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4 20./21. JULI 2019<br />
Fortsetzung vonSeite 3<br />
als eine Mischung aus nassem Hund und<br />
faulen Eiern.<br />
Daseinzige,was der Nasa Sorgen machte,<br />
war die Sonde Luna 15, die kurzvor Apollo 11<br />
in eine Mondbahn eingeschwenkt war.Ineinem<br />
letzten Versuch, den Amerikanernnoch<br />
irgendwie die Schau zu stehlen, hatten die<br />
Sowjets ein kleines unbemanntes Raumschiff<br />
ins All geschossen, das auf dem Mond<br />
eine Bodenprobe nehmen sollte, umsie zur<br />
Erde zurückzubringen. Doch die Mission<br />
scheiterte,wie so viele davor.Am3.Juli 1969,<br />
zwei Wochen vor dem Start von Apollo 11,<br />
war die gigantische Mondrakete N1 in Baikonur<br />
bei einem Test Sekunden nach dem Start<br />
explodiert. Vonden Misserfolgen der sowjetischen<br />
Raumfahrt sollte die Öffentlichkeit<br />
erst in den Zeiten der Perestroika erfahren.<br />
BEIM LANDEANFLUG in der MondfähreEagle<br />
stehen Armstrong und Aldrin nebeneinander.<br />
Jeder hat so viel Platz wie in einer Telefonzelle,<br />
die Außenhaut der Kabine ist dünn<br />
wie Zeltbahn. Bei jeder Bewegung in ihrer<br />
sperrigen Montur müssen sie darauf achten,<br />
kein Loch zu reißen. Zum Schluss wird es<br />
doch noch dramatisch. Der Autopilot lenkt<br />
die Eagle an den Rand eines Kraters, Felsen<br />
verstellen die angepeilte Position. In diesem<br />
Moment beweist Armstrong seine ganze<br />
Coolness.Dafür hat er monatelang im Simulator<br />
trainiert. Er übernimmt die Handsteuerung<br />
und sucht einen sicheren Landeplatz.<br />
Weniger als eine Minute bleibt ihm noch, bevorder<br />
Treibstoff zur Neige geht. Wenige Meter<br />
über der Mondoberfläche wirbelt die<br />
Schubdüse Staub auf und trübt den Blick auf<br />
den Landepunkt im Mare Tranquillitatis,<br />
dem Meer der Stille. Noch dreißig Sekunden<br />
Sprit. Die Fähre driftet hin und her. Dann<br />
setzt der Adler auf, so sanft, dass die Astronauten<br />
es kaum merken. Am 20 Juni, um<br />
21.17 Uhr Mitteleuropäischer Zeit, meldet<br />
Neil Armstrong: „Houston, hier Tranquility<br />
Base.Der ,Adler‘ ist gelandet.“<br />
Ich denke oft an Michael Collins, wie er in der<br />
Columbia sitzt. Ich frage mich, ob irgendjemand<br />
auf der Erde jemals einsamer war –in<br />
dieDunkelheit starrend, den Mond allein umkreisend,<br />
die Sterne zählend, eine Viertelmillion<br />
Meilen weit wegvon zu Hause.“Soheißt es im Song<br />
des britischen Musiker-Duos The Boy Least Likely.<br />
DerSong entstand 2013 und ist nicht der einzige,der<br />
Michael Collins gewidmet ist. Unter anderem hat<br />
ihn auch die Band JethroTullbesungen.<br />
Dennoch müssen wohl die meisten Menschen<br />
passen, wenn sie gefragt werden, wie der dritte<br />
Mann von Apollo 11 hieß. Während Neil Armstrong<br />
und Buzz Aldrin –die beiden ersten Menschen auf<br />
dem Mond –weithin bekannt sind, ist Michael Collins<br />
als der„vergessene Astronaut“ in die Geschichte<br />
der Raumfahrt eingegangen.<br />
Und das begann schon bei der Mondlandung<br />
