendste an diesen Objekten sei, dass man<br />

sie nicht bemerke: »Es gibt nichts auf der Welt, was so unsichtbar wäre wie<br />

Denkmäler.«1 Allerd<strong>in</strong>gs kl<strong>in</strong>gt das Schriftstellerwort wahrer, als es ist.<br />

Denn aller Skepsis zum Trotz machen sich überall auf der Welt materielle<br />

Zeugnisse des Er<strong>in</strong>nerns breit, die unübersehbar im menschlichen Blickfeld<br />

liegen. Unausweichlich drängen sie das zu Er<strong>in</strong>nernde denjenigen auf,<br />

die von dessen Er<strong>in</strong>nerungswürdigkeit überzeugt werden sollen. Schon zutreffender<br />

ist daher die Feststellung, dass, wie Johann Nestroy beobachtete,<br />

e<strong>in</strong> denkmalgewürdigter Mensch oder Anlass »viel größer ausschaut, als er<br />

wirklich ist«2. Überlebensgroß <strong>in</strong> Ste<strong>in</strong> gemeißelt oder <strong>in</strong> Bronze gegossen,<br />

aufgesockelt, um den Untenstehenden die Köpfe <strong>in</strong> die Nacken zu zw<strong>in</strong>gen,<br />

erhebt sich das für unsterblich Deklarierte über die Lebenswelt der gewöhnlichen<br />

Sterblichen.<br />

E<strong>in</strong> Denkmal will Ereignisse oder Personen, die <strong>in</strong> der Gegenwart für<br />

bedeutend erachtet werden, dauerhaft im kollektiven Gedächtnis verankern.<br />

Damit verkörpert es zugleich die gesellschaftlichen Bed<strong>in</strong>gungen, politischen<br />

Wertvorstellungen und ästhetischen Normen se<strong>in</strong>er Entstehungszeit,<br />

vor allem die sozialen Kräfteverhältnisse, die zu se<strong>in</strong>er Errichtung<br />

geführt haben. In ihm manifestieren sich nicht nur die als verehrenswert<br />

behaupteten Helden oder Geschehnisse, sondern auch die Art und Weise,<br />

wie über sie <strong>in</strong> Gegenwart und Zukunft gedacht werden soll.<br />

E<strong>in</strong> Denkmal ist e<strong>in</strong> künstlerisch gestalteter Ort, an dem e<strong>in</strong>e Interessengeme<strong>in</strong>schaft<br />

ihr Verständnis herausragender Individuen oder Ereignisse<br />

fixiert – e<strong>in</strong> Objekt, an dem sich e<strong>in</strong>e Gesellschaft über ihre historischen<br />

Maßstäbe verständigt. Doch bilden Denkmäler Vergangenheit nicht ab: Sie<br />

konstruieren sie. Sie prägen Er<strong>in</strong>nerungs<strong>in</strong>halte und bee<strong>in</strong>flussen das kollektive<br />

Bewusstse<strong>in</strong>. Indem sie ihre Aussagen nicht zur Diskussion stellen,<br />

sondern als alternativlose Werturteile formulieren, beanspruchen sie Endgültigkeit<br />

– anstatt zu denken zu geben, fordern sie auf zu akzeptieren.<br />

Insbesondere Ereignisse, bei denen Menschen zu Tode gekommen s<strong>in</strong>d,<br />

bedürfen solch nachträglicher Rechtfertigung: Individuelles oder kollektives<br />

Sterben muss durch Würdigung der Umstände, unter denen es stattgefunden<br />

hat, mit S<strong>in</strong>n ausgestattet werden. Zu den häufigsten Denkmälern<br />

gehören daher jene, die Kriege, deren militärische Repräsentanten oder<br />

deren Opfer thematisieren (→ 13.4, 13.5, 13.6). Zu unterscheiden ist dabei zwischen<br />

affirmativen Gedenkstätten, die kriegerische Leistungen oder Ereig­<br />

1 Musil 1962, S. 62<br />

2 Nestroy 1926, IV, 10<br />

348


Denkmal<br />

3 Vgl. W<strong>in</strong>kler/Bergeijk<br />

2004, S. 29<br />

nisse positiv ersche<strong>in</strong>en lassen sollen, und mahnenden, von denen e<strong>in</strong><br />

›Nie-wieder!‹-Appell ausgeht.<br />

Entscheidend für Wirkung und Aussagekraft e<strong>in</strong>es Denkmals ist se<strong>in</strong><br />

Standort im öffentlichen Raum. Se<strong>in</strong>e Inszenierung <strong>in</strong>nerhalb e<strong>in</strong>er Stadt<br />

oder Landschaft, die den Zugang regelt und für e<strong>in</strong>e ästhetische Bee<strong>in</strong>druckungskulisse<br />

sorgt, gehört daher zu den unerlässlichen Aufgaben jeder<br />

Denkmalkonzeption. In dieser H<strong>in</strong>sicht hat sich das 19. Jahrhundert besonders<br />

angestrengt.<br />

Er<strong>in</strong>nerungstechnische Großunterfangen sprießen nicht nur aus europäischem<br />

Kulturboden und gelten äußerst unterschiedlichen Tatbeständen:<br />

Das Albert von Sachsen-Coburg und Gotha gewidmete Albert Memorial<br />

(1864–75) <strong>in</strong> London rühmt e<strong>in</strong> hervorragendes Individuum und e<strong>in</strong>en<br />

geliebten Ehemann. E<strong>in</strong>en weniger beschaulichen Personenkult stiftet dagegen<br />

das Moskauer Len<strong>in</strong>mausoleum (1930) – jenes bunkerartige Bauwerk<br />

am Roten Platz, wo der Revolutionsheld, im Schneewittchensarg von<br />

L<strong>in</strong>de gekühlt, als Mumie <strong>in</strong> ewigem Kälteschlaf ruht. Seit Stal<strong>in</strong>s Zeiten ist<br />

es nicht nur Schauplatz e<strong>in</strong>er andauernden Selbst<strong>in</strong>szenierung des sowjetischen<br />

wie russischen Regimes, sondern auch Pilgerstätte und veränderungsresistente<br />

Touristenattraktion. Der ›W<strong>in</strong>d of Change‹ ist an diesen<br />

Granitplatten spurlos vorübergegangen. Andere großräumige Installationen<br />

wie beispielsweise das antike Größe beschwörende Monumento Nazionale<br />

a Vittorio Emanuele II (1885–1911) <strong>in</strong> Rom fungieren als Instrumente<br />

nationaler S<strong>in</strong>nstiftung (→ 13.1, 13.2). Wiederum andere widmen sich e<strong>in</strong>er<br />

politisch-philosophischen Idee, etwa die Statue of Liberty im Hafen von<br />

New York (1886), oder feiern e<strong>in</strong>en naturwissenschaftlichen Sachverhalt<br />

und dessen Beherrschung, so das Brüsseler Atomium (1958), Symbol des<br />

›Atomzeitalters‹ und der, selbstverständlich friedlichen, Nutzung der Kernenergie.<br />

Oft beziehen sich Denkmäler auch auf Opfergruppen politischer<br />

Prozesse, wie jene expressionistische Konstruktion, die Walter Gropius<br />

1922 <strong>in</strong> Weimar für die ›Märzgefallenen‹ des Kapp-Putsches konzipiert und<br />

die wie e<strong>in</strong> »Blitzstahl aus dem Grabesboden als Wahrzeichen des lebendigen<br />

Geistes«3 <strong>in</strong> den Raum ragt.<br />

Gerade auf dem Denkmalsektor ist Größenwahn Pflicht und Tugend.<br />

Um das menschliche Maß zu würdigen, wird dieses überstiegen – Heroisierung<br />

durch Überhöhung ist das traditionelle Geschäft des Denkmals. Dieser<br />

Hang zur Überlebensgröße zeigt sich am deutlichsten <strong>in</strong> den Bemühungen,<br />

komplette Landschaften <strong>in</strong> personalisierte Monumente zu verwandeln. Die<br />

Überlegungen dazu s<strong>in</strong>d so schlicht wie überzeugend: Dauer soll durch<br />

Härte, behauptete Größe durch reale Größe zum Ausdruck gebracht werden.<br />

Als Extrembeispiel darf das Mount Rushmore National Memorial (1927–41)<br />

im Bundesstaat South Dakota gelten, <strong>in</strong> dem sich die Geme<strong>in</strong>schaft der vier<br />

349


Denkmal<br />

13.3<br />

Joseph Maria Olbrich<br />

Hochzeitsturm<br />

Darmstadt, 1907/08<br />

Seit 1908 ist der von Joseph Maria Olbrich<br />

entworfene Hochzeitsturm auf der Mathildenhöhe<br />

das weith<strong>in</strong> sichtbare Wahrzeichen<br />

der Stadt Darmstadt. Fast 50 m hoch, auf der<br />

Kuppe des Hügels gelegen, prägt der wie e<strong>in</strong>e<br />

erhobene ›Schwurhand‹1 aufragende, deshalb<br />

auch ›Fünff<strong>in</strong>gerturm‹ genannte Bau im<br />

Ensemble mit Platanenha<strong>in</strong>, Ausstellungsgebäude<br />

und russischer Kapelle (→ 20.1) die Stadtkrone.<br />

Am 2. Februar 1905 vermählt sich der hessische<br />

Großherzog Ernst Ludwig <strong>in</strong> zweiter<br />

Ehe mit Pr<strong>in</strong>zess<strong>in</strong> Eleonore zu Solms-Hohensolms-Lich.<br />

Die Darmstädter Bürger wollen<br />

ihm e<strong>in</strong> Ehrengeschenk machen und wenden<br />

sich an Olbrich, der ihnen wiederum rät, den<br />

Großherzog selbst zu konsultieren. Ernst<br />

Ludwig wünscht sich e<strong>in</strong> Erkennungsmerkmal<br />

Darmstadts, e<strong>in</strong>en »Turm, der als Hochzeitsturm<br />

e<strong>in</strong> Denkmal von vielfacher Bedeutung<br />

se<strong>in</strong> würde«2. Zusammen mit dem<br />

ebenfalls von Olbrich geplanten städtischen<br />

Ausstellungsgebäude (→ 14.5) wird das Bauwerk<br />

ab 1907 errichtet und auf der Hessischen<br />

Landesausstellung 1908 präsentiert.<br />

Über dem E<strong>in</strong>gangsportal ist e<strong>in</strong> großes Relief<br />

aus hellem Ste<strong>in</strong> von He<strong>in</strong>rich Jobst<br />

(→ 12.3, 14.5, 16.2, 18.3) angebracht, das Allegorien<br />

der Stärke, der Weisheit, der Gerechtigkeit<br />

und der Milde zeigt, darunter die Inschrift<br />

»Zum Gedächtnis der Vermählung<br />

Ihrer Königlichen Hoheiten des Großherzogs<br />

Ernst Ludwig und der Großherzog<strong>in</strong> Eleonore«.3<br />

In se<strong>in</strong>er Komposition greift der Hochzeitsturm<br />

die Gliederung klassischer Säulen<br />

(Basis, Schaft, Kapitell) auf, die Olbrich jedoch<br />

358<br />

überraschend unkonventionell realisiert: In<br />

der Achse des Platanenha<strong>in</strong>s an der Nordwestecke<br />

des Ausstellungsgebäudes plat ziert,<br />

wirkt das Sockelgeschoss aus Beton wie e<strong>in</strong><br />

wuchtiger Kubus, <strong>in</strong> den sich die Stufen zum<br />

E<strong>in</strong>gang und die gestaffelte Rahmung der<br />

Tür streng geometrisch e<strong>in</strong>fügen. Darüber<br />

erhebt sich der rechteckige Schaft des Turms<br />

<strong>in</strong> unverputzten, tief rot schimmernden Eisenkl<strong>in</strong>kern,<br />

wobei die Ste<strong>in</strong>e nicht <strong>in</strong> glatter<br />

Fläche, sondern unregelmäßig vermauert<br />

s<strong>in</strong>d und dadurch den Wänden des Turms<br />

e<strong>in</strong>en reliefartigen Charakter verleihen. Dieser<br />

belebten Haut des Gebäudes schneidet<br />

Olbrich <strong>in</strong> den oberen Geschossen zwei<br />

schmale horizontale Fensterbänder e<strong>in</strong>, die<br />

mit ihrer Sandste<strong>in</strong>rahmung über die Ecke<br />

laufen – e<strong>in</strong> Motiv, das ab den 1920er <strong>Jahre</strong>n<br />

zu e<strong>in</strong>em Kennzeichen des Neuen Bauens<br />

Haupte<strong>in</strong>gang


Denkmal<br />

359


Denkmal


Besuch John F. Kennedys – Rede <strong>in</strong> der Paulskirche, 1963<br />

Denkmal<br />

rich Wilhelm IV. lehnt die ihm angebotene<br />

Kaiserkrone ab. Im Mai 1849 legen die meisten<br />

Abgeordneten ihr Mandat nieder – die<br />

Demokratie ist gescheitert.<br />

Ab 1852 dient die Paulskirche wieder ihrer<br />

ursprünglichen Bestimmung. An der Außenfassade<br />

und im Umfeld er<strong>in</strong>nert die Stadt<br />

jedoch an die politischen Ereignisse von<br />

1848/49. 1903 lässt der Magistrat auf dem<br />

Paulsplatz e<strong>in</strong> E<strong>in</strong>heitsdenkmal errichten.<br />

Den dreiseitigen Travert<strong>in</strong>-Obelisken umr<strong>in</strong>gen<br />

drei bronzene Figurengruppen, die<br />

den »Kampf um die Freiheit«, das »Freiheitslied«<br />

und die »<strong>in</strong> der Pflege der deutschen<br />

Wissenschaft gewährleistete Geistesfreiheit«3<br />

verkörpern. 1926 kommt e<strong>in</strong>e Jüngl<strong>in</strong>gsplastik<br />

von Richard Scheibe h<strong>in</strong>zu, die<br />

zu Ehren des verstorbenen SPD-Reichs präsidenten<br />

Friedrich Ebert an der Paulskirche<br />

angebracht und Anfang 1933 von den Nationalsozialisten<br />

wieder entfernt wird.<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg liegt Frankfurt<br />

<strong>in</strong> Schutt und Asche. Bei Luftangriffen war<br />

die Paulskirche von Brandbomben getroffen<br />

und schwer beschädigt worden. Da Frankfurt<br />

als neue deutsche Hauptstadt im Gespräch ist,<br />

wäre die symbolträchtige Kirche e<strong>in</strong> ideales<br />

Parlamentsgebäude mit demokratischer Tradition.<br />

Im Juni 1946 lobt die Stadt e<strong>in</strong>en entsprechenden<br />

Gestaltungs wettbewerb aus. Der<br />

Architekt Hermann Mäck ler (→ 5.7, 11.4, 12.5),<br />

der die ausgestellten Pläne im November<br />

1946 besichtigt, zeigt sich entsetzt. Die Mehrzahl<br />

der 109 Vorschlä ge wirkt auf ihn wie e<strong>in</strong>e<br />

»Versammlung hellbraun Uniformierter«, wie<br />

e<strong>in</strong> Aufmarsch <strong>in</strong> »Hellbraun mit Gold«4. E<strong>in</strong>ige<br />

Entwürfe gefallen sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em geläuterten<br />

Barock, e<strong>in</strong>er ›Superneorenaissance‹ oder<br />

e<strong>in</strong>er Wiederbelebung des Jugendstils. Die<br />

meisten aber knüpfen an die Repräsen tationsbauten<br />

der gerade überwundenen NS-Diktatur<br />

an. Nur e<strong>in</strong>e verschw<strong>in</strong>dend ger<strong>in</strong>ge<br />

Zahl fühlt sich den Tugenden verpflichtet, die<br />

Mäckler verb<strong>in</strong>dlich ersche<strong>in</strong>en: Wahrhaftigkeit<br />

und Mut. Am Ende gew<strong>in</strong>nt der Entwurf<br />

von Gott lob Schaupp, Architekt des Neuen<br />

Frank furt und ehemaliges NSDAP-Mitglied.<br />

Um die aufgeheizte Stimmung zu besänftigen,<br />

bildet man e<strong>in</strong> vierköpfiges Team, dem neben<br />

Schaupp auch Rudolf Schwarz, Johannes<br />

Krahn und Baudezernent Eugen Blanck angehören.<br />

Es fehlt jedoch an Geld, und da man<br />

die 1948 anstehende Feier zum <strong>100</strong>-jährigen<br />

Jubiläum der Nationalversammlung unbed<strong>in</strong>gt<br />

am Orig<strong>in</strong>alschauplatz abhalten will, drängt<br />

zugleich die Zeit. Anfang 1947 wendet sich<br />

Oberbürgermeister Walter Kolb mit e<strong>in</strong>em<br />

Spendenaufruf an alle deutschen Städ te und<br />

Geme<strong>in</strong>den. Er er<strong>in</strong>nert daran, dass die Paulskirche<br />

als Symbol für E<strong>in</strong>heit, Freiheit, Gerechtigkeit<br />

und Brüderlichkeit von höchstem<br />

nationalen Interesse ist – gerade <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zeit,<br />

