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Mülheimia Quarterly<br />
Stadt. Kultur. Soziales<br />
<strong>#3</strong> September <strong>2019</strong> 6<br />
Auf der Suche nach Antworten<br />
Why Trump?<br />
Blick auf Chicago.<br />
von Tim Luecke und Sonja Niemeier<br />
Fotos: Sonja Niemeier<br />
Erst haben wir alle gelacht. Und dann<br />
ist uns das Lachen ordentlich im Hals<br />
stecken geblieben. Am 8. November<br />
2016 wurde Donald Trump, der Herr<br />
mit dem orangenen Gesicht und der<br />
schauerlichen Frisur, zum Präsidenten<br />
der Vereinigten Staaten von Amerika<br />
gewählt. Keine Umfrage, kein Experte,<br />
keine der renommierten Medien<br />
hatte das vorhergesagt. Wie konnte<br />
es passieren, dass jemand, der bisher<br />
nur als Immobilien Tycoon und<br />
Game Show Host bekannt war, zum<br />
mächtigsten Mann der Welt gewählt<br />
wurde? Kurzum, Why Trump?<br />
Die vordergründig offensichtliche Antwort<br />
ist, dass die Menschen in den USA frustriert<br />
sind und Trump aus Protest gewählt haben.<br />
Dann stellt sich aber die Frage, frustriert<br />
worüber? Wogegen wollten so viele der amerikanischen<br />
Wähler protestieren?<br />
Um diesen Fragen auf den Grund zu gehen,<br />
haben die Fotografin Sonja Niemeier und<br />
ich uns im Sommer 2018 in einen Flieger<br />
gesetzt, sind nach Amerika geflogen und<br />
haben dort zwei Monate lang Amerikanerinnen<br />
und Amerikaner interviewt. Wir sind<br />
10.000 Kilometer von der Ost- zur Westküste<br />
gefahren, haben mehr als 40 Interviews von<br />
durchschnittlich einer Stunde gemacht, und<br />
Sonja hat zirka 50.000 Fotos geschossen.<br />
Unser Plan ist es, diese Interviews und Fotos<br />
in einem Buch zu veröffentlichen, vor der<br />
nächsten Wahl in den USA im Herbst 2020.<br />
Nun stellt sich die Frage für den aufmerksamen<br />
Leser wie dich: „Was geht mich das an<br />
als Mülheimer?“ Eine ganze Menge, wie wir<br />
glauben. Die Wahl von Donald Trump ist ein<br />
extremes Beispiel für einen Trend, der seit<br />
einigen Jahren zu beobachten ist, und zwar<br />
nicht nur in den USA, sondern in der gesamten<br />
westlichen Welt. Brexit, die Gelbwesten<br />
Bewegung in Frankreich, der Aufstieg von<br />
Rechtspopulisten in den Niederlanden; in<br />
allen westlichen Demokratien gibt es seit<br />
einigen Jahren starke Protestbewegungen<br />
und Parteien, die den etablierten Volksparteien<br />
das Leben schwer machen.<br />
Stellt dieser Trend eine Bedrohung dar für<br />
die Demokratie? Nicht unbedingt. So lange<br />
sich diese Bewegungen und Parteien an die<br />
demokratischen Regeln halten, die Gesetze<br />
einhalten, nicht zur Gewalt als Mittel<br />
greifen, ist die Demokratie als solche nicht<br />
in Gefahr. Aber wir wissen alle, dass dies<br />
nicht unbedingt der Fall ist und das viele<br />
dieser Bewegungen und Parteien mehr oder<br />
weniger offen gegen unsere demokratische<br />
Ordnung und Prinzipien ins Feld ziehen.<br />
Es gibt eindeutig Elemente, zum Beispiel<br />
innerhalb der AfD, die rechtsextreme Ideen<br />
verfolgen und auch versuchen, diese tatkräftig<br />
umzusetzen. Warum, stellt sich nun<br />
die Frage, sollte man mit Leuten reden, die<br />
einen Trump oder eine AfD wählen? Weil<br />
wir es schaffen müssen, die Menschen, die<br />
solche Parteien aus Frust über bestehende<br />
Verhältnisse wählen, und nicht unbedingt,<br />
weil sie rechtsradikal oder frauenfeindlich<br />
sind, aus dem Einfluss dieser extremen und<br />
demokratiefeindlichen Elemente zu befreien.<br />
Und dazu müssen wir ihnen zuhören, sie<br />
nicht einfach ignorieren oder verteufeln,<br />
sondern versuchen sie zu verstehen. Oder<br />
wir machen es wie der Stern vor kurzem auf<br />
seiner Titelseite, auf der er Donald Trump<br />
in Hitler Pose mit amerikanischer Flagge<br />
und dem Titel „Sein Kampf“ abgebildet hat.<br />
Dann können wir diese Leute abschreiben<br />
und die Demokratie gleich mit. Wir haben<br />
versucht die Sache anders anzugehen als<br />
der Stern und das Resultat ist in vielerlei<br />
Hinsicht überraschend positiv. Mehr dazu<br />
findet ihr in unserem Buch und auf unserer<br />
Webseite. www.why-trump.com.»<br />
>www.muelheimia.koeln/whytrump<br />
Plakat mit der<br />
Aufschrift: „We are<br />
a better people than<br />
this presidency. We<br />
are a better country<br />
than this presidency.<br />
Do not let this<br />
presidency define<br />
America.“