09.09.2019 Aufrufe

Biorama # 62

UNTER UNS: Der Boden ist der zweitgrößte CO2-Speicher der Welt. | Ohne Grund: Ein Besuch in der äthiopischen Austernpilzzucht. | Tabu Tod: Denkanstöße für den Umgang mit der eigenen Endlichkeit. | Upcycling-Design: Nähanleitung für Hemd- und Hosentasche.

UNTER UNS: Der Boden ist der zweitgrößte CO2-Speicher der Welt. | Ohne Grund: Ein Besuch in der äthiopischen Austernpilzzucht. | Tabu Tod: Denkanstöße für den Umgang mit der eigenen Endlichkeit. | Upcycling-Design: Nähanleitung für Hemd- und Hosentasche.

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

.<strong>62</strong><br />

ausgabe <strong>62</strong> — August /september 2019. www.biorama.eu<br />

KOSTENLOS — ABER ABONNIERBAR<br />

P.b.b. — 11Z038861 M — 1040 Wien<br />

www.facebook.com/<strong>Biorama</strong><br />

Unter uns:<br />

Der Boden ist der zweitgrößte CO 2 -Speicher der Welt.<br />

Ohne Grund: Ein Besuch in der äthiopischen Austernpilzzucht. — 28<br />

Tabu Tod: Denkanstöße für den Umgang mit der eigenen Endlichkeit. — 42<br />

Upcycling-Design: Nähanleitung für Hemd-und-Hosen-Tasche. — 46


SETZ<br />

DEINEN<br />

GARTEN IN<br />

SZENE<br />

Großer<br />

Wettbewerb<br />

der Vielfalt<br />

Nationalpark-Urlaub<br />

für 2 Personen<br />

gewinnen<br />

Werde Teil des Nationalpark Gartens<br />

und schick uns dein schönstes Foto<br />

von der Artenvielfalt in deinem<br />

Garten, auf deinem Balkon oder in<br />

deinem Blumenkisterl.<br />

nationalparkgarten.at<br />

GARTEN +Haus


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

Editorial, Impressum<br />

3<br />

Also starring: der Maulwurf<br />

Viele Arbeitsstunden hat unser Grafiker Michael Mickl<br />

für unser aktuelles Coverbild geschwitzt. Immer wieder<br />

schaute ihm beim Schaffen Chefredakteurin Irina Zelewitz<br />

über die Schultern, reklamierte den einen oder anderen<br />

Regenwurm in die Montage. Und zu guter Letzt tauchte<br />

– wie aus dem Nichts – plötzlich ein Maulwurf aus dem kühlen<br />

Dunkel auf. Den Engerling, der mit seinem massenhaften<br />

Auftreten vielerorts gerade zur Plage geraten ist, stellen wir<br />

uns am besten vor. Den hat der Maulwurf gerade intus. Lebendiger<br />

Boden halt, Kommen und Gehen.<br />

Meditativ begleitet vom feinen Brummen des Ventilators zauberte<br />

unser Michi schließlich ein für biorama eher unübliches<br />

Coversujet: knallbunt wie für einen Disneyfilm – aber<br />

doch bodenständig. Und genau darum geht es schwerpunktmäßig<br />

auf den folgenden Seiten: um Grund und Boden als bedrohte<br />

Ressource. Das Thema spannen wir von der nur vermeintlich<br />

banalen Frage unserer Rubrik Street Talk (»Wie lagerst<br />

du deine Erdäpfel/Kartoffeln?«) über ein Porträt des<br />

Bodenkundlers Günther Aust bis zu einem fundamentalen<br />

Interview, in dem der engagierte Journalist, Radiomoderator<br />

und Buchautor Florian Schwinn erläutert, wie wir den Boden<br />

retten können.<br />

Apropos Bio. Gefragt, was denn Bio eigentlich bedeute, antworten<br />

einschlägig engagierte Bäuerinnen und Bauern mitunter<br />

mit »Bio ist Leben«. Das stiftet zwar mitunter Verwirrung<br />

(weil es zumindest ansatzweise esoterisch klingt), ist<br />

aber grundrichtig. Denn konsequent gedacht orientiert sich<br />

Biolandbau immer an Kreisläufen. Und dazu gehört auch<br />

das Bewusstsein, dass alles Leben endlich ist – damit immer<br />

wieder Neues entstehen kann. Neben umweltfreundlichen<br />

Bestattungsmöglichkeiten stellen wir euch auch von Irene<br />

Maria Gruber ausgewählte Kinderbücher zum Thema vor. Auch<br />

Ursel Nendzig und Annemarie Harant widmen sich der eigenen<br />

Endlichkeit: Ursel in ihrer Kolumne »Elternalltag«, Annemarie<br />

mit einer praxisnahen Anleitung, wie man das Unausweichliche<br />

unverkrampft vorhersieht – vom digitalen Nachlass<br />

bis zum Testament.<br />

Feiern wir also das Leben!<br />

Thomas Weber, Herausgeber<br />

weber@biorama.eu<br />

@th_weber<br />

impressum<br />

HERAUSGEBER Thomas Weber CHEFREDAKTEURIN<br />

Irina Zelewitz AUTORINNEN Frankziska Bechtold, Alina Birkel, Iris<br />

Eichtinger, Florian Grassl, Irene Maria Gruber, Annemarie Harant,<br />

Martin Mühl, Ursel Nendzig, Juliane Reichert, Jürgen Schmücking,<br />

Thomas Stollenwerk, Anika Suck, Thomas Weber, Christine Wedler,<br />

Sarah Wetzlmayr, Christoph Wimmer, Irina Zelewitz GESTALTUNG<br />

Michael Mickl Lektorat Mattias Feldner COVer MONTAGE<br />

Michael Mickl (istock.com/temmuzcan, Griffin24, deyanarobova,<br />

hsvrs, themacx, Lena_Zajchikova) ANZEIGENVERKAUF Herwig<br />

Bauer, Micky Klemsch (Leitung), Thomas Weber DRUCK Walstead<br />

NP Druck GmbH, Gutenbergstraße 12, 3100 St. Pölten PRODUKTI-<br />

ON & MEDIENINHABERIN <strong>Biorama</strong> GmbH, Wohllebengasse 16 / 6,<br />

1040 Wien GESCHÄFTSFÜHRUNG Martin Mühl KONTAKT <strong>Biorama</strong><br />

GmbH, Wohllebengasse 16 / 6, 1040 Wien; www.biorama.eu, redaktion@biorama.eu<br />

BANKVERBINDUNG <strong>Biorama</strong> GmbH, Bank<br />

Austria, IBAN AT44 12000 10005177968, BIC BKAUATWW ABONNE-<br />

MENT siehe Website: biorama.eu ERSCHEINUNGSWEISE 6 Ausgaben<br />

pro Jahr ERSCHEINUNGSORT Wien.<br />

BLATTLINIE <strong>Biorama</strong> ist ein unabhängiges, kritisches Magazin, das<br />

sich einem nachhaltigen Lebensstil verschreibt. Die Reportagen,<br />

Interviews, Essays und Kolumnen sind in Deutschland, Österreich<br />

und der ganzen Welt angesiedelt. Sie zeigen Möglichkeiten für<br />

ein Leben mit Qualität für den Menschen und den Planeten Erde.<br />

Ohne dabei den Zeigefinger zu erheben. <strong>Biorama</strong> erscheint sechs<br />

Mal im Jahr.


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

Bild der Ausgabe<br />

4


Illustration<br />

Jakob Winkler 5<br />

Das Gewimmel von 50.000 Arbeitsstunden<br />

Jakob Winklers Wimmelbuch für Kinder und Erwachsene macht diesem Wort alle<br />

Ehre. Auf 40 Seiten gibt es flirrende Illustrationen – mit Querverweisen zu geballtem<br />

Wissen in Textform im ausführlichen Glossar. Von der Entstehung von Erdöl<br />

über das Transportwesen bis hin zu den utopischen Seiten einer Welt ohne Plastik,<br />

einer begrünten Stadt der Kreisläufe und des Vertical Farmings – das Buch könnte<br />

viele Kinder noch wesentlich länger begleiten als die zehn Jahre, die sich der Autor<br />

und Zeichner schon mit Konzeption und Erstellung beschäftigt.<br />

»Fatimas fantastische Reise in eine Welt ohne Erdöl« kann von 14. September bis<br />

27. Oktober online vorbestellt werden: fatimasfantastischereise.com Irina Zelewitz


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

Auftakt<br />

<strong>62</strong> Inhalt<br />

03 Editorial<br />

12 Global Village<br />

16 Meine Stadt<br />

Schwerpunkt: das leben im boden<br />

18 Kampf für die Zeit<br />

»Rettet den Boden!«: Buchautor<br />

Florian Schwinn im Interview<br />

23 Die große weiße Lücke<br />

Ein Bodenkundler träumt von der<br />

vollständigen Bodenkarte.<br />

28 Unter dem Schirm der Hyäne<br />

Austernpilze wachsen ohne Boden<br />

– ein Besuch bei äthiopischen<br />

LandwirtInnen<br />

34 Da ist der Wurm drin!<br />

C2C-Pixi-Buch über Regenwürmer<br />

36 Wie wird man eigentlich …<br />

Biobäuerin<br />

38 Wie wird man eigentlich …<br />

Foodie<br />

40 Der Tod gehört zum Leben<br />

Vier Kinderbuchtipps<br />

42 Dein Abschied von der Welt<br />

Denkanstöße zum Thema Tod<br />

46 Upcycling-Design<br />

Ein Schnitt des Upcycling-<br />

Labels Milch<br />

50 Vegane Gürtel<br />

Lederalternativen ohne<br />

neues Plastik<br />

52 Grüner drehen<br />

Es gibt sie, die<br />

Green-Producing-Bewegung.<br />

52<br />

Eine Branche sieht grün.<br />

Die Green-Producing-Bewegung setzt sich für mehr Nachhaltigkeit in<br />

der Filmbranche ein – und kommt gemächlich, aber stetig voran.<br />

65 Bikepacking auf Krk<br />

Urlaub ohne Rucksack und Koffer<br />

69 Handwerk hinter der Bar?<br />

Wie nachhaltig ist der Trend?<br />

Marktplatz<br />

74 Marktplatz Food<br />

Salamisnacks<br />

77 Marktplatz Kosmetik<br />

Foundation<br />

Kolumnen<br />

82 Elternalltag<br />

Bilder Das rund filmproduktion, istock.com/gaspr13, Klassen/Barnett


SONNENTOR<br />

Erlebnis<br />

Entdecke unsere<br />

Welt der Kräuter<br />

und Gewürze!<br />

63/65<br />

Mountainbikepacking:<br />

Ein Radreisetrend im Praxistest auf der kroatischen Insel Krk –<br />

beginnt in der Österreich-Ausgabe auf Seite 65, in der Deutschland-<br />

Ausgabe schon auf Seite 63.<br />

• Betriebsführungen<br />

• Führungen am<br />

Bio-Bauernhof Frei-Hof<br />

• Permakultur-Garten<br />

• Land-Lofts<br />

• Geschäft<br />

• Bio-Gasthaus Leibspeis’<br />

• Seminare & Workshops<br />

FAMILIEN-FÜHRUNGEN<br />

JEDEN 1. SONNTAG IM<br />

MONAT UM 14 UHR<br />

40<br />

Der Tod gehört zum Leben.<br />

Irene Maria Gruber präsentiert<br />

einfühlsame Kinderbücher,<br />

die Möglichkeiten zeigen, mit<br />

ihm umzugehen.<br />

50<br />

Gürtel ohne Tier:<br />

Vegane Lederalternativen – aus<br />

Piñatex, aus Kork, aus alten Sicherheitsgurten<br />

– jedenfalls ganz ohne<br />

neues Plastik.<br />

SONNENTOR Erlebnis<br />

in 3910 Sprögnitz 10,<br />

+43(0)2875/7256-100<br />

www.sonnentor.com/erlebnis


Bringt Sie<br />

weiter<br />

Jetzt „Die Presse“ drei Wochen kostenlos und unverbindlich testen — und ein<br />

Kalkhoff E-Bike Enice 5.B Tour von Hervis im Wert von 3.099,99 € gewinnen!<br />

Ihr Testabo umfasst die gedruckten Zeitungen<br />

„Die Presse“ + „Die Presse am Sonntag“<br />

sowie unser digitales Angebot<br />

„Die Presse“-ePaper + „Die Presse“ premium<br />

Testen und<br />

gewinnen<br />

DiePresse.com/bike<br />

In Kooperation mit


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

Leserinnenmeinung<br />

Wir müssen reden …<br />

9<br />

LeserInnen an und über uns Mails, Tweets und hoffentlich Liebesbriefe an die Redaktion – und unsere Antworten.<br />

