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RCKSTR Mag. #169

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frau Sophie ist auch eine gute Freundin des Hauses. Wir treffen uns oft<br />

zum Raclette essen und als Exilschweizer muss man ein wenig zueinander<br />

schauen. Als ich dann beschloss, ein Mani-Matter-Lied aufzunehmen,<br />

hab ich sie vorm Fernseher weggezerrt und ins Studio entführt - sie singt<br />

traumhaft of course.<br />

Was hat dich damals bewogen, deine Karriere in Berlin und nicht in<br />

der Schweiz zu starten?<br />

Ich lebte in Barcelona. Aber da gab es wenig Möglichkeiten für Live-Musik,<br />

mehr DJs. Mein Freund gründete dann die Legendäre Bar25 in Berlin<br />

und da war mein allererster Gig als Bonaparte. Wir hatten nicht einmal<br />

ein Schlagzeug und spielten auf Müll, kann man auf YouTube nachsehen<br />

(lacht). Berlin war halt in den 2000er Jahren schon auf eine eigene Art<br />

frei und wild - auch wenn sich ein Jahr immer wie drei anfühlte. Es war<br />

alles so intensiv und auch schön hedonistisch. Das gab es in der Schweiz<br />

in gewissen Epochen sicher auch in kleinen Subkulturen.<br />

Wie hast du die ersten Wochen in Berlin erlebt? Gab es Dinge, die<br />

du vermisst hast? Kamen dir je Zweifel, den richtigen Schritt getan<br />

zu haben?<br />

Es war kalt. Und es wurde immer wie kälter. Ich lebte in einer 350 Quadratmeter<br />

grossen Fabriketage und fuhr mit dem Klapprad vom Studiotisch<br />

zur Toilette. Aber es gab keine Heizung. Nur einen Ölofen, aber der<br />

Öltank war im Keller. Und nachdem ich ein paar Wochen jeden Tag in der<br />

Giesskanne das Öl hoch schleppte, nahm ich kurzerhand eine Einladung<br />

aus Neuseeland an und stieg in den Flieger, um meine erste Bonaparte<br />

Tour Down Under zu spielen. Die Temperaturen waren erträglicher da<br />

(lacht). Vermissen tue ich immer nur den Schweizer Käse, die Schweizer<br />

Luft und natürlich ganz fest die Sprache – das Mundart, das Bärndütsch<br />

(lacht).<br />

Hättest du dich in der Schweiz auch so entfalten können wie in Berlin?<br />

Ich denke nicht. Es gibt einem Menschen eine unglaubliche Kraft, niemand<br />

zu sein und alles sein zu können, was man sich erträumt. Deshalb<br />

sind ja auch viele Menschen, die Grosses geleistet haben, Immigranten.<br />

Für mich war es befreiend, niemand zu sein und nichts zu müssen. Ich<br />

habe nur noch gewollt. Und jeden Tag voll abgedrückt. Was in einer Stadt<br />

wie Berlin eben sehr gut ging - und trotzdem konnte man unterm Radar<br />

bleiben, experimentieren.<br />

Du bist fast um die ganze Welt getourt, wie hat dich dieses Erlebnis<br />

verändert? Welches sind die Erfahrungen, die du nicht mehr missen<br />

möchtest?<br />

In der Zeit als ich über 100 Shows im Jahr spielte, war ich in einem<br />

Film. Ich habe das eher durch einen Filter wahrgenommen. Die neuen<br />

Eindrücke umarmt. Neue Orte, fremde Kulturen, neue Freunde. Ich fand<br />

das sehr bereichernd – auch, um als Mensch die Welt zu verstehen. Man<br />

kratzt ja sowieso immer nur an der Oberfläche. Ich möchte keine Erlebnisse<br />

missen. Ausser in San Diego, Texas - da wurde es mal sehr brenzlig<br />

und wäre fast in eine Schlägerei zwischen Publikum, Club-Besitzer und<br />

uns ausgeartet. Da war ich froh, dass es eine Hintertür gab (lacht).<br />

Gibt es für dich überhaupt dieses Gefühl von «Heimweh»? Und was<br />

ist es dann für eine Heimat, nach der du dich sehnst? Die Schweiz?<br />

Berlin? Gewisse Menschen? Einfach nur ein Hotelbett, in dem man<br />

mal etwas länger verharren kann?<br />

Absolut gibt es dieses Gefühl! Die Schweiz. Das Land, die Luft, die Berge,<br />

der Käse und vor allem die Menschen mit ihrer lustigen Elfensprache. Da<br />

komme ich her. Ich bin einer von euch. Kleingewachsen und immer für<br />

einen Hoselupf bereit. Ich finde das ja faszinierend, dass es Heimat gib,<br />

dieses nicht zu erklärende Gefühl, die Seele baumeln lassen zu können.<br />

Ich habe das sonst fast nur in Neuseeland erlebt.<br />

Bist du gerne auf Achse wegen Bonaparte oder gibt es Bonaparte<br />

weil du gerne unterwegs bist?<br />

Ich hatte definitiv die Musik gewählt, weil ich die Welt bereisen und Menschen<br />

kennen lernen wollte. Kalt. Bonaparte ist mein Catbus.<br />

Wenn du drei Dinge auf eine Reise mitnehmen müsstest, die dich<br />

an Berlin, die Schweiz und Abidjan erinnern, welche wären das?<br />

Eine Nacht, einen Berg und das Meer. Diese drei Dinge nehme ich mit.<br />

Let’s go!<br />

«Es gibt einem Menschen eine unglaubliche<br />

Kraft, niemand zu sein und alles sein zu<br />

können, was man sich erträumt»<br />

<strong>#169</strong> | AUGUST 2019<br />

21<br />

BONAPARTE<br />

«Was mir passiert»<br />

(Sony Music) jetzt erhältlich<br />

; Live am 27.11. im Bierhübeli (Bern)

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