<strong>in</strong> der Deutschland glaubwürdige demokratische<br />

Strukturen aufbauen muss. Kolbs Aktion<br />

ist äußerst erfolgreich: Unter anderem spendet<br />

Straub<strong>in</strong>g 4.500 Ziegel stei ne, Fürth das<br />

gesamte Fensterglas und Thür<strong>in</strong>gen drei<br />

Waggons Schalungsholz, selbst die SED steuert<br />

10.000 Reichsmark bei.5 Die Umsetzung<br />

des Projekts wird von e<strong>in</strong>er Diskussion überschattet,<br />

die sich an der Wiedererrichtung<br />

des Frankfurter Goethe hauses entzündet hatte.<br />

Die Geburtsstät te des Dich ters war im<br />

Krieg nahezu vollständig zerstört und danach<br />

365


Ausstellungsgebäude<br />

Gemäldegalerie<br />

E<strong>in</strong>gangshalle<br />

heißt es beispielsweise, »die für e<strong>in</strong> Museum<br />

so überaus wichtige Aufgabe, Übersichtlichkeit<br />

und Bequemlichkeit mit Schönheit und<br />

Feierlichkeit zu verb<strong>in</strong>den, ist mit e<strong>in</strong>em<br />

wun derbaren rhythmischen Gefühl und e<strong>in</strong>er<br />

maßvollen Beherrschung gelöst«3.<br />

Besondere Aufmerksamkeit widmet Messel<br />

dem Südbau, wo er jeden Ausstellungsraum<br />

<strong>in</strong> dezenter Weise dem Zeitstil der dort<br />

gezeigten Gegenstände anpasst und zugleich<br />

darauf achtet, für jedes Objekt e<strong>in</strong>e geeignete<br />

Präsentationsform zu f<strong>in</strong>den. So sollen die<br />

historischen Entstehungskontexte der Exponate<br />

s<strong>in</strong>nlich erfahrbar werden. Den von stattlichen<br />

Sandste<strong>in</strong>pfeilern gegliederten Waffensaal<br />

überspannt e<strong>in</strong>e rustikale Holzbalkendecke,<br />

die metallisch glänzenden Rüstun gen<br />

f<strong>in</strong>den dort auf rot gestrichenen Holzgestellen<br />

Halt, die historischen Gewehre s<strong>in</strong>d <strong>in</strong><br />

382<br />

e<strong>in</strong>er eisengerahmten, von allen Seiten e<strong>in</strong>sehbaren<br />

Glasvitr<strong>in</strong>e untergebracht: »Unbeschreiblich<br />

ist die farbliche Vornehmheit des<br />

Ganzen, die <strong>in</strong> hellem Licht schimmernden<br />

Waffen, das matte Rot des Fliesenbodens,<br />

das Grau der Wände und der Decke, und unter<br />

ihr <strong>in</strong> zwei langen Reihen die wundervoll<br />

gedämpften Töne der alten seidenen Fahnen.«4<br />

Die mittelalterliche Sakralkunst präsentiert<br />

Messel <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er gotischen Kapelle<br />

mit orig<strong>in</strong>alen historischen Glasfenstern, den<br />

römischen Mosaikfußboden aus Bad Vilbel<br />

legt er <strong>in</strong> e<strong>in</strong>en von Säulen umgebenen Innenhof:<br />

»Obwohl die Architektur sehr stark<br />

spricht, ist man doch ke<strong>in</strong>en Moment im Unklaren,<br />

dass es sich um e<strong>in</strong>e freie Nachschöpfung<br />

ohne direkten Selbstzweck handelt. Es<br />

ist eben Sache des Taktes, wie weit man jeweils<br />

bei e<strong>in</strong>er solchen die Zeit charakterisie­


Ausstellungsgebäude


Veranstaltungsgebäude<br />

15.5<br />

Hans Busch<br />

Haus der Begegnung<br />

Königste<strong>in</strong> im Taunus, 1954/55<br />

Mitte der 1950er <strong>Jahre</strong> entsteht im Auftrag<br />

des Albertus-Magnus-Kollegs am Rand von<br />

Königste<strong>in</strong> das Haus der Begegnung: e<strong>in</strong> religiöses<br />

Zentrum der vertriebenen Katholiken<br />

<strong>in</strong> Deutschland.1 Es soll dem <strong>in</strong>ternationalen<br />

Hilfswerk Kirche <strong>in</strong> Not als Tagungshaus<br />

mit Veranstaltungssaal und Über nachtungsmög<br />

lichkeiten für die zahlreichen Kongresse<br />

dienen und während der W<strong>in</strong>termonate<br />

den Fuhrpark des Hilfswerks aufnehmen,<br />

zu dem auch e<strong>in</strong> so genannter Kapellenwagen<br />

gehört. Nach 1945 setzt die Organisation<br />

Kirche <strong>in</strong> Not Kapellenwagen <strong>in</strong> kle<strong>in</strong>eren<br />

Or ten e<strong>in</strong>, <strong>in</strong> denen sich katholische Flüchtl<strong>in</strong>ge<br />

oder Heimatvertriebe niedergelassen<br />

haben, ohne dort über e<strong>in</strong> eigenes Gotteshaus<br />

zu verfügen.<br />

Das bauliche Ensemble Haus der Begegnung<br />

wird 1954/55 nach den Plänen des Frankfurter<br />

Architekten Hans Busch auf e<strong>in</strong>em<br />

ehe maligen Kasernengelände errichtet, welches<br />

das Kolleg 1952 mit Spendengeldern erworben<br />

hatte. Busch konzipiert e<strong>in</strong>e Baugruppe,<br />

deren Gestaltung er nicht von den<br />

starren Kasernengebäuden ableitet, sondern<br />

eigenständig aus dem Bauprogramm entwickelt.2<br />

Am Hang entstehen e<strong>in</strong> Saalgebäude<br />

mit Foyeranbau sowie e<strong>in</strong> Gästehaus mit anschließender<br />

Tore<strong>in</strong>fahrt und Pförtnerloge.<br />

1964 erhält das Gästehaus e<strong>in</strong>en ebenfalls<br />

von Busch entworfenen Kas<strong>in</strong>oanbau.<br />

Buschs Grund<strong>in</strong>tention ist es, »lebendige,<br />

frische, der Landschaft offene Räume für<br />

e<strong>in</strong>e Neubes<strong>in</strong>nung zu schaffen«3. Das Hauptgebäude<br />

legt er als kubisch schlichten, zweigeschossigen<br />

Putzbau mit leicht geneigtem<br />

Pultdach an. Markant ist die südliche, zur<br />

412<br />

Bischof-Kaller-Straße gelegene Fassade mit<br />

e<strong>in</strong>er 300 m2 großen Fensterfront, vor der<br />

sich e<strong>in</strong> über zwei seitliche Treppen erreichbarer<br />

Balkon erstreckt. Im Untergeschoss<br />

liegen die geforderten Garagen. An diesen<br />

Gebäudekubus schließt leicht versetzt im<br />

Nordwesten e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>geschossiger Foyeranbau<br />

an. Die nord- und südwestlichen Fassaden<br />

s<strong>in</strong>d jeweils mit überdimensionalen Sgraffito-<br />

Engeln – den so genannten ›Königste<strong>in</strong>er Engeln‹<br />

– nach Entwürfen des Hattersheimer<br />

Künstlers Jupp Jost versehen. Se<strong>in</strong>e formale<br />

Entsprechung f<strong>in</strong>det das fe<strong>in</strong>e grafische L<strong>in</strong>ienspiel<br />

dieser Figuren <strong>in</strong> den dynamischen


Veranstaltungsgebäude<br />

abstrakten L<strong>in</strong>ien der großen Glasfenster des<br />

Veranstaltungssaals.<br />

Das Innere betritt man auf der nördlichen<br />

Seite über das schmale Foyer. Auf der rechten<br />

Seite bef<strong>in</strong>det sich die Garderobe, der die E<strong>in</strong>gänge<br />

<strong>in</strong> den großen Konferenzsaal ge genüberliegen.<br />

Die schräg verlaufende Foyerdecke<br />

steigt <strong>in</strong> Richtung Saal an und vermittelt<br />

so e<strong>in</strong>en idealen Übergang. Im Veranstaltungssaal<br />

selbst erstreckt sich die große Fensterfront<br />

fast vollständig über e<strong>in</strong>e der beiden<br />

Längsseiten. An der schmalen Stirnseite bef<strong>in</strong>det<br />

sich e<strong>in</strong>e erhöhte Bühne, die beiden<br />

restlichen Wände nehmen e<strong>in</strong>e L-förmige Empore<br />

auf. Insgesamt fasst der Saal, <strong>in</strong> dem Sem<strong>in</strong>are<br />

und Kongresse stattf<strong>in</strong>den, 900 Gäste.<br />

1968 tagt hier auch die Deutsche Bischofskonferenz<br />

und verabschiedet die viel beachtete<br />

Königste<strong>in</strong>er Erklärung. Prägend für die Wirkung<br />

des Saals ist die ›gefaltete‹ Arcella-Decke<br />

aus gelben, hellgrünen, hellblau en und<br />

dunkelblauen Farbelementen. Dieses Material<br />

– e<strong>in</strong>e Kunststofffolie – erfreut sich <strong>in</strong> der<br />

Nachkriegszeit großer Beliebtheit und kommt<br />

<strong>in</strong> vielfältigen Bereichen nicht nur wegen se<strong>in</strong>er<br />

dekorativen Wirkung, sondern auch wegen<br />

se<strong>in</strong>er günstigen akustischen Eigenschaften<br />

zum E<strong>in</strong>satz.<br />

413


Veranstaltungsgebäude<br />

15.3<br />

Friedrich von Thiersch<br />

Festhalle<br />

Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, 1907–09<br />

Das historische Herzstück des heutigen Frankfurter<br />

Messegeländes bildet die Festhalle, die zwischen<br />

1907 und 1909 nach den Plänen des Münchener Architekten<br />

Friedrich von Thiersch (→ 17.1, 18.2) entsteht.<br />

Vorausgegangen war e<strong>in</strong> allgeme<strong>in</strong>er Wettbewerb,<br />

den die Stadt Frankfurt unter deutschen<br />

Architekten und Eisenbauanstalten ausgeschrieben<br />

hatte, um Entwürfe e<strong>in</strong>er Festhalle für große Veranstaltungen,<br />

e<strong>in</strong>es Konzerthauses, e<strong>in</strong>es Kunst ausstellungsgebäudes<br />

sowie e<strong>in</strong>es Baus zur Dauerpräsentation<br />

von Masch<strong>in</strong>en und Werkzeugen für die<br />

Industrie zu erhalten.1 Von diesem umfangreichen<br />

Bauprogramm wird letztlich nur die große Festhalle<br />

umgesetzt.<br />

Maßgeblich für deren Grundrissentwicklung<br />

s<strong>in</strong>d die Wettbewerbsvorgaben, die neben e<strong>in</strong>er<br />

Größe von 6.000 m2 auch e<strong>in</strong> 2.000 m2 großes<br />

Oberlicht und Platz für e<strong>in</strong>e Sängertribüne fordern.<br />

Thiersch entscheidet sich für e<strong>in</strong>e 112 m lange, ellipsenförmige<br />

Halle, die an den Enden von rechteckigen<br />

Annexbauten flankiert wird. E<strong>in</strong> Konstruktionssystem<br />

aus 20 radial angeordneten bogenförmigen<br />

Dachträgern mündet <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Höhe von 30,5 m <strong>in</strong><br />

e<strong>in</strong>em elliptischen Druckr<strong>in</strong>g, der wiederum e<strong>in</strong>e<br />

Laterne trägt. Die stützenfrei konzipierte Halle mit<br />

der großen gläsernen Dachabdeckung entfaltet<br />

e<strong>in</strong>e spektakuläre ästhetische Wirkung und bietet<br />

über 12.000 Personen Platz. Den Raume<strong>in</strong>druck<br />

bestimmt die unverkleidete Eisenkonstruktion, die<br />

Thiersch nach eigenen Angaben »zugleich verständlich<br />

und angenehm <strong>in</strong> der Form«2 ausbildet. Dagegen<br />

zeigt die prunkvolle Fassade stilistische Anleihen<br />

der Spätrenaissance (z. B. E<strong>in</strong>gangspavillon,<br />

Kolonnaden und Arkaden, Sandste<strong>in</strong> als Baumaterial).<br />

Zum Zeitpunkt ihrer Entstehung gilt die Festhalle<br />

als Höhepunkt der Ingenieursbaukunst – sie ist<br />

damals der größte Kuppelbau Europas, Max Berg<br />

nennt sie explizit als Vorbild für se<strong>in</strong>e viel gerühmte<br />

Jahrhunderthalle (1911–13) <strong>in</strong> Breslau3.<br />

Nach starken Zerstörungen während des Zweiten<br />

Weltkriegs erfolgt bis 1950 e<strong>in</strong> Wiederaufbau <strong>in</strong><br />

vere<strong>in</strong>fachten Formen. Erst im Zuge der jüngsten<br />

Sanierung anlässlich des <strong>100</strong>-jährigen Jubiläums<br />

wird das repräsentative äußere Ersche<strong>in</strong>ungsbild<br />

der ursprünglichen Dachlandschaft und der historischen<br />

Farbgebung wiederhergestellt.4 J. V.<br />

1 Vgl. Thiersch 1909, S. 8 2 Ebd., S. 20; zur Eisenkonstruktion vgl.<br />

auch ebd., S. 29–36 3 Vgl. Timpe 2008, S. 9, 13 4 Vgl. Timpe 2008<br />

Literatur<br />

Anonym (1909): Die Ausstellungs- und Festhalle der Stadt Frank -<br />

furt a. M. In: Der Baumeister 7. S. 137–143; Thomas Bauer (2009):<br />

<strong>100</strong> <strong>Jahre</strong> unter e<strong>in</strong>er Kuppel. Die Geschichte der Festhalle Frankfurt.<br />

Frankfurt a. M.; Sylvia Habermann (1977): Festhalle Frankfurt a. M.<br />

In: Friedrich von Thiersch. E<strong>in</strong> Münchner Architekt des Späthistorismus,<br />

1852–1921. Hg. W. Nerd<strong>in</strong>ger. München. S. 139–143; Kanold<br />

(1909): Die Ausstellungs- und Festhalle <strong>in</strong> Frankfurt a. M. In: Zentralblatt<br />

der Bauverwaltung 29. S. 345–357, 365–367; He<strong>in</strong>rich<br />

Lömpel/Friedrich von Thiersch (1920): Das Ausstellungsgelände<br />

zu Frankfurt a. M. E<strong>in</strong>e Studie für die bauliche Entwicklung des Gebietes<br />

der Ausstellungs- und Festhalle, März 1920. München; Horst<br />

Karl Marschall (1982): Friedrich von Thiersch. E<strong>in</strong> Münchener Architekt<br />

des Späthistorismus 1852–1921. München. S. 29–31, 312–316;<br />

Masch<strong>in</strong>en fabrik Augsburg-Nürnberg (Hg. 1909): Die Eisenkonstruktion<br />

der Ausstellungs- und Festhalle zu Frankfurt am Ma<strong>in</strong>.<br />

Frankfurt a. M.; Friedrich von Thiersch (1909): Die Ausstellungsund<br />

Festhalle der Stadt Frankfurt a. M. Denkschrift zur Feier der<br />

E<strong>in</strong>weihung im Mai 1909. Frankfurt a. M.; Hermann Thiersch (1925):<br />

Friedrich von Thiersch, der Architekt. 1852–1921. E<strong>in</strong> Lebensbild.<br />

München. S. 207–224; Stefan Timpe (2008): Friedrich von Thierschs<br />

Frankfurter Festhalle. Zur Wiederherstellung ihres äußeren Ersche<strong>in</strong>ungsbildes.<br />

In: Denkmalpflege & Kulturgeschichte, Heft 2. S. 9–17.<br />

423


Veranstaltungsgebäude<br />

15.7<br />

Friedrich Wilhelm Kraemer<br />

Jahrhunderthalle<br />

Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, 1961–63<br />

Anlässlich ihres <strong>100</strong>-jährigen Bestehens plant die<br />

1863 gegründete Farbwerke Hoechst AG den Bau<br />

e<strong>in</strong>er Multifunktionshalle für Konzerte, Theateraufführungen,<br />

