julius-busch-katalog-2019-issuu-2
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wurde, gab sie die handwerkliche Erdung auf – für das Publikum<br />
die letzte verlässliche Überprüfbarkeit. Als dann Duchamp<br />
kam und in jenem performativen Akt Gegenstände zu Artefakten<br />
erklärte, konnte er seine Hände in den Hosentaschen<br />
lassen. Damit war die lineare Kunstgeschichte im Prinzip beendet.<br />
Und damit eine geschlossene Gestalt, die den religiösen<br />
Ursprung des Beginns wieder aufnimmt. Nur ist aus der Abbildung<br />
heiliger Bedeutung eine selbstreferentielle Bedeutungsproduktion<br />
geworden und der Künstler ist vom Dienstleister<br />
zum Produzenten geworden. Allerdings müssen Milieu und<br />
Kontext die geschaffene Bedeutung auch beglaubigen was im<br />
Prinzip nur einmal richtig funktioniert. Denn in der Idee liegt<br />
die Konsequenz, dass alles zur Kunst werden kann. Damit war<br />
in gewisser Weise der Vorhang gefallen, die Künstlerrolle bis<br />
zu ihrem Ende durchdekliniert. Was danach kam, waren Variationen:<br />
Nicht das ICH sondern das ES malt: Surrealismus; weder<br />
Bewusstsein noch Unterbewusstes malen, sondern die Industrieproduktion<br />
malt: Pop sowie inflationäre Überbietungsversuche<br />
von Duchamps Geste. Und natürlich ungezählte Dienstbarmachungen<br />
der Kunst, siehe die Retrokunst der totalitären<br />
Systeme oder Verdrängungsversuche in bewusst unreflektierter<br />
Kunst, wie im Neoexpressionismus, wo wütend diese Erzählung<br />
ignoriert wird.<br />
Natürlich geht das Leben weiter und damit auch die Kunstproduktion.<br />
Aber es gehört zu den Ambivalenzen der<br />
Künstlerrolle in der zweiten Hälfte des 20. sowie des beginnenden<br />
21. Jahrhunderts, dass dieses Narrativ einer linearen<br />
Entwicklung abgeschlossen ist, Duchamps Wirkung als<br />
Abspann der europäischen Kunstgeschichte aber fortwirkt, als<br />
Kränkung und als Antrieb.