Biorama # 62
UNTER UNS: Der Boden ist der zweitgrößte CO2-Speicher der Welt. | Ohne Grund: Ein Besuch in der äthiopischen Austernpilzzucht. | Tabu Tod: Denkanstöße für den Umgang mit der eigenen Endlichkeit. | Upcycling-Design: Nähanleitung für Hemd- und Hosentasche.
UNTER UNS: Der Boden ist der zweitgrößte CO2-Speicher der Welt. | Ohne Grund: Ein Besuch in der äthiopischen Austernpilzzucht. | Tabu Tod: Denkanstöße für den Umgang mit der eigenen Endlichkeit. | Upcycling-Design: Nähanleitung für Hemd- und Hosentasche.
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.<strong>62</strong><br />
ausgabe <strong>62</strong> — August /september 2019. www.biorama.eu<br />
KOSTENLOS — ABER ABONNIERBAR<br />
P.b.b. — 11Z038861 M — 1040 Wien<br />
www.facebook.com/<strong>Biorama</strong><br />
Unter uns:<br />
Der Boden ist der zweitgrößte CO 2 -Speicher der Welt.<br />
Ohne Grund: Ein Besuch in der äthiopischen Austernpilzzucht. — 28<br />
Tabu Tod: Denkanstöße für den Umgang mit der eigenen Endlichkeit. — 42<br />
Upcycling-Design: Nähanleitung für Hemd-und-Hosen-Tasche. — 46
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GARTEN +Haus
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
Editorial, Impressum<br />
3<br />
Also starring: der Maulwurf<br />
Viele Arbeitsstunden hat unser Grafiker Michael Mickl<br />
für unser aktuelles Coverbild geschwitzt. Immer wieder<br />
schaute ihm beim Schaffen Chefredakteurin Irina Zelewitz<br />
über die Schultern, reklamierte den einen oder anderen<br />
Regenwurm in die Montage. Und zu guter Letzt tauchte<br />
– wie aus dem Nichts – plötzlich ein Maulwurf aus dem kühlen<br />
Dunkel auf. Den Engerling, der mit seinem massenhaften<br />
Auftreten vielerorts gerade zur Plage geraten ist, stellen wir<br />
uns am besten vor. Den hat der Maulwurf gerade intus. Lebendiger<br />
Boden halt, Kommen und Gehen.<br />
Meditativ begleitet vom feinen Brummen des Ventilators zauberte<br />
unser Michi schließlich ein für biorama eher unübliches<br />
Coversujet: knallbunt wie für einen Disneyfilm – aber<br />
doch bodenständig. Und genau darum geht es schwerpunktmäßig<br />
auf den folgenden Seiten: um Grund und Boden als bedrohte<br />
Ressource. Das Thema spannen wir von der nur vermeintlich<br />
banalen Frage unserer Rubrik Street Talk (»Wie lagerst<br />
du deine Erdäpfel/Kartoffeln?«) über ein Porträt des<br />
Bodenkundlers Günther Aust bis zu einem fundamentalen<br />
Interview, in dem der engagierte Journalist, Radiomoderator<br />
und Buchautor Florian Schwinn erläutert, wie wir den Boden<br />
retten können.<br />
Apropos Bio. Gefragt, was denn Bio eigentlich bedeute, antworten<br />
einschlägig engagierte Bäuerinnen und Bauern mitunter<br />
mit »Bio ist Leben«. Das stiftet zwar mitunter Verwirrung<br />
(weil es zumindest ansatzweise esoterisch klingt), ist<br />
aber grundrichtig. Denn konsequent gedacht orientiert sich<br />
Biolandbau immer an Kreisläufen. Und dazu gehört auch<br />
das Bewusstsein, dass alles Leben endlich ist – damit immer<br />
wieder Neues entstehen kann. Neben umweltfreundlichen<br />
Bestattungsmöglichkeiten stellen wir euch auch von Irene<br />
Maria Gruber ausgewählte Kinderbücher zum Thema vor. Auch<br />
Ursel Nendzig und Annemarie Harant widmen sich der eigenen<br />
Endlichkeit: Ursel in ihrer Kolumne »Elternalltag«, Annemarie<br />
mit einer praxisnahen Anleitung, wie man das Unausweichliche<br />
unverkrampft vorhersieht – vom digitalen Nachlass<br />
bis zum Testament.<br />
Feiern wir also das Leben!<br />
Thomas Weber, Herausgeber<br />
weber@biorama.eu<br />
@th_weber<br />
impressum<br />
HERAUSGEBER Thomas Weber CHEFREDAKTEURIN<br />
Irina Zelewitz AUTORINNEN Frankziska Bechtold, Alina Birkel, Iris<br />
Eichtinger, Florian Grassl, Irene Maria Gruber, Annemarie Harant,<br />
Martin Mühl, Ursel Nendzig, Juliane Reichert, Jürgen Schmücking,<br />
Thomas Stollenwerk, Anika Suck, Thomas Weber, Christine Wedler,<br />
Sarah Wetzlmayr, Christoph Wimmer, Irina Zelewitz GESTALTUNG<br />
Michael Mickl Lektorat Mattias Feldner COVer MONTAGE<br />
Michael Mickl (istock.com/temmuzcan, Griffin24, deyanarobova,<br />
hsvrs, themacx, Lena_Zajchikova) ANZEIGENVERKAUF Herwig<br />
Bauer, Micky Klemsch (Leitung), Thomas Weber DRUCK Walstead<br />
NP Druck GmbH, Gutenbergstraße 12, 3100 St. Pölten PRODUKTI-<br />
ON & MEDIENINHABERIN <strong>Biorama</strong> GmbH, Wohllebengasse 16 / 6,<br />
1040 Wien GESCHÄFTSFÜHRUNG Martin Mühl KONTAKT <strong>Biorama</strong><br />
GmbH, Wohllebengasse 16 / 6, 1040 Wien; www.biorama.eu, redaktion@biorama.eu<br />
BANKVERBINDUNG <strong>Biorama</strong> GmbH, Bank<br />
Austria, IBAN AT44 12000 10005177968, BIC BKAUATWW ABONNE-<br />
MENT siehe Website: biorama.eu ERSCHEINUNGSWEISE 6 Ausgaben<br />
pro Jahr ERSCHEINUNGSORT Wien.<br />
BLATTLINIE <strong>Biorama</strong> ist ein unabhängiges, kritisches Magazin, das<br />
sich einem nachhaltigen Lebensstil verschreibt. Die Reportagen,<br />
Interviews, Essays und Kolumnen sind in Deutschland, Österreich<br />
und der ganzen Welt angesiedelt. Sie zeigen Möglichkeiten für<br />
ein Leben mit Qualität für den Menschen und den Planeten Erde.<br />
Ohne dabei den Zeigefinger zu erheben. <strong>Biorama</strong> erscheint sechs<br />
Mal im Jahr.
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
Bild der Ausgabe<br />
4
Illustration<br />
Jakob Winkler 5<br />
Das Gewimmel von 50.000 Arbeitsstunden<br />
Jakob Winklers Wimmelbuch für Kinder und Erwachsene macht diesem Wort alle<br />
Ehre. Auf 40 Seiten gibt es flirrende Illustrationen – mit Querverweisen zu geballtem<br />
Wissen in Textform im ausführlichen Glossar. Von der Entstehung von Erdöl<br />
über das Transportwesen bis hin zu den utopischen Seiten einer Welt ohne Plastik,<br />
einer begrünten Stadt der Kreisläufe und des Vertical Farmings – das Buch könnte<br />
viele Kinder noch wesentlich länger begleiten als die zehn Jahre, die sich der Autor<br />
und Zeichner schon mit Konzeption und Erstellung beschäftigt.<br />
»Fatimas fantastische Reise in eine Welt ohne Erdöl« kann von 14. September bis<br />
27. Oktober online vorbestellt werden: fatimasfantastischereise.com Irina Zelewitz
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
Auftakt<br />
<strong>62</strong> Inhalt<br />
03 Editorial<br />
12 Global Village<br />
16 Meine Stadt<br />
Schwerpunkt: das leben im boden<br />
18 Kampf für die Zeit<br />
»Rettet den Boden!«: Buchautor<br />
Florian Schwinn im Interview<br />
23 Die große weiße Lücke<br />
Ein Bodenkundler träumt von der<br />
vollständigen Bodenkarte.<br />
28 Unter dem Schirm der Hyäne<br />
Austernpilze wachsen ohne Boden<br />
– ein Besuch bei äthiopischen<br />
LandwirtInnen<br />
34 Da ist der Wurm drin!<br />
C2C-Pixi-Buch über Regenwürmer<br />
36 Wie wird man eigentlich …<br />
Biobäuerin<br />
38 Wie wird man eigentlich …<br />
Foodie<br />
40 Der Tod gehört zum Leben<br />
Vier Kinderbuchtipps<br />
42 Dein Abschied von der Welt<br />
Denkanstöße zum Thema Tod<br />
46 Upcycling-Design<br />
Ein Schnitt des Upcycling-<br />
Labels Milch<br />
50 Vegane Gürtel<br />
Lederalternativen ohne<br />
neues Plastik<br />
52 Grüner drehen<br />
Es gibt sie, die<br />
Green-Producing-Bewegung.<br />
52<br />
Eine Branche sieht grün.<br />
Die Green-Producing-Bewegung setzt sich für mehr Nachhaltigkeit in<br />
der Filmbranche ein – und kommt gemächlich, aber stetig voran.<br />
65 Bikepacking auf Krk<br />
Urlaub ohne Rucksack und Koffer<br />
69 Handwerk hinter der Bar?<br />
Wie nachhaltig ist der Trend?<br />
Marktplatz<br />
74 Marktplatz Food<br />
Salamisnacks<br />
77 Marktplatz Kosmetik<br />
Foundation<br />
Kolumnen<br />
82 Elternalltag<br />
Bilder Das rund filmproduktion, istock.com/gaspr13, Klassen/Barnett
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Welt der Kräuter<br />
und Gewürze!<br />
63/65<br />
Mountainbikepacking:<br />
Ein Radreisetrend im Praxistest auf der kroatischen Insel Krk –<br />
beginnt in der Österreich-Ausgabe auf Seite 65, in der Deutschland-<br />
Ausgabe schon auf Seite 63.<br />
• Betriebsführungen<br />
• Führungen am<br />
Bio-Bauernhof Frei-Hof<br />
• Permakultur-Garten<br />
• Land-Lofts<br />
• Geschäft<br />
• Bio-Gasthaus Leibspeis’<br />
• Seminare & Workshops<br />
FAMILIEN-FÜHRUNGEN<br />
JEDEN 1. SONNTAG IM<br />
MONAT UM 14 UHR<br />
40<br />
Der Tod gehört zum Leben.<br />
Irene Maria Gruber präsentiert<br />
einfühlsame Kinderbücher,<br />
die Möglichkeiten zeigen, mit<br />
ihm umzugehen.<br />
50<br />
Gürtel ohne Tier:<br />
Vegane Lederalternativen – aus<br />
Piñatex, aus Kork, aus alten Sicherheitsgurten<br />
– jedenfalls ganz ohne<br />
neues Plastik.<br />
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In Kooperation mit
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
Leserinnenmeinung<br />
Wir müssen reden …<br />
9<br />
LeserInnen an und über uns Mails, Tweets und hoffentlich Liebesbriefe an die Redaktion – und unsere Antworten.<br />
Betrifft:<br />
LeserInnenbriefe<br />
in biorama 60 (April/Mai 2019)<br />
»Sehr geehrte Damen und<br />
Herren! Ich bin heute auf<br />
Ihr interessantes Magazin<br />
gestoßen – vor Allem die Bezeichnung<br />
»für nachhaltigen<br />
Lebensstil« hat mir gefallen.<br />
Beim Durchblättern war ich<br />
zusehends und von den Themen<br />
angetan, bis ich auf Seite 78 gelandet bin.<br />
Sie drucken einen Artikel ȟber den genussvollen<br />
Verzehr von Weinbergschnecken« ab.<br />
Ich muss sagen, diese zwei Seiten haben mich<br />
schockiert und ich finde es regelrecht pervers<br />
im Sinne von verkehrt, dass Sie Rezepte mit<br />
dieser armen Kreatur als Genuss beschreiben.<br />
Was hat das mit »bewusster« Kost zu tun? Noch<br />
dazu preisen Sie die Schnecken als Fastenspeise<br />
mit langer Tradition an – und empfehlen, sie<br />
das ganze Jahr über zu verzehren … Da fehlen<br />
mir die Worte.«<br />
<br />
Tierfreundliche Grüße,<br />
– Eine Kritikerin (die anynonym bleiben wollte, Name d. Redaktion<br />
bekannt)<br />
Vielen Dank für die Rückmeldung und für Ihre<br />
Beschäftigung mit der Frage, was zu einem nachhaltigen<br />
Lebensstil und unserem Magazin darüber<br />
passt! Wir möchten Sie als unsere Leserin<br />
keinesfalls vor den Kopf stoßen. Diskussion und<br />
Beiträge über Verzehr von Tieren ist für uns Teil<br />
des notwendigen Nachhaltigkeitsdiskurses. Wir<br />
hoffen, mit unserer Berichterstattung insgesamt<br />
die laufende Verbesserung der Bedingungen der<br />
Nutztierhaltung im Sinne des Tierwohls als auch<br />
der ökologischen Notwendigkeit der drastischen<br />
Reduktion des Fleischkonsums zu transportieren!<br />
Betrifft:<br />
The Great Regional<br />
Swindle<br />
in biorama 61<br />
Tweet von @MarkusLeithner<br />
In der Redaktion wurde im Vorfeld diskutiert, ob<br />
man dem thematisch »alten Hut« regionale Produkte<br />
so viel Platz einräumen sollte. Die zahlreichen<br />
Rückmeldungen zum Schwerpunkt haben<br />
unsere Erwartungen übertroffen und uns bestätigt.<br />
Vielen Dank dafür!<br />
Betrifft:<br />
Glücklich wie<br />
tanzende kühe<br />
in biorama 61<br />
Tweet von @jakobine_at<br />
Pretty nice drawing!<br />
Erratum betreffend LeserInnenmeinung im BIORAMA #61<br />
In der Ausgabe 61 ist uns beim LeserInnenbrief zum Thema »Grüner Strom ist nicht gleich grüner Strom« ein Fehler unterlaufen:<br />
Wir haben den Namen von Frau Siglinde Binder-Knoll angegeben. Die Zusendung stammt jedoch von Christoph Wychera. Wir<br />
bitten beide LeserInnen um Entschuldigung!
Unser Bio. Unsere Qualität.<br />
Natürlich<br />
ist das nichts<br />
als Schinken.<br />
Bio-Schinken ist natürlich<br />
etwas Köstliches. Weil die Bio-<br />
Schweine wühlen können, Auslauf<br />
ins Freie haben und gentechnikfreies<br />
Futter aus biologischem<br />
Anbau bekommen. Und weil der<br />
Schinken purer Schinken ist. Ohne<br />
zusätz liche Geschmacksverstärker<br />
und ohne Phosphate.<br />
Das ist Bio. Kontrollierte Qualität.<br />
Garantiert mit dem EU-Biologo<br />
und dem AMA-Biosiegel.<br />
bioinfo.at<br />
ec.europa.eu/agriculture/organic<br />
Der Inhalt dieser Veröffentlichung gibt allein die Meinung<br />
des Autors wieder, der allein für den Inhalt verantwortlich ist.<br />
Die Europäische Kommission haftet nicht für die etwaige<br />
Verwendung der darin enthaltenen Informationen.<br />
DIE EUROPÄISCHE UNION UNTERSTÜTZT<br />
KAMPAGNEN ZUR FÖRDERUNG DES ABSATZES<br />
LANDWIRTSCHAFTLICHER QUALITÄTSERZEUGNISSE.
street talk<br />
Wir fragen,<br />
7 erdige Antworten.<br />
11<br />
»Wie lagerst<br />
du deine<br />
Erdäpfel*?«<br />
* KartoffelN<br />
interview und Bilder Iris Eichtinger<br />
NINA<br />
27, Studentin<br />
Ich lagere Kartoffeln in<br />
einer Kartonbox in<br />
meinem Küchenschrank.<br />
Rudolf<br />
53, Bauernknecht<br />
Ich verspeise Erdäpfel gleich<br />
nach dem Ernten. Eine kleine<br />
Menge habe ich auf Vorrat im<br />
Keller meiner Mutter.<br />
MiriAM<br />
17, Schülerin<br />
Wir lagern Kartoffeln im Keller<br />
in den Netzen, in denen sie<br />
verkauft werden. Wir holen<br />
immer so viel rauf, wie wir<br />
gerade brauchen.<br />
norbert<br />
47, Forscher<br />
In unserem Kühlschrank ist ein<br />
Gemüsefach, dort lagere ich sie.<br />
Ich lebe in Japan, dort ist es heiß<br />
und schwül. Wenn man sie dort<br />
draußen liegen lässt, verderben<br />
sie schnell.<br />
Anastasios<br />
47, Plattenlegermeister<br />
Ich lagere sie ungewaschen<br />
in einem schwarzen, dunklen<br />
Stoffbeutel.<br />
marie<br />
23, Studentin<br />
Im Kühlschrank, in dem Netz,<br />
in dem ich sie kaufe.<br />
Shammari<br />
33, Marktverkäufer<br />
Ich kaufe meine Kartoffeln nur<br />
auf dem Biomarkt beim Wiener<br />
Rathaus. Andere schmecken mir<br />
nicht. Ich kaufe jede Woche zwei,<br />
drei Kilogramm frisch, verbrauche<br />
sie also gleich.
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
universal village<br />
Dänemark<br />
Locus amoenus electrica<br />
Erhältlich bei:<br />
Keine Tankstelle, sondern vielmehr eine architektonische<br />
Ikone für das Zeitalter der Elektromobilität.<br />
Find us on:<br />
www.biometzger.at<br />
Gut erhaltene Tankstellen aus den 1950er-Jahren<br />
gelten mit ihrer typischen Architektur als Ikonen<br />
der Blütezeit des erdölbasierten Individualverkehrs.<br />
Die Elektromobilität hat bisher keine stilistische Entsprechung<br />
gefunden. ArchitektInnen des Kopenhagener<br />
Studios cobe haben eine E-Tankstelle entworfen,<br />
die das ändern könnte. Sie steht in Fredericia.<br />
Die Technik der Schnellladepunkte stammt vom<br />
schweizerischen abb-Konzern. Elektroautos können<br />
hier binnen 15 Minuten vollständig aufgeladen werden.<br />
Betrieben wird die Station vom dänischen Unternehmen<br />
Clever gemeinsam mit dem deutschen<br />
Energiekonzern e.on. Die Firmen haben das Joint<br />
Venture Ultra Fast Charging Venture Scandinavia<br />
gegründet, mit dem Ziel, die Ballungsräume Dänemarks,<br />
Schwedens und Norwegens durch ein Netz<br />
von insgesamt 48 solcher Schnellladestationen zu<br />
verbinden. »Die Ladestation soll nicht nur die Ladezeit<br />
minimieren, sondern auch eine sinnvolle Pause<br />
für FahrerInnen und BeifahrerInnen schaffen. Die<br />
Station hat die Form einer Reihe struktureller Bäume<br />
mit Kronen, die Licht und Schatten filtern. Der modulare<br />
Ansatz führt dazu, dass das Design skalierbar<br />
ist und dass ein ›Baum‹ je nach erforderlicher Kapazität<br />
leicht zu einem Wald multipliziert werden<br />
kann«, heißt es auf der Website des Architekturbüros,<br />
das die Pilot-Station in Fredericia entworfen hat.<br />
<br />
Bilder ICOBE and Rasmus Hjortsho, Jessie Pitt
alpen<br />
16 Jahre endloser Winter<br />
Als Ski-Guide in Australien und Tirol hat Jessie Pitt<br />
durchgehend im Winter gelebt – das wirkt in ihren<br />
impressionistischen Bergbildwelten nach.<br />
Australien, Österreich, Australien, Österreich –<br />
»Für mich war immer Winter«, erinnert sich Jessie<br />
Pitt. Als Ski-Guide ist sie 16 lange Jahre dem Winter<br />
hinterhergereist. Mittlerweile ist die Australierin<br />
ganz in Tirol gestrandet und hat ihre zweite<br />
Leidenschaft – die Kunst – zum Beruf gemacht.<br />
Doch ihr Dasein als Nomadin hat nicht zuletzt in<br />
der Wahl ihres Materials Spuren hinterlassen, verlangte<br />
es doch leicht zu transportierende Malutensilien.<br />
Durch die Platzeinschränkung im Reisegepäck<br />
entstand Pitts typische Mixed-Media-Technik:<br />
eine Kombination aus Zeichnung und Malerei<br />
auf ungespannter Leinwand, die sie vorab zerknittert,<br />
um einen plastischen Effekt zu erzielen.<br />
Dass ihre Werke erst rahmenlos und freihängend<br />
zur Geltung kommen, diese von ihren KäuferInnen<br />
nachträglich aber doch meist gerahmt<br />
werden, erläutert Jessie Pitt im ausführlichen<br />
Interview in der biorama-Onlineausgabe<br />
– und auch ihr Ziel: Umgebungen zu kreieren,<br />
in denen das Gefühl der Berge erlebbar wird.<br />
Demnächst zum Beispiel im Rahmen einer<br />
großen Installation für das Bergfilmfest St. Anton<br />
(28.–31. August). Florian Grassl<br />
stantonamarlberg.com
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
universal village<br />
AB 30. AUGUST<br />
IM KINO<br />
Universum<br />
Mondstuhl<br />
Was wurde aus den organischen Hinterlassenschaften<br />
der bemannten Mondfahrt? Steckt darin<br />
vielleicht noch Leben?<br />
96 Müllsäcke liegen als Hinterlassenschaft der bemannten<br />
Mondmissionen auf dem Erdtrabanten.<br />
Darin: unter anderem menschlicher Kot. Was WissenschaftlerInnen<br />
fünf Jahrzehnte später interessiert,<br />
ist, was mit den Bakterien darin geschehen ist.<br />
In den Säcken spielt sich ein Exkrementexperiment<br />
unter Extrembedingungen ab. Die Temperatur auf<br />
der Mondoberfläche schwankt zwischen −171° und<br />
140° Celsius. Es fehlt eine schützende Gasatmosphäre,<br />
es herrscht ein Vakuum, die UV-Einstrahlung ist<br />
sehr hoch, ebenso die kosmische Strahlung. Wenn in<br />
den Müllsäcken irgendwas überlebt hat, wäre das aus<br />
astrobiologischer Perspektive also spektakulär. nasa-Forscher<br />
Mark Lupisella hat dem US-Magazin<br />
Vox erklärt, es bestehe nur eine geringe Chance, dass<br />
natürliche Selektion in den Müllsäcken eingetreten<br />
sei, die dazu geführt haben könnte, dass sich die Mikroorganismen<br />
weiterentwickeln, um zu überleben.<br />
Wenn aber, dann könnten sie gewachsen sein und<br />
sich ausbreiten. Einer der Mondfahrer, nämlich Buzz<br />
Aldrin, reagierte auf die Idee, die Hinterlassenschaften<br />
von damals einzusammeln: »Well, I sure feel bad<br />
for whoever finds my bag«, twitterte der 89-Jährige.<br />
Thomas Stollenwerk<br />
Bilder Nasa, Istock.com/Fosin2, istock.com/ Electrography
CHEMIEKONZERNE<br />
DER<br />
Deutschland<br />
20 Gramm Fleisch und<br />
3,6 Tonnen CO 2 weniger<br />
Das Projekt Nahgast forscht zu Nachhaltigkeit in<br />
der Gastronomie – so etwa zu den Auswirkungen<br />
kleinerer (Fleisch-)Portionen.<br />
Vor allem in urbanen Räumen nimmt das Außer-<br />
Haus-Essen weiter zu, weswegen Nachhaltigkeitsprojekte<br />
endlich auch vermehrt in der Gastronomie<br />
und in Kantinen ansetzen. Für Umwelt und<br />
individuelle Gesundheit ist die Frage, was gegessen<br />
wird, ebenso entscheidend wie die, wie viel gegessen<br />
wird. Beide Fragen verbindet das Projekt Nahgast.<br />
Dessen Praxispartner, das Studierendenwerk<br />
Münster, hat nun Studienergebnisse veröffentlicht:<br />
Unter anderem, dass Gäste auch kleinere Portionen<br />
als ausreichend bewerten. Konkret untersucht wurde<br />
das anhand der Reduktion der Fleischportionen<br />
um 20 Gramm bei zwei Standardgerichten, nämlich<br />
Hendlschnitzel und Bratwurst, in der Mensa<br />
am Ring in Münster. In nur einer Kantine könnten<br />
so jährlich 3,6 Tonnen CO 2-Äquivalente eingespart<br />
werden. Mehr Ergebnisse sammelt die Publikation<br />
»Nachhaltig außer Haus essen« und für die Gastronomie<br />
gibt es einen Rechner, um die Auswirkungen<br />
unterschiedlicher Zutaten eines Gerichts auf Umwelt<br />
und Gesundheit zu kalkulieren. Martin Mühl<br />
CHEMIE<br />
SICHERT DIE<br />
ERTRÄGE<br />
ALLES EINE FRAGE DER PERSPEKTIVE<br />
Die in der konventionellen Landwirtschaft intensiv<br />
bewirtschafteten Böden brauchen mit der Zeit immer mehr<br />
Kunstdünger und Pestizide, um Ernteerträge zu bringen.<br />
Das erzeugt Abhängigkeit von Chemiekonzernen. Bio bietet die<br />
Alternative zu diesem Teufelskreis. Denn hier wachsen die<br />
Erträge organisch, ohne Pestizide und der Boden bleibt gesund.<br />
www.sonnentor.com/esgehtauchanders<br />
nahgast.de
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
Meine Stadt<br />
16<br />
MEINE STADT:<br />
Garmischpartenkirchen<br />
Lieblingsplätze<br />
und Eco-Hotspots<br />
Text und Bild<br />
Christine Wedler<br />
Christine Wedler<br />
ist Mitinitiatorin des Projekts<br />
»Essbares Garmisch-Partenkirchen«<br />
– das sich gemeinsam mit<br />
dem Schwesternprojekt Sonnenacker<br />
in der Solidargemeinschaft<br />
Werdenfelser Land e. V.<br />
vereinsmäßig organisiert hat.<br />
Das Team »Essbares Garmisch-Partenkirchen«<br />
versucht,<br />
umfassend ganzheitlich zu denken<br />
und seine Marktgemeinde<br />
ein bisschen zu verändern – von<br />
Demos bis Gemeinschaftsgärtnern.<br />
Der Bund Naturschutz<br />
unterstützt das Team mit Expertise<br />
bei der Bewirtschaftung der<br />
Gartenflächen.<br />
Street Art<br />
Das ist der Vorplatz des Rathauses, auf den ein Kind ein Rad gezeichnet<br />
hat, bevor im Rathaus eine Sitzung zum Thema Radwege abgehalten<br />
wurde. Und insofern mag ich diesen Platz, er ist gut gewählt, weil er darauf<br />
hinweist, dass die Politik auch etwas beitragen muss zur umweltgerechteren<br />
Gestaltung unserer Stadt.<br />
Gastraupe<br />
Diese Raupen lieben die Stängel<br />
von Dill und gelber Rübe. Sie<br />
sitzen in unserem Lavendelbeet,<br />
in dem in der Mitte Lavendel<br />
wächst und rundherum<br />
Gemüse – wie Rüben und<br />
Dill – wachsen. Wir haben<br />
täglich gestaunt, wie schön diese<br />
Raupen sind und beobachtet,<br />
ob es ihnen gut geht. Eines Tages<br />
waren sie weg. Denn sie waren<br />
als Schwalbenschwanzschmetterlinge<br />
losgeflogen. Es war uns<br />
eine Freude, dass wir ihnen<br />
etwas zu essen bereiten konnten.