Betriebsversammlungen und Sportveranstaltungen.1<br />

Der Konzern will – wie se<strong>in</strong>erzeit mit<br />

Peter Behrens (→ 8.2) und Hans Poelzig (→ 8.3) – e<strong>in</strong><br />

architektonisch herausragendes Glanzstück schaffen.<br />

Anfang 1960 lädt er deshalb <strong>in</strong>ternational reno m­<br />

mier te Architekten, darunter Alvar Aalto, Le Corbusier,<br />

Arne Jacobsen, Pier Luigi Nervi und Bernard<br />

Zehrfuss, zu e<strong>in</strong>em Wettbewerb e<strong>in</strong>. Wegen der<br />

äußerst kurzen Planungs- und Bauzeit beteiligen<br />

sich jedoch nur vier Büros. Obwohl der Beitrag von<br />

Zehrfuss mit dem ersten Preis ausgezeichnet wird,<br />

kommt der Entwurf des Braunschweigers Friedrich<br />

Wilhelm Kraemer zur Ausführung, denn se<strong>in</strong> Konzept<br />

ersche<strong>in</strong>t <strong>in</strong> der sehr kurzen Zeit realisierbar.<br />

Kraemers Vision: e<strong>in</strong> »kühner großer Raum, dessen<br />

Impuls der großen Idee des Werkes und se<strong>in</strong>er Menschen<br />

symbolisch adäquat ist«2.<br />

Die so genannte Jahrhunderthalle ist von eleganter,<br />

schlichter Form und mit ihrer hellen, <strong>in</strong> schlagfestem<br />

Hart-PVC e<strong>in</strong>gedeckten Kuppel als Landmarke<br />

weith<strong>in</strong> sichtbar. E<strong>in</strong> rechteckiges Sockelgeschoss<br />

von 136 × 96 m beherbergt das Foyer, die<br />

Besuchergarderoben, kle<strong>in</strong>ere Säle, Tagungsräume,<br />

e<strong>in</strong>e Gaststätte mit Kegelbahn, die Künstlergarderoben,<br />

Umkleideräume für die Sportler sowie alle<br />

technischen Funktionsräume. Zugleich bildet es die<br />

Basis für die sich darüber aufspannende Kuppel.<br />

Die Kuppelkonstruktion aus Beton besitzt e<strong>in</strong>en<br />

Durchmesser von 86 m, ist im Scheitelpunkt 25 m<br />

hoch und ruht auf sechs Auflagepunkten. Ihren unteren<br />

Rand gliedern sechs segmentförmige Fensterbögen,<br />

die Sichtbeziehungen zwischen <strong>in</strong>nen und<br />

außen schaffen. Die Halle lässt sich flexibel nutzen<br />

und kann bis zu 4.800 Besucher aufnehmen. Zum<br />

Farbkonzept des Baus äußert Kraemer: Wo immer<br />

möglich, »wurden die materialeigenen Naturfarben<br />

belassen: mattes Grau des Betons, schimmerndes<br />

Silber des Alum<strong>in</strong>iums, warmer Holzton der Treppenstufen<br />

und des Parkettbodens, naturle<strong>in</strong>ene Vorhangflächen.<br />

Diese zurückhaltende Farbgebung erhält<br />

ihre Akzente durch den Neutralgrund der vielen<br />

großen, mit weißem Kunststoff belegten Flächen;<br />

den e<strong>in</strong>zigen Kontrast bilden die leuchtend<br />

roten Bezüge des Gestühls.«3<br />

In Anspielung auf den damaligen Vorstandschef<br />

der Hoechst AG trägt die hochwertig ausgestattete<br />

Jahrhunderthalle den Spitznamen ›W<strong>in</strong>nackers Wirtschaftswunderwarze‹.<br />

In den ersten zehn <strong>Jahre</strong>n<br />

treten hier so unterschiedliche Künstler auf wie Yehudi<br />

Menuh<strong>in</strong>, Ella Fitzgerald, Mireille Mathieu,<br />

Marcel Marceau, James Brown, Jimi Hendrix, James<br />

Last und The Doors. Legendär wird das Gebäude<br />

nicht zuletzt durch He<strong>in</strong>rich Heidersbergers spektakuläre<br />

Fotografien, die es im kollektiven Bildgedächtnis<br />

der Nachkriegsmoderne verankern.4 J. V.<br />

1 Vgl. Burkhardt 2007, S. 88 2 Kraemer/Joedicke 1963, S. 361<br />

3 Ebd., S. 362 4 Vgl. Lauterbach 2007, S. 99/<strong>100</strong><br />

Literatur<br />

Hubert Beck (1963): Die tragende Konstruktion der Festhalle der<br />

Farbwerke Hoechst AG. In: Der Bau<strong>in</strong>genieur 38. S. 95–106; Berthold<br />

Burkhardt (2007): Jahrhunderthalle <strong>in</strong> Frankfurt-Höchst. In: Gesetz<br />

und Freiheit. Der Architekt Friedrich Wilhelm Kraemer (1907–1990).<br />

Hg. K. Wilhelm, O. Gisbertz, D. Jessen-Kl<strong>in</strong>genberg, A. Schmedd<strong>in</strong>g.<br />

Berl<strong>in</strong>. S. 88–95; Friedrich Wilhelm Kraemer (Hg. 1983): Bauten<br />

und Projekte. Stuttgart. S. 211; Friedrich Wilhelm Kraemer/Jürgen<br />

Joedicke (1963): Festhalle der Farbwerke Höchst AG. In: Bauen +<br />

Wohnen 17. S. 359–366; Barbara Lauterbach (2007): Architekturfotografie.<br />

In: Gesetz und Freiheit. Der Architekt Friedrich Wilhelm<br />

Kraemer (1907–1990). Hg. K. Wilhelm, O. Gisbertz, D. Jessen-Kl<strong>in</strong>genberg,<br />

A. Schmedd<strong>in</strong>g. Berl<strong>in</strong>. S. 86–101; Adrian Seib (2016): Jahrhunderthalle.<br />

In: Frankfurt 1960–1969. Hg. W. E. Opatz. Zürich. S. 56–65;<br />

Wolf-Christian Setzepfandt (32002): Architekturführer Frankfurt<br />

am Ma<strong>in</strong>. Berl<strong>in</strong>. Objekt-Nr. 224.<br />

426


Sportstätte<br />

16.4<br />

Max Bromme,<br />

Gustav Schaumann<br />

Stadionbad<br />

Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, 1925<br />

Während der Planungen für den Sportpark<br />

im Frankfurter Stadtwald, die 1920 beg<strong>in</strong>nen,<br />

fällt die Entscheidung, neben e<strong>in</strong>em Stadion<br />

und Übungsstätten für Ballsport und Leichtathletik<br />

auch e<strong>in</strong> großes Schwimmbad anzulegen.<br />

Im S<strong>in</strong>ne e<strong>in</strong>es gesunden Städtebaus<br />

soll der Sportpark außerhalb der engen<br />

Wohn bebauung und abseits der Industriegebiete<br />

<strong>in</strong> der ›grünen Lunge‹ der Stadt liegen.<br />

E<strong>in</strong> Waldabschnitt an der Mörfelder Landstraße<br />

stellt sich als besonders geeignet heraus:<br />

Er ist gut ans Straßennetz angebunden<br />

438<br />

Johann Joseph Belz: Struwwelpeterbrunnen<br />

und mit öffentlichen Verkehrsmitteln leicht<br />

erreichbar.<br />

Das Gelände des neuen Schwimmbades<br />

steigt nach Nordosten leicht an. Am höchsten<br />

Punkt steht das E<strong>in</strong>gangsgebäude mit Caférestaurant<br />

und großer Terrasse. Von hier blicken<br />

die Besucher über die gesamte Anlage,<br />

die neben den sportlichen E<strong>in</strong>richtungen<br />

auch e<strong>in</strong> weitläufiges Licht- und Luftbad zu<br />

bieten hat. Unmittelbar unterhalb der Terrasse<br />

liegt, e<strong>in</strong>gerahmt von zwei halbrunden<br />

Lau bengängen, e<strong>in</strong> Sandspielplatz für K<strong>in</strong>der.<br />

1929 wird hier der Struwwelpeter-Brunnen<br />

von Johann Joseph Belz (→19.3) aufgestellt.<br />

Den Brunnen aus Sandste<strong>in</strong> krönt e<strong>in</strong>e bronzene,<br />

auf e<strong>in</strong>em Schaukelpferd thronen de<br />

Struwwelpeterfigur mit typischer Haarmähne<br />

und charakteristischen langen F<strong>in</strong>ger nägeln.<br />

Darunter s<strong>in</strong>d neun K<strong>in</strong>der dargestellt,<br />

die zwei Schrifttafeln sowie e<strong>in</strong> Porträt relief<br />

des K<strong>in</strong>derbuchautors und Psy chiaters He<strong>in</strong>rich<br />

Hoffmann flankieren. Auf den Sand platz<br />

folgt e<strong>in</strong> quadratisches Planschbass<strong>in</strong> und<br />

dah<strong>in</strong>ter e<strong>in</strong> langgestrecktes, auch als Wellenbad<br />

dienendes Nichtschwimmerbecken.<br />

Beide umschließt e<strong>in</strong>e große Rasen fläche,<br />

neben der rechts und l<strong>in</strong>ks größere Umkleidegebäude<br />

und e<strong>in</strong>e Reihe e<strong>in</strong>facher ›Wechselzellen‹<br />

aus Holz angeordnet s<strong>in</strong>d.<br />

H<strong>in</strong>ter der Spiel- und Liegewiese, abgetrennt<br />

durch e<strong>in</strong>en niedrigen Zaun, erstreckt<br />

sich der eigentliche Sportbereich der Anlage<br />

mit e<strong>in</strong>er <strong>100</strong>-m-Schwimmbahn und e<strong>in</strong>em<br />

separaten Sprungbecken. Die beiden Becken<br />

trennt ursprünglich nur e<strong>in</strong> schmaler Steg,<br />

auf dem sich die Startblöcke bef<strong>in</strong>den. Zwischen<br />

1985 und 1987 wird die Schwimmbahn<br />

durch e<strong>in</strong>e breite, gepflasterte Zone <strong>in</strong> e<strong>in</strong><br />

50-m-Becken und e<strong>in</strong> kle<strong>in</strong>eres Nichtschwimmerbecken<br />

unterteilt. Damit ist die bee<strong>in</strong>druckende<br />

Wirkung der langen Bahn verloren.<br />

Am Kopf des Sprungbeckens steht e<strong>in</strong><br />

sich nach oben verjüngender Eisen beton turm<br />

mit Sprungbrettern auf 3, 5, 7 und 10 m Höhe.


Sportstätte<br />

439


Sportstätte<br />

Schwimmbecken<br />

446<br />

Duschen, e<strong>in</strong> Geräte- und e<strong>in</strong> Sanitätsraum,<br />

e<strong>in</strong>e Garage sowie die Räume für den Sportlehrer<br />

und die Woh nung des Sportplatzmeisters.<br />

Das Schwimmbad nimmt im Sommersemester<br />

1928 se<strong>in</strong>en Betrieb auf: »Der Hochschulsportplatz<br />

wurde mit e<strong>in</strong>em Schlage<br />

der Anziehungspunkt der Studentenschaft.<br />

Es kam vor, daß oft über tausend Studenten<br />

an den heißen Tagen den Sportplatz aufsuchten,<br />

um bei Gymnastik, Leichtathletik, Spielen<br />

und Schwimmen Erholung und Ausspannung<br />

zu suchen.«5 Während der Sommerferien<br />

steht das Gelände auch der Darmstädter<br />

Bevölkerung offen.<br />

Wenig später gel<strong>in</strong>gt es der Technischen<br />

Hochschule, die zuvor von Warschau, Rom<br />

und Paris ausgerichtete Studentenolympiade<br />

nach Darmstadt zu holen und dabei starke<br />

Konkurrenten wie Berl<strong>in</strong>, Dresden und München<br />

auszustechen. Um »allen sporttechnischen<br />

und <strong>in</strong>ternationalen Anforderungen«6<br />

der Olympiade gerecht zu werden, erfolgt<br />

jetzt der Ausbau des Sportplatzes zum Stadion.<br />

So entstehen e<strong>in</strong>e Kampfbahn mit Wurf-,<br />

Stoß- und Sprunganlagen, e<strong>in</strong>e Tribüne, auf<br />

deren Stufen bis zu 15.000 Besucher das Geschehen<br />

verfolgen können, und e<strong>in</strong> so genanntes<br />

›Marathontor‹, durch das die Langstreckenläufer<br />

ihr Ziel im Stadion erreichen.<br />

Auf dem Tor bef<strong>in</strong>den sich, umrahmt von<br />

weith<strong>in</strong> sichtbaren Fahnenmasten, die Anzeigevorrichtungen<br />

sowie Terrassen für die<br />

Musikkapelle und für prom<strong>in</strong>ente Besucher.<br />

Der Torbau nimmt zudem e<strong>in</strong>e Lautsprecheranlage<br />

auf, die der Nachrichtentechniker<br />

und Leichtathlet Fritz Schilgen im Rahmen<br />

se<strong>in</strong>er Diplomarbeit konzipiert.<br />

Wenige Monate nach se<strong>in</strong>er Fertigstellung<br />

wird das Hochschulstadion am 1. August 1930<br />

anlässlich der 4. Studentenolympiade feierlich<br />

eröffnet. Mehr als 1.000 Studierende<br />

aus über 30 Ländern nehmen an der Großveranstaltung<br />

teil: »Von riesigem Beifall begleitet<br />

schritten die Kämpfer der verschiedenen<br />

Nationen durch den Torbogen <strong>in</strong>s Stadion,<br />

rund 15 000 Zuschauer erhoben sich. […]


Sportstätte


Sportstätte<br />

16.2<br />

August Buxbaum<br />

Hallenschwimmbad<br />

Darmstadt, 1907–09<br />

»Jedem Deutschen wöchentlich e<strong>in</strong> Bad«1, ist der<br />

Leitspruch der 1899 gegründeten Gesellschaft für<br />

Volksbäder. Seit Mitte der 1880er <strong>Jahre</strong> fordert auch<br />

die Darmstädter Bevölkerung immer wieder e<strong>in</strong>e<br />

öffentliche Badeanstalt, <strong>in</strong> der man neben e<strong>in</strong>em<br />

Wannenbad das deutlich kostengünstigere ›Volksbrausebad‹<br />

nehmen kann. Das eigene, private Bad<br />

zu Hause bleibt immer noch der Luxus e<strong>in</strong>er w<strong>in</strong>zigen<br />

Elite. 1904 organisiert die Stadt schließlich e<strong>in</strong>en<br />

Architekturwettbewerb unter Vorsitz des Architekten<br />

Ludwig Hoffmann.<br />

Der zweigeschossige, schlicht verputzte Bau mit<br />

Walmdach – dessen E<strong>in</strong>gang durch die Platzierung<br />

direkt unter dem Wasserturm und durch e<strong>in</strong> Skulpturenportal<br />

von He<strong>in</strong>rich Jobst (→ 12.3, 13.3, 14.5, 18.3)<br />

deutlich betont ist – gliedert sich klar und funktionsgerecht<br />

<strong>in</strong> drei Teile. Das Erdgeschoss des U-förmig<br />

um zwei Lichthöfe geführten Vordergebäudes umfasst<br />

den zentralen E<strong>in</strong>gangs- und Kassenbereich,<br />

die Wartesalons und <strong>in</strong> den Seitenflügeln nach Geschlechtern<br />

getrennte Volksbrause- und -wannenbäder<br />

aus Beton. Die luxuriöser ausgestatteten<br />

Wannenräume und Heilbäder für e<strong>in</strong> f<strong>in</strong>anzkräftigeres<br />

Badeklientel f<strong>in</strong>den separat im Obergeschoss<br />

ihren Platz. Nach Norden orientiert sich die große,<br />

von e<strong>in</strong>em Tonnengewölbe allseitig belichtete Männerschwimmhalle,<br />

um deren 28-m-Becken sich die<br />

Umkleidekab<strong>in</strong>en reihen. Nach Süden liegt die etwas<br />

kle<strong>in</strong>ere Frauenschwimmhalle, die im Zweiten<br />

Weltkrieg zerstört und später wiederholt neu aufgebaut<br />

wird. Baulich mite<strong>in</strong>ander verbunden s<strong>in</strong>d<br />

die beiden Hallen durch e<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>geschossigen, von<br />