Betrifft:<br />

LeserInnenbriefe<br />

in biorama 60 (April/Mai 2019)<br />

»Sehr geehrte Damen und<br />

Herren! Ich bin heute auf<br />

Ihr interessantes Magazin<br />

gestoßen – vor Allem die Bezeichnung<br />

»für nachhaltigen<br />

Lebensstil« hat mir gefallen.<br />

Beim Durchblättern war ich<br />

zusehends und von den Themen<br />

angetan, bis ich auf Seite 78 gelandet bin.<br />

Sie drucken einen Artikel ȟber den genussvollen<br />

Verzehr von Weinbergschnecken« ab.<br />

Ich muss sagen, diese zwei Seiten haben mich<br />

schockiert und ich finde es regelrecht pervers<br />

im Sinne von verkehrt, dass Sie Rezepte mit<br />

dieser armen Kreatur als Genuss beschreiben.<br />

Was hat das mit »bewusster« Kost zu tun? Noch<br />

dazu preisen Sie die Schnecken als Fastenspeise<br />

mit langer Tradition an – und empfehlen, sie<br />

das ganze Jahr über zu verzehren … Da fehlen<br />

mir die Worte.«<br />

<br />

Tierfreundliche Grüße,<br />

– Eine Kritikerin (die anynonym bleiben wollte, Name d. Redaktion<br />

bekannt)<br />

Vielen Dank für die Rückmeldung und für Ihre<br />

Beschäftigung mit der Frage, was zu einem nachhaltigen<br />

Lebensstil und unserem Magazin darüber<br />

passt! Wir möchten Sie als unsere Leserin<br />

keinesfalls vor den Kopf stoßen. Diskussion und<br />

Beiträge über Verzehr von Tieren ist für uns Teil<br />

des notwendigen Nachhaltigkeitsdiskurses. Wir<br />

hoffen, mit unserer Berichterstattung insgesamt<br />

die laufende Verbesserung der Bedingungen der<br />

Nutztierhaltung im Sinne des Tierwohls als auch<br />

der ökologischen Notwendigkeit der drastischen<br />

Reduktion des Fleischkonsums zu transportieren!<br />

Betrifft:<br />

The Great Regional<br />

Swindle<br />

in biorama 61<br />

Tweet von @MarkusLeithner<br />

In der Redaktion wurde im Vorfeld diskutiert, ob<br />

man dem thematisch »alten Hut« regionale Produkte<br />

so viel Platz einräumen sollte. Die zahlreichen<br />

Rückmeldungen zum Schwerpunkt haben<br />

unsere Erwartungen übertroffen und uns bestätigt.<br />

Vielen Dank dafür!<br />

Betrifft:<br />

Glücklich wie<br />

tanzende kühe<br />

in biorama 61<br />

Tweet von @jakobine_at<br />

Pretty nice drawing!<br />

Erratum betreffend LeserInnenmeinung im BIORAMA #61<br />

In der Ausgabe 61 ist uns beim LeserInnenbrief zum Thema »Grüner Strom ist nicht gleich grüner Strom« ein Fehler unterlaufen:<br />

Wir haben den Namen von Frau Siglinde Binder-Knoll angegeben. Die Zusendung stammt jedoch von Christoph Wychera. Wir<br />

bitten beide LeserInnen um Entschuldigung!


Unser Bio. Unsere Qualität.<br />

Natürlich<br />

ist das nichts<br />

als Schinken.<br />

Bio-Schinken ist natürlich<br />

etwas Köstliches. Weil die Bio-<br />

Schweine wühlen können, Auslauf<br />

ins Freie haben und gentechnikfreies<br />

Futter aus biologischem<br />

Anbau bekommen. Und weil der<br />

Schinken purer Schinken ist. Ohne<br />

zusätz liche Geschmacksverstärker<br />

und ohne Phosphate.<br />

Das ist Bio. Kontrollierte Qualität.<br />

Garantiert mit dem EU-Biologo<br />

und dem AMA-Biosiegel.<br />

bioinfo.at<br />

ec.europa.eu/agriculture/organic<br />

Der Inhalt dieser Veröffentlichung gibt allein die Meinung<br />

des Autors wieder, der allein für den Inhalt verantwortlich ist.<br />

Die Europäische Kommission haftet nicht für die etwaige<br />

Verwendung der darin enthaltenen Informationen.<br />

DIE EUROPÄISCHE UNION UNTERSTÜTZT<br />

KAMPAGNEN ZUR FÖRDERUNG DES ABSATZES<br />

LANDWIRTSCHAFTLICHER QUALITÄTSERZEUGNISSE.


street talk<br />

Wir fragen,<br />

7 erdige Antworten.<br />

11<br />

»Wie lagerst<br />

du deine<br />

Erdäpfel*?«<br />

* KartoffelN<br />

interview und Bilder Iris Eichtinger<br />

NINA<br />

27, Studentin<br />

Ich lagere Kartoffeln in<br />

einer Kartonbox in<br />

meinem Küchenschrank.<br />

Rudolf<br />

53, Bauernknecht<br />

Ich verspeise Erdäpfel gleich<br />

nach dem Ernten. Eine kleine<br />

Menge habe ich auf Vorrat im<br />

Keller meiner Mutter.<br />

MiriAM<br />

17, Schülerin<br />

Wir lagern Kartoffeln im Keller<br />

in den Netzen, in denen sie<br />

verkauft werden. Wir holen<br />

immer so viel rauf, wie wir<br />

gerade brauchen.<br />

norbert<br />

47, Forscher<br />

In unserem Kühlschrank ist ein<br />

Gemüsefach, dort lagere ich sie.<br />

Ich lebe in Japan, dort ist es heiß<br />

und schwül. Wenn man sie dort<br />

draußen liegen lässt, verderben<br />

sie schnell.<br />

Anastasios<br />

47, Plattenlegermeister<br />

Ich lagere sie ungewaschen<br />

in einem schwarzen, dunklen<br />

Stoffbeutel.<br />

marie<br />

23, Studentin<br />

Im Kühlschrank, in dem Netz,<br />

in dem ich sie kaufe.<br />

Shammari<br />

33, Marktverkäufer<br />

Ich kaufe meine Kartoffeln nur<br />

auf dem Biomarkt beim Wiener<br />

Rathaus. Andere schmecken mir<br />

nicht. Ich kaufe jede Woche zwei,<br />

drei Kilogramm frisch, verbrauche<br />

sie also gleich.


