akzent Magazin August '19 GB
akzent – DAS GRÖSSTE LIFESTYLE- & VERANSTALTUNGSMAGAZIN VOM BODENSEE BIS OBERSCHWABEN www.akzent-magazin.com
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SEE-LEUTE<br />
<strong>akzent</strong>: Seitdem du ein Kind warst, interessierst du dich<br />
für Haie. Wie kamst du mit dem in Zürich geborenen führenden<br />
Haiforscher Dr. Erich Ritter in Kontakt?<br />
Andy Dellios: Ende der 1990er-Jahre habe ich Vorträge<br />
von ihm besucht und so erste Kontakte geknüpft. 2005<br />
haben wir uns auf einem Interaktionskurs in Südafrika<br />
näher kennengelernt, wo wir mit Weißen Haien getaucht<br />
sind. Von da an waren wir weltweit gemeinsam tauchen<br />
und seit circa drei Jahren arbeiten wir eng zusammen.<br />
Mittlerweile führen wir auch erfolgreich die neue Organisation<br />
„SharkSchool-Teaching“ und ich bin sehr stolz<br />
darauf, mit ihm zusammenzuarbeiten. Er ist wirklich eine<br />
Koryphäe unter den Haiforschern und taucht seit 40 Jahren<br />
mit ihnen, um sie zu studieren und kennenzulernen. In<br />
seiner Forschung werden die Tiere nicht berührt, sondern<br />
genauestens beobachtet, und man tritt mit ihnen in Interaktion.<br />
Da kann es auch mal passieren, dass wir sie etwas<br />
in die Enge treiben, um herauszufinden, wann ein Tier sich<br />
überwindet, sich zu wehren – so eine Situation haben wir<br />
aber tatsächlich noch nie erlebt. Ich glaube, in den meisten<br />
Fällen sind die Tiere einfach neugierig und verwundert<br />
und gar nichts anderes. Wir versuchen gemeinsam, genau<br />
diesen Sachverhalt zu zeigen, dass es sich um wilde, jedoch<br />
per se nicht um gefährliche Tiere handelt, sondern dass<br />
wir es sind, die gefährliche Situationen erzeugen – und das<br />
ist ein riesiger Unterschied.<br />
<strong>akzent</strong>: Habt ihr gemeinsam schon viele neue Erkenntnisse<br />
über Haie sammeln können?<br />
Andy Dellios: Wir entdecken immer wieder neue Eigenschaften<br />
und Fähigkeiten. So zum Beispiel den gewollten<br />
Zahnverlust, den ich erstmals filmen konnte und zu dem<br />
wir ein wissenschaftliches Papier veröffentlicht haben. Es<br />
scheint, dass Haie willentlich Zähne abstoßen können. Sie<br />
scheinen dabei sowohl den Wasserdruck, der durch die<br />
Fortbewegung entsteht, als auch die Beweglichkeit des<br />
Gewebes, das den Sockel des Zahnes umfasst, zu nutzen.<br />
Aber was noch interessanter ist, ist die Frage, wie das Tier<br />
weiß, dass ein Zahn abgestoßen werden muss. Über solche<br />
Dinge und andere Forschungsergebnisse von uns informieren<br />
wir auch in unserer SharkSchool.<br />
<strong>akzent</strong>: Was genau ist die SharkSchool und was möchtet<br />
ihr mit ihr bewirken?<br />
Andy Dellios: Die SharkSchool basiert auf zwei Säulen: Zum<br />
einen ist da die Forschung, zum anderen möchten wir den<br />
Menschen die Sprache der Haie näherbringen. Wir wollen<br />
den Menschen die Angst vor den Tieren nehmen und zeigen,<br />
dass wir mit diesen Tieren nicht nur interagieren, sondern<br />
geradezu kommunizieren können. Haie sind hochgeniale<br />
Lebewesen, die von der Natur perfekt entwickelt wurden<br />
und eine extrem wichtige Stufe im Meer einnehmen: Haie<br />
regulieren die unterschiedlichsten Nahrungsketten, aber sie<br />
zerstören nicht (ähnlich übrigens dem Wolf, der jetzt wieder<br />
verstärkt in unserer Gegend auftritt). Diese Topräuber sind<br />
für das Überleben der Menschen elementar! Bedenkt<br />
man, dass Haie nach wie vor die häufigsten Raubtiere<br />
über 50 kg auf unserem Planeten darstellen,<br />
kann man ihre Wichtigkeit nur erahnen.<br />
Je optimierter Haie ihre Funktion wahrnehmen<br />
können, desto optimaler ist auch die Biodiversität!<br />
Vor allem für Taucher ist es wichtig, das Verhalten der Haie<br />
richtig zu deuten. Was bedeutet es, wenn ein Hai mit einem<br />
geschlossenen Maul an einen Taucher heranschwimmt?<br />
Was möchte er ausdrücken, wenn er die Flossen nach unten<br />
drückt? Genau darauf geben wir Antworten.<br />
<strong>akzent</strong>: Oft heißt es, Surfer werden angegriffen, weil Haie<br />
sie mit ihren Beutetieren, den Robben, verwechseln würden.<br />
Was ist da dran?<br />
Andy Dellios: Unter Experten ist schon lange bekannt, dass<br />
dies nicht zutrifft. Denn wie dumm wäre das Tier, das nach<br />
fünfzehn Millionen Jahren Co-Evolution seine Leibspeise<br />
nicht erkennt? Aber wissenschaftlich bewiesen hat dies erst<br />
mein Kollege Dr. Erich Ritter. Er hat eine Vielzahl von Surfunfällen<br />
mit Weißen Haien untersucht, die sich über eine<br />
Zeitspanne von fünfzig Jahren vor der Westküste der USA<br />
ereigneten. Dabei hat er sowohl die Bissintensität festgehalten<br />
als auch die Tiergröße aufgrund der Bissdimensionen<br />
berechnet. Um die Bissintensität zu quantifizieren, hat<br />
er eine 6-stufige Kategorisierung erstellt. Das Entscheidende<br />
war, dass diese Kategorisierung sowohl auf Wunden als<br />
auch auf Brettschäden angewendet werden konnte. Eine<br />
Notwendigkeit, bedenkt man, dass die kreierte Silhouette<br />
sowohl aus menschlichen wie auch materiellen Umrissen<br />
besteht. Die Resultate waren verblüffend. So konnte gezeigt<br />
werden, dass die meisten Weißen Haie, die in Unfälle<br />
involviert waren, eine Größe hatten, die viel zu klein war,<br />
um sich an Robben zu versuchen, etwas, das ja durch die<br />
Verwechslungstheorie impliziert wurde. Auch zeigte es sich,<br />
dass die Wunden und Materialschäden durchaus oberflächlich<br />
und gering waren, was bei einer Verwechslung<br />
nicht der Fall gewesen wäre, denn ein Weißer Hai beißt<br />
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