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Bayreuth Aktuell September 2019

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PiontEck<br />

Bürger, schützt Eure Grünanlagen!<br />

4<br />

Dr. Frank Piontek<br />

Die Wüste schuf er sich<br />

zum Wonnegarten… War<br />

Wagner nicht ein wenig<br />

wie Klingsor? War er nicht<br />

ein Zauberer, dem es zuzuschreiben<br />

ist, dass aus der<br />

kulturellen Wüste am Roten<br />

Main ein Paradies wurde, in<br />

dem seit 1876, zumindest<br />

während der Festspielzeit,<br />

die Stadt gleichsam<br />

begrünt wurde?<br />

Heute sorgt das Stadtgartenamt<br />

ganzjährlich<br />

dafür, dass <strong>Bayreuth</strong>,<br />

selbst in Zeiten der sommerlichen Erhitzungen, womit<br />

nicht irgendeine Aufregung über eine Neuinszenierung auf dem Grünen<br />

Hügel gemeint ist, zu blühen vermag. Wer also immer noch der Meinung<br />

ist – die Fremden, wie es in Bayern heißt (woanders heißen sie „Gäste“, wie<br />

der geniale Kabarettist und Menschendarsteller Helmut Schleich einmal<br />

bemerkt hat) sind's zuweilen -, wer also immer noch denkt, dass nach<br />

den Festspielen mit der Pünktlichkeit einer japanischen U-Bahn die sog.<br />

Bürgersteige hochgeklappt werden, irrt sich schon seit vielen Jahren. Es<br />

sind nicht zuletzt, auch wenn's ein eher weicher Faktor ist, die Parks und<br />

Gärten, die grandiosen kleinen und großen „Grünanlagen“, die so etwas<br />

wie Kontinuität verbürgen: der Hofgarten, der Röhrensee, die vielen anderen<br />

kleinen und größeren grünen Lungen dieser Stadt. Vielleicht ist es kein<br />

Zufall, dass ausgerechnet in diesem Jahr das Alte Schloss in der Eremitage<br />

den 300. Geburtstag feiert und ihm zu Ehren das Historische Museum<br />

die laufende Ausstellung „Ich bin allein, wenn ich vergnügt sein will“ ausgerichtet<br />

hat. O-Ton meiner verblichenen Jugend: „Bürger! Schützt Eure<br />

Grünanlagen!“ Und besucht sie – so wie die Truppe der glitzerfunkelnden<br />

Venus, der bezaubernden Drag Queen Gateau Chocolat und des kleinen,<br />

lieben „Oskar“, die nach dem ersten „Tannhäuser“-Akt am Weiher des<br />

Festspielparks dem Publikum eine kleine, hübsche und volksnahe Show<br />

boten. Wer nach dem 28.<br />

Röhrensee<br />

August auf die Straße tritt,<br />

kann zwar ab dem Abend<br />

wieder unter seinesgleichen<br />

sein, aber zugleich<br />

dort weiter spazieren, wo<br />

er gestern schon einmal<br />

war – und gleichzeitig im<br />

freilich arg durcheinander<br />

geratenen Wandel der<br />

Jahreszeiten immer etwas<br />

Neues entdecken.<br />

Zugegeben: Wer in den ersten <strong>September</strong>wochen darauf aus ist, sich jeden<br />

Abend die berühmte Birne mit Hochkultur zuzudröhnen, wird besser daran<br />

tun, zuhause zu bleiben und wieder mal das sog. Gute Buch in die Hand zu<br />

nehmen. Dann aber geht es bald wieder in die Fülle. Unter dem Titel „Das<br />

Auf und Ab des Adolphe Sax. Die Skandalgeschichte eines Instruments und<br />

seines Erfinders“ bietet der Fränkische Theatersommer Mitte <strong>September</strong><br />

im Heckentheater – und noch immer sind wir im Grünen, zumindest in der<br />

gestalteten Natur, in einem Wonnegarten der eigenen Prägung also – einen<br />

Abend über den bekannten Instrumentenbauer an. Aber ist nach Wagner<br />

nicht immer auch vor Wagner? Man kommt ihm kaum aus: denn Wagner<br />

konferierte mit Adolphe Sax, als er daranging, in Paris seinen „Tannhäuser“<br />

zu überarbeiten und auf die Bühne der Opéra zu bringen. Auch daran wird<br />

sich der kleine, hübsche und vielleicht volksnahe Auftritt erinnern.<br />

Also gut: Weg von Wagner, man muss ja auch mal durchatmen. Wie wäre es<br />

mit Daphne de Luxe, dieser leicht derben „Barbie im XL-Format“, wie sie sich<br />

anpreist. Aber ach: Erinnert uns die üppige Blondine nicht an eine – genau!<br />

„Erst kürzlich“, so lesen wir, „beschrieb die Presse Daphne als 'Comedy-Walküre',<br />

die ihr Publikum mit ihrer bedingungslos sinnesfrohen Aura um den<br />

Finger zu wickeln versteht'“. Früher nannte man so etwas „Wuchtbrumme“.<br />

Dabei sehen Wagners Heroinen, siehe Venus, längst aus wie Supermodels.<br />

Umso mehr war es zu bedauern, dass Anna Netrebko ihre beiden Auftritte<br />

als Elsa abgesagt hat. Ich weiß nicht, ob auch in <strong>Bayreuth</strong> jene Zuschauer,<br />

die für just diese beiden Vorstellungen – und keine anderen „Lohengrin“-Aufführungen<br />

– Karten bestellt hatten, protestierten (das sei doch<br />

empörend, so eine Absage) und wie in Salzburg ihre Karten verschenkten,<br />

weil plötzlich kein Mensch mehr Lust hatte, für eine sog. normale Vorstellung<br />

„so viel“ Geld zu bezahlen. Ich glaube es, ehrlich gesagt, nicht, aber<br />

die Beobachtung ist bemerkenswert: dass bei einer Oper ein Name über<br />

das Werk zu gehen scheint. Salzburg ist eben anders – und nicht allein in<br />

Bezug auf die Sitzplätze, die Klimasituation und das Pausenfoyer. So hatte<br />

das <strong>Bayreuth</strong>er Publikum Glück, die ihrerseits starke, nein: nicht die blonde<br />

Brumme Daphne de Luxe, sondern Annette Dasch zu erleben. Wahrlich<br />

kein schlechter Tausch für die Russin, die als Elsa an der Elbe ein umjubeltes<br />

Debüt erlebt hatte und nun aufgrund von Erschöpfungszuständen ihre<br />

Partie zurückgeben musste.<br />

Was lernen wir daraus? Es ist gar nicht verkehrt, wieder einmal zur Rekreation<br />

ins Grüne zu gehen, wo wir uns gut vorstellen können, wie der Vater<br />

einst auf ihren eigenen Wunsch die Tochter Daphne in einen Lorbeerbaum<br />

verwandelte. Ich vermute, dass im Wonnegarten des Ökologisch Botanischen<br />

Gartens auch Lorbeerbäume zuhause sind...<br />

Der Kolumnist Dr. Frank Piontek

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