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

universal village<br />

Dänemark<br />

Locus amoenus electrica<br />

Erhältlich bei:<br />

Keine Tankstelle, sondern vielmehr eine architektonische<br />

Ikone für das Zeitalter der Elektromobilität.<br />

Find us on:<br />

www.biometzger.at<br />

Gut erhaltene Tankstellen aus den 1950er-Jahren<br />

gelten mit ihrer typischen Architektur als Ikonen<br />

der Blütezeit des erdölbasierten Individualverkehrs.<br />

Die Elektromobilität hat bisher keine stilistische Entsprechung<br />

gefunden. ArchitektInnen des Kopenhagener<br />

Studios cobe haben eine E-Tankstelle entworfen,<br />

die das ändern könnte. Sie steht in Fredericia.<br />

Die Technik der Schnellladepunkte stammt vom<br />

schweizerischen abb-Konzern. Elektroautos können<br />

hier binnen 15 Minuten vollständig aufgeladen werden.<br />

Betrieben wird die Station vom dänischen Unternehmen<br />

Clever gemeinsam mit dem deutschen<br />

Energiekonzern e.on. Die Firmen haben das Joint<br />

Venture Ultra Fast Charging Venture Scandinavia<br />

gegründet, mit dem Ziel, die Ballungsräume Dänemarks,<br />

Schwedens und Norwegens durch ein Netz<br />

von insgesamt 48 solcher Schnellladestationen zu<br />

verbinden. »Die Ladestation soll nicht nur die Ladezeit<br />

minimieren, sondern auch eine sinnvolle Pause<br />

für FahrerInnen und BeifahrerInnen schaffen. Die<br />

Station hat die Form einer Reihe struktureller Bäume<br />

mit Kronen, die Licht und Schatten filtern. Der modulare<br />

Ansatz führt dazu, dass das Design skalierbar<br />

ist und dass ein ›Baum‹ je nach erforderlicher Kapazität<br />

leicht zu einem Wald multipliziert werden<br />

kann«, heißt es auf der Website des Architekturbüros,<br />

das die Pilot-Station in Fredericia entworfen hat.<br />

<br />

Bilder ICOBE and Rasmus Hjortsho, Jessie Pitt


alpen<br />

16 Jahre endloser Winter<br />

Als Ski-Guide in Australien und Tirol hat Jessie Pitt<br />

durchgehend im Winter gelebt – das wirkt in ihren<br />

impressionistischen Bergbildwelten nach.<br />

Australien, Österreich, Australien, Österreich –<br />

»Für mich war immer Winter«, erinnert sich Jessie<br />

Pitt. Als Ski-Guide ist sie 16 lange Jahre dem Winter<br />

hinterhergereist. Mittlerweile ist die Australierin<br />

ganz in Tirol gestrandet und hat ihre zweite<br />

Leidenschaft – die Kunst – zum Beruf gemacht.<br />

Doch ihr Dasein als Nomadin hat nicht zuletzt in<br />

der Wahl ihres Materials Spuren hinterlassen, verlangte<br />

es doch leicht zu transportierende Malutensilien.<br />

Durch die Platzeinschränkung im Reisegepäck<br />

entstand Pitts typische Mixed-Media-Technik:<br />

eine Kombination aus Zeichnung und Malerei<br />

auf ungespannter Leinwand, die sie vorab zerknittert,<br />

um einen plastischen Effekt zu erzielen.<br />

Dass ihre Werke erst rahmenlos und freihängend<br />

zur Geltung kommen, diese von ihren KäuferInnen<br />

nachträglich aber doch meist gerahmt<br />

werden, erläutert Jessie Pitt im ausführlichen<br />

Interview in der biorama-Onlineausgabe<br />

– und auch ihr Ziel: Umgebungen zu kreieren,<br />

in denen das Gefühl der Berge erlebbar wird.<br />

Demnächst zum Beispiel im Rahmen einer<br />

großen Installation für das Bergfilmfest St. Anton<br />

(28.–31. August). Florian Grassl<br />

stantonamarlberg.com


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

universal village<br />

AB 30. AUGUST<br />

IM KINO<br />

Universum<br />

Mondstuhl<br />

Was wurde aus den organischen Hinterlassenschaften<br />

der bemannten Mondfahrt? Steckt darin<br />

vielleicht noch Leben?<br />

96 Müllsäcke liegen als Hinterlassenschaft der bemannten<br />

Mondmissionen auf dem Erdtrabanten.<br />

Darin: unter anderem menschlicher Kot. Was WissenschaftlerInnen<br />

fünf Jahrzehnte später interessiert,<br />

ist, was mit den Bakterien darin geschehen ist.<br />

In den Säcken spielt sich ein Exkrementexperiment<br />

unter Extrembedingungen ab. Die Temperatur auf<br />

der Mondoberfläche schwankt zwischen −171° und<br />

140° Celsius. Es fehlt eine schützende Gasatmosphäre,<br />

es herrscht ein Vakuum, die UV-Einstrahlung ist<br />

sehr hoch, ebenso die kosmische Strahlung. Wenn in<br />

den Müllsäcken irgendwas überlebt hat, wäre das aus<br />

astrobiologischer Perspektive also spektakulär. nasa-Forscher<br />

Mark Lupisella hat dem US-Magazin<br />

Vox erklärt, es bestehe nur eine geringe Chance, dass<br />

natürliche Selektion in den Müllsäcken eingetreten<br />

sei, die dazu geführt haben könnte, dass sich die Mikroorganismen<br />

weiterentwickeln, um zu überleben.<br />

Wenn aber, dann könnten sie gewachsen sein und<br />

sich ausbreiten. Einer der Mondfahrer, nämlich Buzz<br />

Aldrin, reagierte auf die Idee, die Hinterlassenschaften<br />

von damals einzusammeln: »Well, I sure feel bad<br />

for whoever finds my bag«, twitterte der 89-Jährige.<br />

Thomas Stollenwerk<br />

Bilder Nasa, Istock.com/Fosin2, istock.com/ Electrography


CHEMIEKONZERNE<br />

DER<br />

Deutschland<br />

20 Gramm Fleisch und<br />

3,6 Tonnen CO 2 weniger<br />

Das Projekt Nahgast forscht zu Nachhaltigkeit in<br />

der Gastronomie – so etwa zu den Auswirkungen<br />

kleinerer (Fleisch-)Portionen.<br />

Vor allem in urbanen Räumen nimmt das Außer-<br />

Haus-Essen weiter zu, weswegen Nachhaltigkeitsprojekte<br />

endlich auch vermehrt in der Gastronomie<br />

und in Kantinen ansetzen. Für Umwelt und<br />

individuelle Gesundheit ist die Frage, was gegessen<br />

wird, ebenso entscheidend wie die, wie viel gegessen<br />

wird. Beide Fragen verbindet das Projekt Nahgast.<br />

Dessen Praxispartner, das Studierendenwerk<br />

Münster, hat nun Studienergebnisse veröffentlicht:<br />

Unter anderem, dass Gäste auch kleinere Portionen<br />

als ausreichend bewerten. Konkret untersucht wurde<br />

das anhand der Reduktion der Fleischportionen<br />

um 20 Gramm bei zwei Standardgerichten, nämlich<br />

Hendlschnitzel und Bratwurst, in der Mensa<br />

am Ring in Münster. In nur einer Kantine könnten<br />

so jährlich 3,6 Tonnen CO 2-Äquivalente eingespart<br />

werden. Mehr Ergebnisse sammelt die Publikation<br />

»Nachhaltig außer Haus essen« und für die Gastronomie<br />

gibt es einen Rechner, um die Auswirkungen<br />

unterschiedlicher Zutaten eines Gerichts auf Umwelt<br />

und Gesundheit zu kalkulieren. Martin Mühl<br />

CHEMIE<br />

SICHERT DIE<br />

ERTRÄGE<br />

ALLES EINE FRAGE DER PERSPEKTIVE<br />

Die in der konventionellen Landwirtschaft intensiv<br />

bewirtschafteten Böden brauchen mit der Zeit immer mehr<br />

Kunstdünger und Pestizide, um Ernteerträge zu bringen.<br />

Das erzeugt Abhängigkeit von Chemiekonzernen. Bio bietet die<br />

Alternative zu diesem Teufelskreis. Denn hier wachsen die<br />

Erträge organisch, ohne Pestizide und der Boden bleibt gesund.<br />

www.sonnentor.com/esgehtauchanders<br />

nahgast.de


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

Meine Stadt<br />

16<br />

MEINE STADT:<br />

Garmischpartenkirchen<br />

Lieblingsplätze<br />

und Eco-Hotspots<br />

Text und Bild<br />

Christine Wedler<br />

Christine Wedler<br />

ist Mitinitiatorin des Projekts<br />

»Essbares Garmisch-Partenkirchen«<br />

– das sich gemeinsam mit<br />

dem Schwesternprojekt Sonnenacker<br />

in der Solidargemeinschaft<br />

Werdenfelser Land e. V.<br />

vereinsmäßig organisiert hat.<br />

Das Team »Essbares Garmisch-Partenkirchen«<br />

versucht,<br />

umfassend ganzheitlich zu denken<br />

und seine Marktgemeinde<br />

ein bisschen zu verändern – von<br />

Demos bis Gemeinschaftsgärtnern.<br />

Der Bund Naturschutz<br />

unterstützt das Team mit Expertise<br />

bei der Bewirtschaftung der<br />

Gartenflächen.<br />

Street Art<br />

Das ist der Vorplatz des Rathauses, auf den ein Kind ein Rad gezeichnet<br />

hat, bevor im Rathaus eine Sitzung zum Thema Radwege abgehalten<br />

wurde. Und insofern mag ich diesen Platz, er ist gut gewählt, weil er darauf<br />

hinweist, dass die Politik auch etwas beitragen muss zur umweltgerechteren<br />

Gestaltung unserer Stadt.<br />

Gastraupe<br />

Diese Raupen lieben die Stängel<br />

von Dill und gelber Rübe. Sie<br />

sitzen in unserem Lavendelbeet,<br />

in dem in der Mitte Lavendel<br />

wächst und rundherum<br />

Gemüse – wie Rüben und<br />

Dill – wachsen. Wir haben<br />

täglich gestaunt, wie schön diese<br />

Raupen sind und beobachtet,<br />

ob es ihnen gut geht. Eines Tages<br />

waren sie weg. Denn sie waren<br />

als Schwalbenschwanzschmetterlinge<br />

losgeflogen. Es war uns<br />

eine Freude, dass wir ihnen<br />

etwas zu essen bereiten konnten.


Garmisch-<br />

Partenkirchen<br />

Brüssel<br />

Experiment<br />

Das sternförmige Hochbeet<br />

ist ein Experiment.<br />

Das ist eine öffentliche<br />

Fläche, die sehr feucht<br />

ist, weil in der Nähe der<br />

Fluss Partnach fließt.<br />

Wir haben getüftelt, wie<br />

wir unter diesen Bedingungen<br />

Gemüse anbauen<br />

könnten und wollten<br />

es mit einem Hochbeet<br />

versuchen. Schlau ist<br />

es zwar nicht, ein Beet<br />

in Sternform anzulegen,<br />

das könnte man aus<br />

praktischen Gesichtspunkten<br />

gesehen<br />

geschickter machen –,<br />

aber es hat uns gefallen<br />

und wir wollen die Leute<br />

mit unseren Projekten<br />

auch durch Optik neugierig<br />

machen. Mittlerweile<br />

wächst dort sehr<br />

viel – von Blumen über<br />

Salate bis zu Kartoffeln. Wir verwenden nur Biosaatgut<br />

und keine Hybride. Letztes Jahr haben wir erstmals Samen<br />

gewonnen, wir kaufen daher kaum mehr Saatgut<br />

oder Jungpflanzen zu.<br />

17<br />

Leihschaf<br />

Die Schafweide ist der Garten<br />

einer unserer KundInnen. Wir<br />

sind sieben Schäferinnen. Wir<br />

verleihen kostenlos Minischafe<br />

– Ouessantschafe – an Menschen,<br />

die Wiesen ab 300 Quadratmeter<br />

Größe gemäht haben<br />

möchten. Die Schafe werden<br />

von uns an der Leine geliefert<br />

und dürfen ein bis zwei Wochen<br />

bleiben – täglich schaut<br />

eine aus unserem Team nach<br />

ihnen.


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

UNTER UNS<br />

18<br />

Kampf für Zeit<br />

Die Zeit im Kampf gegen den Klimawandel lässt sich kultivieren, will uns Florian<br />

Schwinn sagen. Der Autor des Aufrufs »Rettet den Boden!« erklärt im Interview,<br />