Garmisch-<br />
Partenkirchen<br />
Brüssel<br />
Experiment<br />
Das sternförmige Hochbeet<br />
ist ein Experiment.<br />
Das ist eine öffentliche<br />
Fläche, die sehr feucht<br />
ist, weil in der Nähe der<br />
Fluss Partnach fließt.<br />
Wir haben getüftelt, wie<br />
wir unter diesen Bedingungen<br />
Gemüse anbauen<br />
könnten und wollten<br />
es mit einem Hochbeet<br />
versuchen. Schlau ist<br />
es zwar nicht, ein Beet<br />
in Sternform anzulegen,<br />
das könnte man aus<br />
praktischen Gesichtspunkten<br />
gesehen<br />
geschickter machen –,<br />
aber es hat uns gefallen<br />
und wir wollen die Leute<br />
mit unseren Projekten<br />
auch durch Optik neugierig<br />
machen. Mittlerweile<br />
wächst dort sehr<br />
viel – von Blumen über<br />
Salate bis zu Kartoffeln. Wir verwenden nur Biosaatgut<br />
und keine Hybride. Letztes Jahr haben wir erstmals Samen<br />
gewonnen, wir kaufen daher kaum mehr Saatgut<br />
oder Jungpflanzen zu.<br />
17<br />
Leihschaf<br />
Die Schafweide ist der Garten<br />
einer unserer KundInnen. Wir<br />
sind sieben Schäferinnen. Wir<br />
verleihen kostenlos Minischafe<br />
– Ouessantschafe – an Menschen,<br />
die Wiesen ab 300 Quadratmeter<br />
Größe gemäht haben<br />
möchten. Die Schafe werden<br />
von uns an der Leine geliefert<br />
und dürfen ein bis zwei Wochen<br />
bleiben – täglich schaut<br />
eine aus unserem Team nach<br />
ihnen.
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
UNTER UNS<br />
18<br />
Kampf für Zeit<br />
Die Zeit im Kampf gegen den Klimawandel lässt sich kultivieren, will uns Florian<br />
Schwinn sagen. Der Autor des Aufrufs »Rettet den Boden!« erklärt im Interview,<br />
warum es sich für uns lohnt, um den Boden zu kämpfen.<br />
Interview<br />
Irina Zelewitz<br />
FLORIAN SCHWINN<br />
hat 2017 den deutschen<br />
Umwelt-Medienpreis<br />
erhalten und<br />
2018 den Eduard-<br />
Bernhard-Preis des<br />
Bundes für Umwelt<br />
und Naturschutz<br />
Deutschland (bund)<br />
Hessen<br />
Vier Promille mehr Humus müsste die<br />
Menschheit jährlich aufbauen, um ihren<br />
jährlichen Kohlendioxidausstoß in<br />
den Böden zu speichern und dadurch<br />
einerseits Zeit für die Anpassung an den Klimawandel<br />
zu gewinnen und andererseits dessen<br />
Voranschreiten in Grenzen zu halten. Diese<br />
Forderung wurde bereits bei der Pariser Klimakonferenz,<br />
im internationalen Jahr des Bodens<br />
2015, gestellt. Passiert ist seither wenig, KritikerInnen<br />
mahnen, dass das Ziel der Speicherung<br />
von CO 2 in den Landwirtschaftsböden möglicherweise<br />
von der Notwendigkeit der Reduktion<br />
der Emissionen ablenkt. Der Journalist Florian<br />
Schwinn hat sich die Fähigkeit der Böden,<br />
die Klimaerwärmung zu bremsen, 2019 noch<br />
einmal ganz genau angesehen und in Form eines<br />
Buchs zur Rettung des Bodens aufgerufen.<br />
biorama: Mit dem Aufbau von vier Promille<br />
mehr Humus im Jahr auf der landwirtschaftlich<br />
genutzten Fläche könnte der<br />
weltweite jährliche Kohlendioxidausstoß im<br />
Boden gespeichert werden. Woher kommt<br />
diese Zahl? Was ist in Paris passiert?<br />
Florian Schwinn: Die Franzosen haben das vorgeschlagen<br />
bei der cop in Paris. Die Rechnung<br />
ist die folgende: Der Boden ist nach den Ozeanen,<br />
also vor allem nach der Tiefsee, der größte<br />
Kohlenstoffspeicher der Erde. Da, wo die Landwirtschaft<br />
auf der Welt industrialisiert ist, verlieren<br />
wir Humus: Die organische Substanz, die<br />
dort eingearbeitet ist und dort dauerhaft bleiben<br />
könnte, wird durch diese Form der Landwirtschaft<br />
verringert. Das hat zur Folge, dass wir<br />
immer mehr Kunstdünger verwenden müssen,<br />
weil die Böden weniger fruchtbar werden, aber<br />
auch, dass das CO 2, das im Boden gespeichert ist,<br />
freigesetzt wird.<br />
Die Forderung der französischen Regierung<br />
von 2015 wurde mittlerweile auch vom deutschen<br />
Bundeslandwirtschaftsministerium<br />
nachgerechnet: Wenn wir pro Jahr vier Promille<br />
mehr gesunden Boden aufbauen, können<br />
wir den CO 2 -Ausstoß der Menschheit (das, was<br />
über den natürlichen Kohlenstoffkreislauf auf<br />
der Erde hinausgeht) durch Speicherung im Boden<br />
ausgleichen.<br />
Wie speichert ein Boden Kohlendioxid?<br />
In einem Kubikmeter gesundem fruchtbaren Boden<br />
gibt es mehr Lebewesen, als es Menschen<br />
auf der Erde gibt – der Boden ist das vielfältigste<br />
Biotop der Erde, mehr als der Regenwald. Auf<br />
diesen Boden fällt ein Blatt, die Tiere raspeln es<br />
klein, dann frisst es das nächste Lebewesen –<br />
zum Beispiel ein Regenwurm –, seine Ausscheidungen<br />
sind letztlich frische Erde. Einen Teil<br />
dieses Humus nehmen sich die Pflanzen, der<br />
Rest bleibt als Dauerhumus im Boden, er ist ein<br />
Kohlenstoffspeicher, weil die Pflanzen sich zuvor<br />
diesen Kohlenstoff aus der Luft geholt haben.<br />
Bilder Hr_s.Reimold, istock.com/akatjomar
19<br />
»Bei LandwirtInnen, die darauf<br />
achten, die Würmer zu pflegen und<br />
zu füttern, wie sie auch ihre Kühe<br />
füttern, leben auf einem Quadratmeter<br />
mitunter über 300 Regenwürmer«,<br />
zitiert Florian Schwinn den<br />
Freisinger Biolandwirt Sepp Braun.<br />
Was ist mit den anderen Treibhausgasen?<br />
Viele Treibhausgase, auch Methan, sind langfristig<br />
im Klima. Der Boden aber kann durch<br />
Aufbau relativ schnell Kohlendioxid aufnehmen.<br />
In Mitteleuropa, in der dach-Region,<br />
können wir mit einfachen Maßnahmen revitalisieren,<br />
was beschädigt ist. Frau von der Leyen<br />
hat dementsprechend angekündigt, die Förderstrukturen<br />
der Landwirtschaftspolitik auf europäischer<br />
Ebene umzubauen. Wenn wir etwa<br />
LandwirtInnen nur fördern, wenn sie den Boden<br />
das ganze Jahr bedeckt halten mit Nahrung<br />
für das Bodenleben und uns, werden wir die Effekte<br />
schnell sehen.<br />
Es gibt allerdings Gebiete, etwa in Südspanien,<br />
wo es zu spät ist. Genau dort, wo unser Gemüse<br />
zu einem erheblichen Anteil herkommt,<br />
ist Spanien verwüstet. Außerhalb der Plastikwüste<br />
ist eine echte Wüste entstanden. Viele<br />
Meter der ehemaligen Böden sind abgetragen.<br />
Das wiederherzustellen ist eine Jahrhundertaufgabe,<br />
dieses Land ist eigentlich verloren.<br />
Passiert die Landwirtschaft der Humuswende<br />
extensiv oder intensiv?<br />
Die Frage ist, was wir produzieren. Deutschland<br />
braucht die Hälfte seiner Ackerbaufläche<br />
(ohne Weidefläche) noch einmal zusätzlich im<br />
Ausland, um seine Lebensmittel zu produzieren,<br />
hauptsächlich für Futtermittel. Wir müssen<br />
also aufhören, mehr Fleisch zu produzieren,<br />
als unsere eigenen Böden hergeben. Das<br />
bedeutet eine Ernährungsumstellung. Es bedeutet<br />
aber auch, nicht mehr weiter zu exportieren.<br />
Das, was wir brauchen, können wir im<br />
Wesentlichen produzieren, auch wenn man die<br />
ein oder andere Orange trotzdem importiert<br />
und dafür anderes exportiert. Wenn wir dann<br />
noch auf Bio umstellen, haben wir das auch<br />
noch nachhaltig.<br />
In welcher Dimension geht derzeit<br />
Boden verloren?<br />
Unter den deutschen Bundesländern beobachtet<br />
Niedersachsen seine Bodenerosion am längsten:<br />
seit fast 20 Jahren. Und nach zehn Jahren wurde<br />
Bilanz gezogen und festgestellt: 1,2–2,5 Tonnen<br />
Humus gehen pro Hektar und Jahr in Niedersachsen<br />
verloren – bei einzelnen Starkregen waren<br />
es bis zu 50 Tonnen pro Hektar. In der Wirkungsspanne<br />
von LandwirtInnen, also in etwa<br />
50 Jahren, kann die ganze Humusschicht, der<br />
ganze fruchtbare Boden, weg sein. Man muss<br />
sich vor Augen führen: Die nächste Generation<br />
hat womöglich keinen Boden mehr, auf dem etwas<br />
wächst.<br />
In anderen Weltteilen ist es noch viel schlimmer,<br />
in Afrika oder den usa beispielsweise, da<br />
wächst zum Teil nur mehr etwas, wenn mit<br />
Kunstdünger gedüngt wird.<br />
Welche Rolle spielt biologische Bewirtschaftung<br />
der Böden, um das 4-Promilie-Ziel<br />
überhaupt erreichen zu können?<br />
Fest steht: Die HerstellerInnen von Pestiziden,<br />
wie Bayer/Monsanto, behaupten, dass ihre Pestizide<br />
das Bodenleben nicht schädigen. Es ist<br />
mittlerweile belegt, dass sie das doch tun.<br />
Biologische Bewirtschaftung ist nicht der einzige<br />
Faktor. In der Weide ist mehr Bodenleben<br />
als im Acker. Wer nicht pflügt, hat einen gesünderen<br />
Boden als der, der pflügt. Doch generell<br />
ist der Biolandbau besser im Humusaufbau als<br />
der konventionelle.<br />
Nur drei Prozent der<br />
weltweiten Landfläche<br />
sind von Mooren bedeckt,<br />
sie speichern aber doppelt<br />
so viel Kohlenstoffdioxid<br />
wie alle Wälder der Erde<br />
gemeinsam.<br />
Die internationale Wanderausstellung<br />
»Die Dünne<br />
Haut der Erde – Unsere<br />
Böden« des Senckenberg<br />
Museums für Naturkunde<br />
Görlitz ist noch bis 15.<br />
September im Senckenberg<br />
Naturhistorische Sammlungen<br />
Dresden, Japanisches<br />
Palais in Dresden zu sehen<br />
und ab 4. Oktober 2019 bis<br />
12. Juli 2020 im Universalmuseum<br />
Joanneum –<br />
Naturkundemuseum in Graz.<br />
Mehr auf senckenberg.de
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
UNTER UNS<br />
20<br />
»rettet den boden!«<br />
Das Buch »Rettet den Boden!<br />
– Warum wir um das Leben<br />
unter unseren Füßen kämpfen<br />
müssen« ist 2019 im<br />
Westend Verlag erschienen.<br />
Der Regenwurm ist hier auch ein guter<br />
Zeiger: Wo viele Regenwürmer sind, weiß<br />
man, dass es dem Bodenleben gut geht. Untersuchungen<br />
des Bayerischen Amts für<br />
Landwirtschaft zur Regenwurmdichte haben<br />
gezeigt: In konventionell bewirtschafteten<br />
Böden gibt es etwa 60 Regenwürmer<br />
pro Quadratmeter. Und bei Bio sind es<br />
120. Und bei jenen LandwirtInnen, die darauf<br />
achten, die Würmer zu pflegen und zu<br />
füttern, wie sie auch ihre Kühe füttern (ein<br />
Zitat von Sepp Braun aus Freising), leben auf<br />
einem Quadratmeter bis zu 300 Regenwürmer<br />
und mehr.<br />
Sie schreiben: »Die Landwirtschaft<br />
könnte vom Klimazerstörer zum Klimaretter<br />
werden«. Ist die Landwirtschaft<br />
die Klimazerstörerin?<br />
Sie ist eine der KlimazerstörerInnen. Das liegt<br />
an ihren Emissionen, sie setzt CO 2 frei durch<br />
die Bodenbearbeitung, durch die Regenwaldabholzung<br />
für Futtermittel, Methan durch die<br />
Viehhaltung und den Reisanbau. Die Landwirtschaft<br />
ist vielfältig an der Emission von<br />
Treibhausgasen beteiligt. Eine humusbildende<br />
und humusbindende Landwirtschaft könnte<br />
bis zu einer natürlichen Grenze – der Bodensättigung<br />
– das Klima sehr entlasten und<br />
der Menschheit Zeit geben, den Klimawandel<br />
zu stoppen. Die Landwirtschaft könnte der<br />
Motor sein, den Klimawandel aufzuhalten.<br />
Wie kann der Rollenwechsel/Imagewechsel<br />
angetrieben werden?<br />
Wir sollten eine humusbildende Landwirtschaft<br />
fördern. Die Gesellschaft muss die Subventionen<br />
umbauen. Die Flächensubvention –<br />
alle LandbesitzerInnen bekommen 300 Euro<br />
pauschal für jeden Hektar – ist unsinnig. Weil<br />
hier nicht gefördert wird, dass etwas getan<br />
wird. Sondern als Fördergrundlage reicht es,<br />
dass der Boden da ist. Es sollte gefördert werden,<br />
dass etwas Sinnvolles gemacht wird.<br />
Wie wecke ich Interesse am Thema<br />
Boden? Auf der Bildebene ist Boden ja<br />
nicht unbedingt catchy.<br />
Es beginnt schon bei der sprachlichen Problematik.<br />
Wir haben keinen anderen Begriff<br />
für das, wovon wir uns ernähren, als für das,<br />
wo wir etwas draufstellen: Dachboden. Boden.<br />
Fußboden. Wenn wir die Relevanz des Schutzes<br />
von Auenlandschaften vermitteln wollen,<br />
sprechen wir ja auch selten von Auwald und<br />
Wiesen. Sondern im Zentrum stehen meist<br />
die Tiere, die diese Lebensräume bewohnen.<br />
Und der Boden hat den Regenwurm. Und das<br />
macht in Mitteleuropa auch wirklich Sinn,<br />
hier als Symbol den Regenwurm zu nehmen.<br />
Man muss den Blick nach unten auf den Boden<br />
richten und es schaffen, das, was dort stattfindet,<br />
spannend darzustellen. Die Ausstellung<br />
des Senckenberg Museums für Naturkunde<br />
Görlitz ist hier zum Beispiel vorbildlich. Bei<br />
einem virtuellen Rundgang – mit VR-Brille auf<br />
Asselgröße/Regenwurmgröße geschrumpft –<br />
kann ich mich durch den Boden bewegen.<br />
Früher mussten die Leute weiterwandern,<br />
wenn der Boden ausgelaugt war. Heute glauben<br />
wir, wir können die Boden übernutzen<br />
und das regeln. Das ist ein Irrtum.<br />
Bild istock.com/christian dahlhaus
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<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
Unter uns<br />
23<br />
Bilder<br />
Christian Bruna<br />
Text<br />
Irina Zelewitz<br />
Die groSSe<br />
weiSSe Lücke<br />
Günther Aust weiß um die Vielfalt der<br />
österreichischen Böden wie kaum ein Zweiter.<br />
Und er hat ein Ziel: Bis zu seiner Pensionierung<br />
soll die digitale österreichische Bodenkarte<br />
vollständig sein.<br />
Wer Günther Aust eine E-Mail schickt,<br />
erfährt womöglich durch eine automatische<br />
Antwort, dass dieser »bis<br />
auf Weiteres im Außendienst« ist und<br />
die Nachricht auch »zu einem späteren Zeitpunkt<br />
nicht bearbeitet werden kann«. Und dass<br />
man einen Bodenkundler, dessen Mission die<br />
Sammlung von Bodendaten ist, bei halbwegs<br />
akzeptablem Sommerwetter nicht im Büro<br />
findet, sondern im wahrsten Sinne des Wortes<br />
»im Feld«.<br />
Die Dynamik eines Bodens<br />
Als Geländekundler wäre es ihm am liebsten,<br />
»alle würden den Boden in Ruhe lassen – und<br />
wenn bearbeiten, dann nur sehr extensiv«, gibt<br />
Aust zu und wirft einen kritischen Blick auf<br />
niederösterreichischen Boden. Aber es gebe<br />
eben auch wirtschaftliche Interessen: »Die<br />
meisten bewirtschaften Böden ja nicht als Hobby«,<br />
bringt Aust es auf den Punkt. Wird der<br />
Bodenkundler vom Bundesforschungs- und<br />
Ausbildungszentrum für Wald, Naturgefahren<br />
und Landschaft (bfw) plump gefragt, was<br />
das Faszinierendste am Objekt seiner Erforschungsleidenschaft<br />
ist, gerät er<br />
ins Schwärmen von der Vielfalt<br />
der Böden und lässt sich kaum<br />
mehr bremsen.<br />
Zwischendurch fällt ihm ein,<br />
dass der dunkle Oberboden, also<br />
das, was man beispielsweise sieht,<br />
wenn man auf ein unbestelltes Feld<br />
blickt, für die meisten Menschen<br />
immer sehr ähnlich aussieht – für<br />
ihn ist das aber eben anders. Er<br />
sieht schon aus der Ferne Farben,<br />
Vegetation und Höhenlagen und<br />
aus der Nähe Risse und Struktur<br />
und das befähigt ihn dann bereits<br />
zum educated guess.<br />
»Es ist – wie so oft im Leben –<br />
die gute Mischung, die man will«,<br />
sagt er und erklärt: Die Art eines<br />
Bodens wird durch das Verhältnis von Sand<br />
und Schluff und Ton bestimmt, die Rede ist<br />
dann auch oft von leichten (also stark sandhaltigen)<br />
und schweren (stark tonhaltigen)<br />
Böden. Diese Zusammensetzung bestimmt<br />
wiederum die Bodenstruktur mit.
