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32 REISE BERLINER KURIER, Sonntag, 4. August 2019<br />
Fotos: imago/Dominik Peter,zVg<br />
Im Land von<br />
Kuntah Kinteh<br />
Daswestafrikanische Gambia hat tolle Strände,<br />
Unesco-Welterbestätten und Köchin Ida<br />
Wir müssen früh los, um die<br />
kleine Insel im Gambia-Fluss<br />
zu erreichen. Dort befindet<br />
sich der Ort, der wie kein anderer<br />
in dem kleinen westafrikanischen<br />
Land mit 1,8 Millionen<br />
Einwohnern mit der Geschichte<br />
des Sklavenhandels<br />
verbunden ist. Während das<br />
Boot träge auf breitem Fluss<br />
vorankommt, erzählt unser<br />
Reiseführer Buba Sidibe, dass<br />
die Engländer sie einst<br />
James-Island nannten.<br />
Heute gehört sie zum<br />
Unesco-Weltkulturerbe,<br />
seit 2011 trägt sie den Namen<br />
eines Gambianers:<br />
Kuntah Kinteh. Das ist eine<br />
der Hauptfiguren aus<br />
Alex Haleys Roman<br />
„Roots“. Haley beschreibt<br />
darin, wie Kuntah Kinteh von<br />
Sklavenjägern entführt und in<br />
die USA verschleppt wurde. „Es<br />
ist traurig, aber esist so gewesen“,<br />
sagt Buba Sidibe. Auf<br />
Deutsch übrigens. Er hat die<br />
Sprache inAachen gelernt. Das<br />
ist mehr als 20 Jahre her, aber er<br />
scheint nichts vergessen zu<br />
haben.<br />
Die Insel ist winzig, von Ferne<br />
sieht man nur kahle Baobab-<br />
Bäume. Wir müssen inein kleines<br />
Holzboot steigen, um hinüberzugelangen.<br />
Alex Haley<br />
schreibt in „Roots“ über seinen<br />
Besuch dort, er habe nicht übel<br />
Lust gehabt, mit der Axt auf dieses<br />
Stück schwarzafrikanischer<br />
Geschichte einzuschlagen. Die<br />
Natur scheint dies für ihn zu tun.<br />
Das englische Fort liegt in Ruinen.<br />
Und die Insel wird immer<br />
kleiner. Sie erodiert einfach.<br />
„Danke, dass Sie gekommen<br />
sind“, sagt der Mann, der im<br />
Auftrag gambianischen Tourismusboards<br />
über die Insel führt.<br />
„Wenn die Touristen<br />
nicht kommen,<br />
haben die<br />
Am<br />
Strand<br />
verkaufen<br />
Einheimische<br />
tropische Früchte<br />
und Souvenirs<br />
Leute hier keine Arbeit.“ Er erklärt,<br />
dass jeder Sklave, der in<br />
Gambia gefangen wurde, zwei<br />
Wochen auf dieser Insel verbracht<br />
hat. Hier wurdeBuch geführt.<br />
Er führt uns in einen<br />
dunklen, halb unter der Erde liegenden<br />
Raum, das Fenster vergittert.<br />
Hier seien die Stärksten<br />
in Ketten gelegt worden. Essen<br />
gab es nur einmal am Tag. „So<br />
hat man sie zu brechen versucht,<br />
vor der Überfahrt.“ Manche hätten<br />
Selbstmord begangen, indem<br />
sie sich in den von Krokodilen<br />
wimmelnden Fluss stürzten.<br />
Auch die Beteiligung der Afrikaner<br />
am Sklavenhandel verschweigt<br />
er nicht. Verfeindete<br />
Stämme hätten Jagd auf Menschen<br />
gemacht,.<br />
Wir setzen dann über nach<br />
Albreda, fünf Kilometer von<br />
der Insel entfernt. Am Ufer besteigt<br />
gerade eine Schulklasse<br />
in leuchtend orangen Rettungswesten<br />
ein Boot, das<br />
sie hinüber bringt. „Die<br />
Geschichte der Sklaverei<br />
steht in jedem Lehrplan“,<br />
sagt Buba Sidibe. Am Ufer<br />
der Ortschaft mit ihren staubigen<br />
Straßen steht die<br />
Skulptur eines Menschen,<br />
die Hände erhoben, die<br />
Kette, die sie zusammengehalten<br />
hat, zerbrochen.<br />
Unter einem ausladenden<br />