Lichthöfen erhellten Ruhesaal sowie e<strong>in</strong>en Kurbereich<br />

mit Räumen für elektrische Lichtbestrahlungs-,<br />

Dampf-, Kohlensäure- und Warmluftbäder.<br />

Im rückseitigen Teil des Gebäudes bef<strong>in</strong>den sich e<strong>in</strong><br />

dem Ensemble angefügtes Wohnhaus für den Hausmeister<br />

und das Kesselhaus, dessen Abwärme von<br />

e<strong>in</strong>er im Keller untergebrachten städtischen Wäscherei<br />

genutzt wird.<br />

Die <strong>in</strong>tensive Farbgestaltung der Kacheln und<br />

Wände <strong>in</strong> kontrastierenden Blau-, Rot- und Gelbgrüntönen<br />

erzeugt e<strong>in</strong> breites Spektrum verschiedener<br />

Raumatmosphären, die von den mehrfarbig<br />

und mit Mosaike<strong>in</strong>sätzen gestalteten Terrazzoböden<br />

harmonisch mite<strong>in</strong>ander verknüpft werden. Auf<br />

den E<strong>in</strong>satz kostspieliger Schmuckmotive verzichtet<br />

Buxbaum weitgehend. Alle<strong>in</strong> Jobsts bukolische<br />

Keramikreliefs <strong>in</strong> der Vorhalle und die Brunnenfigur<br />

<strong>in</strong> der Männerschwimmhalle setzen künstlerische<br />

Akzente. Der heute sichtbare Reichtum an<br />

wiederhergestellten Dekorationsmalereien ist dagegen<br />

nicht direkt auf den Architekten zurückzuführen.2<br />

P. A.<br />

1 Spieker 1996, S. 113 2 Vgl. Schmidt 2009, S. 60<br />

Literatur<br />

Anonym (1906): Schwimmbad für Darmstadt. Leipzig; August Buxbaum<br />

(1909): Das städtische Hallenschwimmbad zu Darmstadt. Beschreibung<br />

nebst Haus- und Badeordnung. Darmstadt; August Buxbaum<br />

(1910): Städtisches Hallenschwimmbad <strong>in</strong> Darmstadt. In: Der Profanbau<br />

6. S. 220–231; Friedrich Ritzert (1925): Das Hallenschwimmbad<br />

und der ›Große Woog‹. In: Kunst und Leben im Darmstadt von heute.<br />

Hg. R. Mueller. Darmstadt. S. 82–85; Kathr<strong>in</strong> Schmidt (2009): Die Geschichte<br />

des Städtischen Hallenschwimmbades. In: Jugendstilbad<br />

Darmstadt. Hg. N. Heiss. Darmstadt. S. 13–66; Ir<strong>in</strong>a Spieker (1996):<br />

›Jedem Deutschen wöchentlich e<strong>in</strong> Bad!‹. Die Popularisierung von<br />

Volksbädern um die Jahrhundertwende und ihre E<strong>in</strong>richtung im ländlichen<br />

Raum. In: Re<strong>in</strong>liche Leiber – Schmutzige Geschäfte. Körperhygiene<br />

und Re<strong>in</strong>lichkeitsvorstellungen <strong>in</strong> zwei Jahrhunderten.<br />

Hg. R. Löneke, I. Spieker. Gött<strong>in</strong>gen. S. 113–140.<br />

450


Sportstätte<br />

16.3<br />

Max Bromme, Gustav Schaumann<br />

Waldstadion<br />

Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, 1923–25<br />

Als Zentrum e<strong>in</strong>es großen Sport- und Erholungsparks<br />

wird am 21. Mai 1925 das legendäre Frankfurter<br />

Waldstadion e<strong>in</strong>geweiht. Alle Turn- und Sportvere<strong>in</strong>e<br />

s<strong>in</strong>d bei der feierlichen Zeremonie zugegen.<br />

Die Planungen für die Anlage beg<strong>in</strong>nen kurz nach<br />

dem Ersten Weltkrieg. Damals bietet sich der Stadt<br />

die Gelegenheit, das Gelände der aufgelassenen<br />

Garnisonschießstände zu erwerben und umzunutzen.<br />

Verantwortlich für die Gestaltung zeichnet der<br />

städtische Gartenbaudirektor Max Bromme (→ 16.4,<br />

17.1, 17.5), der neben e<strong>in</strong>er großen Arena für Wettkampfveranstaltungen<br />

auch Übungsstätten für den<br />

Breiten- und Vere<strong>in</strong>ssport vorsieht.<br />

Der 6 m hohe Kugelfang des ehemaligen Schießstandes<br />

wird zu beiden Seiten um e<strong>in</strong>en neu aufgeschütteten<br />

Erdwall verlängert. So entstehen die<br />

Zuschauerterrassen des Stadions, die das Spielfeld<br />

mit Laufbahn, Wurf- und Sprunganlagen umgeben.<br />

An der Nordseite unterbricht der von Gustav<br />

Schaumann entworfene Tribünenbau das umlaufende<br />

Terrassenband. Er bildet den »architektonischen<br />

Brennpunkt«1 der Gesamtanlage, liegt er doch<br />

am Ende der 400 m langen Aufmarschallee, die<br />

zwischen den großen Festwiesen h<strong>in</strong>durch vom<br />

Haupte<strong>in</strong>gang zum Stadion führt. Der leicht geschwungene<br />

Grundriss der Tribüne folgt der Kurve<br />

der Terrassen. In den langen seitlichen Flügeln des<br />

Baus bef<strong>in</strong>den sich auf ansteigenden Reihen die<br />

überdachten Sitzplätze. Darunter s<strong>in</strong>d Sanitäts-, Umkleide-,<br />

Dusch- und Geräteräume untergebracht<br />

sowie e<strong>in</strong> Vortragssaal und die Verwaltungszimmer<br />

der Stadiongesellschaft. Der mittlere Teil des mit<br />

Muschelkalk verkleideten Gebäudes ist antiken griechischen<br />

Theatern nachempfunden. Se<strong>in</strong> flaches<br />

Giebeldreieck und se<strong>in</strong>e ionischen Säulen dienen<br />

als klassischer H<strong>in</strong>tergrund für Tanz- und Schauspiel<br />

aufführungen, so dass hier neben dem Sport<br />

auch die Künste e<strong>in</strong>en repräsentativen Rahmen f<strong>in</strong>den.<br />

Dass der gesamte Bau trotz se<strong>in</strong>er klassizistischen<br />

Gestaltung <strong>in</strong> Eisenbeton ausgeführt ist, bezeichnet<br />

Schaumann als »Vermählung antiken Baugedankens<br />

mit der denkbar modernsten Bauweise«2.<br />

Im Juli 1925 ist das Waldstadion Austragungsort<br />

der 1. Internationalen Arbeiter-Olympiade, bei deren<br />

Eröffnung die Sportler ohne Nationalflaggen,<br />

begleitet von der Internationale <strong>in</strong> die Arena e<strong>in</strong>ziehen.3<br />

1937 wird die Zuschauerkapazität des Stadions<br />

durch den Ausbau der Gegengeraden von ursprünglich<br />

40.000 auf 55.000 erhöht. Weitere Umund<br />

Ausbauten erfolgen Anfang der 1950er <strong>Jahre</strong>.<br />

Im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaften 1974<br />

und 2006 erhält der Standort zwei Mal komplette<br />

Neubauten. C. K.<br />

1 Schaumann 1926, S. 524 2 Ebd. 3 Vgl. z. B. Schröder 1980<br />

Literatur<br />

Anonym (1928): Das Stadion zu Frankfurt am Ma<strong>in</strong>. Frankfurt a. M.;<br />

Thomas Bauer (2000): Frankfurter Waldstadion. 75 <strong>Jahre</strong> Sportgeschichte.<br />

1925–2000. Frankfurt a. M.; Max Bromme (1924): Das<br />

Stadion <strong>in</strong> Frankfurt am Ma<strong>in</strong>. In: Die Gartenkunst 37. S. 140–145; Max<br />

Ostrop (1928): Deutschlands Kampfbahnen. Berl<strong>in</strong>. S. 98–105; Gustav<br />

Schaumann (1926): Das Stadion zu Frankfurt a. M. In: Deutsche Bauzeitung<br />

60. S. 521–525; Bernd P. Schröder (1980): Arbeitersport,<br />

Waldstadion und Arbeiter-Olympiade <strong>in</strong> Frankfurt am Ma<strong>in</strong>. In: Archiv<br />

für Frankfurts Geschichte und Kunst 57. S. 209–218.<br />

451


Naturanlage


Gesellschaftshaus, 1901<br />

Großes Restaurant im neuen Gesellschaftshaus, 1929<br />

Naturanlage<br />

Die Anlage umfasst im Südosten e<strong>in</strong>en im<br />

englischen Stil angelegten Park mit Weiher,<br />

nördlich schließen sich die herzoglichen Gewächshäuser<br />

zur Überw<strong>in</strong>terung und Aufzucht<br />

der Pflanzen an. Der Haupte<strong>in</strong>gang<br />

führt zunächst auf e<strong>in</strong>en großen, künstlerisch<br />

gestalteten Pflanzenteppich. Dah<strong>in</strong>ter<br />

liegt die Hauptattraktion des Gartens: das von<br />

Friedrich Kayser entworfene Gesellschaftshaus3<br />

mit klassizistischer Fassade und e<strong>in</strong>em<br />

650 m2 großen Festsaal, der über e<strong>in</strong>e Terrasse<br />

mit dem großen Palmenhaus verbunden<br />

ist, »man taucht mit Leib und S<strong>in</strong>nen <strong>in</strong><br />

die Schwüle des Treibhauses, das Tageslicht<br />

ist fern, sche<strong>in</strong>t nur verdünnt aus der gläsernen<br />

Höhe e<strong>in</strong>zusickern, von den Moosen am<br />

Boden vollends verschluckt zu werden, ke<strong>in</strong><br />

Vogellaut, ke<strong>in</strong> Schnattern und ke<strong>in</strong> Zirpsen<br />

ist zu vernehmen […]. Das Wachstum selber<br />

sche<strong>in</strong>t hier gegenwärtig, dr<strong>in</strong>gt von allen<br />

Seiten auf uns e<strong>in</strong>. Es ist uns zumute, als wolle<br />

das monströse Schweigen unser eignes Wesen<br />

e<strong>in</strong>saugen, unsere eigene Spur vergehen<br />

machen.«4<br />

Bis 1890 erfolgen unter Siesmayers Leitung<br />

bedeutende Erweiterungen5: im Westen<br />

e<strong>in</strong> großer Bootsweiher, h<strong>in</strong>ter dem sich e<strong>in</strong>e<br />

mit dunklen Nadelhölzern, Buchen und ameri<br />

kanischen Eichen bepflanzte Gebirgslandschaft<br />

erhebt, im Nordosten e<strong>in</strong>e hippodromförmige<br />

Rasenfläche, auf der im Sommer<br />

Tennis oder Kricket gespielt wird und die<br />

sich im W<strong>in</strong>ter <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e künstliche Eisbahn<br />

verwandelt. Um den Rasen legt Siesmayer<br />

e<strong>in</strong>e 400 m lange Fahrradstrecke, h<strong>in</strong>zu kommen<br />

Spielplätze und e<strong>in</strong> Rosengarten.<br />

Nach e<strong>in</strong>em verheerenden Brand im Gesellschaftshaus<br />

kann der Architekt He<strong>in</strong>rich<br />

Theodor Schmidt den Bau dank Spenden bis<br />

Ende 1879 wiedererrichten. Die zweistöckige<br />

Loggia an der Hauptfront behält er bei,<br />

wählt jedoch für die Fassadenentwürfe Formen<br />

der Neorenaissance. Die Gestaltung des<br />

Festsaals überträgt man dem jungen Friedrich<br />

von Thiersch (→ 15.3, 18.2): »Aus dem blühenden<br />

Garten kommend, trat der Gast <strong>in</strong><br />

den von Tageslicht erhellten Raum h<strong>in</strong>e<strong>in</strong>.<br />

Se<strong>in</strong> Blick fiel zuallererst auf die durch Fenster<br />

und Glastüren transparent wirkende Wand<br />

und das dah<strong>in</strong>ter liegende tropische Grün<br />

des Palmenhauses. E<strong>in</strong> Überraschungseffekt,<br />

der beim ersten Besuch jeden bee<strong>in</strong>druckt<br />

haben dürfte. Auch der zweite Blick verursachte<br />

Staunen. Denn erst dann nahm der<br />

Gast die bis zur Kassettendecke <strong>in</strong> 16 Metern<br />

Höhe mit Stuck und Malereien reich verzierten<br />

Wände wahr. Die Beige-Töne und matten<br />

Vergoldungen blieben dabei fe<strong>in</strong> zurückhaltend,<br />

um nicht zu sehr von der üppigen<br />

Natur vor den Fenstern abzulenken.«6<br />

Der ab 1886 amtierende Direktor August<br />

Siebert sorgt dafür, dass die Zahl der gezeigten<br />

← Hochzeitssaal des neuen Gesellschaftshauses<br />

← Kle<strong>in</strong>er Weiher<br />

463


Heilanstalt<br />

sich die Stationen und jeweiligen fachspezifischen Funktionsbereiche im<br />

selben Geschoss, der Mischtyp verfügt über Flachbauten mit zwei bis maximal<br />

vier re<strong>in</strong>en Funktionsgeschossen, die den Stationen zugeordnet s<strong>in</strong>d,<br />

der Vertikaltyp – auch Breitfußsystem genannt – trennt die im Erdgeschoss<br />

angeordneten Funktionsräume von den im Hochhaus untergebrachten<br />

Bettenstationen. Bereits Mitte der 1950er <strong>Jahre</strong> muss e<strong>in</strong> Krankenhaus für<br />

die volle kl<strong>in</strong>ische Versorgung e<strong>in</strong>er städtischen Bevölkerung zwölf fachärztliche<br />

Abteilungen aufweisen: Chirurgie, Urologie, Hals-Nasen-Ohren-<br />

Heilkunde, Ophthalmologie, Orthopädie, Zahn- und Kieferbehandlung,<br />

Gynäkologie, Innere Mediz<strong>in</strong>, Neurologie, Dermatologie, Radio logie und<br />

Pädiatrie.7<br />

In den 1960er <strong>Jahre</strong>n bestimmt das Hochhaus die Bautypologie des<br />

Krankenhauses. Den vorläufigen Höhe- und Endpunkt der Baugeschichte<br />

bildet das so genannte ›Großkl<strong>in</strong>ikum‹, das meist als Universitätskl<strong>in</strong>ik der<br />

mediz<strong>in</strong>ischen Fakultät e<strong>in</strong>er Hochschule angegliedert ist. Es stellt gewissermaßen<br />

den architektonischen Ausdruck e<strong>in</strong>es überdimensionierten Pflegeapparates<br />

dar. Zugleich spiegelt es den technischen Fortschritt <strong>in</strong> der Apparatemediz<strong>in</strong><br />

wider, der diesen Bautyp immer mehr zu e<strong>in</strong>em re<strong>in</strong> technisierten<br />

Gehäuse mutieren lässt. In den 1970er <strong>Jahre</strong>n erhält das Großkl<strong>in</strong>ikum<br />

dann auch e<strong>in</strong>e entsprechende Hightechform, für die das Pariser<br />

Centre Georges-Pompidou (1971–77) von Renzo Piano und Richard Rogers<br />

Pate steht. Beredtes Beispiel dieser Entwicklung ist die Aachener Universitätskl<strong>in</strong>ik<br />

(1971–85), geplant und gebaut vom Büro Weber, Brand & Partner<br />

unter Mitarbeit von Benno Schachner. In diesem »Monsterkrankenhaus«8<br />

wird der Patient – ähnlich wie die Bewohner zeitgenössischer Großsiedlungen<br />

– zu e<strong>in</strong>er anonymen Größe, deren Pflegeaufwand sich quantifizieren<br />

und berechnen lässt.<br />

7 Vgl. Murken 1988,<br />

S. 235<br />

8 Anonym 1984<br />

Ralf Dorn<br />

Literatur<br />

Alvar Aalto (1985): Rationalismus und Mensch. In: Alvar Aalto. Skizzen und Essays. Hg. Akademie der bildenden<br />

Künste, Wien. Wien. S. 48–51 [1935]; Anonym (1984): Tückische Pfützen. Das Monsterkrankenhaus ist noch nicht<br />

fertig, da ist es schon teilweise h<strong>in</strong>fällig. In: Der Spiegel, Heft 28. S. 71; Kurt Bayertz/Jürgen Kroll/Peter We<strong>in</strong>gart<br />

(1988): Rasse, Blut und Gene. Geschichte der Eugenik und Rassenhygiene <strong>in</strong> Deutschland. Frankfurt a. M.; Günter<br />