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
unter uns<br />
24<br />
»Ich seh am Tag<br />
ungefähr 40 Böden.«<br />
– Günter Aust<br />
Die digitale Bodenkarte<br />
ist über bodenkarte.at<br />
abrufbar.<br />
Wenn Aust sagt, »Ich seh am Tag ungefähr<br />
40 Böden«, meint er damit, dass er bei der Bodenkartierung<br />
40 Mal am Tag den Bohrstock mit<br />
einem Hammer in einen Boden schlägt und wieder<br />
herauszieht. Dann kratzt er<br />
mit dem Taschenmesser eine<br />
Schicht Erde vom Bohrstock<br />
und betrachtet die Schichten,<br />
die die Bodenzusammensetzung<br />
Zentimeter für Zentimeter<br />
abbilden. In der Probe wird<br />
»die Dynamik eines Bodens« erkennbar, und<br />
zwar anhand der Farbe, der Flecken und der Risse,<br />
Textur und Struktur, die sie aufweist.<br />
Humus schützt vor Wind und Wetter<br />
Beides interessiert bisher vor allem LandwirtInnen.<br />
Nicht alle im angemessenen Ausmaß,<br />
merkt Aust an, gesteht aber ein: »Das Interesse<br />
der LandwirtInnen an ihrem Boden hat sich auf<br />
jeden Fall schon zum Besseren verändert, das<br />
ist von Region zu Region sehr unterschiedlich.<br />
Oft funktioniert es im Schneeballprinzip: Einer<br />
beginnt etwas Neues, es funktioniert, den Rest<br />
kennt man ja.« Wenn man die Zusammensetzung<br />
seines Bodens kennt, dessen Wasserhaltekapazitäten,<br />
dessen Bodenstruktur, dann weiß<br />
man auch, was in und auf ihm gedeiht, wie man<br />
seinen Boden pflegen sollte und was man dem<br />
Boden wann zumuten kann. Die größten Feinde<br />
des gesunden Bodens sind schweres Gerät,<br />
starker Einsatz von Düngern und Pestiziden<br />
sowie häufige und intensive Bodenbearbeitung.<br />
Denn all das verringert den Sauerstoffgehalt<br />
im Boden, das Bodenleben und führt zu Bodenverdichtung.<br />
Abhängig von ihrer Zusammensetzung<br />
(Stichwort Sand – Schluff –Ton) seien<br />
Böden unterschiedlich anfällig für Verdichtung,<br />
betont Aust, aber viel hänge eben davon ab, wie<br />
der Boden behandelt werde.<br />
Verdichtung bedeutet ab einem gewissen<br />
Grad einen humusarmen Boden und der ist<br />
nicht nur landwirtschaftlich wertlos, sondern<br />
auch von Erosion gefährdet. »Genauso wie<br />
auch Böden, die offen sind. Weil das ein unnatürlicher<br />
Zustand ist«, erklärt Aust.<br />
Bodenverlust findet allerdings gleichzeitig<br />
auch im ganz großen Ausmaß durch Versiegelung<br />
statt. In der Raumplanung beginne man<br />
erst, sich ernsthaft Gedanken darüber zu machen,<br />
wo erhaltenswerte Böden sind, und wo<br />
andere mit »niedrigerem Funktionserfüllungsgrad«,<br />
wie es der Fachmann nennt. Und der will<br />
vor allem, dass vermieden wird, besonders<br />
wertvolle Böden etwa durch Gewerbegebiete,<br />
die auch woanders errichtet werden könnten,<br />
zu versiegeln.<br />
Was den Bodenkundler außerdem schmerzt:<br />
dass der beste Ackerboden im Vergleich zum<br />
schlechtesten Bauland immer noch nichts<br />
»wert« ist. Ob das die richtige Anreizstruktur<br />
ist, um der schnell voranschreitenden Flächen-
Impressum: NEOS, Neustiftgasse 73-75, 1070 Wien<br />
WIR SCHAUEN AUFS<br />
GESELLSCHAFTS-,<br />
WIRTSCHAFTS-, UND<br />
BILDUNGS-<br />
KLIMA.<br />
HELMUT BRANDSTÄTTER<br />
BEATE MEINL-REISINGER
26<br />
»Mir ist es ein<br />
Anliegen, dass das<br />
Bodenbewusstsein steigt<br />
und die Leute, wenn sie<br />
Boden hören, nicht nur<br />
Fußboden verstehen.«<br />
versiegelung etwas entgegenzusetzen, stellt er<br />
infrage und deutet an, dass er die Möglichkeit,<br />
durch Umwidmung von Ackerland in Bauland,<br />
eine Veränderung »auf dem Papier« ohne eine<br />
des Bodens, massive Wertsteigerung zu erfahren,<br />
für ein grundlegendes Problem hält.<br />
Boden der Stunde null<br />
Und der Bodenverlust ist bekanntermaßen<br />
nicht zuletzt ein Problem für die Nahrungsmittelversorgung,<br />
vor allem der des Oberbodens,<br />
betont Aust.<br />
»Den kann man in manchen Fällen sogar mit<br />
einem Bagger von dort holen, wo es ihn hingeschwemmt<br />
hat, und wieder draufschütten,<br />
aber bei einem Rohboden, der auf Entwicklungsstunde<br />
null steht, dauert es Jahrzehnte,<br />
bis man wieder einen normalen Boden sieht.«<br />
Durch Gründüngung und andere Maßnahmen<br />
könne es schon nach 10–15 Jahren so weit<br />
sein. Vorausgesetzt, es tritt während dieser<br />
Zeit kein weiterer Starkregen ein, denn dadurch<br />
würde der Boden wieder weggetragen<br />
werden. Es ist ein Teufelskreis, dessen Einsetzen<br />
es möglichst viel entgegenzusetzen gelte<br />
– zum Beispiel Wissen – und auf Basis dessen<br />
dann Maßnahmen wie etwa Bodenbedeckung<br />
folgen müssten.<br />
Entscheidungsbasis<br />
Die Kartierung österreichischer Böden wurde<br />
ab den 1950er-Jahren im großen Stil betrieben.<br />
»Da sind 20 Kartierer gleichzeitig in Österreich<br />
herummarschiert und haben mindestens alle<br />
100 Meter mit ihrem Bohrstock eine Bodensondierung<br />
vorgenommen«, beschreibt Aust<br />
den Aufwand. Anfang der 2000er wurde dann<br />
damit begonnen, die Daten zu den österreichischen<br />
Böden zu digitalisieren. Seit 2006 ist die<br />
digitale Bodenkarte, liebevoll kurz eBod genannt,<br />
online, aber sie ist noch nicht vollständig.<br />
Wien-West und Klosterneuburg werden<br />
von seinem Kollegen Bock sehr bald fertiggestellt<br />
sein, erwartet Aust. Doch er erklärt<br />
zerknirscht: »Meine große weiße Lücke liegt<br />
im Bezirk Melk, im ehemaligen Gerichtsbezirk<br />
Mank. Das ist umso schlimmer, weil das<br />
ein landwirtschaftlich besonders interessantes<br />
und wichtiges Produktionsgebiet ist.« Die<br />
Daten seien großteils erfasst, aber es warte<br />
noch die redaktionelle Arbeit – etwa die Plausibilitätsprüfung<br />
der gesammelten Daten. Der<br />
größte Teil von Austs Arbeit ist dann zwischen<br />
Oktober und Mai also doch wieder Schreibtischarbeit.<br />
Mit Unterbrechungen arbeitet der<br />
Bodenkundler nun seit 18 Jahren an der Kartierung<br />
Österreichs, ursprünglich sein Hauptprojekt,<br />
aber wie es so geht: Laufend kämen andere<br />
Aufgaben hinzu.<br />
Doch Aust bleibt zuversichtlich: »Ich habe<br />
die Hoffnung, dass ich in drei Jahren eine engagierte<br />
Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter<br />
bekomme, damit ich mich vor den anderen Arbeiten<br />
verstecken und bis zu meiner Pensionierung<br />
mein Mank ins Internet bringen kann.<br />
Das ist mir wichtig, denn diese landwirtschaftliche<br />
Bodenkarte bietet eine so tolle Datenlage,<br />
dass es sehr schade wäre, wenn sie nicht weiter<br />
aktualisiert würde. Und die Zugriffszahlen<br />
bestätigen das Interesse. Es ist mir ein Anliegen,<br />
dass das Bodenbewusstsein steigt und die<br />
Leute, wenn sie Boden hören, nicht nur Fußboden<br />
verstehen.«
Bild Istock.com/LOREMIPSUM, Lorem ipsum
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
Bodenlos<br />
28<br />
Unter dem<br />
Schirm<br />
der Hyäne<br />
Äthiopischen Bauern mangelt<br />
es an Boden. Die Zucht von<br />
Austernpilzen könnte dabei helfen,<br />
ihr Einkommen flächenunabhängig<br />
zu vergrößern. Doch so einfach ist<br />
das leider nicht.<br />
Text<br />
Thomas Stollenwerk<br />
Anfang 2019 hat sich der 26-jährige äthiopische<br />
Bauer Bekele Gebissa auf den<br />
Weg in die Kleinstadt Gojo in der Region<br />
Jeldu gemacht. Die Hilfsorganisation<br />
Menschen für Menschen (MfM) hatte LandwirtInnen<br />
wie ihn eingeladen. Es ging um eine<br />
Möglichkeit, ihr Einkommen zu vergrößern.<br />
Seit einer umfassenden Landreform Mitte der<br />
1970er-Jahre stehen äthiopischen LandwirtInnen<br />
maximal zehn Hektar Land zur Nutzung<br />
zu. Seither haben sich die Parzellen durch Erbteilung<br />
vielfach noch einmal deutlich verkleinert.<br />
Wollen LandwirtInnen ihre Fläche erweitern,<br />
geht das nur, wenn sie die Flächen<br />
von Familienmitgliedern, die alt sind oder Arbeit<br />
außerhalb der Landwirtschaft gefunden<br />
haben, mitbewirtschaften.<br />
Wer das Einkommen erhöhen möchte, muss<br />
den begrenzten Boden effizienter nutzen. Bekele<br />
Gebissa setzt beim Anbau von Kartoffeln<br />
und Gerste deshalb auf Kunstdünger. Helfen<br />
könnten auch flächenunabhängige Kulturen<br />
und Anbaumethoden. Und genau darum ging<br />
es in Gojo. Professor Asefa Keneni von der Universität<br />
Ambo war ins Hochland gekommen,<br />
um die Bäuerinnen und Bauern mit der Zucht<br />
von Austernpilzen vertraut zu machen. Bekele<br />
und 28 weitere LandwirtInnen waren der<br />
Einladung zum Workshop gefolgt. Der Anbau<br />
von Austernpilzen ist in der Region kaum verbreitet.<br />
Dabei lassen sie sich auf unterschiedlichsten<br />
Substraten, zum Beispiel auf gehäckselten<br />
Zweigen, Stroh oder Gras, züchten. Voraussetzung<br />
ist, dass das Substrat durch langes<br />
Kochen pasteurisiert wurde, also von Keimen<br />
und anderen unerwünschten Pilzsporen befreit<br />
ist. Das haben die Bäuerinnen und Bauern im<br />
Workshop gemeinsam gemacht, in großen Fässern<br />
mit heißem Wasser.<br />
Die Anzucht der nötigen Pilzkulturen, z. B.<br />
auf Sorghum-Körnern, also das Anziehen der<br />
sogenannten Körnerbrut, ist da schon schwieriger<br />
und muss unter sterilen Bedingungen<br />
stattfinden. Diese Anzucht soll Professor Asefa<br />
Keneni zukünftig für die Bäuerinnen und<br />
Bauern übernehmen, um sie dann mit den angezüchteten<br />
Pilzkulturen zu beliefern. Bei den<br />
LandwirtInnen könnten dann die weitere Aufzucht<br />
und die Ernte der Pilze erfolgen. Das Interesse<br />
der Workshop-TeilnehmerInnen an der<br />
Pilzzucht ist groß. »Das scheint mir ein sehr<br />
einfaches Geschäft zu sein, das auch in kleinem
29<br />
»Das scheint mir ein sehr einfaches<br />
Geschäft zu sein, das auch in kleinem<br />
Maßstab funktioniert, es entstehen<br />
auch keine hohen Kosten.«<br />
– Bekele Gebissa<br />
Bilder Ricardo Hergott, Isotck.com/ pleshko74<br />
Maßstab funktioniert«, erklärt Bekele. »Es entstehen<br />
auch keine hohen Kosten. Denn Stroh<br />
als Substrat für die Pilze haben wir ja genug.«<br />
der kommende Boden?<br />
Ein halbes Jahr nach dem Workshop steht Professor<br />
Asefa Keneni in seinem Biologieinstitut<br />
in der Universität von Ambo und schwärmt<br />
von den Pilzen, die in Äthiopien auch Hyänenschirm<br />
genannt werden: »Austernpilze zuzubereiten<br />
ist sehr simpel. Man brät sie und fügt<br />
ein paar Kräuter hinzu. Man kann durch die<br />
Pilze auch in sehr klassischen Gerichten<br />
Fleisch ersetzen.«<br />
Die Attraktivität der Pilze spreche sich inzwischen<br />
herum. »Vor fünf Jahren, als wir hier begonnen<br />
haben, uns mit den Pilzen zu beschäftigen,<br />
war unser Interesse rein wissenschaftlich.<br />
Während der Arbeit kamen wir darauf, dass der<br />
organische Müll, der überall anfällt, verwertet<br />
werden kann, indem er zum Substrat für die Pilze<br />
wird.« Und so treten neben die kulinarischen<br />
Vorzüge die ökonomischen. Auch unter den Studierenden<br />
auf dem Campus der Uni Ambo hat<br />
sich das verbreitet. In einem kleinen Schuppen,<br />
der mitten auf einer Grünfläche zwischen<br />
den Institutsgebäuden steht, haben der Professor<br />
und seine Studierenden die Pilze schon auf<br />
unterschiedlichsten Substraten angebaut. »Am<br />
Anfang gab es dafür kein besonders großes Interesse.<br />
Inzwischen ist es so, dass jeder einzelne<br />
Pilz aus unserem Pilzhaus von den Studierenden<br />
eingesammelt wird. Denn inzwischen<br />
wissen alle, dass Pilze sehr gute und gesunde<br />
Nahrungsmittel sind. Neulich hat mir sogar jemand<br />
erzählt, dass sein Arzt ihm Pilze für das<br />
Verdauungssystem verschrieben hat.« Der Biologe<br />
sieht eine große Zukunft für die Sporengewächse:<br />
»In zehn Jahren werden wir in Äthiopien<br />
Pilze und ihre Bedeutung für die Lebensmittelversorgung<br />
genauso wertschätzen wie<br />
Kartoffeln, Zwiebeln oder andere Produkte unserer<br />
Landwirtschaft – wenn nicht sogar so sehr<br />
wie Kaffee.«<br />
Ganz ähnlich sieht das auch Tesfaye Disasa<br />
am nationalen Zentrum für Agrarforschung in<br />
Holeta, nahe der Hauptstadt Addis Abeba. Der<br />
Agrarwissenschaftler hat Zeit für ein ausführliches<br />
Gespräch, denn viel tun können er und<br />
seine KollegInnen gerade nicht. Der Strom ist<br />
mal wieder ausgefallen. Kühlungen, Zentrifugen,<br />
elektronische Mikroskope und andere Gerätschaften<br />
stehen still. Auf die Frage, ob er Po-<br />
Bauern aus der Provinz<br />
Jeldu machen sich in<br />
Workshops mit Austernpilzen<br />
vertraut. Bekele Gebissa<br />
(links) möchte bald in die<br />
Produktion einsteigen.
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
Bodenlos<br />
30<br />
Am Anfang gab es dafür kein<br />
besonders großes Interesse.<br />
Inzwischen ist es so, dass jeder<br />
einzelne Pilz aus unserem<br />
Pilzhaus von den Studierenden<br />
eingesammelt wird.«<br />
– Asefa Keneni<br />
Prof. Asefa Keneni soll die<br />
PilzzüchterInnen mit der Brut<br />
versorgen.<br />
Tesfaye Disasa erwartet<br />
einen Pilzboom in Äthiopien.<br />
tenzial in der Zucht von Pilzen sieht, beginnt er<br />
zu lachen. »Aber natürlich. Da gibt es gar keinen<br />
Zweifel. Alle an meinem Institut wären interessiert,<br />
sich stärker mit Pilzen zu beschäftigen.<br />
Bisher liegt unser Schwerpunkt allerdings bei<br />
Getreide.« Auch Disasa glaubt, dass der äthiopischen<br />
Landwirtschaft ein Pilzboom bevorsteht.<br />
Wenn so ein Boom in Äthiopien Fahrt aufnimmt,<br />
heißt das allerdings noch lange nicht, dass die<br />
Bäuerinnen und Bauern davon sofort profitieren.<br />
An den Universitäten von Addis Abeba und<br />
Dire Dawa sowie am Forstwissenschaftlichen<br />
Zentrum in Addis Abeba<br />
haben Woldemedhin Getachew,<br />
Seifu Zemedu und<br />
Wassie Eshete 2016 untersucht,<br />
wo die Wertschöpfung<br />
entlang äthiopischer<br />
Pilzlieferketten abfällt.<br />
Sie stellten fest, dass an<br />
den Lieferketten in aller<br />
Regel fünf verschiedene<br />
AkteurInnen beteiligt<br />
sind: PilzbrutzüchterInnen,<br />
ProduzentInnen, HändlerInnen, verarbeitende<br />
Betriebe und schließlich die Konsumierenden.<br />
Das Geschäft mit den Pilzen biete für<br />
Männer und Frauen unterschiedlichster Bildungsgrade<br />
gleichermaßen Betätigungsfelder.<br />
Die große Verfügbarkeit von Pilzbrut sowie der<br />
nötigen Substrate zum Anbau und das wachsende<br />
Bewusstsein für den Nährwert von Pilzen<br />
kämen dem Geschäft zwar entgegen, allerdings<br />
würden hohe Preise für Sporen und Substrate<br />
in Kombination mit dem beschränkten Marktzugang<br />
für viele ProduzentInnen das Geschäft<br />
auch erschweren.<br />
»Der Pilz- und Sporenmarkt konzentriert sich<br />
bei den PilzbrutzüchterInnen. Das beschädigt<br />
die Funktionalität des Markts. Dadurch werden<br />
viele PilzproduzentInnen ausgebeutet und entmutigt«,<br />
schreiben die StudienautorInnen. Der<br />
mangelnde Marktzugang der ProduzentInnen<br />
rührt auch daher, dass Pilze sich nur schwer lagern<br />
lassen. Ware, die wegen mangelnder Mobilität<br />
oder anderer Markteintrittshürden nicht<br />
schnell genug auf den Markt gelangt und verdirbt,<br />
wird deshalb entsorgt. Ein Verlustgeschäft<br />
für viele Bäuerinnen und Bauern. Wo<br />
Pilze angebaut, aber nicht vermarktet werden<br />
können, endet die Wertschöpfungskette. Die<br />
PilzbrutzüchterInnen sind dann die einzigen<br />
ProfiteurInnen des Pilzgeschäfts. Gleichzeitig,<br />
so stellten die WissenschaftlerInnen fest, seien<br />
es auch die PilzbrutzüchterInnen, die am stärksten<br />
in die Vermarktung der Pilze involviert seien.<br />
Die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, die Sporen<br />
und Substrate kaufen müssen, um Pilze zu<br />
produzieren, bleiben das schwächste Glied in<br />
der Wertschöpfungskette.<br />
Ein Start-up und hemmnisse<br />
Bekele Gebissa wartet dennoch darauf, endlich<br />
mit der Pilzproduktion beginnen zu können. Er
ist zuversichtlich und hat sich auch schon Gedanken<br />
zur Vermarktung von Pilzen in seinem Heimatort<br />
gemacht. Allerdings kann Professor Asefa Keneni<br />
die versprochene Pilzbrut zurzeit nicht liefern.<br />
Die notwendigen sterilen Bedingungen werden in<br />
seinem baufälligen Labor an der Universität Ambo<br />
einfach nicht erreicht. »Sein Labor ist infiziert. Das<br />
ist ein Problem«, erklärt auch Gebeyehu Seyoum,<br />
Projektleiter von MfM in der Region Jeldu, der sich<br />
deshalb nach alternativen Quellen für Pilzbrut umsieht,<br />
um die wartenden Bäuerinnen und Bauern<br />
endlich damit ausstatten zu können.<br />
Dabei ist er auch auf Kalkidan Sileshi in Addis<br />
Abeba gestoßen. Kalkidan ist eine derjenigen, die<br />
gleich an mehreren Stellen an der Pilzwertschöpfungskette<br />
beteiligt sind. Die junge Biologin züchtet<br />
in einem Labor Pilzkulturen. Die setzt sie 15 Tage<br />
lang in einer Dunkelkammer auf einem Substrat an,<br />
um sie dann päckchenweise an LandwirtInnen zu<br />
verkaufen. Die impfen damit das jeweilige Substrat<br />
und produzieren daraus mehrere Kilogramm Austernpilze.<br />
Nach der Ernte kauft Kalkidan Sileshi den<br />
Bäuerinnen und Bauern ihre Pilze ab, um sie mit<br />
Gewinn an Hotels und Restaurants in der Hauptstadt<br />
zu verkaufen. Nicht zuletzt die große chinesische<br />
Community in Addis Abeba schafft eine Nachfrage<br />
nach Pilzen. Die 29-jährige Wissenschaftlerin<br />
und Start-up-Gründerin ist Äthiopiens erste kommerzielle<br />
Pilzbrutzüchterin. Ermöglicht hat ihr das<br />
ein Kredit des Ethiopian Climate Innovation Center<br />
(ecic).<br />
Bäuerinnen und Bauern fehlt meist der direkte<br />
Zugang zu AbnehmerInnen in der Hauptstadt. Und<br />
auf ländlichen Märkten sind Pilze weitgehend unbekannt.<br />
So auch in der Region Jeldu, wo Bauer Be-<br />
Die großen<br />
Emil Trinkflaschen<br />
aus<br />
Glas. Für 0,6l<br />
und 0,75l<br />
Wasser, Tee,<br />
Schorle, Smoothie<br />
und jedes andere<br />
Lieblingsgetränk.<br />
Herstellersiegel<br />
DIE FLASCHE<br />
ZUM ANZIEHEN<br />
Bilder Ricardo Hergott<br />
Die junge Biologin Kalkidan Sileshi hat sich in Addis Abeba als<br />
Herstellerin von Pilzbrut selbstständig gemacht.<br />
Im Fachhandel und auf<br />
www.emil-die-flasche.de
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
Bodenlos<br />
32<br />
<strong>Biorama</strong>.eu/<br />
10-gruende-fuer<br />
-vertical-farming<br />
<strong>Biorama</strong>.eu/53<br />
kele zuhause ist. Dafür, dass Kalkidan und Bauern<br />
wie er, der endlich Pilze anbauen will, nicht<br />
zueinanderfinden, um das Geschäft ins Laufen<br />
zu bringen, gibt es einen einfachen Grund, wie<br />
Bekele erklärt: »Mir die Pilzbrut aus Addis<br />
Abeba zu besorgen ist eine gute Idee. Aber das<br />
kann ich mir einfach nicht leisten. Allein der<br />
Transport ist teuer. Aber sobald ich erst einmal<br />
begonnen habe, mit den Pilzen Geld zu verdienen,<br />
ist das natürlich eine Option.« Dass nötiges<br />
Startkapital fehlt, lähmt ambitionierte junge<br />
LandwirtInnen wie Bekele Gebissa.<br />
Gemeinsam als chance<br />
Fast fünftausend Kilometer nordwestlich der<br />
Kleinstadt Gojo haben Manuel Bornbaum und<br />
Florian Hofer den Schritt, den Bekele so gerne<br />
machen würde, schon 2015 unternommen.<br />
Sie haben sich unter dem Namen Hut & Stiel<br />
selbstständig gemacht und sind als Urban Farmer<br />
in Wien in die Produktion von Austernpilzen<br />
eingestiegen. Ihr Substrat ist nicht Stroh,<br />
wie bei den Bäuerinnen und Bauern in Jeldu,<br />
sondern Kaffeesatz aus Wiener Kaffeehäusern.<br />
Stromausfälle sind hier, anders als im Institut<br />
von Professor Asefa oder im Forschungszentrum<br />
von Tesfaye Disasa, selten. Und auch sonst<br />
herrschen hier beste Bedingungen für die Produktion.<br />
»Pilze wachsen auf landwirtschaftlichen<br />
Abfallprodukten, die es überall gibt. Und<br />
sie brauchen superwenig Platz. Man kann auf<br />
einem Quadratmeter Fläche pro Woche ein Kilogramm<br />
Pilze anbauen. Das ist ein wahnsinnig<br />
hoher Flächenertrag«, erklärt Bornbaum, »pro<br />
Hektar 500 Tonnen pro Jahr«.<br />
Und das bei einer hervorragenden Klimabilanz.<br />
Um erfolgreich Austernpilze zu kultivieren,<br />
sei allerdings eine gewisse Basisinfrastruktur<br />
notwendig. Zum Beispiel Maschinen, um<br />
das Substrat zu häckseln und durch Dampf zu<br />
pasteurisieren. Eines sei daneben jedoch entscheidend:<br />
»Das Wichtigste ist, dass man das<br />
Myzel, also die Pilzbrut, in einer guten und stabilen<br />
Qualität bekommt. Nur dann kann man<br />
stabile Erträge erzielen.« Die Stadtbauern von<br />
»Es würde Sinn machen,<br />
wenn die zentrale Stelle<br />
eine gemeinnützige ist,<br />
damit der Großteil der<br />
Gewinne bei den Bäuerinnen<br />
und Bauern bleibt.«<br />
– Manuel Bornbaum, Hut & Stiel<br />
Manuel Bornbaum (rechts) und<br />
Florian Hofer bauen seit 2015<br />
Austernpilze als Urban Farmer an.