Baum verkauft ein Mann<br />
die üblichen Souvenirs: geschnitzte<br />
Masken, Perlenketten,<br />
geflochtene Körbe.<br />
Von hier sind es zu Fuß nur ein<br />
paar Minuten nach Juffure,<br />
dem Dorf, aus dem Kuntah<br />
Kinteh kommen soll. Ende<br />
der 1990er-Jahre haben<br />
sie hier ein einfaches Museum<br />
eingerichtet.<br />
Um den Sklavenhandel<br />
gehtesauchindiesem ehemaligen<br />
Lagerhaus, ebenfalls<br />
Weltkulterbe. Es sind eiserne<br />
Fesselnzusehenund Eisen,<br />
mit denen Menschen gebrandmarktwurden.Zurückgeht<br />
es im Geländewagen. Er bringt<br />
unsnachBarra,wodieFähreüber<br />
den Gambia-Fluss in die HauptstadtBanjulfährt.AufStraßenaus<br />
roterErdegehtesvorbeianManiokfeldern<br />
und winkenden Kindern.<br />
Von Banjul sind es dann nur<br />
Die<br />
Strände in<br />
Gambia bieten<br />
Reisenden Ruhe und<br />
Natur -noch gibt es<br />
hier keinen Touristen-Boom.<br />
Dasenglische<br />
Fort liegt<br />
in Ruinen. Hierher<br />
wurde einst Kuntah<br />
Kinteh vonSklavenjägern<br />
verschleppt.<br />
noch ein paar Kilometer nach<br />
Serrekunda. Esist eine andere<br />
Welt mit Fünf-Sterne-Hotels<br />
am Ozean mit seinen langen<br />
Sandstränden. Das Kairaba, in<br />
dem wir untergebracht sind, ist<br />
dazu noch von einem großen<br />
Garten umgeben. Uns wird geraten,<br />
die Balkontür zu schließen,<br />
wenn wir nicht da sind, sonst<br />
könne ein Affe zu Besuch kommen.<br />
Der Weg zum Hotel führtüber<br />
die Traffic-Lights-Junction, einer<br />
Straßenkreuzung, die nach<br />
der ersten Ampel im Land benannt<br />
wurde. Im Jahr 1996 wurde<br />
sie errichtet. Inzwischen gibt<br />
es zehn Ampeln im ganzen<br />
Land, zudem ein Fußballstadion,<br />
kein Kino. „Der Tourismus<br />
ist nach der Landwirtschaft<br />
unser zweitwichtigster<br />
Wirtschaftszweig“, sagt Buba<br />
Sidibe.Noch ist er ein Saisongeschäft.<br />
In derRegenzeit geht die<br />
Zahl der Besucherstark zurück.<br />
Die Hoteliers und Repräsentanten<br />
der Tourismusbehörden, die<br />
wir am vorletzten Abend treffen,<br />
wollen das ändern.<br />
Dabei setzen sie ihre Hoffnungen<br />
auf Pauschalreiseveranstalter<br />
wie Alltours. Mangosaison<br />
statt Regensaison soll diese Periode<br />
künftig heißen. Für Reisen<br />
ins Landesinnere ist das sicher<br />
nicht die beste Zeit, aber am<br />
Meer hat sie ihren eigenen Reiz.<br />
Zumal es ja nicht den ganzen<br />
Tag lang regnet.<br />
An unserem letzten Tag gehen<br />
wir mit Ida Cham Njai auf den<br />
Markt, kaufen einen großen<br />
Thunfisch, Limetten, Gemüse.<br />
Ida Cham Njai hat in Großbritannien<br />
studiert, nach ihrer<br />
Rückkehr arbeitete sie für<br />
verschiedene Hotels.<br />
Nun hat sie sich mit einer<br />
speziellen Idee<br />
selbstständig gemacht.<br />
Nach dem Einkauf<br />
wird zu Hause in ihrem<br />
Hof gekocht und alle dürfen<br />
mithelfen: Wir schälen<br />
Karotten, mörsern Gewürze,<br />
rühren in dem großen<br />
Topf, in dem der Reis kocht.<br />
Es dauert Stunden bis das<br />
Yassa fertig ist. Afrikanisches<br />
Slow Food. Zeit zum<br />
Plaudern, zum Dösen.<br />
SusanneLenz<br />
DieseReportage wurde ermöglicht<br />
durch die Zusammenarbeit mit dem<br />
Reiseveranstalter Alltours. Reise-<br />
Infos: www.visitthegambia.gm,<br />
www.alltours.de (ähnliche Reise-<br />
Angebote bieten u.a. auch www.fti.de,<br />
www.thomascook.de)