warum es sich für uns lohnt, um den Boden zu kämpfen.<br />

Interview<br />

Irina Zelewitz<br />

FLORIAN SCHWINN<br />

hat 2017 den deutschen<br />

Umwelt-Medienpreis<br />

erhalten und<br />

2018 den Eduard-<br />

Bernhard-Preis des<br />

Bundes für Umwelt<br />

und Naturschutz<br />

Deutschland (bund)<br />

Hessen<br />

Vier Promille mehr Humus müsste die<br />

Menschheit jährlich aufbauen, um ihren<br />

jährlichen Kohlendioxidausstoß in<br />

den Böden zu speichern und dadurch<br />

einerseits Zeit für die Anpassung an den Klimawandel<br />

zu gewinnen und andererseits dessen<br />

Voranschreiten in Grenzen zu halten. Diese<br />

Forderung wurde bereits bei der Pariser Klimakonferenz,<br />

im internationalen Jahr des Bodens<br />

2015, gestellt. Passiert ist seither wenig, KritikerInnen<br />

mahnen, dass das Ziel der Speicherung<br />

von CO 2 in den Landwirtschaftsböden möglicherweise<br />

von der Notwendigkeit der Reduktion<br />

der Emissionen ablenkt. Der Journalist Florian<br />

Schwinn hat sich die Fähigkeit der Böden,<br />

die Klimaerwärmung zu bremsen, 2019 noch<br />

einmal ganz genau angesehen und in Form eines<br />

Buchs zur Rettung des Bodens aufgerufen.<br />

biorama: Mit dem Aufbau von vier Promille<br />

mehr Humus im Jahr auf der landwirtschaftlich<br />

genutzten Fläche könnte der<br />

weltweite jährliche Kohlendioxidausstoß im<br />

Boden gespeichert werden. Woher kommt<br />

diese Zahl? Was ist in Paris passiert?<br />

Florian Schwinn: Die Franzosen haben das vorgeschlagen<br />

bei der cop in Paris. Die Rechnung<br />

ist die folgende: Der Boden ist nach den Ozeanen,<br />

also vor allem nach der Tiefsee, der größte<br />

Kohlenstoffspeicher der Erde. Da, wo die Landwirtschaft<br />

auf der Welt industrialisiert ist, verlieren<br />

wir Humus: Die organische Substanz, die<br />

dort eingearbeitet ist und dort dauerhaft bleiben<br />

könnte, wird durch diese Form der Landwirtschaft<br />

verringert. Das hat zur Folge, dass wir<br />

immer mehr Kunstdünger verwenden müssen,<br />

weil die Böden weniger fruchtbar werden, aber<br />

auch, dass das CO 2, das im Boden gespeichert ist,<br />

freigesetzt wird.<br />

Die Forderung der französischen Regierung<br />

von 2015 wurde mittlerweile auch vom deutschen<br />

Bundeslandwirtschaftsministerium<br />

nachgerechnet: Wenn wir pro Jahr vier Promille<br />

mehr gesunden Boden aufbauen, können<br />

wir den CO 2 -Ausstoß der Menschheit (das, was<br />

über den natürlichen Kohlenstoffkreislauf auf<br />

der Erde hinausgeht) durch Speicherung im Boden<br />

ausgleichen.<br />

Wie speichert ein Boden Kohlendioxid?<br />

In einem Kubikmeter gesundem fruchtbaren Boden<br />

gibt es mehr Lebewesen, als es Menschen<br />

auf der Erde gibt – der Boden ist das vielfältigste<br />

Biotop der Erde, mehr als der Regenwald. Auf<br />

diesen Boden fällt ein Blatt, die Tiere raspeln es<br />

klein, dann frisst es das nächste Lebewesen –<br />

zum Beispiel ein Regenwurm –, seine Ausscheidungen<br />

sind letztlich frische Erde. Einen Teil<br />

dieses Humus nehmen sich die Pflanzen, der<br />

Rest bleibt als Dauerhumus im Boden, er ist ein<br />

Kohlenstoffspeicher, weil die Pflanzen sich zuvor<br />

diesen Kohlenstoff aus der Luft geholt haben.<br />

Bilder Hr_s.Reimold, istock.com/akatjomar


19<br />

»Bei LandwirtInnen, die darauf<br />

achten, die Würmer zu pflegen und<br />

zu füttern, wie sie auch ihre Kühe<br />

füttern, leben auf einem Quadratmeter<br />

mitunter über 300 Regenwürmer«,<br />

zitiert Florian Schwinn den<br />

Freisinger Biolandwirt Sepp Braun.<br />

Was ist mit den anderen Treibhausgasen?<br />

Viele Treibhausgase, auch Methan, sind langfristig<br />

im Klima. Der Boden aber kann durch<br />

Aufbau relativ schnell Kohlendioxid aufnehmen.<br />

In Mitteleuropa, in der dach-Region,<br />

können wir mit einfachen Maßnahmen revitalisieren,<br />

was beschädigt ist. Frau von der Leyen<br />

hat dementsprechend angekündigt, die Förderstrukturen<br />

der Landwirtschaftspolitik auf europäischer<br />

Ebene umzubauen. Wenn wir etwa<br />

LandwirtInnen nur fördern, wenn sie den Boden<br />

das ganze Jahr bedeckt halten mit Nahrung<br />

für das Bodenleben und uns, werden wir die Effekte<br />

schnell sehen.<br />

Es gibt allerdings Gebiete, etwa in Südspanien,<br />

wo es zu spät ist. Genau dort, wo unser Gemüse<br />

zu einem erheblichen Anteil herkommt,<br />

ist Spanien verwüstet. Außerhalb der Plastikwüste<br />

ist eine echte Wüste entstanden. Viele<br />

Meter der ehemaligen Böden sind abgetragen.<br />

Das wiederherzustellen ist eine Jahrhundertaufgabe,<br />

dieses Land ist eigentlich verloren.<br />

Passiert die Landwirtschaft der Humuswende<br />

extensiv oder intensiv?<br />

Die Frage ist, was wir produzieren. Deutschland<br />

braucht die Hälfte seiner Ackerbaufläche<br />

(ohne Weidefläche) noch einmal zusätzlich im<br />

Ausland, um seine Lebensmittel zu produzieren,<br />

hauptsächlich für Futtermittel. Wir müssen<br />

also aufhören, mehr Fleisch zu produzieren,<br />

als unsere eigenen Böden hergeben. Das<br />

bedeutet eine Ernährungsumstellung. Es bedeutet<br />

aber auch, nicht mehr weiter zu exportieren.<br />

Das, was wir brauchen, können wir im<br />

Wesentlichen produzieren, auch wenn man die<br />

ein oder andere Orange trotzdem importiert<br />

und dafür anderes exportiert. Wenn wir dann<br />

noch auf Bio umstellen, haben wir das auch<br />

noch nachhaltig.<br />

In welcher Dimension geht derzeit<br />

Boden verloren?<br />

Unter den deutschen Bundesländern beobachtet<br />

Niedersachsen seine Bodenerosion am längsten:<br />

seit fast 20 Jahren. Und nach zehn Jahren wurde<br />

Bilanz gezogen und festgestellt: 1,2–2,5 Tonnen<br />

Humus gehen pro Hektar und Jahr in Niedersachsen<br />

verloren – bei einzelnen Starkregen waren<br />

es bis zu 50 Tonnen pro Hektar. In der Wirkungsspanne<br />

von LandwirtInnen, also in etwa<br />

50 Jahren, kann die ganze Humusschicht, der<br />

ganze fruchtbare Boden, weg sein. Man muss<br />

sich vor Augen führen: Die nächste Generation<br />

hat womöglich keinen Boden mehr, auf dem etwas<br />

wächst.<br />

In anderen Weltteilen ist es noch viel schlimmer,<br />

in Afrika oder den usa beispielsweise, da<br />

wächst zum Teil nur mehr etwas, wenn mit<br />

Kunstdünger gedüngt wird.<br />

Welche Rolle spielt biologische Bewirtschaftung<br />

der Böden, um das 4-Promilie-Ziel<br />

überhaupt erreichen zu können?<br />

Fest steht: Die HerstellerInnen von Pestiziden,<br />

wie Bayer/Monsanto, behaupten, dass ihre Pestizide<br />

das Bodenleben nicht schädigen. Es ist<br />

mittlerweile belegt, dass sie das doch tun.<br />

Biologische Bewirtschaftung ist nicht der einzige<br />

Faktor. In der Weide ist mehr Bodenleben<br />

als im Acker. Wer nicht pflügt, hat einen gesünderen<br />

Boden als der, der pflügt. Doch generell<br />

ist der Biolandbau besser im Humusaufbau als<br />

der konventionelle.<br />

Nur drei Prozent der<br />

weltweiten Landfläche<br />

sind von Mooren bedeckt,<br />

sie speichern aber doppelt<br />

so viel Kohlenstoffdioxid<br />

wie alle Wälder der Erde<br />

gemeinsam.<br />

Die internationale Wanderausstellung<br />

»Die Dünne<br />

Haut der Erde – Unsere<br />

Böden« des Senckenberg<br />

Museums für Naturkunde<br />

Görlitz ist noch bis 15.<br />

September im Senckenberg<br />

Naturhistorische Sammlungen<br />

Dresden, Japanisches<br />

Palais in Dresden zu sehen<br />

und ab 4. Oktober 2019 bis<br />

12. Juli 2020 im Universalmuseum<br />

Joanneum –<br />

Naturkundemuseum in Graz.<br />

Mehr auf senckenberg.de


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

UNTER UNS<br />

20<br />

»rettet den boden!«<br />

Das Buch »Rettet den Boden!<br />

– Warum wir um das Leben<br />

unter unseren Füßen kämpfen<br />

müssen« ist 2019 im<br />

Westend Verlag erschienen.<br />

Der Regenwurm ist hier auch ein guter<br />

Zeiger: Wo viele Regenwürmer sind, weiß<br />

man, dass es dem Bodenleben gut geht. Untersuchungen<br />

des Bayerischen Amts für<br />

Landwirtschaft zur Regenwurmdichte haben<br />

gezeigt: In konventionell bewirtschafteten<br />

Böden gibt es etwa 60 Regenwürmer<br />

pro Quadratmeter. Und bei Bio sind es<br />

120. Und bei jenen LandwirtInnen, die darauf<br />

achten, die Würmer zu pflegen und zu<br />

füttern, wie sie auch ihre Kühe füttern (ein<br />

Zitat von Sepp Braun aus Freising), leben auf<br />

einem Quadratmeter bis zu 300 Regenwürmer<br />

und mehr.<br />

Sie schreiben: »Die Landwirtschaft<br />

könnte vom Klimazerstörer zum Klimaretter<br />

werden«. Ist die Landwirtschaft<br />

die Klimazerstörerin?<br />

Sie ist eine der KlimazerstörerInnen. Das liegt<br />

an ihren Emissionen, sie setzt CO 2 frei durch<br />

die Bodenbearbeitung, durch die Regenwaldabholzung<br />

für Futtermittel, Methan durch die<br />

Viehhaltung und den Reisanbau. Die Landwirtschaft<br />

ist vielfältig an der Emission von<br />

Treibhausgasen beteiligt. Eine humusbildende<br />

und humusbindende Landwirtschaft könnte<br />

bis zu einer natürlichen Grenze – der Bodensättigung<br />

– das Klima sehr entlasten und<br />

der Menschheit Zeit geben, den Klimawandel<br />

zu stoppen. Die Landwirtschaft könnte der<br />

Motor sein, den Klimawandel aufzuhalten.<br />

Wie kann der Rollenwechsel/Imagewechsel<br />

angetrieben werden?<br />

Wir sollten eine humusbildende Landwirtschaft<br />

fördern. Die Gesellschaft muss die Subventionen<br />

umbauen. Die Flächensubvention –<br />

alle LandbesitzerInnen bekommen 300 Euro<br />

pauschal für jeden Hektar – ist unsinnig. Weil<br />

hier nicht gefördert wird, dass etwas getan<br />

wird. Sondern als Fördergrundlage reicht es,<br />

dass der Boden da ist. Es sollte gefördert werden,<br />

dass etwas Sinnvolles gemacht wird.<br />

Wie wecke ich Interesse am Thema<br />

Boden? Auf der Bildebene ist Boden ja<br />

nicht unbedingt catchy.<br />

Es beginnt schon bei der sprachlichen Problematik.<br />

Wir haben keinen anderen Begriff<br />

für das, wovon wir uns ernähren, als für das,<br />

wo wir etwas draufstellen: Dachboden. Boden.<br />

Fußboden. Wenn wir die Relevanz des Schutzes<br />

von Auenlandschaften vermitteln wollen,<br />

sprechen wir ja auch selten von Auwald und<br />

Wiesen. Sondern im Zentrum stehen meist<br />

die Tiere, die diese Lebensräume bewohnen.<br />

Und der Boden hat den Regenwurm. Und das<br />

macht in Mitteleuropa auch wirklich Sinn,<br />

hier als Symbol den Regenwurm zu nehmen.<br />

Man muss den Blick nach unten auf den Boden<br />

richten und es schaffen, das, was dort stattfindet,<br />

spannend darzustellen. Die Ausstellung<br />

des Senckenberg Museums für Naturkunde<br />

Görlitz ist hier zum Beispiel vorbildlich. Bei<br />

einem virtuellen Rundgang – mit VR-Brille auf<br />

Asselgröße/Regenwurmgröße geschrumpft –<br />

kann ich mich durch den Boden bewegen.<br />

Früher mussten die Leute weiterwandern,<br />

wenn der Boden ausgelaugt war. Heute glauben<br />

wir, wir können die Boden übernutzen<br />

und das regeln. Das ist ein Irrtum.<br />

Bild istock.com/christian dahlhaus


Addendum-Mitgliedern geht der<br />

Gesprächs- und Lesestoff nie aus.<br />

67 €<br />

Werden Sie Addendum-Mitglied, und Sie<br />

bekommen jede Ausgabe der Addendum-Zeitung frei Haus!<br />

Außerdem Bücher aus der Edition QVV und von Autoren<br />

der Addendum-Redaktion und Einladungen zu Blattkritiken<br />

und Diskussionen exklusiv für die Addendum-Mitglieder!<br />

Verwenden Sie den Rabattcode FRIEX4R und zahlen Sie 25 %<br />

weniger für die Mitgliedschaft (Originalpreis 89 Euro/ermäßigt 66,75 Euro)!<br />

(Eingabe des Rabattcodes am Ende des Bezahlprozesses)


Thomas Zelenka Bienenprodukte<br />

Imkerbox „Genuss“<br />

Besonderes von Bienen und Thomas Zelenka<br />

Die Imkerbox besteht aus den bekanntesten Bienenprodukten Honig, Propolis und Bienenwachs.<br />

Diese Auswahl an gesunden Produkten aus der Natur ist eine Freude für Leib und Seele. Machen Sie<br />

sich selbst oder jemand anderem eine Freude mit sorgsam hergestelltem Honig, Propolisdrops für Hals<br />

und Rachen, sowie einer fein duftenden Bienenwachskerze für stimmungsvolle Entspannung am Abend.<br />

Inhalt: 1 Glas Bio-Blütenhonig 240g, 1 Pkg. Propolisdrops 150g, 1 Stumpenkerze ø 7cm, h: 13 cm (Brenndauer<br />

ca. 17 Std.), Maße: 24,5 x 24,5 x 9,2 cm, Gewicht: 1,75 kg<br />

€ 37 00<br />

Entdecken Sie außergewöhnliche Geschenkideen unter


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

Unter uns<br />

23<br />

Bilder<br />

Christian Bruna<br />

Text<br />

Irina Zelewitz<br />

Die groSSe<br />

weiSSe Lücke<br />

Günther Aust weiß um die Vielfalt der<br />

österreichischen Böden wie kaum ein Zweiter.<br />

Und er hat ein Ziel: Bis zu seiner Pensionierung<br />

soll die digitale österreichische Bodenkarte<br />

vollständig sein.<br />

Wer Günther Aust eine E-Mail schickt,<br />

erfährt womöglich durch eine automatische<br />

Antwort, dass dieser »bis<br />

auf Weiteres im Außendienst« ist und<br />

die Nachricht auch »zu einem späteren Zeitpunkt<br />

nicht bearbeitet werden kann«. Und dass<br />

man einen Bodenkundler, dessen Mission die<br />

Sammlung von Bodendaten ist, bei halbwegs<br />

akzeptablem Sommerwetter nicht im Büro<br />

findet, sondern im wahrsten Sinne des Wortes<br />

»im Feld«.<br />

Die Dynamik eines Bodens<br />

Als Geländekundler wäre es ihm am liebsten,<br />

»alle würden den Boden in Ruhe lassen – und<br />

wenn bearbeiten, dann nur sehr extensiv«, gibt<br />

Aust zu und wirft einen kritischen Blick auf<br />

niederösterreichischen Boden. Aber es gebe<br />

eben auch wirtschaftliche Interessen: »Die<br />

meisten bewirtschaften Böden ja nicht als Hobby«,<br />

bringt Aust es auf den Punkt. Wird der<br />

Bodenkundler vom Bundesforschungs- und<br />

Ausbildungszentrum für Wald, Naturgefahren<br />

und Landschaft (bfw) plump gefragt, was<br />

das Faszinierendste am Objekt seiner Erforschungsleidenschaft<br />

ist, gerät er<br />

ins Schwärmen von der Vielfalt<br />

der Böden und lässt sich kaum<br />

mehr bremsen.<br />

Zwischendurch fällt ihm ein,<br />

dass der dunkle Oberboden, also<br />

das, was man beispielsweise sieht,<br />

wenn man auf ein unbestelltes Feld<br />

blickt, für die meisten Menschen<br />

immer sehr ähnlich aussieht – für<br />

ihn ist das aber eben anders. Er<br />

sieht schon aus der Ferne Farben,<br />

Vegetation und Höhenlagen und<br />

aus der Nähe Risse und Struktur<br />

und das befähigt ihn dann bereits<br />

zum educated guess.<br />

»Es ist – wie so oft im Leben –<br />

die gute Mischung, die man will«,<br />

sagt er und erklärt: Die Art eines<br />

Bodens wird durch das Verhältnis von Sand<br />

und Schluff und Ton bestimmt, die Rede ist<br />

dann auch oft von leichten (also stark sandhaltigen)<br />

und schweren (stark tonhaltigen)<br />

Böden. Diese Zusammensetzung bestimmt<br />

wiederum die Bodenstruktur mit.