BEWUSST<br />
MACHEN!<br />
Bilder KHP Hut & Stiel, Eléna Seitaridis<br />
Hut & Stiel beziehen ihre Pilzbrut von einem erfahrenen<br />
Unternehmen. Und doch geht die Zucht der<br />
Pilze immer wieder einmal daneben. Das gehört<br />
dazu, trotz all der gesammelten Erfahrungen und<br />
des mehrjährigen Know-hows.<br />
Für den Wissensaustausch unter Pilzzücht er-<br />
Innen sind die Gründer von Hut & Stiel dem europäischen<br />
Mushroom Learning Network (mln) beigetreten,<br />
das den Open-Source-Gedanken verfolgt,<br />
die freie und gemeinnützige Weitergabe von Pilzwissen.<br />
Gemeinnützigkeit empfiehlt Manuel Bornbaum<br />
auch den angehenden PilzproduzentInnen<br />
Äthiopiens: »Es wäre vermutlich sinnvoll, eine zentrale<br />
Stelle einzurichten, wo das Substrat produziert<br />
wird und die Inkubation des Substrats mit Pilzbrut<br />
stattfindet. Erst dann sollten die Pilze zu den LandwirtInnen<br />
gelangen, um bis zur Ernte zu wachsen.«<br />
Ansonsten drohe, dass die Bäuerinnen und Bauern<br />
am Ende kaum von den Pilzen profitieren: »Das ist<br />
bei den Pilzen leider wie überall in der Agrarwirtschaft.<br />
Es würde Sinn machen, wenn die zentrale<br />
Stelle eine gemeinnützige ist, damit der Großteil der<br />
Gewinne bei den Bäuerinnen und Bauern bleibt.«<br />
Das weiß auch die ngo Menschen für Menschen,<br />
die beim Bezug der Pilzbrut deshalb auf die Zusammenarbeit<br />
mit der Universität Ambo setzen möchte<br />
statt auf kommerzielle AnbieterInnen. Ohne deren<br />
Marktzugang könnte es jedoch schwierig werden,<br />
ein Pilzgeschäft zu etablieren. Doch Bekele Gebissa<br />
ist zuversichtlich: »Vor ein paar Jahren waren auch<br />
Kartoffeln hier in Jeldu nicht verbreitet. Als wir Kartoffelbäuerinnen<br />
und -bauern begonnen haben, sie<br />
zu vermarkten, haben wir die Dorfältesten eingeladen,<br />
um Werbung dafür zu machen. So werden wir<br />
es mit den Pilzen auch machen.« <br />
MIT DER<br />
GANZEN FAMILIE<br />
NACHHALTIG<br />
GENIESSEN.<br />
Ein bewusstes Leben beginnt bei der<br />
Ernährung: Darum bietet dm eine große<br />
Auswahl an nachhaltigen, ökologisch<br />
wertvollen Bio-Produkten – von der gesunden<br />
Schuljause bis zum ausgewogenen Büro-Snack.<br />
Gut für uns und die Umwelt!<br />
meindm.at
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
UNTER UNS<br />
34<br />
Der Wurm im Buch<br />
und das Buch im Wurm<br />
Das Pixi-Buch »Valentina und die Regenwürmer« erklärt,<br />
welchen Beitrag kleine Bodenbewohner zu einem<br />
gesunden Boden leisten. Beispielhaft sind nicht nur die<br />
Hauptfiguren des Buchs, sondern auch das Buch selbst:<br />
Es wurde nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip gedruckt.<br />
Text<br />
Alina Birkel<br />
Die Message, die vermittelt werden soll, ist<br />
klar: Regenwürmer machen den Boden<br />
besser. Sie graben Gänge, die die Erde belüften,<br />
düngen den Boden und ermöglichen<br />
es vielen an-deren kleinen Tieren, sich<br />
dort anzusiedeln. Das versucht das neue Pixi-Kinderbuch<br />
für die Zielgruppe 4–7 Jahre,<br />
das in Kooperation des Bioverbands Bio Austria<br />
mit der österreichi-schen Bioeigenmarke<br />
»Ja! Natürlich« der Einzelhandelskette Rewe<br />
erschienen ist.<br />
Bodenkunde für Kinder<br />
In »Valentina und die Regenwürmer« von den<br />
Autorinnen Corinna Fuchs und Dorothea Tust<br />
legen die SchülerInnen Valentina und Moritz<br />
ein Biobeet an. Valentina, die sich bereits gut<br />
mit Regenwürmern auskennt, erklärt Moritz,<br />
wie man ein Gemüsebeet gestalten muss, damit<br />
es einen guten Lebensraum für die Regenwürmer<br />
bietet – und warum es so wichtig ist,<br />
dass viele Regenwürmer und andere kleine<br />
Tiere im Boden leben.<br />
Die Rahmenhandlung des Buchs vermittelt,<br />
dass wir auf unsere Böden achten und sie gesund<br />
halten müssen. Zwischendurch wird in<br />
Form kurzer und leicht verständlicher Aufzäh-lungen<br />
Wissenswertes zu den Regenwürmern<br />
erzählt. Das Buch greift auch komplexere<br />
Konzepte – wie zum Beispiel die Fruchtfolge<br />
– auf und ist somit auch für so manche<br />
Eltern interessant.<br />
Kompostierbar durch das Cradle-to-<br />
Cradle-Prinzip<br />
Während das Pixi-Buch inhaltlich Wissenswertes<br />
zur Bodengesundheit vermittelt, ist es auch<br />
in seiner physischen Form ökologisch nachhaltig<br />
gestaltet. Gedruckt wurde es in der Druckerei<br />
Gugler, die nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip<br />
arbeitet. Das bedeutet, dass das Buch<br />
kompostierbar – und theoretisch sogar essbar –<br />
ist. Somit ist es auch für Kleinkinder, die Dinge<br />
gerne in den Mund nehmen, bestens geeignet.<br />
»Beim Cradle-to-Cradle-Prinzip geht es darum,<br />
dass die Inhaltsstoffe aus ökotoxikologischer<br />
Sicht positiv definiert und gesund für<br />
Mensch und Umwelt sein müssen. Außerdem<br />
muss das Produkt recyclingfähig sein«, erklärt<br />
Ernst Gugler.<br />
Der dritte Aspekt sei klimapositives Drucken:<br />
»Wir kompensieren in der Druckerei<br />
nicht nur die Emissionen, die wir selbst erzeugen,<br />
sondern auch jene, die in der Papierproduktion<br />
entstehen.«<br />
Das Pixi-Buch »Valentina und die Regenwürmer«<br />
von Corinna Fuchs und Dorothea Tust ist 2019 im<br />
Carlsen Verlag erschienen. Es ist an verschiedenen<br />
Stellen in und um Wien kostenlos erhältlich – gelistet<br />
sind diese auf bio-austria.at. Im Handel wird<br />
es allerdings nicht verkauft.
JA! ZUR NATUR<br />
HEISST NATÜRLICH<br />
Gut sein zum Boden heißt gut sein<br />
zu allem, was dort lebt.<br />
Dem Boden nicht mit Gewalt mehr<br />
abringen, als er bereit ist zu geben.<br />
Ihm zurückgeben, was er braucht, um<br />
immer wieder etwas Gutes hervorzubringen.<br />
Aber nur ja keinen Kunstdünger.<br />
Lieber Kompost samt Regenwürmern. Und<br />
ganz sicher keine chemisch -synthetischen<br />
Spritzmittel, wo es doch gegen jeden Schäd -<br />
ling einen Nützling gibt. Danke, sagt der Boden.<br />
Im Namen der Zukunft all seiner Bewohner.<br />
Aus unseren gesunden leben digen Bio Böden<br />
wird jetzt das frische Gemüse von<br />
Ja! Natürlich geerntet.<br />
Gut für uns.<br />
Und die Natur natürlich.<br />
janatuerlich.at<br />
#BioBoden<br />
Gibts nur bei:
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
Beruf und Berufung<br />
36<br />
Wie wird man<br />
eigentlich …<br />
... Biobäuerin auf der<br />
Mecklenburgischen Seenplatte<br />
Interview<br />
Thomas Stollenwerk<br />
Laura Thierbächer hat weder einen Hof geerbt<br />
noch in einen eingeheiratet. Sie leitet<br />
zusammen mit ihrem Mann einen Biobauernhof<br />
mit 250 Hektar Grünland und 100<br />
Hektar Acker und hält Mutterkühe sowie 100<br />
Milchkühe. Wie ist sie dorthin gelangt? Und<br />
welches Wissen möchte sie teilen?<br />
biorama: Wie würdest du deinen Beruf<br />
bezeichnen?<br />
Laura Thierbächer: Na ja, ich bin Bäuerin.<br />
Wir halten Milchkühe und Mutterkühe.<br />
Welche Ausbildung hast du gemacht, um<br />
diesen Beruf auszuüben?<br />
Ich habe im Vorfeld eine Ausbildung zur Tierwirtin<br />
gemacht, dann in Neubrandenburg Agrarwirtschaft<br />
studiert und mich während des<br />
Bachelorstudiums schon selbstständig gemacht.<br />
Nebenbei studiere ich aktuell noch in<br />
Teilzeit im Master.<br />
Ist dieser Ausbildungsweg heute der<br />
gängige Weg in die Landwirtschaft?<br />
Ich denke schon. Man kann natürlich auch<br />
nur eine landwirtschaftliche Fachschule<br />
besuchen. Da ist man dann vielleicht ein<br />
Stück näher an der Praxis. Meine Ausbildung<br />
im Vorfeld war sicherlich sinnvoll für die<br />
praktischen Erfahrungen. Die lernt man<br />
natürlich nicht im Studium.<br />
Bist du auch auf einem Bauernhof groß<br />
geworden?<br />
Nein, gar nicht. Meine Mutter ist Schneiderin<br />
und mein Vater ist Hafenlotse in Hamburg.<br />
Wie kam es zur Entscheidung, in die Landwirtschaft<br />
zu gehen?<br />
Eigentlich wollte ich Tiermedizin studieren.<br />
Das hat leider nach dem Abi nicht gleich geklappt<br />
und deshalb habe ich erst einmal die<br />
Ausbildung zur Tierwirtin begonnen. Mit Rindern<br />
arbeiten zu wollen, das stand für mich al-
»Man muss den Beruf<br />
wirklich mit viel Liebe<br />
und Leidenschaft ausüben.<br />
Sonst funktioniert<br />
das nicht.«<br />
– Laura Thierbächer<br />
lerdings schon immer fest. Wie ich darauf gekommen<br />
bin, weiß ich heute gar nicht mehr.<br />
Man hört aus der Milchwirtschaft immer, es<br />
werde für die Betriebe immer schwerer. Allein<br />
schon wegen des großen Investitionsbedarfs.<br />
Stimmt das?<br />
Das ist auf alle Fälle so. Die Wertschätzung, die<br />
man als Landwirtin erfährt, ist schon eher gering.<br />
Man hat enorm viele Ausgaben, man arbeitet rund<br />
um die Uhr an 365 Tagen im Jahr. Da bleibt wenig<br />
Zeit für die Familie, wir haben nämlich auch ein<br />
kleines Kind. Das ist schon traurig, was man dann<br />
am Ende verdient mit der geleisteten Arbeit.<br />
Du würdest den Beruf also eher nicht<br />
weiterempfehlen?<br />
Es kommt sehr darauf an. Man muss ihn wirklich<br />
mit viel Liebe und Leidenschaft ausüben. Sonst<br />
funktioniert das nicht.<br />
Welches Wissen aus deinem Beruf sollte<br />
auch außerhalb der Landwirtschaft verbreiteter<br />
sein?<br />
Viel Wissen, denn das ist eigentlich alles superinteressant,<br />
wenn man genauer hinsieht. Man macht<br />
sich ja im Normalfall kaum Gedanken darüber, wie<br />
es überhaupt dazu kommt, dass im Supermarkt<br />
dauerhaft so viele Lebensmittel stehen. Das wird<br />
als selbstverständlich wahrgenommen, in so einen<br />
Markt gehen und alles einpacken zu können. Aber<br />
wie die Waren hingekommen sind, das ist inzwischen<br />
für die meisten VerbraucherInnen gar kein<br />
Thema mehr. Und selbst unter uns Bäuerinnen und<br />
Bauern ist es ja so. Erst im Praktikum und während<br />
des Studiums bekommt man wirklich ein Bild davon,<br />
wie das alles funktioniert.<br />
DIE GROSSEN<br />
WILDTIERE KEHREN<br />
ZURÜCK NACH<br />
MITTELEUROPA.<br />
WAS BEDEUTET DAS FÜR<br />
MENSCH UND NATUR?<br />
MEHR DAZU IM<br />
– MAGAZIN FÜR NACHHALTIGEN LEBENSSTIL –<br />
KOSTENLOS, ABER ABONNIERBAR.<br />
Bild Privat<br />
Was in deinem Beruf sorgt dafür, dass du ihn<br />
mit Leidenschaft ausübst?<br />
Na auf jeden Fall die Arbeit mit Tieren. Das stand<br />
immer im Vordergrund. Und überhaupt: die Arbeit<br />
mit der Natur. Wir sind schließlich viel draußen<br />
unterwegs.<br />
6 AUSGABEN<br />
BIORAMA<br />
UM € 25,—<br />
biorama.eu/shop<br />
issuu.com/biorama
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
Beruf und Berufung<br />
38<br />
Wie wird man<br />
eigentlich …<br />
… Foodie, Bodenverkoster und<br />
Biorestauranttester?<br />
Bild<br />
Christian Bruna<br />
Interview<br />
Irina Zelewitz<br />
Jürgen Schmücking bei<br />
seinem »Mostviertler<br />
Feldversuch«: Der harte Teil<br />
der Vorbereitung für sein<br />
in der Erde geschmortes<br />
Biolamm ist hier gerade<br />
abgeschlossen.<br />
Jürgen Schmücking beschäftigt sich beruflich<br />
mit Lebensmitteln, deren Herkunft und<br />
Kulinarik. Im biorama und anderswo. Wie<br />
ist er dorthin gelangt? Und welches Wissen<br />
möchte er teilen?<br />
BIORAMA: Was machst du beruflich? Wie<br />
würdest du deinen Beruf in Stichworten<br />
beschreiben?<br />
Jürgen Schmücking: Kann ich nicht. Es ist simpel.<br />
Ich bin Unternehmer. Ich bin Journalist. Fotograf.<br />
Sensoriker. Und hier haben alle Tätigkeiten<br />
miteinander zu tun, einzeln übe ich keinen<br />
dieser Jobs aus.<br />
Es dreht sich bei mir immer alles ums Essen<br />
und Trinken und davon zu 90% um Bio.<br />
Ich beschäftige mich mit den Dingen, die uns<br />
ernähren. Und rundherum mach ich Kommunikation<br />
– erzähle Geschichten und mache Fotos.<br />
Aber nur die Geschichten derer, von denen<br />
ich überzeugt bin, dass sie die Welt mit dem,<br />
was sie tun, besser machen. Dazu gehört auch<br />
das Sensorische, deswegen habe ich das in meine<br />
Kommunikation integriert.<br />
Ist das nachhaltig?<br />
Ja, das empfinde ich so. Mit Einschränkungen.<br />
Ich bin nicht immer im Reinen mit den Möglichkeiten,<br />
die ich wähle, von A nach B zu kommen.<br />
Ich komme auf viele Flugmeilen. Ich habe<br />
aber ehrlich keine Lösung dafür – außer die<br />
Dinge gar nicht zu machen. Da ist ein Systemfehler,<br />
der mich beschäftigt.<br />
Welche Praxiserfahrung oder Ausbildung<br />
hat dich maßgeblich für deinen Beruf<br />
befähigt?<br />
Ich komme aus einem ganz anderen Bereich<br />
und als mich die Lust am Kosten in ihren<br />
Bann gezogen hat, war meine Ausbildung<br />
dünn. Mittlerweile habe ich mir alles Mögliche<br />
an Sensorikausbildungen reingezogen,<br />
2012 auch ein Gastrosophiestudium begonnen,<br />
unter anderem um meiner Arbeit einen<br />
politisch-nachhaltigen Hintergrund zu<br />
geben – und einen ernährungsphilosophischen.<br />
Ich habe mittlerweile zum Beispiel<br />
auch einen »Master in World Spirits«, also<br />
in Spirituosenverkostung.
»Wir brauchen über<br />
Nachhaltigkeit gar nicht<br />
nachdenken, solange<br />
wir uns nicht mit Böden<br />
beschäftigen.«<br />
– Jürgen Schmücking<br />
Wann hast du zum ersten Mal Geld damit<br />
verdient, etwas zu trinken oder zu essen?<br />
Im März oder April 1998. Da habe ich zum ersten<br />
Mal eine Weinverkostung moderiert, das<br />
war eigentlich ein Verkostungstraining für<br />
Bekannte.<br />
Im Internet gibt es Bilder von dir, auf denen<br />
du Erde verkostest. Schmeckt dir<br />
Erde?<br />
Nein, überhaupt nicht. Also nicht im Sinne von<br />
»Schmeckt mir gut, will ich mehr!«.<br />
Interessant ist aber der Versuch, herauszufinden,<br />
ob man Dinge, die man in der Erde<br />
schmeckt, auch in den korrespondierenden<br />
Produkten findet – also etwa im Wein.<br />
Das hat bei uns manchmal funktioniert, manchmal<br />
nicht. Forschung gibt’s dazu noch kaum.<br />
Was weißt du aus deinem Beruf über Böden,<br />
das viel mehr Menschen wissen sollten?<br />
Ich weiß gar nicht, wie ich das eindrücklich genug<br />
formulieren soll: Für Leute, die eine Ausbildung<br />
zum Bodenpraktiker machen (das sind<br />
in erster Linie LandwirtInnen), sind die Böden<br />
zentral. Wir brauchen über Nachhaltigkeit gar<br />
nicht nachdenken, solange wir uns nicht mit<br />
Böden beschäftigen.<br />
Die KonsumentInnen müssen gar nicht so<br />
viel wissen, aber sich bewusst sein, dass sensorisch<br />
wertvolle Lebensmittel nur auf gesundem<br />
Boden wachsen können. Und sobald ich<br />
mit Pestiziden wie Glyphosat versuche, des Unkrauts<br />
Herr zu werden, bewege ich mich davon<br />
zwangsläufig weg. Alle reden nur über bestimmte<br />
Aspekte von Terroir. Das sollte umfassender<br />
werden.<br />
Terroir wird bei manchen Landwirtschaftsprodukten<br />
ja als sehr entscheidend<br />
für die Qualität des Produkts aufgefasst,<br />
bei anderen weniger. Zu Recht?<br />
Nein, das liegt nur an Kultur und Geschichte.<br />
Terroir wird in der kommenden Zeit auch bei<br />
anderen Lebensmitteln viel stärker das Thema<br />
sein. Beim Wein und bei verschiedenen<br />
Fruchtsorten kennen wir es ja. Aber auch bei<br />
Getreiden, bei Erdäpfeln, bei Tomaten wird das<br />
kommen!<br />
Boden und Terroir sind nicht gleichzusetzen,<br />
Terroir ist etwas weiter gefasst. Da kommt sogar<br />
noch die Handschrift der ProduzentInnen<br />
rein, also auch etwas Handwerkliches. Terroir<br />
wird daher auch über kleinstrukturierte Landwirtschaft<br />
wieder stärker in den Fokus rücken.<br />
Interessiert dich, in welchem Boden deine<br />
Erdäpfel gewachsen sind?<br />
Ja. Das interessiert mich einerseits aus journalistischer<br />
Neugier. Wenn »Ja! Natürlich« Waldviertler<br />
Erdäpfel bewirbt, will ich wissen, mit<br />
wem die arbeiten. Und andererseits will ich<br />
wissen, wie sich die Biokartoffeln aus dem<br />
Waldviertel von denen, die bei mir zwei Kilometer<br />
weiter, hier in Tirol, produziert werden,<br />
unterscheiden. Und wo welche Erdäpfel angebaut<br />
werden, hängt ja stark vom Boden, vom<br />
Mikroklima und von der Philosophie und den<br />
Gestaltungsmöglichkeiten einer Landwirtin<br />
oder eines Landwirts ab.<br />
Was glauben deine Kinder, womit du deine<br />
Arbeitstage verbringst?<br />
Ich hab zwei. Der Ältere weiß es mittlerweile,<br />
aber vor ein paar Jahren hat er in der Schule,<br />
als nach dem Beruf der Eltern gefragt wurde,<br />
gesagt: »Mein Papa trinkt Wein.« Dann hat die<br />
Lehrerin gefragt: »Nur das?« Und er hat geantwortet:<br />
»Auch Schnaps.«<br />
Beim Kleineren, der ist 6, bedeutet Arbeit<br />
eher: ins Auto steigen und wegfahren.<br />
Ich bin 100–120 Tage im Jahr unterwegs,<br />
aber mein Büro habe ich zuhause, schräg gegenüber<br />
vom Kinderzimmer. Er stellt sich das<br />
wohl so vor: Nach dem Frühstück gehen wir<br />
beide in zwei verschiedene Zimmer spielen.<br />
Haben deine Kinder recht?<br />
Ja. Eigentlich schon. Ich verdiene das Geld<br />
halt nicht mit Essen und Trinken, sondern<br />
durch Essen und Trinken, aber es ist immer<br />
irgendwie Succus. Und es macht immer<br />
irgendwie Spaß. <br />
39
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
Kinderbuch<br />
40<br />
Der Tod gehört zum Leben<br />
Erwachsenen fällt es mitunter schwer, mit Kindern über den Tod zu sprechen.<br />
Einfühlsame Kinderbücher zeigen Möglichkeiten auf, mit ihm umzugehen.<br />
Text<br />
Irene Maria Gruber<br />
Wenn geliebte Menschen schwer krank<br />
sind oder plötzlich sterben, ein Haustier<br />
für immer verabschiedet werden<br />
muss oder die Hauskatze ein Mäuschen<br />
vertilgt, machen Kinder schmerzliche<br />
Erfahrungen, die Krisensituationen auslösen<br />
können. Kleinere Kinder haben begrenzte<br />
Vorstellungen und erwarten, dass der Tote<br />
wieder zurückkehrt. Erst mit etwa fünf Jahren<br />
wird die Endgültigkeit des Todes fassbar – vier<br />
Buchempfehlungen für dieses Alter. <br />
»Wo gehst<br />
du hin, Opa?«<br />
32 Seiten, Aracari Verlag<br />
»Der Tod auf<br />
dem Apfelbaum«<br />
36 Seiten, Aladin Verlag<br />
»Der Baum der<br />
Erinnerung«<br />
32 Seiten, Ars Edition<br />
»Der Wolf, die Ente<br />
& die Maus«<br />
40 Seiten, NordSüd Verlag<br />
»Der Baum<br />
der Erinnerung«<br />
(Ab 4 Jahren), von Britta Teckentrup handelt<br />
auch vom Tod eines Fuchses. Zu Beginn legt<br />
sich das Tier in den Schnee und schläft für immer<br />
ein. Die Waldtiere trauern um den Freund,<br />
wissen aber, dass er ein erfülltes Leben hatte.<br />
Um den Verlust zu bewältigen, erzählen sie<br />
sich Erlebnisse mit dem Fuchs. Dort, wo das<br />
Tier eingeschlafen<br />
ist, wächst<br />
plötzlich der<br />
Baum der Erinnerung,<br />
der<br />
vielen Tieren<br />
Schutz und ein<br />
Zuhause bietet.<br />
Leben im Bauch des Wolfes<br />
(Ab 5 Jahren), Raffiniert sinnieren Mac Barnett<br />
und Jon Klassen in »Der Wolf, die Ente & die<br />
Maus« über das Fressen und Gefressenwerden<br />
in der Tierwelt. Warum heult der Wolf eigentlich?<br />
Weil er manche Beute nur verschlingt,<br />
wird erklärt, und die macht es sich dann quicklebendig<br />
in seinem Bauch gemütlich. Diesmal<br />
eine Ente: »Als ich draußen war, hatte ich jeden<br />
Tag Angst, ein Wolf könnte mich verschlingen.<br />
Hier drin gibt es solche Sorgen nicht.« Ente und<br />
Maus feiern rauschende Partys, da wird ein Jäger<br />
auf den über Bauchschmerzen klagenden<br />
Wolf aufmerksam und möchte ihm den Gnadenschuss<br />
verpassen. Mit dem Tod des Tieres<br />
würden Ente und Maus ihr Zuhause verlieren,<br />
also blasen sie aus dem Maul zur Attacke – und<br />
sind am Ende erfolgreich.<br />
Bilder Klassen/Barnett, Endres/Schulze, Teckentrup, Schärer
4-<br />
e<br />
n und<br />
Kapazität<br />
läche<br />
schen<br />
25–34-<br />
Jährige<br />
35–54-<br />
Jährige<br />
55–64-<br />
Jährige<br />
Älter als<br />
65<br />
»Wo gehst du hin, Opa?«<br />
(Ab 4 Jahren), fragt Emmi im Bilderbuch von<br />
Brigitte Endres ihren schwer kranken Großvater.<br />
Er spricht Multimodal über gestaltete das Ungewisse, Verkehrsfläche das nach<br />
dem Tod Kapazität auf ihn pro Stunde: wartet. 30.100 Vielleicht Menschensieht er<br />
an dem Ort, 16.000 an dem er ankommt, 6.000 alle geliebten<br />
Menschen wieder, die schon tot sind, oder<br />
7.000 1.100<br />
die Reise geht in einen<br />
paradiesischen<br />
Garten. Möglicherweise<br />
blinkt<br />
Opa als Stern am<br />
Nachthimmel oder<br />
er wächst als Baum.<br />
Emmi fällt der Abschied<br />
schwer, aber<br />
sie lernt zu verstehen,<br />
dass ihr Opa<br />
von dieser Welt<br />
gehen muss.<br />
Quelle: VCÖ 2018 Grafik: VCÖ 2019<br />
212<br />
Quelle: nacto.org Grafik: VCÖ 2019<br />
51<br />
195<br />
Ihre Spende für eine Mob<br />
1.953<br />
3<br />
Viele mit dem Pkw zurückgelegte<br />
Wege sind in Radfahrdistanz<br />
Wegelängenverteilung der Autofahrten in Österreich<br />
7 % 19 % 40 % 61 % 80 %<br />
unter<br />
1 km 2,5 km 5 km 10 km 20 km<br />
Geh-<br />
Distanz<br />
gute Fahrrad-Distanz<br />
gute Distanz für E-Fahrrad<br />
kostenlos<br />
als Download<br />
oder in Print<br />
1 in Infrastruktur www.vcoe.at/aktiv für Radverkehr investiert bringt<br />
13 an wirtschaftlichem Nutzen<br />
Quelle: bmvit & BMLFUW 2015 Grafik: V<br />
Quelle: bmvit 2016 Grafik: VCÖ 2019<br />
Sanft entschlafen<br />
(Ab 4 Jahren), Kathrin Schärer erzählt in<br />
»Der Tod auf dem Apfelbaum«, von einem<br />
alten Fuchs, den selbst Hasen und Mäuse nicht<br />
mehr fürchten. Amseln fressen die Äpfel vom<br />
geliebten Apfelbaum, noch bevor er die abgefallenen<br />
bekommt. Um wieder freizukommen,<br />
verspricht ein mühselig gefangenes Wiesel, den<br />
ungestörten Apfelgenuss durch einen Zauber<br />
zu sichern: Jeder Apfeldieb solle von nun an am<br />
Baum kleben bleiben. Den Tod bittet der Fuchs<br />
um einen letzten Apfel, auch er bleibt am Baum<br />
kleben. Als die Freunde des Fuchses wegsterben,<br />
befreit der seinen Tod vom Baum. Er hat<br />
eingesehen, dass der Tod zum Leben gehört.<br />
mobilität mit zukunft<br />
2019-02<br />
Aktive Mobilität als Säule<br />
der Mobilitätswende<br />
Diese VCÖ-Publikation bietet viele interessante Grafiken,<br />
Daten und Fakten sowie zahlreiche internationale<br />
Beispiele zum Thema aktive Mobilität.<br />
Der VCÖ setzt sich seit mehr als 30 Jahren als<br />
gemeinnützige Organisation für eine umweltverträgliche<br />
und sozial faire Mobilität ein.<br />
VCÖ - Mobilität mit Zukunft<br />
www.vcoe.at<br />
2019_<strong>Biorama</strong>78x226.indd 1 23.07.2019 14:00:27
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
Der Tod im Leben<br />
42<br />
Text<br />
Annemarie Harant<br />
Dein Abschied<br />
von der Welt<br />
Ein Denkanstoß für den Umgang mit dem<br />
Tabuthema der eigenen Endlichkeit.<br />
Sterben und Tod sind ein Tabuthema und<br />
gerade in jungen Jahren haben wir anderes<br />
zu tun, als uns mit der eigenen Vergänglichkeit<br />
auseinanderzusetzen. Aber<br />
gerade wer bei den Eltern bereits einen Todesfall<br />
erlebt und einen Nachlass geregelt hat,<br />
denkt vielleicht darüber nach, das eigene Ableben<br />
für die zurückbleibenden Liebsten so<br />
geregelt wie möglich zu gestalten. Denn nach<br />
dem ersten Schock werden die Verbliebenen<br />
automatisch zu Sherlock Holmes auf der Suche<br />
nach Indizien für Dokumente, Passwörter<br />
oder Kontaktdaten. Zur Erleichterung dieser<br />
programmierten Überforderung und Detektivarbeit<br />
kann jede und jeder etwas tun.<br />
Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit hier<br />
ein paar Beispiele und Denkanstöße für jede<br />
und jeden selbst bzw. vielleicht auch für ein<br />
Gespräch mit den Eltern. Denn irgendwann<br />
werden wir alle mit dem Thema Tod konfrontiert<br />
– die einen früher, die anderen später –<br />
und manchmal ist es auch das eigene Leben,<br />
das früher als erwartet auf dem Spiel steht.<br />
Ob wir wollen oder nicht und so hart es auch<br />
klingt: Ein Todesfall – und damit auch unserer<br />
– muss mit allen bürokratischen Hürden<br />
»abgewickelt« werden. Denn wie es so<br />
schön heißt: »Von der Wiege bis zur Bahre –<br />
Formulare, Formulare …«<br />
Notfalladressen und Kontaktdaten<br />
Der Klassiker im Geldbeutel: Wer ist im Notfall<br />
zu kontaktieren? Gerade wer viel reist oder<br />
allein im Ausland ist, sollte vorsorgen und für<br />
den Fall gerüstet sein. Vielleicht wirst du von<br />
irgendeinem Menschen, der nicht die eigene<br />
Sprache spricht, gefunden und deine Vertrauenspersonen<br />
müssen mit den Informationen,<br />
die du bei dir trägst, ausfindig gemacht werden.<br />
Überleg dir auch, wer aller überhaupt benachrichtigt<br />
werden sollte – auch aus der Vergangenheit<br />
(Stichwort: Bekannte oder ehemalige<br />
LoverInnen).<br />
Bilder istock.com/ojogabonitoo, istock.com/ bamlou, istock.com/ -VICTOR-, istock.com/ AVIcons
43<br />
Wichtige Dokumente,<br />
Passwörter und Kontakte<br />
Die Aufbewahrung der wichtigsten Dokumente<br />
(Geburtsurkunde, Scheidungsurteil etc.) und<br />
Passwörter ist ebenfalls ein Thema, das du mit<br />
deinen Vertrauenspersonen klären solltest, damit<br />
die Benachrichtigung aller wichtigen Stellen<br />
und Kontakte einfacher funktioniert.<br />
Tagebücher und Geheimnisse<br />
Falls jemand Geheimnisse hat, die er oder sie im<br />
wahrsten Sinne des Wortes mit ins Grab nehmen<br />
möchte, empfiehlt es sich, hier ebenfalls<br />
Spuren zu entfernen. Oder: Nehmen wir z. B.<br />
an, du hast eine geheime Affäre. Überleg dir:<br />
Wer würde dich bzw. sie oder ihn im Notfall informieren?<br />
Auch wenn es äußerst unangenehm<br />
ist: In vielen Familien poppt nach dem Tod eines<br />
Familienmitglieds so einiges auf.<br />
Der Organspendeausweis<br />
Möchtest du im Notfall deine Organe spenden<br />
und damit ein anderes Menschenleben retten?<br />
Für alle in Österreich erledigt diese Entscheidung<br />
der Gesetzgeber (es besteht nur die Möglichkeit,<br />
das explizit zu verneinen), in Deutschland<br />
muss ein eigener Organspendeausweis<br />
ausgefüllt und mitgeführt werden. Beachte<br />
hier: Gerade in Deutschland ist es nicht so einfach,<br />
einen Körper für die Organspende freizugeben.<br />
Die Regelungen sind klarerweise sehr<br />
streng und Voraussetzung ist u. a. der Hirntod,<br />
der im Vorfeld eintreten muss und z. B. bei Komapatienten<br />
nicht zwangsläufig erfolgt. Was du<br />
tun kannst: Schließe am besten eine Patientenverfügung<br />
und eine Vorsorgevollmacht ab. Somit<br />
kann entschieden werden, wer im Notfall<br />
– das bedeutet auch bei Entscheidungen über<br />
Leben und Tod – für dich verantwortlich ist.<br />
Sterben für die Medizin<br />
Willst du deinen Körper der Medizin spenden<br />
(in Deutschland z. B. der lmu München oder<br />
in Österreich der Medizinischen Universität<br />
Wien), dann musst du dafür sämtliche notwendigen<br />
Vorkehrungen zu deinen Lebzeiten treffen<br />
inklusive der Bezahlung der Kosten für das<br />
Begräbnis (ca. 1000 Euro), das dann z. B. auf<br />
dem Friedhof der Universität stattfindet.
