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frau Sophie ist auch eine gute Freundin des Hauses. Wir treffen uns oft<br />
zum Raclette essen und als Exilschweizer muss man ein wenig zueinander<br />
schauen. Als ich dann beschloss, ein Mani-Matter-Lied aufzunehmen,<br />
hab ich sie vorm Fernseher weggezerrt und ins Studio entführt - sie singt<br />
traumhaft of course.<br />
Was hat dich damals bewogen, deine Karriere in Berlin und nicht in<br />
der Schweiz zu starten?<br />
Ich lebte in Barcelona. Aber da gab es wenig Möglichkeiten für Live-Musik,<br />
mehr DJs. Mein Freund gründete dann die Legendäre Bar25 in Berlin<br />
und da war mein allererster Gig als Bonaparte. Wir hatten nicht einmal<br />
ein Schlagzeug und spielten auf Müll, kann man auf YouTube nachsehen<br />
(lacht). Berlin war halt in den 2000er Jahren schon auf eine eigene Art<br />
frei und wild - auch wenn sich ein Jahr immer wie drei anfühlte. Es war<br />
alles so intensiv und auch schön hedonistisch. Das gab es in der Schweiz<br />
in gewissen Epochen sicher auch in kleinen Subkulturen.<br />
Wie hast du die ersten Wochen in Berlin erlebt? Gab es Dinge, die<br />
du vermisst hast? Kamen dir je Zweifel, den richtigen Schritt getan<br />
zu haben?<br />
Es war kalt. Und es wurde immer wie kälter. Ich lebte in einer 350 Quadratmeter<br />
grossen Fabriketage und fuhr mit dem Klapprad vom Studiotisch<br />
zur Toilette. Aber es gab keine Heizung. Nur einen Ölofen, aber der<br />
Öltank war im Keller. Und nachdem ich ein paar Wochen jeden Tag in der<br />
Giesskanne das Öl hoch schleppte, nahm ich kurzerhand eine Einladung<br />
aus Neuseeland an und stieg in den Flieger, um meine erste Bonaparte<br />
Tour Down Under zu spielen. Die Temperaturen waren erträglicher da<br />
(lacht). Vermissen tue ich immer nur den Schweizer Käse, die Schweizer<br />
Luft und natürlich ganz fest die Sprache – das Mundart, das Bärndütsch<br />
(lacht).<br />
Hättest du dich in der Schweiz auch so entfalten können wie in Berlin?<br />
Ich denke nicht. Es gibt einem Menschen eine unglaubliche Kraft, niemand<br />
zu sein und alles sein zu können, was man sich erträumt. Deshalb<br />
sind ja auch viele Menschen, die Grosses geleistet haben, Immigranten.<br />
Für mich war es befreiend, niemand zu sein und nichts zu müssen. Ich<br />
habe nur noch gewollt. Und jeden Tag voll abgedrückt. Was in einer Stadt<br />
wie Berlin eben sehr gut ging - und trotzdem konnte man unterm Radar<br />
bleiben, experimentieren.<br />
Du bist fast um die ganze Welt getourt, wie hat dich dieses Erlebnis<br />
verändert? Welches sind die Erfahrungen, die du nicht mehr missen<br />
möchtest?<br />
In der Zeit als ich über 100 Shows im Jahr spielte, war ich in einem<br />
Film. Ich habe das eher durch einen Filter wahrgenommen. Die neuen<br />
Eindrücke umarmt. Neue Orte, fremde Kulturen, neue Freunde. Ich fand<br />
das sehr bereichernd – auch, um als Mensch die Welt zu verstehen. Man<br />
kratzt ja sowieso immer nur an der Oberfläche. Ich möchte keine Erlebnisse<br />
missen. Ausser in San Diego, Texas - da wurde es mal sehr brenzlig<br />
und wäre fast in eine Schlägerei zwischen Publikum, Club-Besitzer und<br />
uns ausgeartet. Da war ich froh, dass es eine Hintertür gab (lacht).<br />
Gibt es für dich überhaupt dieses Gefühl von «Heimweh»? Und was<br />
ist es dann für eine Heimat, nach der du dich sehnst? Die Schweiz?<br />
Berlin? Gewisse Menschen? Einfach nur ein Hotelbett, in dem man<br />
mal etwas länger verharren kann?<br />
Absolut gibt es dieses Gefühl! Die Schweiz. Das Land, die Luft, die Berge,<br />
der Käse und vor allem die Menschen mit ihrer lustigen Elfensprache. Da<br />
komme ich her. Ich bin einer von euch. Kleingewachsen und immer für<br />
einen Hoselupf bereit. Ich finde das ja faszinierend, dass es Heimat gib,<br />
dieses nicht zu erklärende Gefühl, die Seele baumeln lassen zu können.<br />
Ich habe das sonst fast nur in Neuseeland erlebt.<br />
Bist du gerne auf Achse wegen Bonaparte oder gibt es Bonaparte<br />
weil du gerne unterwegs bist?<br />
Ich hatte definitiv die Musik gewählt, weil ich die Welt bereisen und Menschen<br />
kennen lernen wollte. Kalt. Bonaparte ist mein Catbus.<br />
Wenn du drei Dinge auf eine Reise mitnehmen müsstest, die dich<br />
an Berlin, die Schweiz und Abidjan erinnern, welche wären das?<br />
Eine Nacht, einen Berg und das Meer. Diese drei Dinge nehme ich mit.<br />
Let’s go!<br />
«Es gibt einem Menschen eine unglaubliche<br />
Kraft, niemand zu sein und alles sein zu<br />
können, was man sich erträumt»<br />
<strong>#169</strong> | AUGUST 2019<br />
21<br />
BONAPARTE<br />
«Was mir passiert»<br />
(Sony Music) jetzt erhältlich<br />
; Live am 27.11. im Bierhübeli (Bern)