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

unter uns<br />

24<br />

»Ich seh am Tag<br />

ungefähr 40 Böden.«<br />

– Günter Aust<br />

Die digitale Bodenkarte<br />

ist über bodenkarte.at<br />

abrufbar.<br />

Wenn Aust sagt, »Ich seh am Tag ungefähr<br />

40 Böden«, meint er damit, dass er bei der Bodenkartierung<br />

40 Mal am Tag den Bohrstock mit<br />

einem Hammer in einen Boden schlägt und wieder<br />

herauszieht. Dann kratzt er<br />

mit dem Taschenmesser eine<br />

Schicht Erde vom Bohrstock<br />

und betrachtet die Schichten,<br />

die die Bodenzusammensetzung<br />

Zentimeter für Zentimeter<br />

abbilden. In der Probe wird<br />

»die Dynamik eines Bodens« erkennbar, und<br />

zwar anhand der Farbe, der Flecken und der Risse,<br />

Textur und Struktur, die sie aufweist.<br />

Humus schützt vor Wind und Wetter<br />

Beides interessiert bisher vor allem LandwirtInnen.<br />

Nicht alle im angemessenen Ausmaß,<br />

merkt Aust an, gesteht aber ein: »Das Interesse<br />

der LandwirtInnen an ihrem Boden hat sich auf<br />

jeden Fall schon zum Besseren verändert, das<br />

ist von Region zu Region sehr unterschiedlich.<br />

Oft funktioniert es im Schneeballprinzip: Einer<br />

beginnt etwas Neues, es funktioniert, den Rest<br />

kennt man ja.« Wenn man die Zusammensetzung<br />

seines Bodens kennt, dessen Wasserhaltekapazitäten,<br />

dessen Bodenstruktur, dann weiß<br />

man auch, was in und auf ihm gedeiht, wie man<br />

seinen Boden pflegen sollte und was man dem<br />

Boden wann zumuten kann. Die größten Feinde<br />

des gesunden Bodens sind schweres Gerät,<br />

starker Einsatz von Düngern und Pestiziden<br />

sowie häufige und intensive Bodenbearbeitung.<br />

Denn all das verringert den Sauerstoffgehalt<br />

im Boden, das Bodenleben und führt zu Bodenverdichtung.<br />

Abhängig von ihrer Zusammensetzung<br />

(Stichwort Sand – Schluff –Ton) seien<br />

Böden unterschiedlich anfällig für Verdichtung,<br />

betont Aust, aber viel hänge eben davon ab, wie<br />

der Boden behandelt werde.<br />

Verdichtung bedeutet ab einem gewissen<br />

Grad einen humusarmen Boden und der ist<br />

nicht nur landwirtschaftlich wertlos, sondern<br />

auch von Erosion gefährdet. »Genauso wie<br />

auch Böden, die offen sind. Weil das ein unnatürlicher<br />

Zustand ist«, erklärt Aust.<br />

Bodenverlust findet allerdings gleichzeitig<br />

auch im ganz großen Ausmaß durch Versiegelung<br />

statt. In der Raumplanung beginne man<br />

erst, sich ernsthaft Gedanken darüber zu machen,<br />

wo erhaltenswerte Böden sind, und wo<br />

andere mit »niedrigerem Funktionserfüllungsgrad«,<br />

wie es der Fachmann nennt. Und der will<br />

vor allem, dass vermieden wird, besonders<br />

wertvolle Böden etwa durch Gewerbegebiete,<br />

die auch woanders errichtet werden könnten,<br />

zu versiegeln.<br />

Was den Bodenkundler außerdem schmerzt:<br />

dass der beste Ackerboden im Vergleich zum<br />

schlechtesten Bauland immer noch nichts<br />

»wert« ist. Ob das die richtige Anreizstruktur<br />

ist, um der schnell voranschreitenden Flächen-


Impressum: NEOS, Neustiftgasse 73-75, 1070 Wien<br />

WIR SCHAUEN AUFS<br />

GESELLSCHAFTS-,<br />

WIRTSCHAFTS-, UND<br />

BILDUNGS-<br />

KLIMA.<br />

HELMUT BRANDSTÄTTER<br />

BEATE MEINL-REISINGER


26<br />

»Mir ist es ein<br />

Anliegen, dass das<br />

Bodenbewusstsein steigt<br />

und die Leute, wenn sie<br />

Boden hören, nicht nur<br />

Fußboden verstehen.«<br />

versiegelung etwas entgegenzusetzen, stellt er<br />

infrage und deutet an, dass er die Möglichkeit,<br />

durch Umwidmung von Ackerland in Bauland,<br />

eine Veränderung »auf dem Papier« ohne eine<br />

des Bodens, massive Wertsteigerung zu erfahren,<br />

für ein grundlegendes Problem hält.<br />

Boden der Stunde null<br />

Und der Bodenverlust ist bekanntermaßen<br />

nicht zuletzt ein Problem für die Nahrungsmittelversorgung,<br />

vor allem der des Oberbodens,<br />

betont Aust.<br />

»Den kann man in manchen Fällen sogar mit<br />

einem Bagger von dort holen, wo es ihn hingeschwemmt<br />

hat, und wieder draufschütten,<br />

aber bei einem Rohboden, der auf Entwicklungsstunde<br />

null steht, dauert es Jahrzehnte,<br />

bis man wieder einen normalen Boden sieht.«<br />

Durch Gründüngung und andere Maßnahmen<br />

könne es schon nach 10–15 Jahren so weit<br />

sein. Vorausgesetzt, es tritt während dieser<br />

Zeit kein weiterer Starkregen ein, denn dadurch<br />

würde der Boden wieder weggetragen<br />

werden. Es ist ein Teufelskreis, dessen Einsetzen<br />

es möglichst viel entgegenzusetzen gelte<br />

– zum Beispiel Wissen – und auf Basis dessen<br />

dann Maßnahmen wie etwa Bodenbedeckung<br />

folgen müssten.<br />

Entscheidungsbasis<br />

Die Kartierung österreichischer Böden wurde<br />

ab den 1950er-Jahren im großen Stil betrieben.<br />

»Da sind 20 Kartierer gleichzeitig in Österreich<br />

herummarschiert und haben mindestens alle<br />

100 Meter mit ihrem Bohrstock eine Bodensondierung<br />

vorgenommen«, beschreibt Aust<br />

den Aufwand. Anfang der 2000er wurde dann<br />

damit begonnen, die Daten zu den österreichischen<br />

Böden zu digitalisieren. Seit 2006 ist die<br />

digitale Bodenkarte, liebevoll kurz eBod genannt,<br />

online, aber sie ist noch nicht vollständig.<br />

Wien-West und Klosterneuburg werden<br />

von seinem Kollegen Bock sehr bald fertiggestellt<br />

sein, erwartet Aust. Doch er erklärt<br />

zerknirscht: »Meine große weiße Lücke liegt<br />

im Bezirk Melk, im ehemaligen Gerichtsbezirk<br />

Mank. Das ist umso schlimmer, weil das<br />

ein landwirtschaftlich besonders interessantes<br />

und wichtiges Produktionsgebiet ist.« Die<br />

Daten seien großteils erfasst, aber es warte<br />

noch die redaktionelle Arbeit – etwa die Plausibilitätsprüfung<br />

der gesammelten Daten. Der<br />

größte Teil von Austs Arbeit ist dann zwischen<br />

Oktober und Mai also doch wieder Schreibtischarbeit.<br />

Mit Unterbrechungen arbeitet der<br />

Bodenkundler nun seit 18 Jahren an der Kartierung<br />

Österreichs, ursprünglich sein Hauptprojekt,<br />

aber wie es so geht: Laufend kämen andere<br />

Aufgaben hinzu.<br />

Doch Aust bleibt zuversichtlich: »Ich habe<br />

die Hoffnung, dass ich in drei Jahren eine engagierte<br />

Mitarbeiterin oder einen Mitarbeiter<br />

bekomme, damit ich mich vor den anderen Arbeiten<br />

verstecken und bis zu meiner Pensionierung<br />

mein Mank ins Internet bringen kann.<br />

Das ist mir wichtig, denn diese landwirtschaftliche<br />

Bodenkarte bietet eine so tolle Datenlage,<br />

dass es sehr schade wäre, wenn sie nicht weiter<br />

aktualisiert würde. Und die Zugriffszahlen<br />

bestätigen das Interesse. Es ist mir ein Anliegen,<br />

dass das Bodenbewusstsein steigt und die<br />

Leute, wenn sie Boden hören, nicht nur Fußboden<br />

verstehen.«


Bild Istock.com/LOREMIPSUM, Lorem ipsum


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

Bodenlos<br />

28<br />

Unter dem<br />

Schirm<br />

der Hyäne<br />

Äthiopischen Bauern mangelt<br />

es an Boden. Die Zucht von<br />

Austernpilzen könnte dabei helfen,<br />

ihr Einkommen flächenunabhängig<br />

zu vergrößern. Doch so einfach ist<br />

das leider nicht.<br />

Text<br />

Thomas Stollenwerk<br />

Anfang 2019 hat sich der 26-jährige äthiopische<br />

Bauer Bekele Gebissa auf den<br />

Weg in die Kleinstadt Gojo in der Region<br />

Jeldu gemacht. Die Hilfsorganisation<br />

Menschen für Menschen (MfM) hatte LandwirtInnen<br />

wie ihn eingeladen. Es ging um eine<br />

Möglichkeit, ihr Einkommen zu vergrößern.<br />

Seit einer umfassenden Landreform Mitte der<br />

1970er-Jahre stehen äthiopischen LandwirtInnen<br />

maximal zehn Hektar Land zur Nutzung<br />

zu. Seither haben sich die Parzellen durch Erbteilung<br />

vielfach noch einmal deutlich verkleinert.<br />

Wollen LandwirtInnen ihre Fläche erweitern,<br />

geht das nur, wenn sie die Flächen<br />

von Familienmitgliedern, die alt sind oder Arbeit<br />

außerhalb der Landwirtschaft gefunden<br />

haben, mitbewirtschaften.<br />

Wer das Einkommen erhöhen möchte, muss<br />

den begrenzten Boden effizienter nutzen. Bekele<br />

Gebissa setzt beim Anbau von Kartoffeln<br />

und Gerste deshalb auf Kunstdünger. Helfen<br />

könnten auch flächenunabhängige Kulturen<br />

und Anbaumethoden. Und genau darum ging<br />

es in Gojo. Professor Asefa Keneni von der Universität<br />

Ambo war ins Hochland gekommen,<br />

um die Bäuerinnen und Bauern mit der Zucht<br />

von Austernpilzen vertraut zu machen. Bekele<br />

und 28 weitere LandwirtInnen waren der<br />

Einladung zum Workshop gefolgt. Der Anbau<br />

von Austernpilzen ist in der Region kaum verbreitet.<br />

Dabei lassen sie sich auf unterschiedlichsten<br />

Substraten, zum Beispiel auf gehäckselten<br />

Zweigen, Stroh oder Gras, züchten. Voraussetzung<br />

ist, dass das Substrat durch langes<br />

Kochen pasteurisiert wurde, also von Keimen<br />

und anderen unerwünschten Pilzsporen befreit<br />

ist. Das haben die Bäuerinnen und Bauern im<br />

Workshop gemeinsam gemacht, in großen Fässern<br />

mit heißem Wasser.<br />

Die Anzucht der nötigen Pilzkulturen, z. B.<br />

auf Sorghum-Körnern, also das Anziehen der<br />

sogenannten Körnerbrut, ist da schon schwieriger<br />

und muss unter sterilen Bedingungen<br />

stattfinden. Diese Anzucht soll Professor Asefa<br />

Keneni zukünftig für die Bäuerinnen und<br />

Bauern übernehmen, um sie dann mit den angezüchteten<br />

Pilzkulturen zu beliefern. Bei den<br />

LandwirtInnen könnten dann die weitere Aufzucht<br />

und die Ernte der Pilze erfolgen. Das Interesse<br />

der Workshop-TeilnehmerInnen an der<br />

Pilzzucht ist groß. »Das scheint mir ein sehr<br />

einfaches Geschäft zu sein, das auch in kleinem


29<br />

»Das scheint mir ein sehr einfaches<br />

Geschäft zu sein, das auch in kleinem<br />

Maßstab funktioniert, es entstehen<br />

auch keine hohen Kosten.«<br />

– Bekele Gebissa<br />

Bilder Ricardo Hergott, Isotck.com/ pleshko74<br />

Maßstab funktioniert«, erklärt Bekele. »Es entstehen<br />

auch keine hohen Kosten. Denn Stroh<br />

als Substrat für die Pilze haben wir ja genug.«<br />

der kommende Boden?<br />

Ein halbes Jahr nach dem Workshop steht Professor<br />

Asefa Keneni in seinem Biologieinstitut<br />

in der Universität von Ambo und schwärmt<br />

von den Pilzen, die in Äthiopien auch Hyänenschirm<br />

genannt werden: »Austernpilze zuzubereiten<br />

ist sehr simpel. Man brät sie und fügt<br />

ein paar Kräuter hinzu. Man kann durch die<br />

Pilze auch in sehr klassischen Gerichten<br />