selbst, als der amerikanische Präsident Richard<br />
Nixonam20. Juli 1969–in Europa waresschon der<br />
21. Juli –live vom Weißen Haus zu den Astronauten<br />
auf dem Mond geschaltet wurde. „Hello, Neil and<br />
Buzz. Ich rede zu Ihnen per Telefon aus dem Oval<br />
Room des Weißen Hauses“, sagte Nixon. „Für einen<br />
unbezahlbaren Moment in der gesamten Geschichte<br />
des Menschen sind alle Menschen auf dieser Erde<br />
wirklich eins –eins in ihremStolz aufdas,was Siegetanhaben;<br />
und eins in unseren Gebeten, dass Siesicher<br />
auf die Erde zurückkehren.“ MitkeinemWort erwähnte<br />
Nixon jenen dritten Astronauten, Michael<br />
Collins,der während des Lande-Abenteuers mit dem<br />
Kommandomodul Columbia den Mond umkreiste.<br />
DABEIHATTE COLLINS EINEN ENTSCHEIDENDEN AN-<br />
TEIL daran, dass die Landung auf dem Mond überhaupt<br />
gelingen konnte.1930 als Sohn eines amerikanischen<br />
Militärattachés in Rom geboren, studierte<br />
Collins an der Militärakademie inWest Pointund ging<br />
zur US-Luftwaffe –als Kampfjet-Pilot, Ausbilder und<br />
Testpilot. 1963 gelang es ihm, indie dritte Astronautengruppe<br />
der Nasa aufgenommen zu werden. Im<br />
Gemini-Programm trainierte er intensiv die komplizierten<br />
Kopplungs- und Andockmanöver, die für die<br />
Mond-Mission notwendig waren. Collins war der<br />
erste Astronaut, der während eines Fluges zweimal<br />
das Raumschiff verließ undsich im Weltraum voneinem<br />
Flugkörper zum anderen bewegte –und zwar zu<br />
einerSonde,die das Raumschiff zurKopplung angeflogen<br />
hatte.<br />
DieNasanominierte Collins für ein Apollo-Raumschiff,<br />
das Ende 1967 starten sollte.Doch einUnglück<br />
durchkreuzte alle Pläne. Bei der Katastrophe von<br />
Apollo1verbrannten im Januar 1967 drei Astronauten<br />
in ihrer Raumkapsel. Es war nur ein Test, der aber<br />
gründlich schiefging. Das Apollo-Programm wurde<br />
daraufhin verändert. Nun sollte Collins mit Apollo 8<br />
ins All fliegen und zum ersten Malden Mond umkrei-<br />
DerVergessen<br />
Während zwei Männer den Mond betraten und berühmt wurden, um<br />
dritter in großer Einsamkeit den Erdtrabanten –sein Name ist Mich<br />
VonTorsten Harmsen<br />
Der Astronaut Michael Collins beim Training im Apollo-Kommandomodul. Mit diesem umkreiste er viele Male einsam den Mond.<br />
Kam mit Apollo 15 zum Mond: Die Mini-<br />
Skulptur „Fallen Astronaut“ erinnertan<br />
die zu Tode gekommenen Raumfahrer. NASA<br />
Eigentlich war nun eine Ruhephase eingeplant,<br />
doch die Astronauten sind viel zu<br />
aufgeregt und ändern den Ablauf. Sie bereiten<br />
sich auf den Ausstieg vor, was aufgrund<br />
des beengten Platzes viel Zeit in Anspruch<br />
nimmt. In ihren aufgeblasenen Anzügen<br />
brauchen sie allein drei Stunden zum Anlegen<br />
ihrer Tornister,Helme und Handschuhe.<br />
In Europa war längst der Morgen des 21. Juli<br />
angebrochen, als Neil Armstrong schließlich<br />
–die rechte Hand an der Leiter –den linken<br />
Fußvorstreckt und den Mond betritt. „That’s<br />