Grass (2007): Die Blechtrommel. Gött<strong>in</strong>gen [1959]; Otto E. Guttentag (1931): Der Mensch im Krankenhaus. In: Das<br />

Neue Frankfurt 5. S. 84–90; Gustav Hassenpflug (1957): Krankenhausbau. In: Handbuch moderner Architektur.<br />

Hg. R. Jaspert. Berl<strong>in</strong>. S. 525–609; Wolfgang R. Krabbe (1974): Gesellschaftsveränderung durch Lebensreform.<br />

Strukturmerkmale e<strong>in</strong>er sozialreformerischen Bewegung im Deutschland der Industrialisierungsperiode. Gött<strong>in</strong>gen;<br />

Axel H<strong>in</strong>rich Murken (1979): Die bauliche Entwicklung des deutschen Allgeme<strong>in</strong>en Krankenhauses im 19. Jahrhundert.<br />

Gött<strong>in</strong>gen; Axel H<strong>in</strong>rich Murken (1988): Vom Armenhospital zum Großkl<strong>in</strong>ikum. Die Geschichte des Krankenhauses<br />

vom 18. Jahrhundert bis zur Gegenwart. Köln; Sab<strong>in</strong>e Schulte (2001): Das Deutsche Hygiene-Museum <strong>in</strong><br />

Dresden von Wilhelm Kreis. Biographie e<strong>in</strong>es Museums der Weimarer Republik. Diss. Bonn.<br />

488<br />

Badehaus 2 – Schmuckhof →


18.3<br />

Wilhelm Jost<br />

Neue Kuranlagen<br />

Bad Nauheim, 1905–11<br />

Rückblickend schreibt Wilhelm Jost 1944<br />

über se<strong>in</strong> bedeutendstes Werk: »Der Hauptreiz<br />

der Badeanlage, wie auch der Tr<strong>in</strong>k kuranlage,<br />

liegt ja <strong>in</strong> der Verb<strong>in</strong>dung von Architektur<br />

und Natur, die ganz bewußt gesucht,<br />

gepflegt und betont wurde«1. Bis heute begeistert<br />

der vor waldreicher Kulisse ele gant<br />

<strong>in</strong>s Stadtgebiet e<strong>in</strong>gebettete Kur kom plex von<br />

Bad Nauheim Besucher aus aller Welt. Se<strong>in</strong><br />

Herzstück, der Sprudelhof, gilt als e<strong>in</strong> Gesamtkunstwerk,<br />

das die Ideen und Ideale der<br />

Reformbewegung um 1900 <strong>in</strong> sich vere<strong>in</strong>t.<br />

Die H<strong>in</strong>wendung zur Natur und ihren Heilkräf<br />

ten sowie die »Ästhetisierung der Lebenswelt«2<br />

als Gegenentwurf zu den schlech ten<br />

Wohn- und Arbeitsbed<strong>in</strong>gungen <strong>in</strong> den <strong>in</strong>dustrialisierten<br />

Städten s<strong>in</strong>d hier kunstvoll <strong>in</strong><br />

ste<strong>in</strong>erne Form gebracht.<br />

Heilanstalt<br />

Schon im 19. Jahrhundert verhilft die wohltuende<br />

Heilkraft der Sole dem prosperierenden<br />

Ort zu Ruhm. Die Entdeckung des Großen<br />

Sprudels 1846, der mit dem 1855 erbohrten<br />

Friedrich-Wilhelm-Sprudel das Zentrum<br />

des Sprudelhofs bildet, empf<strong>in</strong>den die<br />

Nauheimer als göttliches Geschenk. Mit den<br />

Sprudeln wächst der Kurbetrieb. Die ›Nauheimer<br />

Badekur‹ mit ihren <strong>in</strong>dividuell dosierbaren<br />

Kohlensäure-Solebädern geht als Fachbegriff<br />

<strong>in</strong> die frühe Kardiologie e<strong>in</strong> und lockt<br />

Herzkranke aller Klassen und Nationalitäten<br />

nach Bad Nauheim. Dabei geraten die ständig<br />

erweiterten Bade- und Kuranlagen immer<br />

wieder an ihre Grenzen.<br />

Mit der Popularisierung der Bademediz<strong>in</strong><br />

wird der Kurort zum gesellschaftlichen Treffpunkt.<br />

Se<strong>in</strong>e Badehäuser dienen jetzt auch<br />

als Orte der Geselligkeit mit Raum für geistige<br />

und künstlerische Bedürfnisse.3 1904 fällt<br />

deshalb die Entscheidung, e<strong>in</strong>en neuen, ganzheitlich<br />

geplanten Kurkomplex nach aktueller<br />

Mode, Technik und Wirtschaftlichkeit zu<br />

errichten. Der kunsts<strong>in</strong>nige Landesherr Großherzog<br />

Ernst Ludwig setzt das Großprojekt,<br />

489


Heilanstalt<br />

Kl<strong>in</strong>ikneubau. Die beiden Architekten werden<br />

sowohl mit der Planung als auch mit der<br />

Oberbauleitung beauftragt. Diese Konstellati<br />

on erweist sich als vorteilhaft, da es während<br />

der Bauarbeiten mehrfach zu Quere len mit<br />

der Stadtbauverwaltung kommt, die dar<strong>in</strong><br />

502<br />

Zweibett-Krankenzimmer der Privatstation, 1959<br />

gipfeln, dass Stadtbaurat Peter Grund (→ 6.4,<br />

9.6) die weitere Verantwortung für den Bau<br />

ablehnt. Dieser wird im April 1952 begonnen<br />

und im August 1954 offi ziell e<strong>in</strong>geweiht. Er<br />

trägt bis heute die Bezeichnung ›Otto-Bartn<strong>in</strong>g-Bau‹.<br />

Bartn<strong>in</strong>gs Gesamtplanung sieht<br />

ursprünglich e<strong>in</strong>e dreiteilige Gebäudegruppe<br />

<strong>in</strong>klusive e<strong>in</strong>es Chirurgiebaus vor. Dieser<br />

wird jedoch erst nach Bartn<strong>in</strong>gs Tod von dem<br />

mittlerweile pensionierten und seit 1959<br />

freischaffend tätigen Grund errichtet. Das<br />

Raumprogramm der Frauenkl<strong>in</strong>ik umfasst<br />

e<strong>in</strong> sechsgeschossiges Gebäude mit fünf Stati<br />

onen für je 40 Betten. Durch die Ost-West-<br />

Ausrichtung des Baus können die Patient<strong>in</strong>nenzimmer<br />

auf die Südseite gelegt, die<br />

Versorgungsräume entlang der Bismarckstraße<br />

nach Norden ausgerichtet werden.<br />

Westlich fügt sich der viergeschossige Operationstrakt<br />

an. Dieser ist im Grundriss als Viertelkreis<br />

ausgeführt und schließt das damals<br />

noch sehr heterogene Gelände des Darmstädter<br />

Kl<strong>in</strong>ikums städtebaulich gekonnt ab.<br />

Auf der Südseite, zwischen dem Operationsund<br />

dem Krankenzimmertrakt, liegt e<strong>in</strong> großzügig<br />

gestaltet es Treppenhaus samt Auf zugsanlage.<br />

Durch den späteren E<strong>in</strong>bau gläserner<br />

Brandschutztüren ist es heute se<strong>in</strong>er Raumwirkung<br />

weitestgehend beraubt.<br />

Bartn<strong>in</strong>g entwickelt das Gebäude ausgehend<br />

von der kle<strong>in</strong>sten baulichen E<strong>in</strong>heit,<br />

dem Krankenzimmer, das »<strong>in</strong> Proportion und<br />

E<strong>in</strong>richtung e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> sich geordnete stille Welt<br />

mit voller Öffnung zum Leben der Natur«3<br />

bilden soll. Mit Schiebefenstern versehen,<br />

die Bartn<strong>in</strong>g bereits früher erprobt hatte, öffnen<br />

sich die Zimmer <strong>in</strong> voller Höhe zur Südseite.<br />

Die Größe der Fenster variiert <strong>in</strong> Abhängigkeit<br />

von der Bettenzahl, so dass sich<br />

der Unterschied zwischen Zwei-, Vier- und<br />

Sechsbettzimmern an der Fassade ablesen<br />

lässt. Die Fensterfront der Sechsbettzimmer<br />

ist <strong>in</strong> e<strong>in</strong> auskragendes Betonraster e<strong>in</strong>gebettet<br />

und dom<strong>in</strong>iert so das Gesamtbild.


Heilanstalt


Militäranlage<br />

19.4<br />

Kurt Schönfeld, Ernst Wendel<br />

Wehrkreisdienstgebäude<br />

der Deutschen Wehrmacht,<br />

Kommando IX<br />

Kassel, 1935–38<br />

Mit den Worten, es sei »<strong>in</strong> se<strong>in</strong>er monumentalen<br />

Größe e<strong>in</strong>e Symphonie deutschen Schaffensgeistes«1,<br />

kommentiert der kurhessische<br />

Gauleiter Karl We<strong>in</strong>rich den Bau des neuen<br />

Wehrkreisdienstgebäudes <strong>in</strong> Kassel. Den Entwurf<br />

erstellt Heeresoberbaurat Ernst Wendel<br />

<strong>in</strong> Kooperation mit Kurt Schönfeld von<br />

der örtlichen Wehrkreisverwaltung. Das Gesamtkonzept<br />

sieht vor, die Umgebung des<br />

städtischen Grundstücks radikal umzuorganisieren:<br />

E<strong>in</strong>e nach dem jüdischen Industriellen<br />

Sigmund Aschrott benannte Diagonalstraße<br />

wird demnach beseitigt und durch<br />

e<strong>in</strong>e rechtw<strong>in</strong>klig von der Wilhelmshöher<br />

Allee abzweigende platzartige Aufmarschstraße<br />

ersetzt. Diese ist Teil e<strong>in</strong>es neu geplanten<br />

Verkehrsr<strong>in</strong>ges für die ›Stadt der<br />

Reichskriegertage‹.2 Der angrenzende, diagonal<br />

ausgerichtete Schulbau von He<strong>in</strong>rich<br />

Tessenow (→ 10.3) wird dadurch städtebaulich<br />

degradiert.<br />

Im Oktober 1935 legt der Befehlshaber<br />

des Wehrkreises IX, Generalleutnant Friedrich<br />

Dollmann, den Grundste<strong>in</strong> der Anlage.<br />

Die Kasseler Post glorifiziert den Monumentalbau<br />

damals als »Symbol für die vom Führer<br />

dem deutschen Volk wiedergegebene<br />

Wehrfreiheit«. Er demonstriere den »deutschen<br />

Wehr willen«, der bereit sei, das Reich<br />

gegen jeden zu schützen, der »des deutschen<br />

Volkes Friedenswillen«3 störe. Nach mehrjähriger<br />

Bauzeit erfolgt am 11. Mai 1938 die<br />

E<strong>in</strong>weihungsfeier.<br />

522<br />

Der Hauptbau mit sehr flacher Dachschräge<br />

präsentiert sich als vierflügelige Anlage, an<br />

die sich e<strong>in</strong> zusätzlicher, gleich hoher Anbau<br />

im Westen anschließt. Die beiden Hauptflügel<br />

s<strong>in</strong>d durch Mittelflure, die beiden zurückspr<strong>in</strong>genden,<br />

schmaleren Verb<strong>in</strong>dungsflügel<br />

durch belichtete Seitenflure erschlossen.<br />

Zusammen bilden sie <strong>in</strong> der Mitte e<strong>in</strong>en<br />

quadratischen, durch Rasenflächen, Pflasterwege<br />

und kle<strong>in</strong>kronige Bäume streng symmetrisch<br />

gegliederten Innenhof. Dieser liegt<br />

etwas tiefer als die Erdgeschosse, was dem<br />

Souterra<strong>in</strong>, unter dem sich e<strong>in</strong> Keller mit<br />

Luftschutzräumen bef<strong>in</strong>det, Tageslicht zuführt.<br />

In Elbsandste<strong>in</strong> e<strong>in</strong>gefasste Fenster<br />

e<strong>in</strong>heitlicher Größe rastern die Fassaden,<br />

wobei das erste Obergeschoss mit durchlaufend<br />

etwas höherem Fensterformat den strengen<br />

geometrischen Aufbau leicht durch bricht.<br />

Zweier- und Dreiergruppierungen von Fens­


Militäranlage<br />

tern im Innenhof verlassen dort die klare<br />

Geo metrie. Die vertikale optische Zu sammen<br />

fas sung mehrerer Fensterreihen an den<br />

Außenseiten ist neoklassizistische Atti tü de,<br />

da gegen erweisen sich die senkrechten Fenster<br />

bänder zur optimalen Ausleuchtung der<br />

Trep penhäuser als funktional bed<strong>in</strong>gt.<br />

An der Südfront – dem Ort des heutigen<br />

Haupte<strong>in</strong>gangs – f<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>gerückter,<br />

durch e<strong>in</strong>e Kolonnade gefasster Ehrenhof,<br />

der <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e zweigeschossige, vom Hof her beleuchtete<br />

Fahnenhalle mündet. Den Haupte<strong>in</strong>gang<br />

an der Ostfassade dom<strong>in</strong>iert e<strong>in</strong><br />

kolossaler Pfeilervorbau, zu dem e<strong>in</strong>e großzügige,<br />

von zwei mächtigen Rossebändigern<br />

des Münchener Bildhauers Joseph Wackerle<br />

flankierte Freitreppe h<strong>in</strong>aufführt.<br />

Mit Wandverkleidungen <strong>in</strong> Marmor und<br />

Travert<strong>in</strong>, figürlichen Reliefs von Augusto<br />

Varnesi (→ 19.3) und e<strong>in</strong>er dreiläufigen Haupttreppe<br />

wollen auch die öffentlich zugänglichen<br />

Innenräume bee<strong>in</strong>drucken. E<strong>in</strong> großes<br />

Treppenhausfenster zeigt Glasmalereien<br />

mit den Stadtwappen sämtlicher Standorte<br />

des Wehr kreises. Erich Schmidt-Kestner – damals<br />

Professor an der Kasseler Meisterschule<br />

des deutschen Handwerks – liefert bildhauerische<br />

Arbeiten. Der massive, sandfarben<br />

verputzte Bau beherbergt knapp 600<br />

E<strong>in</strong>zelräume und mehrere Sitzungszimmer.<br />

Zur Liegenschaft gehören außerdem e<strong>in</strong>e<br />

Turnhalle, e<strong>in</strong> Dienstwohnhaus, e<strong>in</strong>e Fahrzeughalle<br />

mit Ställen, e<strong>in</strong>e Reitbahn, e<strong>in</strong>e<br />

Schmiede und e<strong>in</strong> Schießstand.<br />

Als Ende August 1939 die Mobilmachung<br />

erfolgt, verlässt Dollmann Kassel, um den<br />

Oberbefehl der 7. Armee zu übernehmen.<br />

Die Leitung des Wehrkreises IX geht durch<br />

mehrere Hände, zuletzt an Maximilian Fretter-Pico,<br />

der Ende April 1945 im Harzkessel<br />

523


Militäranlage<br />

19.3<br />

Heeresbauamt Gießen<br />

Herzbachkaserne<br />

Gelnhausen, 1935/36<br />

Im Herzbachtal, direkt unterhalb der Hügel, liegt<br />

die zwischen 1935 und 1936 von der Deutschen<br />

Wehrmacht für e<strong>in</strong>e Panzerabwehre<strong>in</strong>heit errichtete<br />