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
Der Tod im Leben<br />
44<br />
Facebook & Co.: der digitale Nachlass<br />
Ja, auch der digitale Nachlass will in heutigen<br />
Zeiten geregelt werden und die Social-Media-Plattformen<br />
haben darauf bereits reagiert.<br />
Grundsätzlich ist es so, dass Facebook die Konten,<br />
sobald die Plattform von einem Todesfall<br />
erfährt, in den Gedenkzustand versetzt. Facebook<br />
argumentiert das übrigens damit, dass<br />
sich Freunde und Verwandte austauschen und<br />
Erinnerungen teilen können. Wenn du in deinem<br />
Facebook-Profil keine Einstellungen vornimmst,<br />
gehen die Rechte deines Accounts automatisch<br />
auf die Erben über (laut einer Entscheidung<br />
des deutschen Bundesgerichtshofes,<br />
die über die deutschen Grenzen hinaus als richtungsweisend<br />
angesehen wird). Wenn du das<br />
beides nicht möchtest und dein Profil sofort gelöscht<br />
haben willst bzw. auch nicht willst, dass<br />
die gesetzlichen Erben all dein digitales Leben<br />
entdecken, dann solltest du auch hier eine Vertrauensperson<br />
nominieren, den sogenannten<br />
Nachlasskontakt. Hinweis: Die Person muss<br />
eine Facebook-Bekanntschaft sein. Noch strenger<br />
ist für diesen Fall anscheinend Twitter, wo<br />
zur Kontosperre ein notariell beglaubigtes Dokument<br />
benötigt wird.<br />
Für deinen gesamten digitalen Fußabdruck,<br />
d. h. auch Onlinekonten, digitale Abos für Streamingdienste<br />
oder E-Mails, bestimme eine<br />
oder mehrere Vertrauenspersonen, die im Notfall<br />
Zugriff auf diese Infos haben. Überlege dir<br />
auch, was mit den Accounts und Daten insgesamt<br />
passieren soll. Alles, was du im Vorhinein<br />
schriftlich dokumentierst, hilft den Hinterbliebenen<br />
sehr, deinem Willen entsprechend<br />
zu handeln!<br />
Das Testament<br />
Schätzungen nach errichten in Deutschland<br />
und Österreich nur rund 20–30% der Bevölkerung<br />
ein Testament. Das ist aber – sofern alle<br />
Regeln eingehalten sind – die sicherste Variante,<br />
damit auch nach dem Tod manches einfacher<br />
wird und dem Wunsch der verstorbenen<br />
Person entsprochen werden kann.<br />
Die Bestattung planen<br />
Wer durch andere Todesfälle schon ein Bestattungsunternehmen<br />
des Vertrauens gefunden<br />
hat, kann dort selbst schon etwas vorsorgen,<br />
indem die eigenen gesammelten Wünsche<br />
in Sachen Beerdigung & Co. bereits zu<br />
Lebzeiten hinterlegt werden. Das reicht von<br />
der Musikauswahl bis zum gewünschten Blumenschmuck,<br />
den Einladungskarten und der<br />
Bestattungsart.<br />
Auch das Bestattungs-Business scheint sich<br />
weiterzuentwickeln, sodass ein Abschied von<br />
der Welt immer individueller gestaltet werden<br />
kann. Dem Thema ein paar Gedanken zu schenken<br />
schadet nicht.
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
Der Tod im Leben<br />
Grünere Bestattung–<br />
Was ist erlaubt?<br />
Text<br />
Iris Eichtinger<br />
Irina Zelewitz<br />
Nachhaltiger Lebensstil geht mittlerweile über den Tod hinaus. Das Angebot<br />
umweltfreundlicher Bestattungsverfahren steigt. Nicht alle sind hierzulande legal,<br />
doch der Abschied von der Welt lässt sich zunehmend individuell gestalten.<br />
45<br />
Bilder istock.com/lushik, istock.com/ bortonia, istock.com/ appleuzr, istock.com/ bubaone<br />
»Umweltfreundliche«<br />
Erdbestattung<br />
Eine Erdbestattung zieht einige negative<br />
Umwelteinflüsse mit sich: Durch Sarg und Körper<br />
können Schadstoffe in den Boden und sogar<br />
das Grundwasser gelangen, Transport und Fertigung<br />
des Sargs verursachen CO 2-Ausstoß und<br />
anorganische Sargbestandteile werden nicht<br />
abgebaut. Särge aus organischen Substanzen<br />
wie Bambus, Bananenblättern oder Ananasfasern<br />
sowie Griffe aus Holz statt Metall sollen<br />
umweltfreundliche Alternativen schaffen.<br />
Seebestattung<br />
Bei einer Seebestattung wird die Asche der<br />
oder des Verstorbenen klassischerweise auf See<br />
verstreut. Auch die Asche, die beim Verstreuen<br />
als Rest in der Urne bleibt, kann samt biologisch<br />
abbaubarer Urne dem Meer übergeben<br />
werden. Grundsätzlich legal ist das nicht nur in<br />
Nord- und Ostsee, sondern auch im Mittelmeer<br />
und in den sogenannten Weltmeeren – auch<br />
wenn man keinem Anrainerstaat angehört. In<br />
Deutschland, Österreich und der Schweiz sind<br />
außerdem sowohl Seebestattungen in Seen als<br />
auch Flussbestattungen erlaubt.<br />
Baumbestattung<br />
Der Bestattungswald ist unter anderem auch<br />
als Ruhewald, Friedwald und Ruheforst bekannt<br />
und sowohl in Deutschland, als auch in<br />
Österreich und der Schweiz ist ihre Einrichtung<br />
legal. Man kann sich den Wald, in dem<br />
man begraben sein möchte, allerdings kei-<br />
neswegs aussuchen – Die Umwandlung eines<br />
Waldstückes in einen Bestattungswald bedarf<br />
einer Genehmigung. Verlockend daran auch:<br />
Es gibt eine Art Grabstätte, doch die Grabpflege<br />
übernimmt die Natur. Wer durch sein Ableben<br />
auch gleich noch einen Beitrag zur Finanzierung<br />
eines Schutzgebietes leisten möchte,<br />
wird unter anderem hier zur Ruhe kommen:<br />
ruheforst-huemmel.de<br />
Promession<br />
Eingefroren statt eingeäschert: Bei der alternativen<br />
Bestattungsform »Promession« wird die<br />
oder der Verstorbene durch flüssigen Stickstoff<br />
bei einer Temperatur von -196 Grad Celcius<br />
schockgefroren. Durch diesen Vorgang zerfällt<br />
der Körper schnell zu einer pulvrigen Substanz,<br />
aus der Wasser und Schadstoff wie Quecksilber<br />
oder Amalgam herausgefiltert werden können.<br />
Die Überreste sind nun umweltverträglich und<br />
können innerhalb eines Jahres biologisch völlig<br />
abgebaut werden. In Schweden ist diese Art der<br />
Bestattung im Gegensatz zu Deutschland und<br />
Österreich bereits zugelassen.<br />
Resomation oder<br />
alkalische Hydrolyse<br />
Bei der »Resomation« oder auch »alkalischen<br />
Hydrolyse« wird der Körper der oder des Verstorbenen<br />
durch rund 150 Grad Celsius heiße<br />
Kalilauge zersetzt. Knochenreste, die bei<br />
diesem Vorgang übrigbleiben, können im Anschluss<br />
zu »Asche« pulverisiert werden. Schadstoffe<br />
können ebenfalls leicht aussortiert werden.<br />
Auch diese Variante gilt als äußerst umweltschonende,<br />
sie ist allerdings nur in Kanada,<br />
Großbritannien und den usa erlaubt.
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
upcycling-Design<br />
46<br />
Illustrationen<br />
Angela Karpouzi<br />
AnfängerInnenfragen<br />
Irina Zelewitz<br />
Schnittmuster Modell Leo<br />
CC by NC – dieses Schnittmuster<br />
darf bei Namensnennung<br />
»milch.tm« für nicht-kommerzielle<br />
Zwecke weiterverbreitet werden.<br />
Hosentaschen-<br />
Design<br />
Altes Hemd + alte Hose = neue Tasche.<br />
Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung<br />
für AnfängerInnen.<br />
Cloed Priscilla Baumgartner hat mit Ihrem<br />
Label »Milch« über zehn Jahre lang vor<br />
allem Etuikleider aus alten Herrenhosen<br />
hergestellt. Nun bietet sie in ihrem Onlineshop<br />
statt der Mode die Nähanleitungen<br />
für die alten und auch ein paar neue Designs<br />
an. biorama hat sie um die begleitende Erklärung<br />
zu einem der Schnittmuster gebeten und<br />
eine Anleitung zum Nähen einer Tasche aus einer<br />
Herrenanzughose und einem Herrenhemd<br />
bekommen.<br />
1. Schnittvorlage<br />
Hosentasche<br />
14 cm<br />
22 cm<br />
29 cm<br />
Masse auf ein<br />
grosses papier<br />
übertragen<br />
Henkel<br />
(NZ=Nahtzugabe)<br />
42 cm<br />
Cloed Priscilla<br />
Baumgartner<br />
versteht sich als Innovationsmanagerin.<br />
Seit<br />
1998 betreibt sie das<br />
Upcycling-Modelabel<br />
»Milch«.<br />
(Bild: Apollonia<br />
Theresa Bitzan)<br />
Die Grundvoraussetzungen<br />
Als Ausgangsmaterial braucht man eine<br />
Herrenanzughose und ein Herrenhemd.<br />
Wie bei allen Designs von Cloed gilt:<br />
Wenn statt der Herrenkleidung Damenoder<br />
Kinderkleidung verwendet werden,<br />
kann es sein, das man stückeln muss, damit<br />
man die nötige Menge Stoff zusammenbekommt.<br />
Zum Nähen reicht eine<br />
einfache Nähmaschine. <br />
Tasche<br />
42 cm<br />
42 cm
2. Schnitte Auflegen und Zuschneiden<br />
47<br />
3. Nähen<br />
" "<br />
Innennaht<br />
auftrennen<br />
2 × futter<br />
zuschneiden<br />
Hintere mittlere<br />
naht auftrennen<br />
" "<br />
1 × Hosentasche, 2 × Tasche<br />
4 × Henkel zuschneiden<br />
BIORAMA: Welche Nähskills brauche ich für<br />
die verschiedenen Modelle? Die Kleider<br />
sind vermutlich etwas anspruchsvoller als<br />
beispielsweise die Taschen?<br />
Cloed Priscilla Baumgartner: Damit man die<br />
Nähanleitungen umsetzen kann, muss man nur<br />
eine gerade Naht und einen Saumabschluss<br />
nähen können. Alle sind gleich einfach. Das ist<br />
auch das Feedback, das wir bei den Workshops<br />
bekommen.<br />
Was braucht man für die Schnittvorlagen?<br />
Irgendein Papier, das man auf die Schnitte überträgt,<br />
sprich aufmalt. Zeitungspapier geht super,<br />
aber man kann auch A4-Zettel zusammenkleben.<br />
Insgesamt sind es dann 7 Schnittvorlagen:<br />
4 Mal den Henkel, 1 Mal die Hosentasche und 2<br />
Mal die Tasche – für die Außenseite der Tasche<br />
und für das Futter.<br />
Wie wird aus Hemd und Hose eine Stoffbahn?<br />
Die Hose bereitet man vor, indem man die Innennähte<br />
und die Gesäßnaht auftrennt.<br />
Das Hemd soll zugeknöpft sein. Dann legt<br />
man die Schnittvorlagen wie abgebildet auf. Aus<br />
dem Hemd wird das Futter und aus der Hose der<br />
Rest der Tasche geschnitten.<br />
Jetzt beginnt das Nähen?<br />
Ja, aus den vier großen Stoffteilen näht man<br />
zwei große Beutel: Die beiden Teile aus dem<br />
Hemd zu einer – und die aus der Hose zu einer<br />
zweiten. Beide näht man rechts auf rechts an<br />
drei Seiten zu.<br />
Tasche<br />
Hosenstoff rechts<br />
auf rechts<br />
Hemdstoff rechts<br />
auf rechts
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
upcycling-Design<br />
48<br />
Ecke<br />
Was heißt rechts auf rechts?<br />
Das heißt schön auf schön – also die Außenseiten<br />
des Stoffs aneinander.<br />
7 cm<br />
Hosentasche<br />
Wozu näht man anschließend die<br />
Ecken ab?<br />
Man legt beide Taschen dann wie abgebildet<br />
hin und näht quer über die Ecken, weil dadurch<br />
ein 3D-Effekt entsteht.<br />
Ecken unten links und<br />
REchts bei Hemd und Hose<br />
abnähen<br />
Aussentasche seitlich<br />
auf den Hosenstoff<br />
aussen annähen<br />
Aus zwei Henkelstoffteilen wird<br />
dann einer?<br />
Zuerst werden je zwei Henkelbestandteile zu<br />
einem langen zusammengenäht, um anschließend<br />
jeweils zwei – rechts auf rechts – an den<br />
Längsrändern zu einem Schlauch zusammenzunähen.<br />
Die Enden werden offen gelassen, damit<br />
man den Schlauch umstülpen kann.<br />
Henkel<br />
Wie wird der Beutel aus dem Hemdstoff in<br />
den Hosenstoff gepasst?<br />
Der Hosenbeutel wird umgedreht, damit die<br />
schöne Seite außen ist – und der Beutel aus dem<br />
Hemdstoff wird so, wie er ist, hineingesteckt.<br />
Nun zu den Henkeln: Wie müssen die<br />
eingenäht werden?<br />
Jetzt werden die Henkelenden zwischen die Innen-<br />
und die Außentasche gesteckt und mit mit<br />
zwei Stecknadeln fixiert. Dann wird ein Mal<br />
an der oberen Kante der jetzt schon erkennbaren<br />
Tasche rundherum genäht. Die Knöpfe<br />
können nun geöffnet und die Tasche kann<br />
umgedreht werden.<br />
Jeweils 2 Streifen<br />
in der Mitte<br />
zusammennähen<br />
rechts<br />
auf rechts<br />
zusammennähen<br />
Henkel<br />
umstülpen<br />
Hemd- und Hosenstoff rechts auf rechts ineinanderstülpen
49<br />
Wie lang brauchen Laien, um eine Tasche<br />
fertigzustellen, wenn es ihre erste ist?<br />
Eine Stunde. Ab der zweiten geht es in<br />
einer halben.<br />
Henkel seitlich links und<br />
rechts kopfüber zwischen<br />
Hemd und Hose fixieren.<br />
Einmal an der Oberkante<br />
ganz ringsum nähen.<br />
Hemdknöpfe Öffnen und<br />
die Tasche Umdrehen,<br />
FERTIG!<br />
Warum stellst du manche Anleitungen offen<br />
zugänglich online?<br />
Das Rohmaterial ist ja in vielen Haushalten vorhanden<br />
und ich möchte dazu inspirieren, etwas<br />
draus zu machen. Wenn man zwei, drei solche<br />
Schnitte ausprobiert hat, kommt man ohnehin<br />
schnell selbst auf Ideen.<br />
Dein Label hat ab 2006 in erster Linie Kleider<br />
aus den Herrenhosen verkauft. Warum<br />
hörst du damit jetzt auf – du hast dein Geschäftsmodell<br />
verändert?<br />
Ich verkaufe jetzt nur mehr Know-how, also die<br />
Schnitte zum Selbermachen. Ich habe als Jugendliche<br />
ohne besondere Ahnung aus allem,<br />
was ich gefunden habe, Kleidung genäht – aus<br />
Bettwäsche und Tischtüchern.<br />
Ich mag einerseits den Gedanken des Upcyclings,<br />
das nach gutem Design aussieht. Und andererseits<br />
auch den Ansatz der Frugal Innovation –<br />
mit dem zu arbeiten, was da ist.