one small step for man, one giant leap for<br />
mankind.“ Ein kleiner Schritt für den Menschen,<br />
ein großer Schritt für die Menschheit.<br />
Der Satz war Armstrong angeblich beim<br />
Üben am Boden in den Sinn gekommen.<br />
„Was soll man schon sagen, wenn man etwas<br />
betritt? Irgendwas über einen Schritt.“<br />
Sechzehn Minuten nach dem Kommandanten<br />
folgt ihm Buzz Aldrin. Gemeinsam<br />
sammeln sie 21,7 Kilogramm Gestein, machen<br />
Fotos, auf denen allerdings nur Aldrin<br />
zu sehen ist, und stellen Instrumente auf. Als<br />
sie nach zweieinhalb Stunden in die Fähre<br />
zurückkehren, zieht Aldrin, schon auf der<br />
Leiter stehend, ein kleines Päckchen aus seiner<br />
Schultertasche und lässt es auf dem<br />
Mond zurück. Darin befinden sich das Emblem<br />
der Mission Apollo 1, bei deren Vorbereitung<br />
drei Astronauten ihr Leben verloren<br />
hatten, und zwei Medaillen für die tödlich<br />
verunglückten Kosmonauten Juri Gagarin<br />
und Wladimir Komarow. Und als Armstrong<br />
nach der Rückkehr zur Erde später das Sternenstädtchen<br />
bei Moskau besucht, trifft er<br />
sich mit den Witwen der toten Raumfahrer.<br />
Als Gastgeschenk hat er eine sowjetische<br />
Fahne dabei, die mit zum Mond geflogen<br />
war.Das ist nicht nur eine freundliche Geste.<br />
Sieger und Verlierer beim Wettlauf zum<br />
Mond trennt weniger als gedacht. Siewissen,<br />
wie kostbar das Leben auf der Erde ist.<br />
Frank Junghänel<br />
hat in den Jahren der Mondlandungen<br />
tagelang vordem Fernseher gehockt.<br />
Die erste Frau und der nächste Mann auf<br />
dem Mond werden amerikanische Astronauten<br />
sein.“ Mit diesem Statement<br />
überraschte Ende Märzdieses Jahres der<br />
amerikanische Vizepräsident Mike Pence die Zuhörer<br />
des National Space Council in Huntsville, Alabama.<br />
Und das müsse vor Ablauf des Jahres 2024<br />
passieren. Diese programmatische Ankündigung<br />
sollte natürlich an Kennedys Rede erinnern, mit der<br />
dieser 1961 das Mondlandeprogramm einleitete.Damals<br />
war der Wettlauf zum Mond durch die Konkurrenz<br />
mit der Sowjetunion motiviert. Heute geht es erneut<br />
um die zukünftige technologische Vorherrschaft,<br />
doch jetzt heißt der Kontrahent China. Undes<br />
geht um neue Ziele der bemannten Raumfahrtnach<br />
der Ärader Internationalen Raumstation ISS.<br />
VorTrump haben schon zwei andere amerikanische<br />
Präsidenten eine Rückkehr zum Mond angekündigt:<br />
George Bush Senior verkündete 1989 ein<br />
Programm zu Mond und Mars, doch als die Kosten<br />
von 500 Milliarden Dollar zur Sprache kamen, war<br />
das Projekt umgehend gestorben. 2004 beauftragte<br />
dessen Sohn George W. Bush die Nasa mit der Entwicklung<br />
eines großen Programms namens Constellation<br />
zur bemannten Erforschung von Mond und<br />
Mars. Sechs Jahre später beendete sein Nachfolger<br />
Barack Obama das ehrgeizige Unternehmen. Jetzt<br />
gibt es einen neuerlichen Anlauf.<br />
INDIEN, KOREA, JAPAN UND RUSSLAND planen Sonden,<br />
doch der größte Coup ist China im Januar 2019<br />