Herzbachkaserne. Wie e<strong>in</strong> städtebauliches Kle<strong>in</strong>od<br />

gruppieren sich die fünf Unterkunftsbauten mit<br />

markanten, halbkreisförmig vorgewölbten Treppenhäusern<br />

locker um e<strong>in</strong>en künstlichen Weiher. Sie<br />

umrahmen das etwas niedrigere Wirtschafts- und<br />

Kas<strong>in</strong>ogebäude, dessen pittoreskes Uhrtürmchen<br />

kaum an e<strong>in</strong>e Kaserne denken lässt1. Der rote Sandste<strong>in</strong><br />

der Fensterlaibungen zitiert Bauwerke <strong>in</strong> Gelnhausens<br />

historischer Altstadt. Im »völkischen Regionalstil<br />

deutscher Tradition«2 gestaltet, kaschieren<br />

die Gebäudehüllen, dass die gesamte <strong>in</strong>nere und<br />

äußere Struktur der Kaserne detaillierten Normen<br />

für alle Heeresbauten folgt.3 Deutlich entfernt von<br />

den Unterkünften bef<strong>in</strong>det sich e<strong>in</strong> Technikbereich<br />

zur Unterbr<strong>in</strong>gung und Wartung von Panzerabwehrgerät.<br />

Neun aufwändige antikisierende Sandste<strong>in</strong>reliefs<br />

über den E<strong>in</strong>gängen der Treppenhäuser heroisieren<br />

Kriegsereignisse der deutschen Geschichte:<br />

Hermann der Cherusker besiegt im Teutoburger<br />

Wald die Römer, Freiherr vom Ste<strong>in</strong> mit preußischen<br />

Soldaten, Panzerabwehrkräfte des deutschen<br />

Heeres im Ersten Weltkrieg und nicht zuletzt e<strong>in</strong><br />

Relief mit dem Titel Die <strong>in</strong> Frieden lebende Volksgeme<strong>in</strong>schaft<br />

des Dritten Reiches, das e<strong>in</strong>en Soldaten<br />

der Wehrmacht zum B<strong>in</strong>deglied stilisiert – zwischen<br />

Handwerker, Bauer, fürsorglicher Mutter, SA-Mann<br />

und HJ-Knabe. Die ausführenden Künstler s<strong>in</strong>d Augusto<br />

Varnesi (→ 19.4), Johann Joseph Belz (→ 16.4),<br />

Emil Hub (→ 7.6, 20.4) und Albert Kraemer.4<br />

Bei der offiziellen E<strong>in</strong>weihungsfeier am 6. Oktober<br />

1936 zieht die Panzerabwehr-Abteilung 9 <strong>in</strong> die<br />

Kaserne e<strong>in</strong>. E<strong>in</strong>en Tag später berichtet das örtliche<br />

NSDAP-Parteiorgan K<strong>in</strong>zig-Wacht über die Veranstaltung,<br />

dass »die Herzen der Menschen« an diesem<br />

»sonnenklaren Herbstmorgen« dabei gewesen<br />

seien: Das »haben uns die Tausende und Abertausende<br />

leuchtende Augen bewiesen. Das bewies uns<br />

der Flaggenschmuck, bewies uns die re<strong>in</strong> feiertägliche<br />

Stimmung, die über der Stadt und ihren Menschen<br />

lag, und bewies uns vor Allem die tiefe Herzlichkeit,<br />

mit der die jungen Waffenträger der Nation<br />

bei ihrem E<strong>in</strong>zug im künftigen Standorte begrüßt<br />

wurden.«5 1938 marschiert die E<strong>in</strong>heit <strong>in</strong>s Sudetenland<br />

e<strong>in</strong>, <strong>in</strong> den folgenden <strong>Jahre</strong>n kämpft sie gegen<br />

Frankreich, Polen und die Sowjetunion.<br />

1945 übernimmt das US-Militär die Anlage und<br />

benennt sie 1950 nach dem postum mit dem Silver<br />

Star dekorierten afroamerikanischen Offizier Kenneth<br />

W. Coleman6. Berühmtester Soldat der Coleman-Kaserne<br />

ist der spätere US-Außenm<strong>in</strong>ister<br />

Col<strong>in</strong> Powell. Er kommt 1958 im Rang e<strong>in</strong>es Leutnants<br />

nach Gelnhausen, wo se<strong>in</strong> Infanteriezug e<strong>in</strong><br />

schweres Artilleriegeschütz zu sichern hat, das im<br />

Ernstfall mit Nukleargeschossen bestückt werden<br />

soll.7 F. L.-I.<br />

1 Vgl. jedoch Heiß 1993, S. 470; Meyer-Bohe 2005, S. 167 2 Friedrich<br />

2011, S. 535 3 Vgl. Heiß 1993, S. 469–471 4 Vgl. Friedrich 2011,<br />

S. 534 5 Vgl. Freund 1996, S. 28/29 6 Vgl. Anderson 1945, S. 11, 32,<br />

102, 132 7 Vgl. Hammerich 2017, S. 14<br />

Literatur<br />

Trezzvant W. Anderson (1945): Come out Fight<strong>in</strong>g. The Epic Tale of<br />

the 761st Tank Battalion 1942–1945. Salzburg; Gerhard Freund<br />

(1996): Die Panzer-Abwehrabteilung 9 <strong>in</strong> Gelnhausen und ihr Schicksal<br />

1935–1945. Ste<strong>in</strong>au an der Straße; Waltraud Friedrich (2011):<br />

Kulturdenkmäler <strong>in</strong> <strong>Hessen</strong>. Ma<strong>in</strong>-K<strong>in</strong>zig-Kreis. Bd. 2.2. Stuttgart,<br />

Wiesbaden. S. 532–535; Helmut R. Hammerich (32017): Fulda Gap:<br />

E<strong>in</strong> Brennpunkt des Kalten Krieges zwischen Mythos und Wirklichkeit.<br />

In: Schlachtfeld Fulda Gap. Hg. D. Krüger. Fulda. S. 12–48; Ulrich<br />

Heiß (1993): Militärbauten. In: Bauen im Nationalsozialismus.<br />

Bayern 1933–1945. Hg. W. Nerd<strong>in</strong>ger. München. S. 462–513; Thomas<br />

Meyer-Bohe (2005): Militärisches Bauen <strong>in</strong> den 30er und 40er<br />

<strong>Jahre</strong>n. Bonn.<br />

534


Militäranlage<br />

Po<strong>in</strong>t Alpha ist der erste von fünf US-Beobachtungsstützpunkten<br />

(boarder observation po<strong>in</strong>ts), die ab<br />

1965 am hessischen Abschnitt des Eisernen Vorhangs<br />

entstehen. Die Orte s<strong>in</strong>d militärstrategisch<br />

gewählt: Die landschaftliche Senke zwischen Bad<br />

Hersfeld und Bad Kiss<strong>in</strong>gen (Fulda-Gap) gilt nämlich<br />

als wahrsche<strong>in</strong>lichstes Kampf- und E<strong>in</strong>marschgebiet,<br />

falls der Warschauer Pakt Westeuropa angreifen<br />

sollte.1 Bereits Anfang der 1950er <strong>Jahre</strong><br />

bereiten sich US-amerikanische Geheimdienste auf<br />

e<strong>in</strong>en solchen Tag X vor. Mit Hilfe von Re<strong>in</strong>hard<br />

Gehlen, dem ehemaligen Leiter der Nazi-Spionageabteilung<br />

Fremde Heere Ost, bauen sie deutsche<br />

Geheimarmeen auf, die sich im Fall e<strong>in</strong>es Angriffs<br />

überrollen lassen sollen, um dann im H<strong>in</strong>terland<br />

des Fe<strong>in</strong>des Terror- und Sabotageakte zu verüben.2<br />

Vergleichbare geheime Guerillatruppen unterhält<br />

damals auch die DDR.3<br />

Der Stützpunkt Po<strong>in</strong>t Alpha entsteht auf e<strong>in</strong>em<br />

Höhenzug zwischen Geisa und Rasdorf unmittelbar<br />

an der deutsch-deutschen Grenze. Neben den Baracken<br />

des Camps wird 1968 e<strong>in</strong> erster dreigeschossiger<br />

Beobachtungsturm <strong>in</strong> grober Holzstützbauweise<br />

errichtet. Diesen löst bereits zu Beg<strong>in</strong>n der 1970er<br />

<strong>Jahre</strong> e<strong>in</strong> fünfgeschossiger Stahlturm mit stabilisierenden<br />

Kreuzverstrebungen ab. Se<strong>in</strong>e vorgehängte<br />

Leichttreppe führt auf e<strong>in</strong> weites Podest, das e<strong>in</strong>en<br />

Beobachtungspavillon mit gleich weit auskragendem<br />

Dach trägt. Auch dieser Turm ist nicht mehr<br />

erhalten. Er wird 1985 durch den heute noch existierenden<br />

Betonturm <strong>in</strong> viergeschossiger Fertigteilkonstruktion<br />

ersetzt.<br />

Anfangs ist der Stützpunkt vom 14th Armored<br />

Cavalry Regiment besetzt, ab 1972 vom 11th Armored<br />

Cavalry Regiment Black Horse.4 Im Regelbetrieb<br />

stellen 40 Soldaten die Besatzung, die sich alle vier<br />

Wochen ablöst. In Krisensituationen steigt die Zahl<br />

aber auf bis zu 200. 1991 gibt das US-Militär den<br />

Standort auf. Heute beherbergt das Gelände die Gedenkstätte<br />

Po<strong>in</strong>t Alpha am Kreuzungspunkt der als<br />

Friedensprojekte <strong>in</strong>itiierten Radwege Deutsche E<strong>in</strong>heit<br />

(Berl<strong>in</strong>–Bonn) und Iron Curta<strong>in</strong> Trail (Barentssee–Schwarzes<br />

Meer). K. B./F. L.-I.<br />

19.6<br />

Po<strong>in</strong>t Alpha<br />

bei Rasdorf, ab 1965<br />

1 Vgl. z. B. Friedensbüro Osthessen (Hg.) 1984 2 Vgl. Schmidt-<br />

Eenboom/Stoll 2015 3 Vgl. F<strong>in</strong>gerle/Gieseke 1996 4 Vgl. Cirillo 2014<br />

Literatur<br />

Roger Cirillo (2014): Die Verteidigung der Bundestraße 84. Er<strong>in</strong>nerungen<br />

des Kompaniechefs der B-Kompanie des 11th Armored Cavalry<br />

Regiment 1978–1980. In: Schlachtfeld Fulda Gap. Strategien und<br />

Operationspläne der Bündnisse im Kalten Krieg. Hg. D. Krüger Fulda.<br />

S. 125–164; Karl-He<strong>in</strong>z Dörsmann (2009): Po<strong>in</strong>t Alpha. E<strong>in</strong> Relikt<br />

des Kalten Krieges. Me<strong>in</strong><strong>in</strong>gen; Stephan F<strong>in</strong>gerle/Jens Gieseke<br />

(1996): Partisanen des Kalten Krieges. Die Untergrundtruppe der<br />

Nationalen Volksarmee 1957 bis 1962 und ihre Übernahme durch die<br />

Staatssicherheit. Berl<strong>in</strong>; Friedensbüro Osthessen (Hg. 21984):<br />

Fulda-Gap. Hier könnte der 3. Weltkrieg beg<strong>in</strong>nen. Fulda; Mira Keune<br />

(22015): Po<strong>in</strong>t Alpha. Vom heißen Ort im Kalten Krieg zum Lernort der<br />

Geschichte. Geisa; Erich Schmidt-Eenboom/Ulrich Stoll (2015):<br />

Die Partisanen der NATO. Stay-Beh<strong>in</strong>d-Organisationen <strong>in</strong> Deutschland<br />

1946–1991. Berl<strong>in</strong>; Klaus Hartwig Stoll (2007): Po<strong>in</strong>t Alpha.<br />

Brennpunkt der Geschichte. Petersberg.<br />

535


Sakralbau<br />

20.5<br />

Dom<strong>in</strong>ikus Böhm<br />

Katholische<br />

Christkönigskirche<br />

Bischofsheim (Ma<strong>in</strong>spitze), 1926<br />

Obwohl die kle<strong>in</strong>e St. Josefskirche der katholischen<br />

Geme<strong>in</strong>de Bischofsheim erst 25 <strong>Jahre</strong><br />

zählt, ist sie Anfang 1926 so baufällig, dass die<br />

baubehördliche Schließung droht. Zudem s<strong>in</strong>d<br />

die räumlichen Verhältnisse für die mittlerweile<br />

1.200 Katholiken des Orts sehr beengt.<br />

Zwei Architekten werden mit Entwürfen für<br />

e<strong>in</strong>en Neubau beauftragt: Arthur Wienkoop,<br />

Professor an der Landesbaugewerkeschule <strong>in</strong><br />

Darmstadt, und Dom<strong>in</strong>ikus Böhm, der an den<br />

Technischen Lehranstalten Offenbach unterrichtet.<br />

Die Wahl fällt auf Böhm – se<strong>in</strong> Projekt<br />

kann am bisherigen Standort realisiert werden,<br />

verursacht ger<strong>in</strong>gere Kosten und entspricht<br />

wohl auch eher den liturgischen Vorstellungen<br />

der Geme<strong>in</strong>de als die von Wien koop<br />

vorgeschlagene neobarocke Hallenkirche. Außer<br />

dem lässt es sich <strong>in</strong>nerhalb weniger Monate<br />

umsetzen: Im Juni 1926 erfolgt der Abriss<br />

der Josefskirche, im Juli beg<strong>in</strong>nen die Bauarbeiten,<br />

Ende August kann der Grundste<strong>in</strong> gelegt<br />

werden, am 21. November wird das neue<br />

Gebäude von Bischof Ludwig Maria Hugo<br />

geweiht: »Während dieser Weihehandlung<br />

versenkte der Bischof auch die Gebe<strong>in</strong>e der<br />

Katakombenmärtyrer Deodatus, Gaudentius<br />

und Modesta <strong>in</strong> der Mitte der Altarplatte.<br />

Rund tausend Gläubige nahmen am Nachmittag<br />

des gleichen Tages an e<strong>in</strong>em zweiten Gottesdienst<br />

<strong>in</strong> der neuen Kirche teil«1.<br />

In e<strong>in</strong>er schmalen Seitenstraße gelegen,<br />

stellt die Christkönigskirche e<strong>in</strong>e enge Verb<strong>in</strong>dung<br />

zur Geme<strong>in</strong>de her. Sie umfasst zwei<br />

<strong>in</strong> Eisenbetonkonstruktion errichtete, mit<br />

rotem Backste<strong>in</strong> verkleidete Hauptbaukörper:<br />

e<strong>in</strong>en quaderförmigen, mit der Schmalseite<br />

zur Straße gelegenen Turm und dah<strong>in</strong>ter<br />

das von e<strong>in</strong>em Satteldach bedeckte Kirchenschiff.<br />

Sechs horizontale helle Betonbän der<br />

Grundste<strong>in</strong>legung<br />

548


Sakralbau


Sakralbau<br />

20.7<br />

Fritz Nathan<br />

Israelitischer Friedhof<br />

Frankfurt am Ma<strong>in</strong>, 1927–29<br />

Die Israelitische Geme<strong>in</strong>de Frankfurt organisiert<br />

1921 e<strong>in</strong>en Architekturwettbewerb für<br />

e<strong>in</strong>en neuen Friedhof zwischen Friedberger<br />

Warte und Marbachweg, weil die Grabflächen<br />

der bisherigen Anlage an der Rat-Beil-Straße<br />

nicht mehr ausreichen. Acht Frank furter Archi<br />

tekten werden aufgefordert, Entwürfe abzuliefern,<br />

darunter Franz Roeckle, der <strong>in</strong><br />

Fran kfurt bereits die Westend-Synagoge<br />

(→ 20.3) und e<strong>in</strong> Israelitisches Krankenhaus<br />

errichtet hatte.1 Die Jury vergibt drei gleiche<br />

Preise, die Geme<strong>in</strong>de entscheidet sich dafür,<br />

Roeckles Pläne weiterzuverfolgen. Doch als<br />

Roeckle, selbst ke<strong>in</strong> Jude, 1923 die NSDAP<br />

unterstützt, kommt es zum Bruch. Um zu klären,<br />

wie es mit dem Projekt weitergehen<br />

kann, zieht man den jüdischen Architekten<br />

Fritz Nathan zurate, der an der Planung des<br />

Ehrenfeldes auf dem Israelitischen Friedhof<br />

Berl<strong>in</strong>-Weißensee für die im Ersten Weltkrieg<br />

gefallenen jüdischen Soldaten beteiligt<br />

gewesen war. 1924 beschließt die Geme<strong>in</strong>de<br />

e<strong>in</strong> neues Bauprogramm: »Der neue jüdische<br />

Friedhof soll die hohe Tradition der alten<br />

würdigen und e<strong>in</strong>heitlichen jüdischen Begräb<br />

nisplätze verb<strong>in</strong>den mit den neuzeitlichen<br />

Anforderungen hygienischer und technischer<br />

Art, die die Häufigkeit der Beerdigungen<br />

e<strong>in</strong>er Großgeme<strong>in</strong>de bed<strong>in</strong>gen. Die<br />