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
VEGAN FASHION<br />
50<br />
Gürtel ohne Tier<br />
Pflanzen im und um den Bauch: Vegane Gürtel, ganz ohne neues Plastik.<br />
Genauso wie der Rest unserer konventionell produzierten<br />
Kleidung werden Gürtel meist in Billiglohnländern<br />
hergestellt. Egal ob aus Kunst- oder tierischem<br />
Leder, bei der Produktion des Rohmaterials<br />
für Gürtel fallen giftige Chemikalien an, die oft in die<br />
Umwelt geleitet werden. Im Fall von Kunstleder handelt es<br />
sich meist um Polyurethan (pu), das zwar in der Produktion<br />
einen hohen CO 2 -Ausstoß verzeichnet, allerdings für<br />
weniger Toxine in der Umwelt verantwortlich ist als sein<br />
Bruder Polyvinylchlorid (pvc). Oft verstecken sich diese<br />
Materialien hinter den Begriffen »Mikrofaser« oder »Vegetan«.<br />
Durch die Omnipräsenz von pu- oder pvc-Gürteln<br />
ist es nicht schwierig, Gürtel ohne tierische Produkte zu<br />
finden, doch Gürtel aus nachhaltigeren Materialien sind<br />
ein verhältnismäßig rares Gut. Sie bestehen beispielsweise<br />
aus Kork, Piñatex (dem sogenannten Ananasleder) oder<br />
upgecycelten Materialien.<br />
Kork ist schon länger als robustes, natürliches Material<br />
für tierfreundliche Schuhe, Gürtel, Taschen oder sogar Jacken<br />
bekannt. Es ist wasserabweisend und ähnelt optisch<br />
1<br />
3<br />
Bleed-Herrengürtel: Der Herrengürtel des deutschen<br />
Fairtrade- und Eco-Labels bleed besteht aus Kork,<br />
Biobaumwolle und Altpapier. Hergestellt wurde er in<br />
Portugal. <br />
bleed.com<br />
<br />
2<br />
Cycled: Cycled, ein Unternehmen aus Venedig, schenkt<br />
Fahrradreifen ein zweites Leben. Aufgrund des Ausgangsstoffes<br />
ist jeder Gürtel ein Unikat. cycledproject.com<br />
4<br />
Anja Lauermann: Der Taillengürtel des Eco-Labels<br />
Anja Lauermann besteht aus Ananasleder und biologisch<br />
abbaubarem Biokunststoff. anjalauermann.com<br />
Gary Mash: Noch ein Taillengürtel aus dünnem Kork,<br />
der durch das Gummiband auf der Rückseite Spielraum<br />
bei der Größe bietet. Das Label Gary Mash ist zudem fairtrade-<br />
und gots-zertifiziert. <br />
garymash.com
Text<br />
Anika Suck<br />
echtem Leder. Piñatex ist noch neu auf dem Gürtelmarkt,<br />
SchuhherstellerInnen hat es mit seiner Strapazierfähigkeit<br />
und dem umweltschonenden Anbau des Rohmaterials<br />
schon überzeugt. Verwendet werden nämlich die Blätter<br />
von Ananasstauden, die ansonsten entsorgt werden.<br />
Oder es wird weiterverwendet, was bereits vorhanden<br />
ist – und zum Glück eignet sich die Form des Gürtels<br />
wunderbar für das Upcycling verschiedenster Materialien,<br />
beispielsweise Fahrradreifen. Nachdem sie<br />
zum Ende ihres Lebenszyklus gerädert wurden, sollten<br />
sie – aufgrund ihrer komplexen Zusammensetzung<br />
– nicht im Kunststoffrecycling landen. Verschiedene<br />
HerstellerInnen machen deshalb aus ihnen einzigartige<br />
Gürtel. Ähnlich verfahren Labels auch mit ausgedienten<br />
Sicherheitsgurten.<br />
5<br />
SKFK: Der Gürtel im Karategurt-Design besteht aus<br />
Viskose und Lyocell. Den Rohstoff für das verwendete<br />
Lyocell beziehen skfk aus nachhaltigen Eukalyptuswäldern,<br />
die Baumwolle ist fairtradezertifiziert.<br />
<br />
skfk-ethical-fashion.com<br />
6<br />
WIR ÜBERNEHMEN VERANTWORTUNG<br />
FÜR MENSCH, TIER UND UMWELT<br />
Wir lieben Mode. Zweimal jährlich entstehen<br />
im Kölner Atelier neue LANIUS Kollektionen<br />
durch die Kreativität unseres Designteams.<br />
Feminin, individuell und mit viel Liebe zum<br />
Detail entworfen – und das seit 1999. Vieles<br />
hat sich seitdem entwickelt, eines ist bis heute<br />
geblieben: das gute Gefühl – auf der Haut und<br />
gut fürs Gewissen.<br />
Marron Rouge: Das französische Label Marron<br />
Rouge upcycelt aus alten Sicherheitsgurten sowie<br />
Fahrradreifen – und produziert in Kooperation mit<br />
indischen ngos.<br />
marronrouge.com<br />
WWW.LANIUS.COM
<strong>Biorama</strong> XX <strong>62</strong><br />
GroSSes Erlend Lorem kino ipsum<br />
52<br />
Grüner<br />
Drehen<br />
Bild The Light Bridge GmbH
53<br />
Text<br />
Franziska Bechtold<br />
Die Green-Producing-Bewegung setzt sich für mehr<br />
Nachhaltigkeit in der Filmbranche ein – und kommt<br />
gemächlich, aber stetig voran.<br />
Es ist sechs Uhr. Die FahrerInnen holen RegisseurIn<br />
und SchaupielerInnen mit Vans<br />
von ihren Hotels ab. Es wird in den Bergen<br />
gedreht, also gibt es keinen Strom. Der<br />
kommt aus einem Dieselaggregat, das 13 Stunden<br />
läuft und die Scheinwerfer am Laufen<br />
hält. Egal wie stark die Sonne scheint, es wird<br />
nichts dem Zufall überlassen – vor allem nicht<br />
das Licht. Nach dem Mittagessen haben sich<br />
bereits fünf große Müllsäcke voller Plastikgeschirr<br />
und halb ausgetrunkener Wasserflaschen<br />
angesammelt, der Drehtag dauert noch<br />
weitere sechs Stunden. Am Ende wird sich der<br />
Abfall mindestens verdoppelt haben, das Dieselaggregat<br />
wird gut 50 Liter verbraucht haben.<br />
So könnte der Alltag einer Spielfilmproduktion<br />
in Österreich aussehen. Unabhängig von Budget<br />
und Projektdimension wiederholen sich die<br />
Probleme: Alle brauchen Strom, Verpflegung<br />
und müssen irgendwie ans Set kommen. In einer<br />
Branche, die permanent mit Zeitdruck und<br />
Geldmangel kämpft, ist Umweltschutz nur ein<br />
weiteres Hindernis. Auch werden häufig die<br />
kreativen Entscheidungen den nachhaltigen<br />
vorgezogen. So planierte man bei den Dreharbeiten<br />
zu Danny Boyles The Beach (2000) den<br />
Strand, weil er nicht groß genug war, pflanzte<br />
nicht heimische Palmen und fügte so dem<br />
Ökosystem der Insel großen Schaden zu. Für<br />
Apocalypse Now zündete Regisseur Francis<br />
Ford Coppola mehrere Hektar Palmenwald auf<br />
den Philippinen mit über 300 Litern Benzin an.<br />
Sein Kommentar, »in den usa würde man das<br />
nicht erlauben; die UmweltschützerInnen würden<br />
einen umbringen«, spricht Bände. Das sind<br />
nur zwei von vielen Beispielen.<br />
Technik vs. Aufwand<br />
Reisen, häufig mit Auto und Flugzeug, sowie<br />
die Produktionstechnik sind die zentralen<br />
Faktoren, wieso Dreharbeiten der Umwelt<br />
schaden. Die LichtmeisterInnen bräuchten<br />
eigentlich keine Schonfrist mehr, denn rein<br />
technisch kann hier viel Strom gespart werden.<br />
FilmemacherInnen experimentieren gerne<br />
mit reinem Tageslicht, wie bei The Revenant<br />
(Alejandro González Iñárritu, 2016). Hier wird<br />
ausschließlich mit Reflektoren gearbeitet, um<br />
das vorhandene Sonnenlicht zu verstärken. Der<br />
österreichische Kameramann Christian Berger<br />
entwickelte für solche Zwecke das Cine Reflect<br />
Lighting System. Die Reflektoren geben natürliches<br />
Licht mit sehr geringem Verlust wieder<br />
und leuchten so ganze Sets aus. led-Scheinwerfer<br />
sind ebenfalls eine gute Wahl: Sie geben<br />
weniger Wärme ab, sind dafür aber deutlich<br />
heller und sparen 70 bis 90 Prozent Strom<br />
ein. Energie braucht man also trotzdem, wenn<br />
man den ganzen Tag, wie im Eingangsbeispiel,<br />
auf einem Berg steht und keine Steckdose erreichbar<br />
ist. Da könnte natürlich, anstatt zum<br />
Dieselaggregat, zu einem Hybriden gegriffen<br />
werden, der Teile des Stroms aus Solarenergie<br />
erzeugt, oder zumindest zu alternativen Kraftstoffen<br />
– aber das ist aufwendig. In städtischer<br />
Umgebung stehen fast immer Starkstromanschlüsse<br />
zur Verfügung, die jedoch nicht garantiert<br />
Ökostrom liefern.<br />
Daten braucht die Branche<br />
Leider macht sich kaum jemand die Mühe, aktuelle<br />
Daten zur Nachhaltigkeit in der Filmbranche<br />
zu erheben, für Österreich liegen keine<br />
Zahlen vor. Die relevanten Komponenten<br />
am Filmset sind zahlreich und schwer messbar<br />
– und (noch) fehlt es an Interesse, die Auswirkungen<br />
auf die Umwelt sichtbar zu machen.<br />
Die britische bbc ermittelte in ihrem Jahresbericht<br />
2018 einen CO 2-Ausstoß von 13,4 Tonnen<br />
pro Stunde Ausstrahlungszeit. 2011 waren
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
GroSSes kino<br />
54<br />
Stromfressende Technik<br />
nachhaltiger zu betreiben ist<br />
eine große Herausforderung<br />
für ProduzentInnen.<br />
es noch 8,2 Tonnen. Das Kollektiv Ecoprod aus<br />
Frankreich schätzt den Gesamtausstoß bei einer<br />
TV-Serie auf insgesamt 200, bei einem<br />
Spielfilm mit mehreren Locations auf 1000<br />
Tonnen CO 2. 2018 analysierte die Studentin<br />
Melanie Stoff (FH St. Pölten) im Rahmen ihrer<br />
Diplomarbeit unter anderem den Energieverbrauch<br />
durch Fahrzeugnutzung, Unterkünfte<br />
und Catering von vier österreichischen<br />
Spielfilmproduktionen und kam auf einen Verbrauch<br />
von 90 Tonnen CO 2 pro gesamte Filmproduktion.<br />
Eine Studie aus dem Jahr 2006 der<br />
ucla (University of California, Los Angeles, Institute<br />
of the Environment) ermittelte zudem,<br />
dass die Filmindustrie in L.A. nach den Ölraffinerien<br />
zweitstärkster Luftverschmutzer war.<br />
Solche schwankenden Daten zeigen, wie<br />
schwer Filmproduktionen in ihrer Gänze einschätzbar<br />
sind. Nicht nur der Setalltag fällt ins<br />
Gewicht, sondern auch die Umstände der Vorund<br />
Nacharbeit im Büro. In Österreich gibt es<br />
seit Anfang 2017 ein Umweltzeichen für Green<br />
Producing, das vom Bundesministerium für<br />
Nachhaltigkeit und Tourismus (bmnt) gemeinsam<br />
mit Filmschaffenden und UmweltexpertInnen<br />
entwickelt wurde. Firmen und ihre Produktionen<br />
müssen sich den Kriterien gleichermaßen<br />
unterordnen. Ein Film ist nur so grün<br />
wie seine ProduzentInnen. Das sieht auch Regina<br />
Preslmair so, die im Ministerium für das<br />
Umweltzeichen zuständig ist: »Man macht sich<br />
das Leben einfach schwerer, wenn Green Producing<br />
für die Firmenphilosophie fremd ist.«<br />
Deshalb wird das Leitbild der Produktionsfirmen<br />
ebenso geprüft wie das Vorhandensein<br />
von Green-Producing-Beauftragten und Angaben<br />
über eine umweltschonende Büroführung.<br />
Druckt man jede E-Mail aus, wird es schwierig<br />
mit der Zertifizierung.<br />
Streng, aber umsetzbar?<br />
Für einzelne Produktionen müssen Mobilität,<br />
Location, Stromversorgung, Setbau, Maske und<br />
Kostüm, Beleuchtungstechnik, Spezialeffekte,<br />
Catering und Unterkünfte einer Prüfung durch<br />
unabhängige Kontrolleure unterzogen werden.<br />
Strom aus erneuerbaren Energien, led-Lampen,<br />
Mülltrennung und biologisches Catering<br />
sind naheliegende Maßnahmen. Sich um nachhaltige<br />
Hotels kümmern und DarstellerInnen<br />
vom Zugfahren überzeugen kann hingegen<br />
mehr Zeit (und Nerven) in Anspruch nehmen.<br />
Zwölf Seiten umfasst der Kriterienkatalog aus<br />
dem Ministerium. Zu viel? Nein, findet Regina<br />
Preslmair: »Unsere Kriterien sind auf den<br />
Punkt gebracht. Uns war das Fokussieren auf<br />
Kernpunkte und deren Umsetzbarkeit wichtig<br />
– und dass etwas passiert.«<br />
Passiert ist noch nicht viel, zumindest nicht<br />
offensichtlich. Mit David Schalkos Superfilm<br />
Bilder Das rund filmproduktion, istock.com/-Vicotr-, istock.com/lushik, istock.com/gigavector
»Man macht sich das Leben<br />
einfach schwerer, wenn<br />
Green Producing für die<br />
Firmenphilosophie fremd ist.«<br />
– Regina Preslmair, im Ministerium<br />
für das Umweltzeichen zuständig<br />
27.9.<br />
hat eine Produktionsfirma Initiative gezeigt und<br />
bei der Entstehung des Umweltzeichens mitgewirkt.<br />
Der Landkrimi Höhenstraße (2016, orf) ist<br />
der erste und bisher einzige Spielfilm, der mit dem<br />
Umweltzeichen ausgezeichnet wurde. Die Livesendung<br />
Mei liabste Weis (2019, orf Tirol) und die<br />
Werbefilmproduktionsfirma Das Rund können sich<br />
ebenfalls mit dem Umweltzeichen schmücken. Dabei<br />
drängt sich die Frage auf: Sind die Kriterien zu<br />
streng? »Einige Leute sehen die Kriterien und sagen:<br />
Das kann ich nicht. Aber es gibt immer Alternativen.<br />
Bei Produktionen müssen immer die gleichen<br />
Fragen gestellt werden und mit unseren Standards<br />
wollen wir die Antworten in Richtung Nachhaltigkeit<br />
beeinflussen«, so Preslmair. Die Kriterien<br />
seien schaffbar und umsetzbar, aber man müsse seinen<br />
Arbeitsstil schon überdenken. »Alles auf einmal,<br />
das verlangt ja auch niemand.« Für halbe Sachen<br />
gibt’s allerdings keine Zertifizierung, nur wer alle<br />
Das Verursacht beim Film Co 2<br />
verWaltunG<br />
30%<br />
Bühne unD<br />
filMStuDiO<br />
7% DrehOrt<br />
5%<br />
pOStprODuktiOn<br />
4%<br />
unterkunft<br />
16%<br />
anreiSe<br />
38%<br />
6.10.<br />
2019
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
GroSSes kino<br />
56<br />
»Ich glaube, es ist für alle machbar.<br />
Dagegen spricht nur Faulheit.<br />
Das Argument, es würde mehr<br />
kosten, wenn man biologisch<br />
einkauft, stimmt nicht.«<br />
– Lisa Scheid, Geschäftsführerin von Das Rund<br />
Lisa Scheid<br />
»Das Rund«<br />
Die Geschäftsführerin<br />
der Filmproduktionsfirma<br />
»Das<br />
Rund« produziert vor<br />
allem Werbefilme –<br />
zertifiziert mit dem<br />
Umweltzeichen.<br />
Auflagen erfüllt, darf sich<br />
»grün« nennen.<br />
In Niederösterreich unterstützt<br />
die Lower Austrian<br />
Film Commission (lafc)<br />
mit der Initiative »Evergreen<br />
Prisma« Filmschaffende<br />
bei der nachhaltigen<br />
Produktion. Ihre Checkliste<br />
»Evergreen Guide«<br />
zur nachhaltigen Filmproduktion<br />
war die erste ihrer<br />
Art in Österreich. Im Jänner<br />
2019 fand dazu ein erster<br />
Workshop statt und er<br />
soll nicht der letzte gewesen<br />
sein: »Das primäre Ziel<br />
des lafc Evergreen Prisma<br />
ist, zukünftig Filmproduktionen<br />
verstärkt grün zu<br />
beraten und auf vielseitige<br />
Weise begleiten zu können. Die Vermittlung<br />
von fundiertem Wissen, um die Umsetzung<br />
nachhaltiger Produktionen in der österreichischen<br />
Filmlandschaft zu fördern, ist dafür aus<br />
unserer Sicht essenziell«, teilte Dietlind Rott,<br />
Leiterin der Lower Austrian Film Commission,<br />
mit. Die NiederösterreicherInnen nehmen<br />
damit eine Vorreiterposition in Österreich ein.<br />
Eigene Trinkflasche statt Plastikmüll.<br />
Eigeninitiative gefragt<br />
Filmschaffende müssen sich also an der eigenen<br />
Nase packen, bevor PrüferInnen ihnen auf<br />
die Finger schauen können. Und los geht der<br />
Ausredenzirkus: »Zeit ist Geld« steht in den<br />
Zehn Geboten der Filmwirtschaft weit vorne.<br />
Die Herausforderungen, die Menschen in<br />
Filmproduktionen meistern müssen, sind dabei<br />
zahlreich. Die perfekte Location zu finden,<br />
SchauspielerInnen und RegisseurInnen glücklich<br />
zu machen, Stromversorgung und pünktliche<br />
An- und Abreise zu garantieren sind nur<br />
die Spitze des Eisbergs. Infoveranstaltungen,<br />
Workshops, Apfel statt Schokoriegel und Orangensaft<br />
statt Energydrink – das muss man wollen.<br />
Die Anstalten und Ämter sagen: Das geht<br />
schon, da muss die Filmindustrie Initiative<br />
zeigen. Die Filmschaffenden zucken mit den<br />
Schultern und fordern fairere Förderungen.<br />
Lisa Scheid, Geschäftsführerin von Das<br />
Rund, lässt sich das nicht<br />
einreden: »Ich glaube, es<br />
ist für alle machbar. Dagegen<br />
spricht nur Faulheit.<br />
Das Argument, es<br />
würde mehr kosten, wenn<br />
man biologisch einkauft,<br />
stimmt nicht. Man glaubt<br />
immer, man kann sich das<br />
nicht leisten, aber das ist<br />
eine Ausrede. Man muss<br />
einfach bewusster und reduzierter<br />
sein.« Sie selbst<br />
ist in einem Umfeld aufgewachsen,<br />
in dem auf einen<br />
nachhaltigen Lebensstil<br />
geachtet wurde, und<br />
hat die Verschwendung in<br />
der eigenen Branche nicht<br />
mehr hinnehmen wollen.<br />
»25 Leute im Büro davon<br />
zu überzeugen ist natürlich<br />
nicht einfach, aber inzwischen ticken alle<br />
so wie ich. Am Set mit 40 oder 50 Leuten ist das<br />
noch mal eine andere Herausforderung. Aber<br />
je besser informiert die Leute sind, desto besser<br />
funktioniert das auch«, fasst Scheid ihre<br />
Erfahrungen zusammen.<br />
Grün ist geil<br />
Zu Beginn habe es Verwunderung gegeben,<br />
als alle Beteiligten plötzlich eine Wasserflasche<br />
zum Befüllen bekamen. Aber ein Hindernis<br />
habe das nicht dargestellt. Das Rund verteilt<br />
die Flaschen zu Beginn einer Produktion<br />
und bittet alle, diese auch beim nächsten und<br />
übernächsten Dreh wieder zu nutzen. »So haben<br />
wir statt zehn Müllsäcken nur mehr zwei«,<br />
erklärt Scheid. Die größte Herausforderung<br />
Bilder Das Rund Filmproduktion
KEIN ENERGY DRINK
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
GroSSes kino<br />
58<br />
Philip Gassmann<br />
Als Regisseur, Berater<br />
und Referent klärt<br />
Gassmann über<br />
Green Producing auf.<br />
Reflektoren statt<br />
Leuchtmittel senken den<br />
Stromverbrauch am Set.<br />
sei für sie die Verpflegung, denn von der geringen<br />
Auswahl an Bio-Caterern hat nicht jeder<br />
Zeit, wenn er gebraucht wird. »Es sind einfach<br />
so viele Leute, von denen man abhängig ist.«<br />
Wenn die Kriterien also eigentlich machbar<br />
sind und Zeit- und Geldmangel nur faule Ausreden,<br />
hat die Branche einfach kein Interesse<br />
am Green Producing? Jein, sagt Scheid: »Das<br />
Thema wird immer wichtiger und natürlich<br />
verbessert es das Image einer Firma, wenn sie<br />
grün produziert. Es gilt halt als cool und das ist<br />
bei manchen die Motivation. Denen liegt dann<br />
die Umwelt nicht unbedingt am Herzen.« Ist<br />
Grün also einfach nur hip und wertet die Außendarstellung<br />
einer Firma auf?<br />
Philip Gassmann ist ein Pionier für Green<br />
Producing und leistet mit seiner Website<br />
(greenfilmtools.com), Workshops und Beratungen<br />
einen wichtigen Beitrag für nachhaltige<br />
Filmproduktionen. Er sieht hoffnungsvoll<br />
in die Zukunft: »Es gibt ein wachsendes Interesse<br />
für Green Film Production, besonders bei<br />
der Jugend. Das Feedback an den Filmhochschulen<br />
ist überwältigend und macht wirklich<br />
Hoffnung.« Für ihn sind vor allem innovative<br />
Technologien und deren kreative Einbindung<br />
in die Filmproduktion der Weg in eine nachhaltigere<br />
Zukunft.<br />
Internationale Vorbilder<br />
Wie immer lohnt sich auch hier ein Blick über<br />
den Tellerrand. Der muss gar nicht sehr weit<br />
reichen. Ein Blick nach Deutschland reicht<br />
schon. Das nördliche Bundesland Schleswig-Holstein<br />
beispielsweise hat mit dem Grünen<br />
Drehpass 2011 einen Standard für grüne<br />
Produktionen eingeführt, den inzwischen über<br />
100 Filme führen. Green Film Shooting ist eine<br />
umfangreiche Plattform, die online und mit einer<br />
jährlichen Printausgabe über Nachhaltigkeit<br />
in der Branche informiert. Bavaria Film<br />
arbeitet seit 2013 mit dem weltweit ersten klimaneutralen<br />
Filmstudio. 2017 formulierten die<br />
Filmförderanstalten Deutschlands ein gemeinsames<br />
Statement, damit Mehrkosten für grüne<br />
Produktionen förderrechtlich mitgetragen<br />
werden können.<br />
In Großbritannien zertifiziert »Albert« (British<br />
Academy of Film and Television Arts, kurz<br />
bafta) eine grüne Film- und TV-Produktion<br />
in drei verschiedenen Abstufungen. Bei vielen<br />
Firmen wie Universal, Warner, Fox, Sky, Netflix,<br />
Bavaria und natürlich den öffentlich-rechtlichen<br />
Rundfunkanstalten steht Nachhaltigkeit<br />
in den Firmenstatuten. Kompliziert wird es,<br />
wenn Firmen aus verschiedenen Ländern gemeinsam<br />
an einer Produktion arbeiten und die
Beteiligten unterschiedliche Standards an eine<br />
Produktion stellen. Wer das prüft und welche<br />
Regeln dann gelten? Das weiß man nicht.<br />
So undurchsichtig und negativ es klingt, an<br />
einer nachhaltigen Filmwirtschaft wird gearbeitet.<br />
Knackpunkt ist die Kommunikation von<br />
Filmschaffenden, Förderstellen und Ämtern<br />
»Wenn man absolut umweltfreundlich<br />
bleiben will, dann dürfte man keinen<br />
Film mehr drehen.«<br />
– Regina Preslmair<br />
Green Screen:<br />
Nicht alle perfekt, aber zumindest bewusst:<br />
Das sind unsere Green-Producing-Tipps<br />
für Filmabend ohne schlechtes<br />
Gewissen.<br />
Aufbruch zum Mond –<br />
First Man (Damien Chazelle, 2018):<br />
Beim Drama um Neil Armstrongs Mondlandung<br />
wurde recycelt, umweltfreundliches<br />
Mehr- oder Einweggeschirr genutzt,<br />
die Nutzung von Generatoren auf ein Minimum<br />
reduziert und das wiederverwertete<br />
Set anschließend gespendet.<br />
BlacKkKlansman (Spike Lee, 2018):<br />
Für die Detektivstory, in der sich ein<br />
schwarzer Cop in den Ku-Klux-Klan einschleicht,<br />
nutzte man FSC-zertifiziertes<br />
Holz, recycelbaren Teppich und integrierte<br />
Vintage-Recycling-Mistkübel und<br />
-Wasserspender für die 70s-Sets.<br />
Der goldene Handschuh (Fatih Akin, 2018):<br />
Mit dem Rad zur Arbeit hieß es für die<br />
Hälfte der Crew des brutalen Horrorfilms<br />
über den Frauenmörder Fritz Honka.<br />
Auch hier wurden Sets wiederverwertet.<br />
Wie schon Aus dem Nichts (2017)<br />
erhielt er den Grünen Drehpass.<br />
59<br />
Bilder LAFC LOWER AUSTRIAN FILM COMMISSION Gregor Lechner, Das rund filmproduktion<br />
Green Producing ist vor<br />
allem Einstellungssache.<br />
untereinander und miteinander, die langfristig<br />
ein Umdenken bewirken und das Verantwortungs-Pingpong<br />
zumindest verringern könnten.<br />
Aber: Regina Preslmair bringt auf den Punkt,<br />
was man sich ohnehin denken kann: »Wenn<br />
man absolut umweltfreundlich bleiben will,<br />
dann dürfte man keinen Film mehr drehen.«<br />
Niemand möchte auf den Kinoabend verzichten,<br />
bis nachhaltigeres Drehen der Standard<br />
wird, ist es noch ein langer Weg. Für den Branchenexperten<br />
Philip Gassmann braucht es drei<br />
Dinge: »Wissen, was Green Producing wirklich<br />
bedeutet und welche Vorteile es hat, viele grüne<br />
Technologien und die Erklärung des Themas<br />
zur ChefInnensache.« Gemeinsam arbeiten<br />
muss die Devise lauten, um die Kreativität,<br />
die auf der Leinwand herrscht, auch dahinter<br />
walten zu lassen – ein Gedanke, den man als<br />
ZuschauerIn beim nächsten Kinobesuch oder<br />
dvd-Abend im Hinterkopf behalten kann. <br />
Okja (Joon-ho Bong, 2017):<br />
In dem und um den Film wurde Nachhaltigkeit<br />
zum Thema. Im Film geht es um<br />
Fleischkonsum, die MacherInnen selbst<br />
zogen die New Yorker Gruppe Earth Angel<br />
zurate, die umweltschonende Lösungen<br />
am Filmset anbietet.<br />
Sauerkrautkoma (2017):<br />
Die bayerische Krimikomödien-Reihe ist<br />
Deutschlands Vorzeige-Green-Production<br />
und der 100. Film, der mit dem Grünen<br />
Drehpass ausgezeichnet wurde.<br />
Peaky Blinders (BBC): Die vierte Staffel der<br />
britischen Serie drehte mit lokaler Crew,<br />
led-Licht und lieh die Kostüme aus.<br />
Die Evergreen-Prisma-Checkliste ist online<br />
auf lafc.at abrufbar. Kostenlose Workshops<br />
und Seminare sollen mehr Bewusstsein<br />
für die Umsetzung von Green Producing<br />
schaffen.