Fleisch ersetzen.«<br />

Die Attraktivität der Pilze spreche sich inzwischen<br />

herum. »Vor fünf Jahren, als wir hier begonnen<br />

haben, uns mit den Pilzen zu beschäftigen,<br />

war unser Interesse rein wissenschaftlich.<br />

Während der Arbeit kamen wir darauf, dass der<br />

organische Müll, der überall anfällt, verwertet<br />

werden kann, indem er zum Substrat für die Pilze<br />

wird.« Und so treten neben die kulinarischen<br />

Vorzüge die ökonomischen. Auch unter den Studierenden<br />

auf dem Campus der Uni Ambo hat<br />

sich das verbreitet. In einem kleinen Schuppen,<br />

der mitten auf einer Grünfläche zwischen<br />

den Institutsgebäuden steht, haben der Professor<br />

und seine Studierenden die Pilze schon auf<br />

unterschiedlichsten Substraten angebaut. »Am<br />

Anfang gab es dafür kein besonders großes Interesse.<br />

Inzwischen ist es so, dass jeder einzelne<br />

Pilz aus unserem Pilzhaus von den Studierenden<br />

eingesammelt wird. Denn inzwischen<br />

wissen alle, dass Pilze sehr gute und gesunde<br />

Nahrungsmittel sind. Neulich hat mir sogar jemand<br />

erzählt, dass sein Arzt ihm Pilze für das<br />

Verdauungssystem verschrieben hat.« Der Biologe<br />

sieht eine große Zukunft für die Sporengewächse:<br />

»In zehn Jahren werden wir in Äthiopien<br />

Pilze und ihre Bedeutung für die Lebensmittelversorgung<br />

genauso wertschätzen wie<br />

Kartoffeln, Zwiebeln oder andere Produkte unserer<br />

Landwirtschaft – wenn nicht sogar so sehr<br />

wie Kaffee.«<br />

Ganz ähnlich sieht das auch Tesfaye Disasa<br />

am nationalen Zentrum für Agrarforschung in<br />

Holeta, nahe der Hauptstadt Addis Abeba. Der<br />

Agrarwissenschaftler hat Zeit für ein ausführliches<br />

Gespräch, denn viel tun können er und<br />

seine KollegInnen gerade nicht. Der Strom ist<br />

mal wieder ausgefallen. Kühlungen, Zentrifugen,<br />

elektronische Mikroskope und andere Gerätschaften<br />

stehen still. Auf die Frage, ob er Po-<br />

Bauern aus der Provinz<br />

Jeldu machen sich in<br />

Workshops mit Austernpilzen<br />

vertraut. Bekele Gebissa<br />

(links) möchte bald in die<br />

Produktion einsteigen.


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

Bodenlos<br />

30<br />

Am Anfang gab es dafür kein<br />

besonders großes Interesse.<br />

Inzwischen ist es so, dass jeder<br />

einzelne Pilz aus unserem<br />

Pilzhaus von den Studierenden<br />

eingesammelt wird.«<br />

– Asefa Keneni<br />

Prof. Asefa Keneni soll die<br />

PilzzüchterInnen mit der Brut<br />

versorgen.<br />

Tesfaye Disasa erwartet<br />

einen Pilzboom in Äthiopien.<br />

tenzial in der Zucht von Pilzen sieht, beginnt er<br />

zu lachen. »Aber natürlich. Da gibt es gar keinen<br />

Zweifel. Alle an meinem Institut wären interessiert,<br />

sich stärker mit Pilzen zu beschäftigen.<br />

Bisher liegt unser Schwerpunkt allerdings bei<br />

Getreide.« Auch Disasa glaubt, dass der äthiopischen<br />

Landwirtschaft ein Pilzboom bevorsteht.<br />

Wenn so ein Boom in Äthiopien Fahrt aufnimmt,<br />

heißt das allerdings noch lange nicht, dass die<br />

Bäuerinnen und Bauern davon sofort profitieren.<br />

An den Universitäten von Addis Abeba und<br />

Dire Dawa sowie am Forstwissenschaftlichen<br />

Zentrum in Addis Abeba<br />

haben Woldemedhin Getachew,<br />

Seifu Zemedu und<br />

Wassie Eshete 2016 untersucht,<br />

wo die Wertschöpfung<br />

entlang äthiopischer<br />

Pilzlieferketten abfällt.<br />

Sie stellten fest, dass an<br />

den Lieferketten in aller<br />

Regel fünf verschiedene<br />

AkteurInnen beteiligt<br />

sind: PilzbrutzüchterInnen,<br />

ProduzentInnen, HändlerInnen, verarbeitende<br />

Betriebe und schließlich die Konsumierenden.<br />

Das Geschäft mit den Pilzen biete für<br />

Männer und Frauen unterschiedlichster Bildungsgrade<br />

gleichermaßen Betätigungsfelder.<br />

Die große Verfügbarkeit von Pilzbrut sowie der<br />

nötigen Substrate zum Anbau und das wachsende<br />

Bewusstsein für den Nährwert von Pilzen<br />

kämen dem Geschäft zwar entgegen, allerdings<br />

würden hohe Preise für Sporen und Substrate<br />

in Kombination mit dem beschränkten Marktzugang<br />

für viele ProduzentInnen das Geschäft<br />

auch erschweren.<br />

»Der Pilz- und Sporenmarkt konzentriert sich<br />

bei den PilzbrutzüchterInnen. Das beschädigt<br />

die Funktionalität des Markts. Dadurch werden<br />

viele PilzproduzentInnen ausgebeutet und entmutigt«,<br />

schreiben die StudienautorInnen. Der<br />

mangelnde Marktzugang der ProduzentInnen<br />

rührt auch daher, dass Pilze sich nur schwer lagern<br />

lassen. Ware, die wegen mangelnder Mobilität<br />

oder anderer Markteintrittshürden nicht<br />

schnell genug auf den Markt gelangt und verdirbt,<br />

wird deshalb entsorgt. Ein Verlustgeschäft<br />

für viele Bäuerinnen und Bauern. Wo<br />

Pilze angebaut, aber nicht vermarktet werden<br />

können, endet die Wertschöpfungskette. Die<br />

PilzbrutzüchterInnen sind dann die einzigen<br />

ProfiteurInnen des Pilzgeschäfts. Gleichzeitig,<br />

so stellten die WissenschaftlerInnen fest, seien<br />

es auch die PilzbrutzüchterInnen, die am stärksten<br />

in die Vermarktung der Pilze involviert seien.<br />

Die Kleinbäuerinnen und Kleinbauern, die Sporen<br />

und Substrate kaufen müssen, um Pilze zu<br />

produzieren, bleiben das schwächste Glied in<br />

der Wertschöpfungskette.<br />

Ein Start-up und hemmnisse<br />

Bekele Gebissa wartet dennoch darauf, endlich<br />

mit der Pilzproduktion beginnen zu können. Er


ist zuversichtlich und hat sich auch schon Gedanken<br />

zur Vermarktung von Pilzen in seinem Heimatort<br />

gemacht. Allerdings kann Professor Asefa Keneni<br />

die versprochene Pilzbrut zurzeit nicht liefern.<br />

Die notwendigen sterilen Bedingungen werden in<br />

seinem baufälligen Labor an der Universität Ambo<br />

einfach nicht erreicht. »Sein Labor ist infiziert. Das<br />

ist ein Problem«, erklärt auch Gebeyehu Seyoum,<br />

Projektleiter von MfM in der Region Jeldu, der sich<br />

deshalb nach alternativen Quellen für Pilzbrut umsieht,<br />

um die wartenden Bäuerinnen und Bauern<br />

endlich damit ausstatten zu können.<br />

Dabei ist er auch auf Kalkidan Sileshi in Addis<br />

Abeba gestoßen. Kalkidan ist eine derjenigen, die<br />

gleich an mehreren Stellen an der Pilzwertschöpfungskette<br />

beteiligt sind. Die junge Biologin züchtet<br />

in einem Labor Pilzkulturen. Die setzt sie 15 Tage<br />

lang in einer Dunkelkammer auf einem Substrat an,<br />

um sie dann päckchenweise an LandwirtInnen zu<br />

verkaufen. Die impfen damit das jeweilige Substrat<br />

und produzieren daraus mehrere Kilogramm Austernpilze.<br />

Nach der Ernte kauft Kalkidan Sileshi den<br />

Bäuerinnen und Bauern ihre Pilze ab, um sie mit<br />

Gewinn an Hotels und Restaurants in der Hauptstadt<br />

zu verkaufen. Nicht zuletzt die große chinesische<br />

Community in Addis Abeba schafft eine Nachfrage<br />

nach Pilzen. Die 29-jährige Wissenschaftlerin<br />

und Start-up-Gründerin ist Äthiopiens erste kommerzielle<br />

Pilzbrutzüchterin. Ermöglicht hat ihr das<br />

ein Kredit des Ethiopian Climate Innovation Center<br />

(ecic).<br />

Bäuerinnen und Bauern fehlt meist der direkte<br />

Zugang zu AbnehmerInnen in der Hauptstadt. Und<br />

auf ländlichen Märkten sind Pilze weitgehend unbekannt.<br />

So auch in der Region Jeldu, wo Bauer Be-<br />

Die großen<br />

Emil Trinkflaschen<br />

aus<br />

Glas. Für 0,6l<br />

und 0,75l<br />

Wasser, Tee,<br />

Schorle, Smoothie<br />

und jedes andere<br />

Lieblingsgetränk.<br />

Herstellersiegel<br />

DIE FLASCHE<br />

ZUM ANZIEHEN<br />

Bilder Ricardo Hergott<br />

Die junge Biologin Kalkidan Sileshi hat sich in Addis Abeba als<br />

Herstellerin von Pilzbrut selbstständig gemacht.<br />

Im Fachhandel und auf<br />

www.emil-die-flasche.de


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

Bodenlos<br />

32<br />

<strong>Biorama</strong>.eu/<br />

10-gruende-fuer<br />

-vertical-farming<br />

<strong>Biorama</strong>.eu/53<br />

kele zuhause ist. Dafür, dass Kalkidan und Bauern<br />

wie er, der endlich Pilze anbauen will, nicht<br />

zueinanderfinden, um das Geschäft ins Laufen<br />

zu bringen, gibt es einen einfachen Grund, wie<br />

Bekele erklärt: »Mir die Pilzbrut aus Addis<br />

Abeba zu besorgen ist eine gute Idee. Aber das<br />

kann ich mir einfach nicht leisten. Allein der<br />

Transport ist teuer. Aber sobald ich erst einmal<br />

begonnen habe, mit den Pilzen Geld zu verdienen,<br />

ist das natürlich eine Option.« Dass nötiges<br />

Startkapital fehlt, lähmt ambitionierte junge<br />

LandwirtInnen wie Bekele Gebissa.<br />

Gemeinsam als chance<br />

Fast fünftausend Kilometer nordwestlich der<br />

Kleinstadt Gojo haben Manuel Bornbaum und<br />

Florian Hofer den Schritt, den Bekele so gerne<br />

machen würde, schon 2015 unternommen.<br />

Sie haben sich unter dem Namen Hut & Stiel<br />

selbstständig gemacht und sind als Urban Farmer<br />

in Wien in die Produktion von Austernpilzen<br />

eingestiegen. Ihr Substrat ist nicht Stroh,<br />

wie bei den Bäuerinnen und Bauern in Jeldu,<br />

sondern Kaffeesatz aus Wiener Kaffeehäusern.<br />

Stromausfälle sind hier, anders als im Institut<br />

von Professor Asefa oder im Forschungszentrum<br />

von Tesfaye Disasa, selten. Und auch sonst<br />

herrschen hier beste Bedingungen für die Produktion.<br />

»Pilze wachsen auf landwirtschaftlichen<br />

Abfallprodukten, die es überall gibt. Und<br />

sie brauchen superwenig Platz. Man kann auf<br />

einem Quadratmeter Fläche pro Woche ein Kilogramm<br />

Pilze anbauen. Das ist ein wahnsinnig<br />

hoher Flächenertrag«, erklärt Bornbaum, »pro<br />

Hektar 500 Tonnen pro Jahr«.<br />

Und das bei einer hervorragenden Klimabilanz.<br />

Um erfolgreich Austernpilze zu kultivieren,<br />

sei allerdings eine gewisse Basisinfrastruktur<br />

notwendig. Zum Beispiel Maschinen, um<br />

das Substrat zu häckseln und durch Dampf zu<br />

pasteurisieren. Eines sei daneben jedoch entscheidend:<br />

»Das Wichtigste ist, dass man das<br />

Myzel, also die Pilzbrut, in einer guten und stabilen<br />

Qualität bekommt. Nur dann kann man<br />

stabile Erträge erzielen.« Die Stadtbauern von<br />

»Es würde Sinn machen,<br />

wenn die zentrale Stelle<br />

eine gemeinnützige ist,<br />

damit der Großteil der<br />

Gewinne bei den Bäuerinnen<br />

und Bauern bleibt.«<br />

– Manuel Bornbaum, Hut & Stiel<br />

Manuel Bornbaum (rechts) und<br />

Florian Hofer bauen seit 2015<br />

Austernpilze als Urban Farmer an.