äußere Erschei nung des Portales, der E<strong>in</strong>friedigung<br />

und der Gebäude soll durch die<br />

Verwendung soliden Materials und e<strong>in</strong>facher<br />

Formen, durch geschlossene Silhouette der<br />

Baugruppe e<strong>in</strong>e weihevolle Monumentalität<br />

erzielen. Mit e<strong>in</strong> fachsten Mitteln gilt es, durch<br />

Proportionen und Farbgebung e<strong>in</strong>e Stät te<br />

des Friedens zu schaffen, die ohne Ver wendung<br />

plastischen und malerischen Schmuckes<br />

die ernste und pietätvolle Bestimmung<br />

der Anlage auszeich net.«2 Im Januar 1925<br />

prä sentiert Nathan e<strong>in</strong>en Vorentwurf und erhält<br />

den Auftrag, se<strong>in</strong>e Pläne umzusetzen.<br />

Bereits im Juli 1925 erfolgen die ersten Tiefbauarbeiten,<br />

doch die Stadt Frank furt beansprucht<br />

das Gelände für sich, um dort dr<strong>in</strong>gend<br />

benötigten Wohnraum zu schaffen.<br />

Nach langen Verhandlungen e<strong>in</strong>igt man sich<br />

auf e<strong>in</strong>en von Kle<strong>in</strong>gärtnern genutz ten Standort<br />

an der Eckenheimer Landstraße. Als die<br />

554


Sakralbau<br />

555


Sakralbau<br />

20.8<br />

Otto Bartn<strong>in</strong>g<br />

Evangelische Pankratiuskapelle<br />

Gießen, 1949<br />

Otto Bartn<strong>in</strong>g (→ 18.8) zählt zweifellos zu den bedeuten<br />

dsten deutschen Kirchenbaumeistern des<br />

20. Jahrhunderts. Anknüpfend an das Wiesbadener<br />

Programm (→ 20.4), das Geme<strong>in</strong>de und Predigt <strong>in</strong><br />

den Mittelpunkt rückt, entwickelt er eigene Ideen<br />

zur evangelischen Kirchenarchitektur. Besonderen<br />

Wert legt Bartn<strong>in</strong>g darauf, dass die stimmungsvolle<br />

Ausgestaltung des Kirchenraums den Gottesdienst<br />

zum Geme<strong>in</strong>schaftserlebnis werden lässt – die Geme<strong>in</strong>schaft<br />

der Betenden sei »nicht nur e<strong>in</strong>e Addition,<br />

sondern e<strong>in</strong>e Potenz der Seelen«1. Neue Kirchenhäuser<br />

seien vom religiösen Willen und Gefühl der<br />

bauenden Geme<strong>in</strong>de her zu konzipieren. Das Abendmahl<br />

als sichtbarer Ausdruck der Geme<strong>in</strong>schaft solle<br />

sich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em über die praktische Notwendigkeit<br />

h<strong>in</strong>aus sakral gestalteten Raum vollziehen, damit<br />

»dieser heilige Vorgang besser, re<strong>in</strong>er und vollkommener<br />

gel<strong>in</strong>gt und den Ort dauernd erfüllt«2.<br />

Nach dem Zweiten Weltkrieg steht der Wiederaufbau<br />

von Wohnraum an erster Stelle, doch auch<br />

für die zerstörten Kirchen wird dr<strong>in</strong>gend Ersatz benötigt.<br />

Hier br<strong>in</strong>gt sich Bartn<strong>in</strong>g engagiert e<strong>in</strong>. 1946<br />

übernimmt er die Leitung der Bauabteilung des<br />

Hilfswerks der Evangelischen Kirchen <strong>in</strong> Deutschland<br />

(HEKD), das vor allem Hilfe zur Selbsthilfe<br />

anbietet. Im Rahmen e<strong>in</strong>es Notkirchenprogramms<br />

entwirft Bartn<strong>in</strong>g den auf Serienfertigung angelegten<br />

Typ B, der sich an die jeweiligen örtlichen Gegebenheiten<br />

anpassen lässt und <strong>in</strong> drei Varianten verfügbar<br />

ist: ohne Altarraum, mit gemauertem Altarraum<br />

und mit polygonalem Altarraum.3 F<strong>in</strong>anziert<br />

werden die Typenbauten aus Hilfsmitteln <strong>in</strong>ternationaler<br />

Kirchenverbände. Den am Programm beteiligten<br />

Geme<strong>in</strong>den liefert und montiert das HEKD widerstandsfähige<br />

vorfabrizierte Tragekonstruktio nen<br />

aus Holz. In Eigenleistung bauen die Geme<strong>in</strong>den<br />

die Fundamente und füllen das Tragwerk mit Trümmermaterial,<br />

so dass jede Kirche automatisch e<strong>in</strong>en<br />

<strong>in</strong>dividuellen Charakter erhält. Entwürfe für e<strong>in</strong>en<br />

nur zwei Mal ausgeführten Typ A erstellt der Architekt<br />

Emil Staudacher aus Zürich. Insgesamt stehen<br />

Mittel für 48 Notkirchen zur Verfügung.4 Auf alle<br />

vier Besatzungszonen verteilt, werden am Ende 43<br />

errichtet – von Stralsund bis München, von Aachen<br />

bis Dresden. Die Gießener Pankratiuskapelle gehört<br />

zum Typ B mit polygonalem Altarraum und<br />

besitzt Wände aus Quaderste<strong>in</strong>en der alten Stadtkirche.<br />

K. B.<br />

1 Vgl. Bartn<strong>in</strong>g 1922, S. 26 2 Ebd., S. 27 3 Vgl. Schrickel 2005,<br />

S. 201–204 4 Vgl. Bartn<strong>in</strong>g 1949<br />

Literatur<br />

Otto Bartn<strong>in</strong>g (1922): Das evangelische Kirchbauprogramm. In: Die<br />

Form 1, Heft 4. S. 26/27; Otto Bartn<strong>in</strong>g (1949): Die 48 Notkirchen <strong>in</strong><br />

Deutschland. Heidelberg; Dagmar Kle<strong>in</strong> (2009): Die Pankratiuskapelle<br />

<strong>in</strong> Gießen. Von der Burgkapelle zur Bartn<strong>in</strong>g-Kirche 1248–2009.<br />

Gießen; Christoph Schneider (1995): Das Notkirchenprogramm von<br />

Otto Bartn<strong>in</strong>g. Diss. Marburg; Svenja Schrickel (2005): Die Notkirchen<br />

von Otto Bartn<strong>in</strong>g – e<strong>in</strong>e serielle Kirchenbauproduktion der<br />

Nachkriegszeit. Überlieferte Zeichen e<strong>in</strong>es Neuanfanges nach<br />

dem Zweiten Weltkrieg. In: Denkmalpflege <strong>in</strong> Baden-Württemberg 34.<br />

S. 201–213.<br />

568


Sakralbau<br />

20.9<br />

Teuto Rocholl<br />

Bahā’ī-Haus der Andacht<br />

Hofheim am Taunus, 1960–64<br />

Im 19. Jahrhundert stiftet der aus wohlhabenden<br />

Verhältnissen stammende Perser Bahā’u’llāh e<strong>in</strong>e<br />

nach ihm benannte neue Religion, die das Geme<strong>in</strong>same<br />

aller Menschen und Religionen betont. Unabhängig<br />

von Rasse, sozialer Schicht, Staatsangehörigkeit<br />

und Religion betrachten die Bahā’ī jeden<br />

Menschen als Ausdruck der universellen Liebe und<br />

setzen sich für den Weltfrieden e<strong>in</strong>. Zwischen 1902<br />

und 1908 entsteht im turkmenischen Aschgabat ihr<br />

erstes Haus der Andacht, dem weitere auf verschiedenen<br />

Kont<strong>in</strong>enten folgen.1 Die Häuser stehen allen<br />

Menschen offen und s<strong>in</strong>d Orte des Gebets, der<br />

Meditation und der Bes<strong>in</strong>nung ohne feste Rituale.<br />

Ihre Architektur orientiert sich an den jeweiligen<br />

landschaftlichen und kulturellen Bed<strong>in</strong>gungen.<br />

1964 wird im hessischen Hofheim das europäische<br />

Bahā’ī-Haus der Andacht eröffnet. Das Bauprogramm<br />

schildert der beauftragte Architekt Teuto<br />

Rocholl <strong>in</strong> der Deutschen Bauzeitung: »Die Forderungen<br />

des Bauherrn an den Architekten für die<br />

Gestaltung dieses Tempels waren e<strong>in</strong>e hochaufragende<br />

Kuppel über e<strong>in</strong>em Zentralraum mit neun<br />

symmetrisch angeordneten E<strong>in</strong>gängen, Sitzmöglichkeiten<br />

für etwa 500 Personen und die Bekrönung<br />

der Kuppel mit e<strong>in</strong>er Laterne. Den geistigen Anschauungen<br />

der Baha’i entsprechend sollte e<strong>in</strong> hoher,<br />

lichtdurchfluteter Raum <strong>in</strong> möglichst enger<br />

Be ziehung zur umgebenden Außenwelt geschaffen<br />

werden.«2<br />

Rocholl entwirft e<strong>in</strong>e Kuppel aus 27 gleichartigen<br />

Betonrippen, deren Zwischenräume dünnwandige<br />

Elemente mit rhombenförmigen Glasöffnungen<br />

füllen. Im Zenit der Kuppel ist e<strong>in</strong>e Kalligrafie<br />

mit der Bedeutung »O du, Herrlichkeit des Allherrlichen!«<br />

angebracht. R<strong>in</strong>gs um das Gebäude verläuft<br />

e<strong>in</strong> flacher verglaster Vorbau, der e<strong>in</strong>en allseitigen<br />

Blick <strong>in</strong> die umgebende Naturlandschaft öffnet.<br />

Die neun Zugänge zum Gebäude unterstreichen<br />

den symbolischen Wert der Zahl neun im Bahā’ī-<br />

Glauben. Sie steht für die neun Weltreligionen, wird<br />

als höchste e<strong>in</strong>stellige Zahl mit Perfektion verbunden<br />

und entspricht zugleich der numerisch en Quersumme<br />

des Worts ›Bahā’‹ <strong>in</strong> der persischen Zahlenmystik.<br />

K. B.<br />

1 Vgl. Badiee 1992 2 Rocholl 1963, S. 1038<br />

Literatur<br />

Julie Badiee (1992): An Earthly Paradise. Bahá’í Houses of Worship<br />

around the World. Oxford; Francesco Ficicchia (1981): Der Bahā’ismus.<br />

Weltreligion der Zukunft? Geschichte, Lehre und Organisation <strong>in</strong><br />

kritischer Anfrage. Stuttgart; Manfred Hutter (2009): Handbuch<br />

Bahā’ī. Geschichte – Theologie – Gesellschaftsbezug. Stuttgart; Teuto<br />

Rocholl (1963): Die konstruktive Ausbildung des Baha’i-Tempels<br />

<strong>in</strong> Langenha<strong>in</strong>/Taunus. In: Deutsche Bauzeitung 68. S. 1038–1042;<br />

Udo Schaefer/Nicola Towfigh/Ulrich Gollmer (1995): Des<strong>in</strong>formation<br />