mit der erstmaligen Landung eines Fahrzeugs auf<br />
der Rückseite des Mondes gelungen. Es war die<br />
Sonde Chang’e 4, benannt nach der chinesischen<br />
Mondgöttin. Ein solches Unterfangen erfordert besonderetechnische<br />
Anforderungen, weil hinter dem<br />
Mond kein Funkkontakt mit der Erde besteht. Aus<br />
diesem Grund hatte die Chinesen einen Relaissatelliten<br />
so positioniert, dass er die Rückseite des Mondes<br />
und die Erde gleichzeitig imVisier hatte.Voraussichtlich<br />
werden auch Sonden aus dem Reich der Mitte<br />
weiter vorherrschen. Biszum Ende des Jahres soll die<br />
Sonde Chang’e 5starten und im Meer der Stürme<br />
landen. Dortsoll ein Bohrer Proben aus zwei Metern<br />
Tiefe holen, eine Rückkehrsonde bringt sie dann zur<br />
Erde –erstmals seit mehr als vier Jahrzehnten. Geplant<br />
sind zwei Nachfolgemissionen, die ebenfalls<br />
Mondgestein in heimische Laborebringen sollen.<br />
Von der Analyse der Proben erhoffen sich Forscher<br />
weitere Aufschlüsse über die Entstehung des<br />
Mondes. Zwar haben die Apollo-Astronauten insgesamt<br />
382 Kilogramm Gestein mitgebracht, aber nur<br />
von sechs Stellen. Daraus ergibt sich noch kein Ge-<br />
Lunar Gateway, eine Raumstation in der Mondumlaufbahn, geplant von der Nasa. Sie soll mehreren Nationen als Plattformdienen.<br />
DieRückkehr zumM<br />
Vorallem dertechnologische Wettstreit zwischen China und den U<br />
neue Missionen. Auch die Europäer sind dabei<br />
samtbild. DieLandegebiete vonChang’e 6und 7sind<br />
von besonderem Interesse. Sie befinden sich in der<br />
Südpolregion im Aitken-Becken, das mit 2240 Kilometern<br />
Durchmesser größer als Indien ist. Es entstand,<br />
als in einer frühen Phase des Mondes ein riesiger<br />
Meteorit die Kruste durchschlug. Das bietet die<br />
Möglichkeit, dort etwa 13 Kilometer tief in den<br />
Mondkörper hineinzuschauen.<br />
Vor allem aber gibt es schon seit vielen Jahren<br />
Hinweise darauf, dass in einigen Gebieten des Aitken-Kraters<br />
Wassereis existiert. Möglich ist dies nur<br />
am Boden vonKratern, deren hohe Wände nie einen<br />
Lichtstrahl dort hingelangen lassen. Dort herrscht<br />
permanent eine Temperatur um minus 185 Grad<br />
VonThomas Bührke<br />
Celsius.Wassereis böte eventuell die Möglichkeit, es<br />
als Trinkwasser oder den daraus zu gewinnenden<br />
Wasserstoff und Sauerstoff als Treibstoff zu verwenden.<br />
Bislang weiß aber niemand, wie viel Eis esdort<br />
gibt und wie es vorliegt. Vermutlich ist es im Boden<br />
vergraben. Ende Juni hat die Nasa eine Mission namens<br />
Trailblazer ausgewählt, die aus der Umlaufbahn<br />
nach Wasser im Mondboden suchen soll.<br />
Gleichzeitig ließe sich am Südpol ein anderes<br />
Problem für spätere Astronauten lösen. Auf dem<br />
Mond dauern Tag und Nacht jeweils 14 Erdtage. In<br />
der Nacht müsste also eine zukünftige Mondbasis<br />
geheizt werden. Ein schwieriges Problem. Lösen<br />
ließe es sich mit einer Station auf dem Rand eines ho-<br />
Rover der chine<br />
det auf der Mon