RAUS AUS<br />
JETZT BIS ZU 12.000 EURO und mehr<br />
HEIZUNG TAUSCHEN<br />
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Kontrollstelle DE-ÖKO-006
Der Danube Day war geprägt von spannenden Aufgaben<br />
und vielen verschiedenen Spielen – im Spurenheft<br />
konnten die Kinder und Jugendlichen erledigte Aufgaben<br />
eintragen und tolle Preise gewinnen.<br />
15 jahre danube day<br />
Besonders in den heißen Sommermonaten wird die Bedeutung der<br />
kostbaren Ressource Wasser erst richtig deutlich. Der Danube Day lockte<br />
zum 15. Mal mit Wasserwissen und Bewusstsein.<br />
bilder SI.MA.pix<br />
»Get active for a safer Danube« – so lautete das Motto des<br />
diesjährigen Danube Days im Wiener Stadtpark.<br />
Mit zahlreichen Spielen, spannenden Experimenten und viel<br />
Action wurde Wissen rund um die Donau an den Ständen des<br />
Danube Days vermittelt.<br />
Entgeltliche Einschaltung DES BMNT
Danube day 2019<br />
Im Stadtpark Wien fand heuer am 13. Juni der Danube Day<br />
unter dem Motto »Werde aktiv für eine sichere Donau!«<br />
statt. Über 1.000 Kinder im Alter von 8 bis 12 Jahren nahmen<br />
am Danube Day teil und konnten sich an den 15 Informations-<br />
und Mitmachstationen auf die Spur als Donaudetektive<br />
begeben. Die Kinder lernten, wie man sich richtig<br />
und sicher am Wasser verhalten sollte und was es bei einem<br />
Notfall zu beachten gibt. Der Danube Day soll Bewusstsein<br />
dafür schaffen, wie jede und jeder einzelne die Donau und<br />
sich selbst schützen kann. Seit 2004 wird der Danube Day<br />
im gesamten Donauraum gefeiert.<br />
Über 1.000 Kinder und Jugendliche kamen am 13.6. in<br />
den Wiener Stadtpark, um gemeinsam mehr über den<br />
Schutz der Donau zu erfahren.<br />
Jubiläum 15 Jahre Generation Blue<br />
Nicht nur der Danube Day feierte heuer 15-Jahr-<br />
Jubiläum – auch die Generation Blue gibt es inzwischen<br />
genau so lang. Generation Blue ist eine Wissensinitiative<br />
des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit<br />
und Tourismus (bmnt), die es sich zum Ziel gesetzt<br />
hat, vor allem Kinder und Jugendliche über Wasserthemen<br />
zu informieren und zeigt, wie man sich engagieren<br />
kann. Der Danube Day ist da natürlich jedes Jahr<br />
ein ganz fixer Bestandteil. Spannende Online-Spiele<br />
und die nächsten Veranstaltungen wie den Danube<br />
Art Master oder den Trinkpass findet man unter<br />
www.generationblue.at<br />
Beim Stand von Generation Blue wurde am Glücksrad gedreht<br />
und Donau-Wissen getestet.<br />
bilder SI.MA.pix, ICPDR, Istock.com/ bsd555, Istock.com/ A-Digit, susanne brandstetter<br />
Bereits zum vierten Mal findet heuer der Joint Danube<br />
Survey, das Donaumessprogramm statt. Alle 6 Jahre wird<br />
dabei der Gesamtzustand der Donau, und seit heuer auch<br />
der Zustand der Donauzuflüsse, untersucht.<br />
Donau messprogramm<br />
Die Donau ist mit 2.857 km Länge einer der längsten Flüsse<br />
Europas. Sie fließt durch zahlreiche Staaten und umfasst<br />
ein riesiges Einzugsgebiet. Die Donau wird seit Anfang<br />
der 1990er Jahre regelmäßig auf eine Vielzahl an Stoffen<br />
untersucht.<br />
Beim Donaumessprogramm arbeiten die Länder der<br />
Donauschutzkommission (iksd) alle 6 Jahre eng zusammen.<br />
Ziel ist es, die Qualität und den ökologischen Zustand<br />
der Donau umfassend zu erheben und einen gemeinsamen<br />
Bericht zu erstellen. Dieser wird 2020 vorliegen. Die<br />
Ergebnisse der Untersuchung fließen in die kommenden<br />
Maßnahmen zum Schutz der Donau und damit in den<br />
Danube River Basin Management Plan ein.
Donauwissen<br />
2.857 km Länge<br />
durchfließt 10 Länder<br />
= internationalster Fluss<br />
81 Millionen Menschen<br />
leben im Donau-Einzugsgebiet<br />
Ursprung:<br />
Bregquelle<br />
im Schwarzwald<br />
Hainburger Pforte<br />
Die Donau: Stromproduzent<br />
und Ökosystem<br />
Die Donau ist ein intensiv genutzter Fluss. Neben<br />
zahlreichen Wasserkraftanlagen gibt es auch viele<br />
Maßnahmen zum Schutz vor Hochwasser.<br />
Beides hat positive Aspekte, bringt aber auch<br />
eine veränderte Gewässerstruktur mit sich.<br />
Das macht es zum Beispiel Fischen schwierig<br />
zu wandern.<br />
An der Donau sind bereits viele Fischwander -<br />
hilfen errichtet worden, viele sind aber auch noch<br />
nötig. Der weitere Ausbau der Kläranlagen wird<br />
die Wasserqualität der Donau weiter verbessern.<br />
In Österreich sind moderne Kläranlagen bereits im<br />
Einsatz und schützen unsere Donau.<br />
Eisernes Tor<br />
Mündung ins<br />
schwarze Meer<br />
Obere Donau<br />
(Vom Ursprung Bregquelle im<br />
Schwarzwald bis Hainburger Pforte)<br />
Mittlere Donau<br />
(bis Eisernes Tor)<br />
Untere Donau<br />
(bis Schwarzmeer-Mündung)<br />
Die<br />
Donauexpertin<br />
Karin Deutsch ist im<br />
Bundesministerium für<br />
Nachhaltigkeit und Tourismus,<br />
zuständig für die<br />
Organisation des Donaumessprogramms<br />
in Österreich.<br />
Das Donaumessprogramm findet heuer zum 4. Mal<br />
statt – warum macht man das überhaupt?<br />
Zum Schutz der Donau wird alle 6 Jahre nach einheitlichen<br />
Methoden der gesamte Fluss untersucht. So bekommt man<br />
ein vergleichbares Bild über den Zustand der Donau. Außerdem<br />
wird das Donaumessprogramm, oder Joint Danube Survey<br />
(kurz jds), immer gern genutzt um neue, wissenschaftliche<br />
Methoden zu testen.<br />
Was ist der Fokus des heurigen Messprogramms?<br />
Dieses Jahr haben wir die großen Themen Mikroplastik und<br />
eDNA. Mikroplastik ist stark im öffentlichen Interesse und<br />
es wird Zeit, die Verschmutzung großflächig zu erforschen<br />
um entsprechend handeln zu können. Sehr spannend ist auch<br />
die eDNA, der genetische Fingerabdruck eines Ökosystems.<br />
Das »e« steht für »environmental«, also umweltbezogen. Anhand<br />
einer Wasserprobe oder einer Sedimentprobe werden<br />
die darin enthaltenen dna-Stränge erkannt. Dabei spielt alles<br />
mit, was an genetischem Material ins Gewässer gelangt:<br />
Hautschuppen zum Beispiel und Ausscheidungen. So wird<br />
ganz rasch sichtbar, welche Organismen sich im Ökosystem<br />
befinden. Das ist eine ganz neue Methode, die hier zum ersten<br />
Mal großflächig angewandt wird.<br />
Worin unterscheidet sich jds 4 von jds 3?<br />
Diesmal machen die Mitgliedsstaatent das Messprogramm eigenständig<br />
und gleichen die Ergebnisse danach miteinander<br />
ab. Es gab einen offiziellen Start am 27. Juni, aber grundsätzlich<br />
ist es den Ländern offen, wann genau sie ihren Abschnitt<br />
beproben. Natürlich muss die Methodik der einzelnen Untersuchungen<br />
zusammenpassen, damit es am Ende vergleichbare<br />
Ergebnisse gibt. Dafür gab es Schulungen. Früher wurde<br />
ausschließlich die Donau untersucht, heute untersuchen die<br />
Länder im Donau-Einzugsgebiet auch jene Flüsse, die erst<br />
später in die Donau fließen.<br />
Entgeltliche Einschaltung DES BMNT
Valentina weiß bestens<br />
über Regenwürmer Bescheid!<br />
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<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
Fahrradreisen<br />
65<br />
Bikepacking<br />
auf Krk<br />
Text und bild<br />
Christoph Wimmer<br />
Bikepacking vereint als Kunstbegriff Fahrrad- mit Rucksackreisen.<br />
biorama hat das Konzept auf seine Tauglichkeit überprüft – mit<br />
dem Mountainbike rund um die kroatische Insel Krk.<br />
Tipps auf<br />
der Insel Krk<br />
• Das verlassene Hotel<br />
Haludovo in Malinska<br />
• Im September sind die<br />
Strände leer und die<br />
Feigen pflückreif<br />
Das Konzept Bikepacking unterscheidet<br />
sich vom klassischen Biketouring durch<br />
einen minimalistischen Zugang beim Packen,<br />
der mehr Freiheit und mehr Flexibilität<br />
bei der Streckenwahl erlauben soll. Im<br />
Gegensatz zu konventionellen Radreisen, bei<br />
denen das Fahrrad vorne und hinten mit wuchtigen<br />
Gepäckträgertaschen beladen wird, beschränkt<br />
man sich beim Bikepacking typischerweise<br />
auf eine Sattel-, eine Rahmen- und eine<br />
Lenkertasche.<br />
Man opfert Stauraum, dafür bleibt das Fahrrad<br />
leichter und aerodynamischer. Das Fahrverhalten<br />
wird weniger eingeschränkt und man<br />
bleibt auch abseits von Straßen agil. Aufgrund<br />
des tendenziell eher kleinen Volumens der<br />
Bikepacking-Taschen wird das Ein- und Auspacken<br />
zu einem Prozess, der überraschend viel<br />
Zeit in Anspruch nimmt. Dafür kann man mit<br />
einer kompakten Ausrüstung auf Trails fahren,<br />
die mit Gepäckträgertaschen unmöglich wären.<br />
Auch Trage- und Schiebepassagen, und das<br />
Heben des Fahrrads über Zäune, werden damit<br />
wesentlich einfacher.<br />
Eco Otok Krk<br />
Die topografische Beschaffenheit der Insel<br />
macht Krk besonders interessant für MountainbikerInnen.<br />
Zwar sind die Anstiege nie besonders<br />
hoch oder lang, doch finden sich dort<br />
Abfahrten, wie man sie sonst eher im alpinen<br />
Gelände erwarten würde. Auf dem felsigen Relief<br />
der Südostseite der Insel sind die Trails<br />
technisch besonders fordernd.<br />
Es gibt 17 offizielle, beschilderte mtb-Strecken<br />
auf Krk. Bei einem Blick auf die Karte<br />
wird schnell klar, wie sich diese intuitiv zu einer<br />
längeren Tour ohne viel Asphaltanteil verbinden<br />
lassen. Dabei ist man nie weit von der<br />
Zivilisation entfernt, was das Mitschleppen<br />
schwerer Vorräte erspart.<br />
In den vergangenen Jahren hat Krk zunehmend<br />
auf Nachhaltigkeit gesetzt. An vielen<br />
Stränden Krks weht die Blaue Flagge – ein Gütesiegel<br />
der internationalen Stiftung für Umwelterziehung,<br />
das jährlich für die Einhaltung<br />
bestimmter ökologischer Standards verliehen<br />
wird. Nachholbedarf besteht wenig überraschend<br />
auf der Insel beim Zugang zu Biolebensmitteln.<br />
Und: VegetarierInnen oder VeganerInnen<br />
haben es generell nicht leicht in Kroatien.<br />
Anfahrt<br />
Mein Plan war, die kleine Insel im Uhrzeigersinn<br />
zu umrunden und dabei möglichst wenig<br />
Zeit auf Asphalt zu verbringen. Für meine erste<br />
Reise dieser Art wollte ich mir nicht zu viel<br />
Neues auf einmal vornehmen und entschied
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
Fahrradreisen<br />
66<br />
(links): Der Blick auf halber<br />
Höhe des Mjesečev-Plateaus<br />
auf die Küstenstadt Baška<br />
im Osten der Insel Krk.<br />
(rechts): Auf einem<br />
Teilstück der mit der<br />
Nummer 10 beschilderten<br />
Mountainbikestrecke<br />
zwischen Milohnići und<br />
Malinska bewegt man<br />
sich zwischen teils<br />
100-jährigen Eichen.<br />
mich, in Apartments zu übernachten, statt zu<br />
zelten. Im Bikepacking-Fachjargon nennt man<br />
das »Credit Card Tour«.<br />
Von Wien aus dauert die Busfahrt nach Rijeka<br />
knapp sieben Stunden, von Frankfurt 16 –<br />
mit der Bahn sind es von dort 14 Stunden. Die<br />
Fahrradtransportplätze im Fernbus sind günstig,<br />
aber begrenzt. Die zwei Stunden Radfahrt<br />
von der Küstenstadt bis zu der Brücke, die<br />
auf Krk führt, sind wohl der gefährlichste Abschnitt<br />
der Reise. Oft wird man sehr knapp von<br />
Pkw und Lkw überholt.<br />
Eindrücke vom Sattel aus<br />
Auf Krk angekommen merke ich bald, dass die<br />
Ökosysteme der Insel abwechslungsreicher<br />
sind, als man es von Bildern auf Postkarten erwarten<br />
würde. Je tiefer ich in das Innere der<br />
Insel vordringe, desto mehr weicht der salzige<br />
Duft der Küste einem erdigen. Krk ist stellenweise<br />
überraschend dicht bewaldet und grün.<br />
Im Tal südwestlich von Vrbnik folge ich Schotterwegen<br />
durch Weingärten, wo die Reben für<br />
den lokalen Žlahtina angebaut werden. Weiter<br />
Richtung Osten nimmt die Vegetation mit<br />
jedem Höhenmeter wieder ab und ich gelange<br />
schließlich auf das Hochplateau Mjesečev<br />
oberhalb der Küstenstadt Baška. Die Steinwüste,<br />
die mich dort umgibt, erinnert an eine<br />
Mondlandschaft. Auf das Meer herabblickend<br />
fühlen sich die 400 Meter Höhe auch wirklich<br />
an wie 400 Meter.<br />
Westlich von Krk-Stadt entdecke ich einen<br />
Pfad, der zu Dutzenden versteckten Badebuch-<br />
ten führt, und beschließe, bei meiner nächsten<br />
Reise keine Apartments mehr zu buchen. Zwischen<br />
uralten, moosbewachsenen Steinmauern,<br />
die Oliven- und Feigenbäume umzäunen, führt<br />
ein Weg nördlich von Milohnići zu einer Kapelle<br />
im Wald (11. Jhd.).<br />
Nicht unweit davon entdecke ich eine Bucht<br />
mit einer verlassenen Fischerhütte, von wo aus<br />
ein schmaler Trail vorbei an 100-jährigen Eichen<br />
Richtung Norden nach Malinska führt.<br />
Dort erkunde ich kurz das verlassene Hotel<br />
Haludovo, bevor ich mich wieder auf den Weg<br />
nach Rijeka mache.<br />
Bikepacking-Fazit<br />
Zu Fuß oder mit dem Fahrrad erhält man Eindrücke,<br />
die Autofahrern tendenziell verwehrt<br />
bleiben. Das Konzept Bikepacking scheint<br />
seine romantischen Versprechen von Freiheit<br />
und Unabhängigkeit tatsächlich halten<br />
zu können. Als ehemaliger Rucksacktourist<br />
glaubte ich, diese Freiheit zu kennen. Zu Fuß<br />
ist man in seiner Mobilität aber vergleichsweise<br />
eingeschränkt.<br />
Besonders im Sommer lastet der Rucksack<br />
schwer. Ein Kilometer Fußweg zum Supermarkt<br />
ist oft schon kräftezehrend. Auf<br />
das Fahrrad geschnallt merkt man das<br />
Gepäck kaum.<br />
Für eine Radreise auf asphaltierten Radwegen<br />
sind herkömmliche Gepäckträgertaschen<br />
völlig ausreichend. Je abenteuerlicher die Streckenwahl,<br />
desto mehr lohnt sich die Investition<br />
in Bikepacking-Equipment.
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Kultur
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
Hinter der Bar<br />
Text<br />
Juliane Reichert<br />
69<br />
Selbstverständlich<br />
selbst geerntet<br />
Selbst gemacht ist wertvoller als kalt gekauft.<br />
Neu ist: Handwerk an der Bar, das nachhaltig in Szene<br />
gesetzt wird.<br />
Wir schreiben das Jahr 2019 und zumindest<br />
die renommierten Bars der<br />
Großstädte mischen auf ganz anderem<br />
Level mit als noch vor ein paar<br />
Jahren. Einen industriell hergestellten Sirup<br />
kauft da schon lange keiner mehr, und im<br />
Grunde gehört es bereits zum guten Ton, mindestens<br />
eine der sich im Drink befindlichen<br />
Spirituosen selbst produziert oder zumindest<br />
Selbergesammeltes darin eingelegt zu haben.<br />
Die Ersten, die dieses neu aufgelegte Konzept<br />
der JägerInnen und SammlerInnen wiederaufnahmen<br />
und artifizierten, das war die<br />
Crew um den Kopenhagener Küchenchef des<br />
Noma, René Redzepi. Der Trend trifft in mindestens<br />
vier Nachhaltigkeitsaspekten den<br />
Nerv der Zeit: Selbersammeln, Selbermachen<br />
und dabei keinen Müll hinterlassen – und:<br />
Zubereitet wird, was in der Region gerade<br />
so wächst. Ob man das nun bei den Berliner<br />
VorzeigesammlerInnen in der Velvet Bar beobachtet,<br />
in der Warschauer Cosmo Bar oder<br />
dem Londoner Scout – getrunken wird, was<br />
auf den Tisch kommt: und das ist, was die Natur<br />
gerade hergibt. Eine eigentlich ländliche<br />
Tradition, die Einzug in die Metropolen hält<br />
und so manch stur anhaltenden Trends ein<br />
Ende setzen will. »Wir haben ganzjährig großartige<br />
Zutaten in Großbritannien, warum sie<br />
nicht auch verwenden«, so Matt Whiley, Geschäftsführer<br />
des Scout in London wie Sydney,<br />
den man international auch als »Talented Mr.<br />
Fox« nennt – kann man sich nun denken, weshalb.<br />
Und falls nicht, so probiere man einen<br />
seiner zwei Drinks aus dem Startmenü beispielsweise<br />
aus Heu-Wermut mit gebrannter<br />
Roter Bete, Rettich, Apfel und Kräuteröl zum<br />
einen und Erdbeerwein, Gin, Zitronenmelisse<br />
sowie Molke zum anderen. Selbstverständlich<br />
selbst geerntet.<br />
Bartipps<br />
Das »Bruder« mit Sammler<br />
Barchef Hubert Peter. Zu<br />
empfehlen dort: der Drink<br />
»Rüttel am Watschenbaum«<br />
mit geraspelten Tannenzapfen,<br />
Weißtannenlikör und<br />
Roter Rübe. 1060 Wien.<br />
Zillertaler Englhof, wo<br />
Andreas Hotter nicht nur<br />
sammelt, sondern auch<br />
anbaut.
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
Hinter der Bar<br />
70<br />
Für Spirituosen brennen: in der eigenen Bar<br />
Sind die regionalen und saisonalen Zutaten<br />
erst einmal in der Tresenküche angekommen,<br />
steht der kreativen Tüftelei nichts mehr<br />
im Weg. »Zuckersirup, zum Beispiel, habe ich<br />
seit Jahren nicht mehr gekauft; und eigentlich<br />
kenne ich das auch von befreundeten GastronomInnen<br />
nicht anders«, so Lutz Rau, Geschäftsführer<br />
der Berliner Booze Bar und der<br />
frisch eröffneten Bistro Bar in Kreuzberg. »Das<br />
ist einfach nicht mehr zeitgemäß und rentiert<br />
sich weder in Preis noch Qualität.« Oder nehmen<br />
wir den Gewinnerdrink der letztjährigen<br />
Ausschreibung von Linie Aquavit. Da hat Peggy<br />
Knuth – zu dieser Zeit noch Barchefin in<br />
der Schöneberger Salut! Bar, mittlerweile aber<br />
im Curtain Club des Ritz Hotels – mit nichts<br />
Geringerem gewonnen als einer Mixtur ihres<br />
selbst gemachten Lemon Cordial (Zitronenschale,<br />
Wasser, Zucker und Zitronensäure), des<br />
ebenso selbst kreierten Pandan-Extrakts (zerhackte<br />
getrocknete Pandan-Blätter und Neutralalkohol)<br />
sowie dem obligatorischen Teil Linie<br />
Aquavit. Man kann nicht bloß – im Gegensatz<br />
zum Supermarktregal – selbst entscheiden,<br />
was der Gast am Ende im Glas hat, auch das<br />
Storytelling funktioniert besser. »Die Robinienblüten<br />
haben wir am Tempelhofer Feld gesammelt<br />
und dann kiloweise in den Rotationsverdampfer<br />
geworfen …« – »In den Roto-was?«<br />
Und schon sind das Gespräch und der Erkenntnisgewinn<br />
gesichert. Dieser Verdampfer ist übrigens<br />
ein Laborgerät, mit dem sich Substanzen<br />
destillieren lassen, ohne dass eine Destillieranlage<br />
notwendig ist – dafür haben nämlich die<br />
wenigsten Bars Platz. Oder man spielt eben im<br />
Team der World’s 50 Best Bars, wie beispielsweise<br />
das Osloer Himkok, das in der zentralen<br />
und für alle BesucherInnen gut sichtbaren<br />
Destillieranlage seinen eigenen Aquavit brennt.<br />
Trinkhalme aus Glas oder Metall<br />
oder Stroh sind nicht nur ökologischer,<br />
sondern auch einfach<br />
schöner als die aus Kunststoff.<br />
Aus Glas und Metall lassen Sie<br />
sich auch reinigen und mehrfach<br />
verwenden. Dass oft Reinigungsbürsten<br />
mitgeliefert werden, bedeutet<br />
übrigens nicht, dass die<br />
Trinkhalme nicht üblicherweise<br />
auch in die Geschirrspülmaschine<br />
sauber werden.<br />
Die im Hintergrund abgebildeten<br />
Halme wurden in Deutschland<br />
produziert und sind über halm.co<br />
erhältlich.<br />
Man kann nicht leugnen, dass Utensilien dieser<br />
Art noch mal einen eigenen Showeffekt beim<br />
Barbesuch hervorrufen. Und: Sehr viel lokaler<br />
und selbst gemachter geht’s nicht.<br />
Und das ist erst der Anfang<br />
Und weil selbst produzierende GastronomInnen<br />
ihre PappenheimerInnen praktischerweise<br />
gut kennen, wissen sie recht gut, was konsumiert<br />
wird und in welchen Margen produziert<br />
werden muss. Apropos Zahlen: Der Umsatz<br />
deutscher Bars hat sich zwischen 2009 und<br />
2017 um rund 16 Milliarden Euro vergrößert.<br />
Zuletzt stand die deutsche Bar-Gastronomie<br />
bei 56 Milliarden Euro pro Jahr. Da fallen neue<br />
Konzepte durchaus ins Gewicht.<br />
Der Gedanke an saisonale, lokale und eigens<br />
hergestellte Spirituosen führt in vielen<br />
Fällen unweigerlich zu einer weiteren nachhaltigen<br />
Konsequenz: »Zero Waste«. Kein Abfall,<br />
das bringt mit sich, dass so wenig wie möglich<br />
weggeworfen wird und »Reste« in Form<br />
von Bar-Snacks verwertet werden, wie zum<br />
Beispiel im Berliner Isla Coffee, wo aus den<br />
Resten des Milchschaums für den Cappuccino<br />
mithilfe von Zitronensäure der Fettanteil<br />
von der Molke getrennt wird. Die Molke<br />
kommt in die nächste Suppe, der Fettanteil in<br />
den Käsekuchen.