als Methode. Die Bahā’ismus-Monographie des F. Ficicchia.<br />

Hildesheim, Zürich, New York.<br />

569


Borken (<strong>Hessen</strong>)<br />

4.4 Werner Issel/Georg und Walter Kl<strong>in</strong>genberg:<br />

Großkraftwerk Ma<strong>in</strong>-Weser (heute u. a.<br />

Diskothek), Zum Alten Kraftwerk 1<br />

Edertal bei Hemfurth<br />

4.2 Otto Intze: Edertalsperre, Zur Sperrmauer<br />

Eschwege<br />

16.1 Turnhalle, Dünzebacher Straße 2a<br />

Gießen<br />

12.4 Hans Köhler: Universitätsbibliothek<br />

Gießen (heute teilweise umgenutzt),<br />

Bismarckstraße 37<br />

15.2 Ferd<strong>in</strong>and Fellner d. J./Hermann Helmer:<br />

Stadttheater Gießen, Südanlage 1<br />

20.8 Otto Bartn<strong>in</strong>g: Evangelische Pankratiuskapelle,<br />

Georg-Schlosser-Straße 5<br />

Grünberg (<strong>Hessen</strong>)<br />

5.4 Paul Bonatz: Autobahnraststätte Re<strong>in</strong>hardsha<strong>in</strong><br />

(heute Hotel Autobahnmotel<br />

Re<strong>in</strong>hardsha<strong>in</strong> Nord), A 5<br />

Herborn<br />

19.7 Aartalkaserne (heute Gewerbegebiet),<br />

Hohe Straße 700<br />

Her<strong>in</strong>gen (Werra)<br />

13.9 Wilhelm Hugues/Karl Schumann: Mahnmal<br />

Bodesruh, Bodesruh<br />

Hofgeismar<br />

17.3 Naturschutzgebiet Urwald Sababurg,<br />

Gutsbezirk Re<strong>in</strong>hardswald, und Tierpark<br />

Sababurg, Sababurg 1<br />

Kassel<br />

2.5 Otto Haesler/Karl Völker: Altersheim der<br />

Marie-von-Boschan-Aschrott-Altersheim-<br />

Stiftung, Friedrich-Ebert-Straße 178<br />

5.6 Paul Bode/Ernst Brundig: Parkhaus<br />

Centrum-Garagen (heute Parkhaus<br />

Wilhelmsstraße), Neue Fahrt/Gardedu-Corps-Straße<br />

5<br />

7.5 Curt von Brocke: Fabrikbauten für den<br />

Eisenbahn- und Masch<strong>in</strong>enhersteller<br />

Henschel & Sohn (heute verschiedene<br />

Nutzungen), Mittelfeld<br />

10.3 He<strong>in</strong>rich Tessenow: Malwida-von-Meysenbug-Schule<br />

(heute He<strong>in</strong>rich-Schütz-<br />

Schule), Freiherr-vom-Ste<strong>in</strong>-Straße 11<br />

11.7 Paulfriedrich Posenenske: Staatliche<br />

Hochschule für Bildende Künste Kassel<br />

(heute Kunsthochschule Kassel),<br />

Menzelstraße 13<br />

12.1 Emil Hagberg: Murhardsche Bibliothek<br />

(heute Landesbibliothek und Murhardsche<br />

Bibliothek), Brüder-Grimm-Platz 4a<br />

13.2 Wilhelm Kreis/Franz Zahn: Bismarckturm,<br />

Brasselsberg<br />

13.4 Hans Sautter: Ehrenmal an der Schönen<br />

Aussicht, Schöne Aussicht<br />

14.2 He<strong>in</strong>rich von Dehn-Rotfelser: Neue<br />

Gemäldegalerie (heute Neue Galerie),<br />

Schöne Aussicht 1<br />

15.4 Paul Bode: K<strong>in</strong>o Kaskade (heute Biomarkt),<br />

Königsplatz 53<br />

17.6 Hermann Mattern: Bundesgartenschau 1955<br />

(heute Staatspark Karlsaue), Karlswiese<br />

und Auehang<br />

19.4 Kurt Schönfeld/Ernst Wendel: Wehrkreisdienstgebäude<br />

der Deutschen Wehrmacht,<br />

Kommando IX (heute Bundes sozialgericht),<br />

Graf-Bernadotte-Platz 5<br />

20.10 Olaf Andreas Gulbransson: Evangelische<br />

Immanuelkirche, Wißmannstraße 66<br />

Künzell<br />

3.2 Frauensiedlung Loheland, Loheland<br />

Marburg<br />

6.8 Johannes Möhrle: Hauptpost (heute verschiedene<br />

Nutzungen), Zimmermannstraße 2<br />

11.1 Carl Schäfer: Auditoriengebäude (heute<br />

Philipps-Universität Marburg – Alte<br />

Uni versität), Lahntor 3<br />

11.3 Hubert Lütcke: Jubiläumsbau der Universität<br />

Marburg (heute Philipps-Universität<br />

Marburg – Kunstgebäude), Biegenstraße 11<br />

11.8 Helmut Spieker/W<strong>in</strong>fried Scholl:<br />

Chemische Institute der Universität<br />

Marburg, Hans-Meerwe<strong>in</strong>-Straße 4<br />

12.3 Alfred Henrich/Konrad Nonn: Staatsarchiv<br />

Marburg (heute Hessisches Staatsarchiv<br />

Marburg), Friedrichsplatz 15<br />

13.5 Kurt Schmelz: Denkmal für die gefallenen<br />

Jäger von 1914–1918, Ludwig-Schüler-Park<br />

18.4 Mart<strong>in</strong> Spielberg: Universitätskl<strong>in</strong>ik<br />

für Ohren-, Nasen- und Halskrankheiten<br />

(heute verschiedene Institute der Philipps-<br />

Universität Marburg), Deutschhausstraße 3<br />

18.7 Werner Hebebrand/Willi Kle<strong>in</strong>ertz:<br />

Tuberkulose-Sanatorium Sonnenblick<br />

(durch Neubau Kl<strong>in</strong>ik Sonnenblick<br />

ersetzt), Amöneburger Straße 1–6<br />

Neustadt (<strong>Hessen</strong>)<br />

3.5 Karl Rumpf/Karl Ludwig Groth: WASAG-<br />

Siedlungen Am Steimbel, Emil-Rössler-<br />

Straße, und Graf-Spee-Straße, Graf-Spee-<br />

Straße<br />

19.5 Ra<strong>in</strong>er Schell/Ernst Balser: Ernst-<br />

Moritz-Arndt-Kaserne (heute Hessische<br />

Erst aufnahmee<strong>in</strong>richtung), Niederkle<strong>in</strong>er<br />

Straße 21<br />

Rasdorf<br />

19.6 Po<strong>in</strong>t Alpha (heute Gedenkstätte Po<strong>in</strong>t<br />

Alpha), Platz der deutschen E<strong>in</strong>heit 1,<br />

36419 Geisa<br />

19.7<br />

Herborn<br />

Stadtallendorf<br />

8.4 Verwaltungsgebäude der Dynamit Nobel AG<br />

(heute Dokumentations- und Informa tionszentrum<br />

Stadtallendorf), Aufbauplatz 4<br />

Wetzlar<br />

8.5 Ludwig Leitz/Friedrich Groß/Otto Keune:<br />

Verwaltungsgebäude der Firma Leitz<br />

(heute Rathaus), Ernst-Leitz-Straße 30<br />

20.6 Hermann Bill<strong>in</strong>g d. J./Emil Kleemann/<br />

Theodor Golder: Totenfeierhalle mit<br />

Krematorium, Alter Friedhof, Frankfurter<br />

Straße 38<br />

Witzenhausen<br />

1.4 Richard Riemerschmid: Landhaus<br />

Fritz Frank, Am Johannisberg 2<br />

LAHN<br />

EDER<br />

6.8<br />

11.3<br />

11.8<br />

18.4<br />

11.1<br />

Marburg<br />

12.3<br />

13.5<br />

18.7<br />

12.4<br />

5<br />

570<br />

45<br />

8.5<br />

20.6<br />

Wetzlar<br />

15.2 20.8<br />

Gießen


<strong>Hessen</strong> (nördlicher Teil)<br />

WESER<br />

17.3<br />

Hofgeismar<br />

44<br />

Kassel<br />

7<br />

2.5 5.6 7.5 11.7<br />

1.4<br />

Witzenhausen<br />

13.2<br />

13.4 14.2 15.4<br />

WERRA<br />

10.3<br />

12.1<br />

17.6<br />

4.2<br />

Edertal<br />

49<br />

19.4<br />

20.10<br />

16.1<br />

Eschwege<br />

4.4<br />

Borken (<strong>Hessen</strong>)<br />

7<br />

19.5<br />

4<br />

13.9<br />

Her<strong>in</strong>gen (Werra)<br />

3.5<br />

8.4<br />

Neustadt (<strong>Hessen</strong>)<br />

Stadtallendorf<br />

5<br />

FULDA<br />

19.6<br />

Rasdorf<br />

7<br />

5.4<br />

Grünberg (<strong>Hessen</strong>)<br />

3.2<br />

Künzell<br />

571


45<br />

NIDDA<br />

7.8<br />

Limburg an der Lahn<br />

5<br />

4.1 18.3<br />

16.8<br />

Bad Nauheim<br />

10.1<br />

Friedberg (<strong>Hessen</strong>)<br />

1.10<br />

Altenstadt<br />

572<br />

RHEIN<br />

13.1<br />

Rüdesheim am Rhe<strong>in</strong><br />

Altenstadt<br />

1.10 Wolfgang Feierbach: Kunststoffhaus<br />

fg 2000, Industriestraße 6<br />

Bad Homburg vor der Höhe<br />

1.9 Hans Scharoun: Haus Tormann,<br />

Schillerstraße 29<br />

20.2 Max Spitta/Franz Schwechten: Evangelische<br />

Erlöserkirche, Dorotheenstraße 1<br />

Bad Nauheim<br />

4.1 Wilhelm Jost: Staatliche Masch<strong>in</strong>enzentrale,<br />

Fernheizwerk und Eisfabrik,<br />

Am Goldste<strong>in</strong> 5<br />

16.8 Hanns Ostler: Colonel-Knight-Stadion,<br />

Nördlicher Park 18<br />

18.3 Wilhelm Jost: Neue Kuranlagen,<br />

Nördlicher Park 3<br />

Bad Schwalbach<br />

18.5 Wilhelm Kreis: Staatliches Kurhotel<br />

(heute Eden Parc Hotel), Am Alleesaal 2<br />

Biblis<br />

4.8 He<strong>in</strong>rich Mandel: Kernkraftwerk Biblis,<br />

Kraftwerkstraße<br />

Bischofsheim (Ma<strong>in</strong>spitze)<br />

20.5 Dom<strong>in</strong>ikus Böhm: Katholische Christkönigskirche,<br />

Hochheimer Straße 3<br />

Darmstadt<br />

1.2 Peter Behrens: Haus Peter Behrens,<br />

Alexandraweg 17<br />

1.7 Fritz August Breuhaus: Haus Alexander<br />

Koch, Annastraße 25<br />

2.6 Ernst Neufert: Ledigenwohnheim (heute<br />

Wohnhaus), Pützerstraße 6<br />

18.5<br />

Bad Schwalbach<br />

66<br />

3<br />

4.8<br />

Biblis<br />

2.8<br />

67<br />

10.8<br />

5.5<br />

1.9<br />

10.5<br />

10.7<br />

20.2<br />

14.3 14.5 16.6<br />

3.1 5.2 6.4<br />

9.4<br />

Pfungstadt<br />

Bad Homburg vor der Höhe<br />

3.8 Oberursel (Taunus)<br />

Kronberg im Taunus<br />

Königste<strong>in</strong> im Taunus<br />

1.8 6.5 7.2<br />

1.1 15.5<br />

661<br />

66<br />

11.2 19.2<br />

1.3 1.5 9.5<br />

Sulzbach (Taunus)<br />

Hanau<br />

12.2 14.6<br />

9.8<br />

Frankfurt am Ma<strong>in</strong><br />

16.7 18.1 18.2<br />

20.9<br />

Offenbach am Ma<strong>in</strong><br />

Wiesbaden<br />

Hofheim am Taunus<br />

5.3 6.6 7.4<br />

66<br />

15.8<br />

5<br />

8.1 13.6 17.4<br />

7.6<br />

661<br />

3<br />

20.5 Rüsselsheim am Ma<strong>in</strong><br />

Bischofsheim<br />

Mörfelden-Walldorf<br />

(Ma<strong>in</strong>spitze)<br />

3.6<br />

1.2 1.7 2.6 10.6 13.3<br />

3.1 Friedrich Pützer (Bebauungsplan): Paulusviertel,<br />

zwischen He<strong>in</strong>richstraße, Nieder-<br />

Ramstädter Straße, Ste<strong>in</strong>bergweg/Seekatzstraße<br />

und Klappacher Straße/Karlstraße<br />

5.2 Friedrich Pützer: Hauptbahnhof Darmstadt,<br />

Am Hauptbahnhof 20<br />

6.4 Peter Grund: US-amerikanisches Kreisamt<br />

(John-F.-Kennedy-Haus) (heute Literaturhaus<br />

Darmstadt), Kas<strong>in</strong>ostraße 3<br />

67<br />

5<br />

Darmstadt<br />

10.2<br />

11.5<br />

MAIN<br />

18.8<br />

7.1 7.3 9.2<br />

16.2<br />

Seeheim-Jugenheim<br />

20.1<br />

Heppenheim (Bergstraße)<br />

4.5<br />

Hirschhorn<br />

(Neckar)<br />

45


FULDA<br />

<strong>Hessen</strong> (südlicher Teil)<br />

19.3<br />

Gelnhausen<br />

KINZIG<br />

7.1 Joseph Maria Olbrich: Ernst-Ludwig-Haus<br />

(heute Museum Künstlerkolonie),<br />

Olbrichweg 13a<br />

7.3 Friedrich Pützer/He<strong>in</strong>rich Walbe/<br />

Eugen Seibert: Gebäude der Firma Merck,<br />

Frankfurter Straße 250<br />

9.2 Karl Klee/Josef R<strong>in</strong>dsfüßer/Mart<strong>in</strong> Kühn:<br />

Damenkonfektions- und Manufakturwarengeschäft<br />

Gebr. Rothschild (heute Kaufhaus<br />

Henschel), Marktplatz 2<br />

9.4 Eugen Seibert/Georg Markwort:<br />

Miele-Haus (heute Geschäftshäuser),<br />

Poststraße 7, 9, 11 und 13<br />

10.6 Max Taut: Ludwig-Georgs-Gymnasium,<br />

Nieder-Ramstädter Straße 2<br />

10.7 Hans Schwippert: Georg-Büchner-Schule,<br />

Nieder-Ramstädter Straße 120<br />

11.5 Ernst Neufert: Wasserbauhalle der<br />

Technischen Hochschule Darmstadt<br />

(heute Ernst-Neufert-Halle der Technischen<br />

Universität Darmstadt), Rundeturmstraße 1<br />

13.3 Joseph Maria Olbrich: Hochzeitsturm,<br />

Olbrichweg 11<br />

14.3 Alfred Messel: Großherzoglich Hessisches<br />

Landesmuseum (heute Hessisches Landesmuseum<br />

Darmstadt), Friedensplatz 1<br />

14.5 Joseph Maria Olbrich: Städtisches<br />

Ausstellungsgebäude, Sabaisplatz 1<br />

16.2 August Buxbaum: Hallenschwimmbad (heute<br />

Jugendstilbad Darmstadt), Mercksplatz 1<br />

16.6 Karl Roth: Hochschulstadion,<br />

Lichtwiesenweg 3<br />

18.8 Otto Bartn<strong>in</strong>g/Otto Dörzbach: Frauenkl<strong>in</strong>ik<br />

(heute Kl<strong>in</strong>ikum Darmstadt, Gebäude 2),<br />

Grafenstraße 9<br />

20.1 Leonti Benua: Russische Kapelle St. Maria<br />

Magdalena, Nikolaiweg 18<br />

Friedberg (<strong>Hessen</strong>)<br />

10.1 Franz Thyriot: August<strong>in</strong>erschule,<br />

Goetheplatz 4<br />

Gelnhausen<br />

19.3 Heeresbauamt Gießen: Herzbachkaserne<br />

(heute verschiedene Nutzungen), Vor der<br />

Kaserne<br />

Hanau<br />

11.2 Julius Carl Raschdorff: Zeichenakademie<br />

(heute Staatliche Zeichenakademie Hanau),<br />

Akademiestraße 52<br />

19.2 Yorckhof (heute Yorckhof Stadtvillen),<br />

Chemnitzer Straße 1–17<br />

Heppenheim (Bergstraße)<br />

10.2 He<strong>in</strong>rich Metzendorf: Odenwaldschule<br />

(heute Wohnpark Ober-Hambach),<br />

Odenwaldschule 1<br />

Hirschhorn (Neckar)<br />

4.5 Paul Bonatz: Wasserkraftwerk, Ersheimer<br />

Straße<br />

Hofheim am Taunus<br />

20.9 Teuto Rocholl: Bahā’ī-Haus der Andacht,<br />

Eppste<strong>in</strong>er Straße 89<br />

Königste<strong>in</strong> im Taunus<br />

1.1 Franz von Hoven: Villa Andreae,<br />

Johann-H<strong>in</strong>rich-Wichern-Straße 4<br />

15.5 Hans Busch: Haus der Begegnung,<br />

Bischof-Kaller-Straße 3<br />

Kronberg im Taunus<br />

2.8 Walter Schwagenscheidt/Tassilo<br />

Sittmann: Schwesternwohnheim (heute<br />

Wohnhaus und K<strong>in</strong>dertagesstätte),<br />

Walter-Schwagenscheidt-Straße 13<br />

3.8 Rudolf Kramer/Dieter Rams: Siedlung Roter<br />

Hang, Am Roten Hang – Schirnbornweg –<br />

Kellergrundweg – Am Forsthaus – Viktoriastraße<br />

Limburg an der Lahn<br />

7.8 Marcel Breuer: Firmengebäude der Mundipharma<br />

GmbH, Mundipharmastraße 2<br />

Mörfelden-Walldorf<br />

3.6 Richard Neutra: Bewobau-Siedlung<br />

Gartenstadt, Fasanenweg – Drosselweg –<br />

Meisenweg – F<strong>in</strong>kenweg – Amselweg<br />

Oberursel (Taunus)<br />

10.8 Hans Heidenreich/Michael Polensky/<br />

Re<strong>in</strong>hard Vogel/Helmut Zeumer: Schulzentrum<br />

Oberursel (heute Hochtaunusschule),<br />

Bleibiskopfstraße 1<br />

Offenbach am Ma<strong>in</strong><br />

5.3 Ernst de la Sauce/Franz Schenck:<br />

Empfangsgebäude des Hauptbahnhofs<br />

Offenbach, Bismarckstraße 146<br />

6.6 Wolf Maier/Re<strong>in</strong>er Graf/Max Speidel/<br />

Hans Wolz: Rathaus Offenbach, Berl<strong>in</strong>er<br />

Straße <strong>100</strong><br />

7.4 Philipp Forster II.: Fabrikations- und<br />

Bürogebäude der Lederwarenfabrik<br />

Ludwig Krumm (heute Bürgerbüro Stadt<br />

Offenbach a. M.), Kaiserstraße 39<br />

8.1 Hugo Eberhardt: Verwaltungsgebäude<br />

der Gebrüder Heyne GmbH (heute verschiedene<br />

Nutzungen), Ludwigstraße 178<br />

13.6 Hugo Eberhardt: Gefallenendenkmal,<br />

Leonhard-Eißnert-Park<br />

17.4 Ferd<strong>in</strong>and Tutenberg/Leonhard Eißnert/<br />

Oskar Gutsche: Waldpark am Bieberer<br />

Berg (heute Leonhard-Eißnert-Park)<br />

Pfungstadt<br />

5.5 Ernst Neufert: Tankstellen, Rasthäuser<br />

und Motel an der A 67, Pfungstadt Ost und<br />

Pfungstadt West<br />

Rüdesheim am Rhe<strong>in</strong><br />

13.1 Johannes Schill<strong>in</strong>g/Karl Weißbach:<br />

Niederwalddenkmal, Tempelweg<br />

Rüsselsheim am Ma<strong>in</strong><br />

7.6 Paul Meißner: Fabrikgebäude der Adam<br />

Opel AG (heute u. a. Opel-Forum),<br />

Bahnhofsplatz 1<br />

15.8 Dietrich Hirsch: Stadttheater Rüsselsheim,<br />

Am Treff 7<br />

Seeheim-Jugenheim<br />

10.5 Gerhard Weber/Günther Gottwald/Carl<br />

Otto Vorländer: Schuldorf Bergstraße,<br />

Sandstraße<br />

Sulzbach (Taunus)<br />

9.8 Paul Schwebes/Hans Schoszberger: Ma<strong>in</strong>-<br />

Taunus-Zentrum, Ma<strong>in</strong>-Taunus-Zentrum<br />

Wiesbaden<br />

1.3 Paul Schultze-Naumburg: Schloss<br />

Freudenberg, Freudenbergstraße 226<br />

1.5 Ludwig Mies van der Rohe/Gerhard<br />

Severa<strong>in</strong>: Haus Ryder, Schöne Aussicht 20<br />

1.8 Marcel Breuer: Haus Harnischmacher I,<br />

Schöne Aussicht 55 (weitgehend zerstört),<br />

und Haus Harnischmacher II, Schöne<br />

Aussicht 53<br />

6.5 Herbert Rimpl: Hauptgebäude des<br />

Bundeskrim<strong>in</strong>alamts, Thaerstraße 11<br />

7.2 Paul Bonatz: Gebäude der Sektkellerei<br />

Henkell & Co., Biebricher Allee 142<br />

9.5 Johann Wilhelm Lehr: Sporthaus Schaefer<br />

(heute Jack Wolfsk<strong>in</strong> Store), Langgasse 17<br />

12.2 Bruno Engels: Nassauische Landesbibliothek<br />

(heute Hochschul- und Landesbibliothek<br />

Rhe<strong>in</strong>Ma<strong>in</strong>), Rhe<strong>in</strong>straße 55/57<br />

14.6 Theodor Fischer: Museum Wiesbaden –<br />

Hessisches Landesmuseum für Kunst und<br />

Natur, Friedrich-Ebert-Allee 2<br />

16.7 Franz Schuster/Edmund Fabry/Friedrich<br />

Wilhelm Hirsch: Opelbad, Neroberg 2<br />

18.1 Philipp Hoffmann: Kaiser-Wilhelms-<br />

Heilanstalt (heute Hessischer Rundfunk),<br />

Schlossplatz 3<br />

18.2 Friedrich von Thiersch: Kurhaus,<br />

Kurhausplatz 1<br />

573


Wohnhaus

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!