Zero-Waste:<br />
Kosmetik im Glas<br />
www.fairsquared.info/zerowaste<br />
Faire Naturkosmetik im Mehrwegsystem<br />
FAIR SQUARED Naturkosmetikprodukte sind ab sofort<br />
in umweltfreundlichen Glastiegeln und -flaschen<br />
erhältlich. Diese werden gesammelt, zurückgegeben,<br />
gereinigt und wiederbefüllt. Dies spart nicht nur<br />
Einwegverpackungen, sondern sorgt so auch aktiv<br />
dafür, dass sich weniger Plastikmüll in den Weltmeeren<br />
wiederfindet.<br />
Entscheiden Sie sich für unser Zero-Waste-System!<br />
Mitmachen und Müll FAIRmeiden<br />
1. Einkaufen in Bioladen oder Reformhaus<br />
2. Transport der Gläschen nach Hause<br />
3. Freude über wiederverwendbare Gläschen<br />
4. Leeres Glas? Zurück ins Geschäft damit!<br />
5. Rückversand an FAIR SQUARED zur Reinigung<br />
6. Erneute Befüllung ... und der Kreislauf setzt sich fort<br />
6<br />
5<br />
1<br />
4<br />
2<br />
3<br />
contains<br />
Fairtrade<br />
ingredients
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
Hinter der Bar<br />
72<br />
Diese Form der Gastronomie führt auch<br />
dazu, dass auf Ökonomie im Arbeitsalltag<br />
Wert gelegt wird. Etwa mit dem Konzept<br />
des sogenannten Milk Punching, bei dem<br />
mithilfe von Milch säurehaltige Cocktails<br />
– also im Grunde alle – geklärt und haltbar g<br />
emacht werden. Von sich reden machte in diesem<br />
Kontext die Berliner Stairs Bar; allerdings<br />
hat sich jüngst und erstmalig ein Netzwerk<br />
aus GastronomInnen gegründet, das sich genau<br />
dieser Fragen annimmt. Die aus Berliner-<br />
Innen bestehende Gründercrew »The Blessed<br />
Ones« geht zunächst auf eine deutschlandweite,<br />
dann auch auf die Schweiz und Österreich<br />
ausgedehnte Mitgliedersuche: BartenderInnen<br />
sollen einander unterstützen, einer nachhaltigeren<br />
Gastronomie auf die Sprünge zu helfen.<br />
Und da kann »saisonal«, »regional« und »selbst<br />
gemacht« erst der Anfang sein; Plastikstrohhalme<br />
stehen längst auf der Abschussliste und Gendergleichheit<br />
kommt als Nächstes. Wir dürfen<br />
gespannt sein.<br />
Diy-Wildkräutersirup<br />
Ein Grundrezept aus Gerda Holzmanns Buch<br />
»Gesunde Wildkräuter aus meinem Garten«.<br />
»Gesunde Wilkräuter aus<br />
meinem Garten – erkennen,<br />
vermehren, nutzen«<br />
von Gerda Holzmann,<br />
erschienen 2018 im<br />
Löwenzahn Verlag.<br />
rezept für 5 Liter<br />
Zubereitungszeit (inkl. Kräutersammeln):<br />
1,5 Stunden<br />
Ruhezeit: 2–3 Tage<br />
4 Handvoll frischer Wildkräuter (nach Belieben)<br />
4 l Wasser<br />
2 kg Zucker<br />
1/4 l Apfelessig oder Kräuteressig ohne<br />
Zitronensäure<br />
Zubereitung:<br />
Saubere Wildkräuter an einem trockenen Tag<br />
sammeln, durch Schütteln von Insekten befreien<br />
und in einen ausgekochten Kübel oder ein<br />
ähnliches Gefäß geben (ca. 10 l Fassungsvermögen).<br />
Mit 4 l kaltem Wasser übergießen, mit<br />
einem Tuch zudecken und 2–3 Tage bei Zimmertemperatur<br />
stehen lassen. Danach in einen<br />
großen Topf abseihen und mit dem Zucker<br />
kurz erwärmen, bis sich die Kristalle aufgelöst<br />
haben. Den Essig zugeben und abschmecken.<br />
Je nach Belieben kann noch mehr Zucker<br />
oder Essig hinzugefügt werden. Den Sirup<br />
heiß in ausgekochte Flaschen füllen und verschließen.<br />
Vor Licht geschützt im Keller lagern.<br />
Gemeinsam mit stillem oder sprudelndem<br />
Wasser ergibt der Sirup ein fantastisches<br />
Erfrischungsgetränk!<br />
Bild LRupert Pessl Photography
Nachhaltigkeit, nachvollziehbar heißt:<br />
Geschmacksvielfalt<br />
hat<br />
einen guten<br />
Grund.<br />
Samenfeste Tomatenund<br />
Paprikararitäten<br />
aus fruchtbaren Böden.<br />
„Naturrein auf<br />
Babyfood-Standard“<br />
Regional, saisonal und vollreif geerntet, überzeugen unsere Tomatenund<br />
Paprikararitäten nicht nur mit ihrem Geschmack, sondern auch mit<br />
ihrer einzigartigen Reinheit. Dafür sorgen eine ausgeklügelte Fruchtfolge,<br />
humusfördernde Kreislaufwirtschaft, Pestizidfreiheit sowie weitere<br />
strenge Richtlinien zur Gesunderhaltung der Böden. Damit entsprechen<br />
Tomate & Co sogar dem hohen „Naturrein auf Babyfood-Standard“ und<br />
machen den Genuss zum reinsten Vergnügen.<br />
Technische und optische Änderungen sowie Satz- und Druckfehler vorbehalten.<br />
KREISLAUF DES LEBENS<br />
Der Beweis für echte Nachhaltigkeit.<br />
zurueckzumursprung.at
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
Marktplatz Food<br />
74<br />
3<br />
2<br />
5<br />
1<br />
4<br />
6<br />
Es geht um die Wurst<br />
Der Herbst steht vor der Tür, und jedes Jahr stellt sich die gleiche Frage:<br />
Was packen wir in den Rucksack, um den Aufstieg<br />
zur Hütte oder sogar zum Gipfel zu überleben?<br />
Text und bild<br />
Jürgen Schmücking<br />
Was bekommt das Kind in die Schultüte,<br />
ins Jausensackerl, ins Landschulwochengepäck?<br />
Ein paar Äpfel und<br />
das Butterbrot sind gesetzt, für alles<br />
andere wurden die Boxeln erfunden. Und<br />
die Landjäger, Salamisnacks, Cabanossis<br />
und deren Wurstbrüder. Wurstschwestern.<br />
Es heißt ja »die Wurst«.<br />
Jedenfalls haben wir uns in den Biosortimenten<br />
der heimischen (und nachbarländischen)<br />
Hersteller umgesehen. Hier 6 Beispiele. Und<br />
die eine oder andere Empfehlung.<br />
BIO vom BERG:<br />
1 Bio-Zwergerl – Rohwurst geräuchert<br />
Das fängt gut an. Hinten auf dem Etikett steht<br />
gleich als erster Satz: »In 100 g Bio-Zwergerl<br />
sind 136 g Rind- und Schweinefleisch enthalten.«<br />
Ein Schenkelklopfer? Mitnichten. Die<br />
Zwergerl werden ja getrocknet und verlieren<br />
dadurch Feuchtigkeit. Und Gewicht.<br />
Geräuchert wird übrigens über Buche und<br />
gereift an der rauen Bergluft Tirols. Würzig<br />
und gut.
Heirler:<br />
2 Vegane Brotzeit nach Landjäger Art<br />
Hm. Wo anfangen? Zuerst eine kurze Beschreibung<br />
dessen, was es ist. Eine in Quaderform gepresste<br />
Substanz aus Weizeneiweiß, Kokosfett, Lupinenmehl<br />
und allerlei geschmackgebenden Zutaten. Es<br />
sieht aus wie eine zu lang geratene Mignon-Schnitte<br />
und schmeckt – nein, lassen wir das.<br />
Ja! Natürlich:<br />
3 Bio-Cabanossi vom Freilandschwein<br />
Gut, dass das so draufsteht. Darunter ist nämlich zu<br />
lesen: »Von Waldviertler Bio-Bauern aus ganzjähriger<br />
Freilandhaltung«, und das könnte leicht missverständlich<br />
sein. Jedenfalls sind die Bio-Cabanossi<br />
eines jener Produkte, bei denen das vermeintliche<br />
Original alt aussieht. Fester Biss, würzig, leicht<br />
pfeffrig, molliger Körper. Bleibt auch eine Zeitlang<br />
am Gaumen haften. Gut so.<br />
ADAMAH<br />
BioHof Fest<br />
ERDE. MENSCH. LEBEN.<br />
Juffinger:<br />
4<br />
Bio-Lammboxeln<br />
Mit den Boxeln ist das so eine Sache. Woher der<br />
Name kommt, weiß niemand so genau. Im österreichischen<br />
Lebensmittelcodex stehen sie als »Boxerl«<br />
im Kapitel B.4.5.1.2. Unter »Rohwürste ohne Belag«,<br />
Sorte 2. Die Juffinger-Boxeln schmecken gut,<br />
sind aber mild. Ein bissl mehr »Lamm« könnten sie<br />
schon vertragen. Aber das ist eine sehr persönliche<br />
Ansicht. Wahrscheinlich sind das die besten Lammboxeln,<br />
die das Lamm/das Land zu bieten hat.<br />
BioSing:<br />
5 Biosalami<br />
BioSing ist das Gourmet-Salamiprojekt des Slowenen<br />
David Lesar. Unter der Marke wurden verschiedene<br />
Trockenwürste entwickelt. Neben der Biosalami<br />
gibt es auch Biozaseka (Verhackerts), bei manchen<br />
Salamis experimentiert David Lesar auch mit<br />
Hirschen, Eseln und Bären. Wildfang klarerweise.<br />
Die Biosalami ist aber aus Schwein und Rind. Und<br />
sie ist großartig.<br />
Salamitrocknerei Saller:<br />
6<br />
Salamizwutschgerl<br />
Der letzte Snack kommt von einem Biobetrieb im<br />
Mühlviertel, der – urlaubsbedingt – keine Salami<br />
schicken konnte. Also bitte den Tipp Nummer 6<br />
einfach vorstellen. Am besten die Nummer 1, die<br />
Zwergerl, in Gedanken mit weißem Edelschimmel<br />
überziehen, und – voilà – da haben wir ein Salamizwutschgerl.<br />
Es lebt von diesem Edelschimmel, er<br />
gibt ihm Charakter und Substanz.<br />
Das ADAMAH BioHof Fest<br />
... am 31. August & 01. September<br />
steht ganz im Zeichen einer lebenswerten<br />
& enkeltauglichen Zukunft. Wir laden<br />
dich ein Bio hautnah zu erleben und<br />
ökologische Alternativen zu entdecken.<br />
Alle Infos auf adamah.at/biohoffest
14<br />
<strong>Biorama</strong> Nº. ##<br />
erlend<br />
g e S u C ht:<br />
Bioprodukt<br />
des Jahres<br />
Kategorien<br />
Farm & Craft<br />
Handwerkliches,<br />
Bäuerliches<br />
retail & Big Brands<br />
starke Marke<br />
Beverages<br />
Getränke und Drinks<br />
ProduzentInnen, Verbände und VermarkterInnen<br />
werden einge laden, ihr Produkt des Jahres zu<br />
nominieren. Eine unabhängige Jury entscheidet<br />
über das „Bioprodukt des Jahres“, welches im<br />
Rahmen der Bio Österreich am 17. November 2019<br />
in Wieselburg vorgestellt und prämiert wird.<br />
nst du das Logo zum Bio-Produkt des Jahres so ergänzen, dass statt bio ÖSTERREICH für 2019 bio ÖSTERREICH Messe Wieselburg drauf steht?<br />
Sonderkategorie: niederösterreich<br />
Handwerkliches und Bäuerliches aus<br />
Niederösterreich<br />
Sonderkategorie: oberösterreich<br />
Handwerkliches und Bäuerliches aus<br />
Oberösterreich<br />
Sonderkategorie: garten<br />
Alles für den Biogarten<br />
Kriterien<br />
Innovation<br />
Nachhaltigkeit<br />
Packaging & Design<br />
NomNom (Genuss- und Spaßfaktor)<br />
Einreichschluss:<br />
13. September 2019<br />
Alle weiteren Infos unter<br />
www.biorama.eu/<br />
bioprodukt-des-jahres
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
Mp Kosmetik<br />
1<br />
2<br />
3<br />
77<br />
Auf natürlichem Grund<br />
10 µ Foundation und getönte Tagescreme aus der Naturkosmetik.<br />
Text<br />
Sarah Wetzlmayr<br />
Irina Zelewitz<br />
Stellt man die Anwendungsansprüche, die<br />
üblicherweise an konventionelle Foundations<br />
gestellt werden, an naturkosmetische<br />
Foundations, können die folgenden<br />
10 zertifizierten Naturkosmetikprodukte<br />
sie fast alle erfüllen. Ein zufriedenstellender<br />
Lichtschutzfaktor ist allerdings kaum dabei,<br />
den sollte man daher im Bedarfsfall nicht vergessen,<br />
zusätzlich aufzutragen.<br />
Die Dr. Hauschka Foundation hält, was<br />
2<br />
sie verspricht: mittlere Deckkraft, guten<br />
Halt und sie fühlt sich angenehm auf der Haut<br />
es außerdem praktisch: In der gebotene Farbpalette<br />
finden sich auch solche für gelb-grünen<br />
Hautunterton. Das Tönungsfluid lässt<br />
sich nicht nur mit der Tagespflege mischen,<br />
sie verträgt sich auch mit quasi jeder Foundation.<br />
Winter- Frühlings- und Sommerfarbton<br />
können gemixt werden – das spart Platz im<br />
Badezimmer. <br />
hauschka.de<br />
Bild<br />
Michael Mickl<br />
Die BB Cream von Annemarie Börlind<br />
1<br />
hat eher leichte Deckkraft, duftet fein<br />
nach Kräutern, pflegt leicht und kann im Sommer<br />
so für manche die Tagescreme ersetzen.<br />
Wer eine reichhaltiger und stärker abdeckende<br />
Variante sucht, greift zum Feuchtigkeits-<br />
Make-up. <br />
börlind.com<br />
Die Floral Liquid Foundation von Zuii<br />
3<br />
ist eine leichte Foundation mit mittlerer<br />
Deckkraft. Das cremige, reichhaltige Gefühl<br />
beim Auftragen bestätigt sich beim Blick auf<br />
die Inhaltsstoffe: Ringelblume, Aloe vera,<br />
Mandel- und Calendulaöl pflegen die Haut. <br />
<br />
zuii-kosmetik.de
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
Mp Kosmetik<br />
78<br />
4<br />
5<br />
6<br />
7<br />
Die lieth Foundation von und<br />
4<br />
gretel hat eine so flüssige Textur, dass<br />
man sie in Sekunden verteilt hat. Trotzdem<br />
hält sie den ganzen Tag. Das und die Verfügbarkeit<br />
in den relativ dunklen Farbtönen<br />
»04 Summer« und »05 Mocha« machen sie zur<br />
idealen Begleitung durch den Sommer.<br />
<br />
undgretel.com<br />
Beim Auftragen zwar noch etwas klebrig,<br />
5<br />
zieht die getönte Feuchtigkeitscreme<br />
von Lavera angenehm in die Haut ein und<br />
deckt kleine Rötungen gut ab. Wer sich etwas<br />
mehr Deckkraft wünscht, wird allerdings mit<br />
einem Concealer nachhelfen müssen. Das Illuminating<br />
Effect Fluid kommt ohne Deckkraft<br />
aus – es hilft beim Strahlen und kann<br />
statt Foundation oder darunter aufgetragen<br />
werden. <br />
lavera.de<br />
Der Tinted Moisturiser von Ringana<br />
6<br />
deckt nur leicht ab und pflegt intensiv,<br />
ohne sich schwer anzufühlen. Lässt sich auch<br />
gut mit Foundation mischen. ringana.com<br />
Weledas Beauty Balm kommt mit zwei<br />
7<br />
Nuancen aus und passt trotzdem vielen<br />
– obwohl sie besser abdeckt, als man es von getönter<br />
Tagescreme erwarten müsste. Vor allem<br />
bei Mischhaut empfehlenswert, lässt sich<br />
allerdings nicht immer gut mit Feuchtigkeitspflege<br />
oder Foundation mischen. weleda.ch
KONTROLLIERT<br />
CONTROLLED<br />
Tauchen Sie ein<br />
in die Welt<br />
der Düfte<br />
und des erlesenen<br />
Geschmacks.<br />
Betriebsführungen<br />
Von 1. April bis 31. Oktober<br />
Mittwoch bis Sonntag & Feiertags<br />
10:30 & 14:00 Uhr<br />
BIO-Schokoladei<br />
Naturkosmetiki<br />
Bahnerlebnisi<br />
Bierbrauereii<br />
World of STYX<br />
Am Kräutergarten 6<br />
3200 Ober-Grafendorf<br />
www.betriebsführung.at
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
Aus dem Verlag<br />
80<br />
UnD sonst so,<br />
im biorama-<br />
Universum ...<br />
Kooperation<br />
Re:Post –<br />
Das Uniformrecycling-Projekt<br />
der Österreichischen<br />
Post<br />
Ein Upcycling-Projekt der Post in Kooperation<br />
mit dem poolbar-Festival und BIORAMA.<br />
Print<br />
Vier<br />
gewinnt<br />
Die vierte BIORAMA-Niederösterreich-<br />
Regionalausgabe<br />
Im Oktober erscheint bereits zum vierten Mal die<br />
Regionalausgabe von biorama für Niederösterreich.<br />
Für all unsere LeserInnen, die mit der Geografie<br />
Österreichs nicht vertraut sind, weil sie zum<br />
Beispiel in Deutschland zuhause sind: Das Bundesland<br />
umgibt die österreichische Bundeshauptstadt<br />
Wien, enthält Berge, Seen, die eine oder andere Barockstadt,<br />
recht viel Gegend und knapp 1,7 Millionen<br />
EinwohnerInnen. Natürlich tut sich hier einiges,<br />
das aus biorama-Perspektive berichtenswert<br />
ist. Wir berichten.<br />
Die Österreichische Post AG hat ihre MitarbeiterInnen<br />
mit neuen Uniformen ausgestattet. Gleichzeitig werden<br />
die ausgemusterten Kleidungsstücke wieder eingesammelt.<br />
Damit diese Textilien nicht bloß entsorgt werden,<br />
entstehen im Rahmen des Projekts Re:Post kreative Upund<br />
Recycling-Konzepte. Es wird nach gestalterischen<br />
Optionen geforscht, wie die alten Kleidungsstücke durch<br />
eine sinnvolle Weiterverwendung nutzbar gemacht werden<br />
können.<br />
Ziel von Re:Post ist es, Designs für Kleidung, Modeaccessoires<br />
oder Gebrauchsgegenstände entstehen zu lassen.<br />
In dem interdisziplinären Gestaltungslabor, das im<br />
Rahmen des poolbar-Festivals ausgerichtet wird, geht es<br />
darum, die Kleidung in Kombination mit anderen Materialien<br />
weiterzuverwenden und völlig neue Produkte zu<br />
entwickeln, die in Serie produziert und verkauft werden<br />
können. Im Vordergrund steht das gemeinsame und interdisziplinäre<br />
Arbeiten.<br />
poolbar.at/generator<br />
Bilder Christoph adamek, Fair friends/anja cord
abo<br />
BIORAMA im Abo<br />
Jährlich sechs Ausgaben von BIORAMA<br />
direkt in deinen Briefkasten!<br />
Auch wenn biorama ein Gratismagazin ist,<br />
kannst du es abonnieren. Für 25 EUR im Jahr<br />
bist du dabei und unterstützt unsere unabhängige<br />
redaktionelle Arbeit.<br />
biorama.eu/abo<br />
25,–<br />
Kooperation<br />
Fair Friends<br />
Wir freuen uns, wieder offizieller Medienpartner<br />
der Messe Fair Friends zu sein.<br />
5. BIS 8.<br />
September<br />
2019<br />
Deutschlands größte Nachhaltigkeitsmesse findet von 5. bis<br />
8. September 2019 in der Messe Dortmund (Westfalenhalle)<br />
statt. Und: Wir verlosen auf biorama.eu 10 µ 2 Tickets.<br />
Stay alert!<br />
81<br />
Event<br />
FAIR FAIR<br />
2019<br />
Frühsommer ist die Zeit<br />
für den BIORAMA-Markt<br />
für nachhaltige Ideen<br />
Schon seit 2012 veranstalten wir in<br />
Wien unseren alljährlichen Markt für<br />
Bio Street Food, Eco Fashion und Sustainable<br />
Design. In diesem Jahr waren<br />
wir Ende Juni im ehemaligen Sophienspital<br />
in Wiens siebtem Bezirk zu Gast.<br />
Schön war’s, auch wenn’s zwischendurch<br />
arg geregnet hat. Wir bedanken<br />
uns bei allen BesucherInnen. Bis zum<br />
nächsten Mal!<br />
fairfair.at
<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />
elternalltag<br />
82<br />
Die Millisekunde<br />
Was, wenn jemand stirbt? Das hätte ich mir auch nicht<br />
gedacht, dass die Antwort auf diese Frage sich so<br />
gravierend ändern kann.<br />
Text<br />
Ursel Nendzig<br />
Autorin Ursel Nendzig, Mutter<br />
zweier Söhne, berichtet live<br />
aus der Achterbahn.<br />
Es gibt eine lange, scheinbar sogar endlose Liste der<br />
Dinge, die sich ändern, sobald man ein Kind bekommt.<br />
Erst vor ein paar Tagen habe ich darüber<br />
mit meiner Freundin M. gesprochen, die gerade<br />
zum ersten Mal schwanger ist. Man muss da ja immer<br />
ein bisschen aufpassen, was man sagt, eine gute Balance<br />
finden zwischen Ehrlichkeit (Einlauf, Dammriss,<br />
wunde Brustwarzen etc.) und trotzdem keine<br />
Angst machen (Einlauf, der am Gang wieder ausläuft,<br />
Dammriss, der nach Jahren noch spürbar ist,<br />
Brustwarzen, die nicht nur wund sind, sondern bluten,<br />
Nachtwache, die sich wie Folter anfühlt, etc.).<br />
Jedenfalls ging es bei unserem Gespräch nicht nur<br />
um diese körperlichen Veränderungen, sondern<br />
um die echten, die, die wirklich alles auf den Kopf<br />
stellen, die vielen Gefühle, die da plötzlich sind<br />
und die man nicht mehr wegbekommt.<br />
Ganz vorne mit dabei: Verlustangst. Es ist<br />
so was von unglaublich, dass etwas, ohne das<br />
man jahrelang ganz wunderbar<br />
gelebt hat (das Baby), sich plötzlich,<br />
und zwar von null auf dreitausend,<br />
ganz vorne reinschiebt<br />
in die Wichtigkeits-Skala. Dass<br />
in der gleichen Millisekunde, in<br />
der das Muttergefühl, die ganze<br />
Liebe, das ganze Oooooh einschießt,<br />
auch diese schrecklichste<br />
aller Ängste auftaucht:<br />
es wieder verlieren zu können. Dass sich<br />
plötzlich der potenzielle Verlust dieses<br />
bis vor zwei Millisekunden noch unbekannten<br />
Wesens schlimmer anfühlt, als<br />
selber zu sterben. Und dass sich das bis<br />
ans Lebensende, also das eigene, nicht<br />
mehr ändern wird.<br />
Die Kinder selber wiederum haben<br />
dafür einen superentspannten<br />
Umgang mit diesem Thema, Kontrastprogramm.<br />
Und wie auch noch!<br />
Zwischen meiner eigenen, mütterlichen,<br />
neuen Sicht auf die Endlichkeit<br />
und der frischen, naiven der<br />
Kinder. Wurde es für mich zum fiesen<br />
Endlichkeits-Reminder, eine tote Maus<br />
zu sehen (ich berichtete an dieser Stelle<br />
bereits davon), war es für die Söhne pure<br />
Faszination. Wurde der Besuch des Grabes<br />
meiner Schwiegermutter für mich zur<br />
reinsten Emo-Achterbahnfahrt, war den<br />
Söhnen dort vor allem: fad. Sie sprangen<br />
herum und rechneten aus, wie alt die Menschen<br />
geworden sind, die da unter der Erde<br />
liegen, Wettbewerb inklusive: Wer findet den<br />
jüngsten, wer den ältesten. Und mein Herz:<br />
schwer wie Blei.<br />
»Wurde es für mich zum fiesen<br />
Endlichkeits-Reminder, eine tote<br />
Maus zu sehen, war es für die<br />
Söhne pure Faszination.«<br />
Spannenderweise beobachte ich zurzeit, wie sich<br />
der Umgang mit dem Tod bei den Söhnen unterscheidet.<br />
Der eine, sechs Jahre alt, nach wie vor sehr locker<br />
mit tot oder nicht tot. Der andere, neun, jetzt schon<br />
ehrfürchtiger. Vor Kurzem blieben sie zum ersten Mal<br />
für mehrere Tage bei ihrer Oma, und dort, beim Einschlafen,<br />
kamen dem großen Sohn die großen Gedanken:<br />
Was, wenn jemand stirbt? (Pragmatische Antwort<br />
der Oma: Ach, es stirbt doch ständig und überall jemand.)<br />
Ich denke mir: Was, wenn ich heute sterben würde? Ich<br />
hätte vor allem Angst davor: dass meine Söhne dann traurig<br />
wären. Das gehört wohl zu der Kategorie, von der ich<br />
meiner Freundin M. nicht erzähle.<br />
illustration Nana Mandl
WER IST IM<br />
BETT GENAUSO<br />
GUT WIE AM<br />
FRUHSTUCKS-<br />
TISCH?<br />
----<br />
Der Zagler Müslibär.<br />
Da gibt’s ordentlich was auf<br />
den Löffel. Lassen Sie<br />
es so richtig krachen – die<br />
aufregend knusprigen<br />
österreichischen Bio-Müslivariationen<br />
vom Zagler<br />
Müslibären schmecken immer<br />
und überall!<br />
d.signwerk.com<br />
ERHÄLTLICH IM GUT<br />
SORTIERTEN FACHHANDEL<br />
SOWIE AUF<br />
WWW.MÜSLIBÄR.AT
Das Studentenkonto<br />
für kluge Köpfe.<br />
Wer gscheit ist, holt sich jetzt jede Menge<br />
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im Raiffeisen Club. Jetzt auch online<br />
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Impressum: Medieninhaber: Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien AG, F.-W.-Raiffeisen-Platz 1, 1020 Wien.