BEWUSST<br />

MACHEN!<br />

Bilder KHP Hut & Stiel, Eléna Seitaridis<br />

Hut & Stiel beziehen ihre Pilzbrut von einem erfahrenen<br />

Unternehmen. Und doch geht die Zucht der<br />

Pilze immer wieder einmal daneben. Das gehört<br />

dazu, trotz all der gesammelten Erfahrungen und<br />

des mehrjährigen Know-hows.<br />

Für den Wissensaustausch unter Pilzzücht er-<br />

Innen sind die Gründer von Hut & Stiel dem europäischen<br />

Mushroom Learning Network (mln) beigetreten,<br />

das den Open-Source-Gedanken verfolgt,<br />

die freie und gemeinnützige Weitergabe von Pilzwissen.<br />

Gemeinnützigkeit empfiehlt Manuel Bornbaum<br />

auch den angehenden PilzproduzentInnen<br />

Äthiopiens: »Es wäre vermutlich sinnvoll, eine zentrale<br />

Stelle einzurichten, wo das Substrat produziert<br />

wird und die Inkubation des Substrats mit Pilzbrut<br />

stattfindet. Erst dann sollten die Pilze zu den LandwirtInnen<br />

gelangen, um bis zur Ernte zu wachsen.«<br />

Ansonsten drohe, dass die Bäuerinnen und Bauern<br />

am Ende kaum von den Pilzen profitieren: »Das ist<br />

bei den Pilzen leider wie überall in der Agrarwirtschaft.<br />

Es würde Sinn machen, wenn die zentrale<br />

Stelle eine gemeinnützige ist, damit der Großteil der<br />

Gewinne bei den Bäuerinnen und Bauern bleibt.«<br />

Das weiß auch die ngo Menschen für Menschen,<br />

die beim Bezug der Pilzbrut deshalb auf die Zusammenarbeit<br />

mit der Universität Ambo setzen möchte<br />

statt auf kommerzielle AnbieterInnen. Ohne deren<br />

Marktzugang könnte es jedoch schwierig werden,<br />

ein Pilzgeschäft zu etablieren. Doch Bekele Gebissa<br />

ist zuversichtlich: »Vor ein paar Jahren waren auch<br />

Kartoffeln hier in Jeldu nicht verbreitet. Als wir Kartoffelbäuerinnen<br />

und -bauern begonnen haben, sie<br />

zu vermarkten, haben wir die Dorfältesten eingeladen,<br />

um Werbung dafür zu machen. So werden wir<br />

es mit den Pilzen auch machen.« <br />

MIT DER<br />

GANZEN FAMILIE<br />

NACHHALTIG<br />

GENIESSEN.<br />

Ein bewusstes Leben beginnt bei der<br />

Ernährung: Darum bietet dm eine große<br />

Auswahl an nachhaltigen, ökologisch<br />

wertvollen Bio-Produkten – von der gesunden<br />

Schuljause bis zum ausgewogenen Büro-Snack.<br />

Gut für uns und die Umwelt!<br />

meindm.at


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

UNTER UNS<br />

34<br />

Der Wurm im Buch<br />

und das Buch im Wurm<br />

Das Pixi-Buch »Valentina und die Regenwürmer« erklärt,<br />

welchen Beitrag kleine Bodenbewohner zu einem<br />

gesunden Boden leisten. Beispielhaft sind nicht nur die<br />

Hauptfiguren des Buchs, sondern auch das Buch selbst:<br />

Es wurde nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip gedruckt.<br />

Text<br />

Alina Birkel<br />

Die Message, die vermittelt werden soll, ist<br />

klar: Regenwürmer machen den Boden<br />

besser. Sie graben Gänge, die die Erde belüften,<br />

düngen den Boden und ermöglichen<br />

es vielen an-deren kleinen Tieren, sich<br />

dort anzusiedeln. Das versucht das neue Pixi-Kinderbuch<br />

für die Zielgruppe 4–7 Jahre,<br />

das in Kooperation des Bioverbands Bio Austria<br />

mit der österreichi-schen Bioeigenmarke<br />

»Ja! Natürlich« der Einzelhandelskette Rewe<br />

erschienen ist.<br />

Bodenkunde für Kinder<br />

In »Valentina und die Regenwürmer« von den<br />

Autorinnen Corinna Fuchs und Dorothea Tust<br />

legen die SchülerInnen Valentina und Moritz<br />

ein Biobeet an. Valentina, die sich bereits gut<br />

mit Regenwürmern auskennt, erklärt Moritz,<br />

wie man ein Gemüsebeet gestalten muss, damit<br />

es einen guten Lebensraum für die Regenwürmer<br />

bietet – und warum es so wichtig ist,<br />

dass viele Regenwürmer und andere kleine<br />

Tiere im Boden leben.<br />

Die Rahmenhandlung des Buchs vermittelt,<br />

dass wir auf unsere Böden achten und sie gesund<br />

halten müssen. Zwischendurch wird in<br />

Form kurzer und leicht verständlicher Aufzäh-lungen<br />

Wissenswertes zu den Regenwürmern<br />

erzählt. Das Buch greift auch komplexere<br />

Konzepte – wie zum Beispiel die Fruchtfolge<br />

– auf und ist somit auch für so manche<br />

Eltern interessant.<br />

Kompostierbar durch das Cradle-to-<br />

Cradle-Prinzip<br />

Während das Pixi-Buch inhaltlich Wissenswertes<br />

zur Bodengesundheit vermittelt, ist es auch<br />

in seiner physischen Form ökologisch nachhaltig<br />

gestaltet. Gedruckt wurde es in der Druckerei<br />

Gugler, die nach dem Cradle-to-Cradle-Prinzip<br />

arbeitet. Das bedeutet, dass das Buch<br />

kompostierbar – und theoretisch sogar essbar –<br />

ist. Somit ist es auch für Kleinkinder, die Dinge<br />

gerne in den Mund nehmen, bestens geeignet.<br />

»Beim Cradle-to-Cradle-Prinzip geht es darum,<br />

dass die Inhaltsstoffe aus ökotoxikologischer<br />

Sicht positiv definiert und gesund für<br />

Mensch und Umwelt sein müssen. Außerdem<br />

muss das Produkt recyclingfähig sein«, erklärt<br />

Ernst Gugler.<br />

Der dritte Aspekt sei klimapositives Drucken:<br />

»Wir kompensieren in der Druckerei<br />

nicht nur die Emissionen, die wir selbst erzeugen,<br />

sondern auch jene, die in der Papierproduktion<br />

entstehen.«<br />

Das Pixi-Buch »Valentina und die Regenwürmer«<br />

von Corinna Fuchs und Dorothea Tust ist 2019 im<br />

Carlsen Verlag erschienen. Es ist an verschiedenen<br />

Stellen in und um Wien kostenlos erhältlich – gelistet<br />

sind diese auf bio-austria.at. Im Handel wird<br />

es allerdings nicht verkauft.


JA! ZUR NATUR<br />

HEISST NATÜRLICH<br />

Gut sein zum Boden heißt gut sein<br />

zu allem, was dort lebt.<br />

Dem Boden nicht mit Gewalt mehr<br />

abringen, als er bereit ist zu geben.<br />

Ihm zurückgeben, was er braucht, um<br />

immer wieder etwas Gutes hervorzubringen.<br />

Aber nur ja keinen Kunstdünger.<br />

Lieber Kompost samt Regenwürmern. Und<br />

ganz sicher keine chemisch -synthetischen<br />

Spritzmittel, wo es doch gegen jeden Schäd -<br />

ling einen Nützling gibt. Danke, sagt der Boden.<br />

Im Namen der Zukunft all seiner Bewohner.<br />

Aus unseren gesunden leben digen Bio Böden<br />

wird jetzt das frische Gemüse von<br />

Ja! Natürlich geerntet.<br />

Gut für uns.<br />

Und die Natur natürlich.<br />

janatuerlich.at<br />

#BioBoden<br />

Gibts nur bei:


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

Beruf und Berufung<br />

36<br />

Wie wird man<br />

eigentlich …<br />

... Biobäuerin auf der<br />

Mecklenburgischen Seenplatte<br />

Interview<br />

Thomas Stollenwerk<br />

Laura Thierbächer hat weder einen Hof geerbt<br />

noch in einen eingeheiratet. Sie leitet<br />

zusammen mit ihrem Mann einen Biobauernhof<br />

mit 250 Hektar Grünland und 100<br />

Hektar Acker und hält Mutterkühe sowie 100<br />

Milchkühe. Wie ist sie dorthin gelangt? Und<br />

welches Wissen möchte sie teilen?<br />

biorama: Wie würdest du deinen Beruf<br />

bezeichnen?<br />

Laura Thierbächer: Na ja, ich bin Bäuerin.<br />

Wir halten Milchkühe und Mutterkühe.<br />

Welche Ausbildung hast du gemacht, um<br />

diesen Beruf auszuüben?<br />

Ich habe im Vorfeld eine Ausbildung zur Tierwirtin<br />

gemacht, dann in Neubrandenburg Agrarwirtschaft<br />

studiert und mich während des<br />

Bachelorstudiums schon selbstständig gemacht.<br />

Nebenbei studiere ich aktuell noch in<br />

Teilzeit im Master.<br />

Ist dieser Ausbildungsweg heute der<br />

gängige Weg in die Landwirtschaft?<br />

Ich denke schon. Man kann natürlich auch<br />

nur eine landwirtschaftliche Fachschule<br />

besuchen. Da ist man dann vielleicht ein<br />

Stück näher an der Praxis. Meine Ausbildung<br />

im Vorfeld war sicherlich sinnvoll für die<br />

praktischen Erfahrungen. Die lernt man<br />

natürlich nicht im Studium.<br />

Bist du auch auf einem Bauernhof groß<br />

geworden?<br />

Nein, gar nicht. Meine Mutter ist Schneiderin<br />

und mein Vater ist Hafenlotse in Hamburg.<br />

Wie kam es zur Entscheidung, in die Landwirtschaft<br />

zu gehen?<br />

Eigentlich wollte ich Tiermedizin studieren.<br />

Das hat leider nach dem Abi nicht gleich geklappt<br />

und deshalb habe ich erst einmal die<br />

Ausbildung zur Tierwirtin begonnen. Mit Rindern<br />

arbeiten zu wollen, das stand für mich al-


»Man muss den Beruf<br />

wirklich mit viel Liebe<br />

und Leidenschaft ausüben.<br />

Sonst funktioniert<br />

das nicht.«<br />

– Laura Thierbächer<br />

lerdings schon immer fest. Wie ich darauf gekommen<br />

bin, weiß ich heute gar nicht mehr.<br />

Man hört aus der Milchwirtschaft immer, es<br />

werde für die Betriebe immer schwerer. Allein<br />

schon wegen des großen Investitionsbedarfs.<br />

Stimmt das?<br />

Das ist auf alle Fälle so. Die Wertschätzung, die<br />

man als Landwirtin erfährt, ist schon eher gering.<br />

Man hat enorm viele Ausgaben, man arbeitet rund<br />

um die Uhr an 365 Tagen im Jahr. Da bleibt wenig<br />

Zeit für die Familie, wir haben nämlich auch ein<br />

kleines Kind. Das ist schon traurig, was man dann<br />

am Ende verdient mit der geleisteten Arbeit.<br />

Du würdest den Beruf also eher nicht<br />

weiterempfehlen?<br />

Es kommt sehr darauf an. Man muss ihn wirklich<br />

mit viel Liebe und Leidenschaft ausüben. Sonst<br />

funktioniert das nicht.<br />

Welches Wissen aus deinem Beruf sollte<br />

auch außerhalb der Landwirtschaft verbreiteter<br />

sein?<br />

Viel Wissen, denn das ist eigentlich alles superinteressant,<br />

wenn man genauer hinsieht. Man macht<br />

sich ja im Normalfall kaum Gedanken darüber, wie<br />

es überhaupt dazu kommt, dass im Supermarkt<br />

dauerhaft so viele Lebensmittel stehen. Das wird<br />

als selbstverständlich wahrgenommen, in so einen<br />

Markt gehen und alles einpacken zu können. Aber<br />

wie die Waren hingekommen sind, das ist inzwischen<br />

für die meisten VerbraucherInnen gar kein<br />

Thema mehr. Und selbst unter uns Bäuerinnen und<br />

Bauern ist es ja so. Erst im Praktikum und während<br />

des Studiums bekommt man wirklich ein Bild davon,<br />

wie das alles funktioniert.<br />

DIE GROSSEN<br />

WILDTIERE KEHREN<br />

ZURÜCK NACH<br />

MITTELEUROPA.<br />

WAS BEDEUTET DAS FÜR<br />

MENSCH UND NATUR?<br />

MEHR DAZU IM<br />

– MAGAZIN FÜR NACHHALTIGEN LEBENSSTIL –<br />

KOSTENLOS, ABER ABONNIERBAR.<br />

Bild Privat<br />

Was in deinem Beruf sorgt dafür, dass du ihn<br />

mit Leidenschaft ausübst?<br />

Na auf jeden Fall die Arbeit mit Tieren. Das stand<br />

immer im Vordergrund. Und überhaupt: die Arbeit<br />

mit der Natur. Wir sind schließlich viel draußen<br />

unterwegs.<br />

6 AUSGABEN<br />

BIORAMA<br />

UM € 25,—<br />

biorama.eu/shop<br />

issuu.com/biorama


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

Beruf und Berufung<br />

38<br />

Wie wird man<br />

eigentlich …<br />

… Foodie, Bodenverkoster und<br />

Biorestauranttester?<br />

Bild<br />

Christian Bruna<br />

Interview<br />

Irina Zelewitz<br />

Jürgen Schmücking bei<br />

seinem »Mostviertler<br />

Feldversuch«: Der harte Teil<br />

der Vorbereitung für sein<br />

in der Erde geschmortes<br />

Biolamm ist hier gerade<br />

abgeschlossen.<br />

Jürgen Schmücking beschäftigt sich beruflich<br />

mit Lebensmitteln, deren Herkunft und<br />

Kulinarik. Im biorama und anderswo. Wie<br />

ist er dorthin gelangt? Und welches Wissen<br />

möchte er teilen?<br />

BIORAMA: Was machst du beruflich? Wie<br />

würdest du deinen Beruf in Stichworten<br />

beschreiben?<br />

Jürgen Schmücking: Kann ich nicht. Es ist simpel.<br />

Ich bin Unternehmer. Ich bin Journalist. Fotograf.<br />

Sensoriker. Und hier haben alle Tätigkeiten<br />

miteinander zu tun, einzeln übe ich keinen<br />

dieser Jobs aus.<br />

Es dreht sich bei mir immer alles ums Essen<br />

und Trinken und davon zu 90% um Bio.<br />

Ich beschäftige mich mit den Dingen, die uns<br />

ernähren. Und rundherum mach ich Kommunikation<br />

– erzähle Geschichten und mache Fotos.<br />

Aber nur die Geschichten derer, von denen<br />

ich überzeugt bin, dass sie die Welt mit dem,<br />

was sie tun, besser machen. Dazu gehört auch<br />

das Sensorische, deswegen habe ich das in meine<br />

Kommunikation integriert.<br />

Ist das nachhaltig?<br />

Ja, das empfinde ich so. Mit Einschränkungen.<br />

Ich bin nicht immer im Reinen mit den Möglichkeiten,<br />

die ich wähle, von A nach B zu kommen.<br />

Ich komme auf viele Flugmeilen. Ich habe<br />

aber ehrlich keine Lösung dafür – außer die<br />

Dinge gar nicht zu machen. Da ist ein Systemfehler,<br />

der mich beschäftigt.<br />

Welche Praxiserfahrung oder Ausbildung<br />

hat dich maßgeblich für deinen Beruf<br />

befähigt?<br />

Ich komme aus einem ganz anderen Bereich<br />

und als mich die Lust am Kosten in ihren<br />

Bann gezogen hat, war meine Ausbildung<br />

dünn. Mittlerweile habe ich mir alles Mögliche<br />

an Sensorikausbildungen reingezogen,<br />

2012 auch ein Gastrosophiestudium begonnen,<br />

unter anderem um meiner Arbeit einen<br />

politisch-nachhaltigen Hintergrund zu<br />

geben – und einen ernährungsphilosophischen.<br />

Ich habe mittlerweile zum Beispiel<br />

auch einen »Master in World Spirits«, also<br />

in Spirituosenverkostung.


»Wir brauchen über<br />

Nachhaltigkeit gar nicht<br />

nachdenken, solange<br />

wir uns nicht mit Böden<br />

beschäftigen.«<br />

– Jürgen Schmücking<br />

Wann hast du zum ersten Mal Geld damit<br />

verdient, etwas zu trinken oder zu essen?<br />

Im März oder April 1998. Da habe ich zum ersten<br />

Mal eine Weinverkostung moderiert, das<br />

war eigentlich ein Verkostungstraining für<br />

Bekannte.<br />

Im Internet gibt es Bilder von dir, auf denen<br />

du Erde verkostest. Schmeckt dir<br />

Erde?<br />

Nein, überhaupt nicht. Also nicht im Sinne von<br />

»Schmeckt mir gut, will ich mehr!«.<br />

Interessant ist aber der Versuch, herauszufinden,<br />

ob man Dinge, die man in der Erde<br />

schmeckt, auch in den korrespondierenden<br />

Produkten findet – also etwa im Wein.<br />

Das hat bei uns manchmal funktioniert, manchmal<br />

nicht. Forschung gibt’s dazu noch kaum.<br />

Was weißt du aus deinem Beruf über Böden,<br />

das viel mehr Menschen wissen sollten?<br />

Ich weiß gar nicht, wie ich das eindrücklich genug<br />

formulieren soll: Für Leute, die eine Ausbildung<br />

zum Bodenpraktiker machen (das sind<br />

in erster Linie LandwirtInnen), sind die Böden<br />

zentral. Wir brauchen über Nachhaltigkeit gar<br />

nicht nachdenken, solange wir uns nicht mit<br />

Böden beschäftigen.<br />

Die KonsumentInnen müssen gar nicht so<br />

viel wissen, aber sich bewusst sein, dass sensorisch<br />

wertvolle Lebensmittel nur auf gesundem<br />

Boden wachsen können. Und sobald ich<br />

mit Pestiziden wie Glyphosat versuche, des Unkrauts<br />

Herr zu werden, bewege ich mich davon<br />

zwangsläufig weg. Alle reden nur über bestimmte<br />

Aspekte von Terroir. Das sollte umfassender<br />

werden.<br />

Terroir wird bei manchen Landwirtschaftsprodukten<br />

ja als sehr entscheidend<br />

für die Qualität des Produkts aufgefasst,<br />

bei anderen weniger. Zu Recht?<br />

Nein, das liegt nur an Kultur und Geschichte.<br />

Terroir wird in der kommenden Zeit auch bei<br />

anderen Lebensmitteln viel stärker das Thema<br />

sein. Beim Wein und bei verschiedenen<br />

Fruchtsorten kennen wir es ja. Aber auch bei<br />

Getreiden, bei Erdäpfeln, bei Tomaten wird das<br />

kommen!<br />

Boden und Terroir sind nicht gleichzusetzen,<br />

Terroir ist etwas weiter gefasst. Da kommt sogar<br />

noch die Handschrift der ProduzentInnen<br />

rein, also auch etwas Handwerkliches. Terroir<br />

wird daher auch über kleinstrukturierte Landwirtschaft<br />

wieder stärker in den Fokus rücken.<br />

Interessiert dich, in welchem Boden deine<br />

Erdäpfel gewachsen sind?<br />

Ja. Das interessiert mich einerseits aus journalistischer<br />

Neugier. Wenn »Ja! Natürlich« Waldviertler<br />

Erdäpfel bewirbt, will ich wissen, mit<br />

wem die arbeiten. Und andererseits will ich<br />

wissen, wie sich die Biokartoffeln aus dem<br />

Waldviertel von denen, die bei mir zwei Kilometer<br />

weiter, hier in Tirol, produziert werden,<br />

unterscheiden. Und wo welche Erdäpfel angebaut<br />

werden, hängt ja stark vom Boden, vom<br />

Mikroklima und von der Philosophie und den<br />

Gestaltungsmöglichkeiten einer Landwirtin<br />

oder eines Landwirts ab.<br />

Was glauben deine Kinder, womit du deine<br />

Arbeitstage verbringst?<br />

Ich hab zwei. Der Ältere weiß es mittlerweile,<br />

aber vor ein paar Jahren hat er in der Schule,<br />

als nach dem Beruf der Eltern gefragt wurde,<br />

gesagt: »Mein Papa trinkt Wein.« Dann hat die<br />

Lehrerin gefragt: »Nur das?« Und er hat geantwortet:<br />

»Auch Schnaps.«<br />

Beim Kleineren, der ist 6, bedeutet Arbeit<br />

eher: ins Auto steigen und wegfahren.<br />

Ich bin 100–120 Tage im Jahr unterwegs,<br />

aber mein Büro habe ich zuhause, schräg gegenüber<br />

vom Kinderzimmer. Er stellt sich das<br />

wohl so vor: Nach dem Frühstück gehen wir<br />

beide in zwei verschiedene Zimmer spielen.<br />

Haben deine Kinder recht?<br />

Ja. Eigentlich schon. Ich verdiene das Geld<br />

halt nicht mit Essen und Trinken, sondern<br />

durch Essen und Trinken, aber es ist immer<br />

irgendwie Succus. Und es macht immer<br />

irgendwie Spaß. <br />

39


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

Kinderbuch<br />

40<br />

Der Tod gehört zum Leben<br />

Erwachsenen fällt es mitunter schwer, mit Kindern über den Tod zu sprechen.<br />

Einfühlsame Kinderbücher zeigen Möglichkeiten auf, mit ihm umzugehen.<br />

Text<br />

Irene Maria Gruber<br />

Wenn geliebte Menschen schwer krank<br />

sind oder plötzlich sterben, ein Haustier<br />

für immer verabschiedet werden<br />

muss oder die Hauskatze ein Mäuschen<br />

vertilgt, machen Kinder schmerzliche<br />

Erfahrungen, die Krisensituationen auslösen<br />

können. Kleinere Kinder haben begrenzte<br />

Vorstellungen und erwarten, dass der Tote<br />

wieder zurückkehrt. Erst mit etwa fünf Jahren<br />

wird die Endgültigkeit des Todes fassbar – vier<br />

Buchempfehlungen für dieses Alter. <br />

»Wo gehst<br />

du hin, Opa?«<br />

32 Seiten, Aracari Verlag<br />

»Der Tod auf<br />

dem Apfelbaum«<br />

36 Seiten, Aladin Verlag<br />

»Der Baum der<br />

Erinnerung«<br />

32 Seiten, Ars Edition<br />

»Der Wolf, die Ente<br />

& die Maus«<br />

40 Seiten, NordSüd Verlag<br />

»Der Baum<br />

der Erinnerung«<br />

(Ab 4 Jahren), von Britta Teckentrup handelt<br />

auch vom Tod eines Fuchses. Zu Beginn legt<br />

sich das Tier in den Schnee und schläft für immer<br />

ein. Die Waldtiere trauern um den Freund,<br />

wissen aber, dass er ein erfülltes Leben hatte.<br />

Um den Verlust zu bewältigen, erzählen sie<br />

sich Erlebnisse mit dem Fuchs. Dort, wo das<br />

Tier eingeschlafen<br />

ist, wächst<br />

plötzlich der<br />

Baum der Erinnerung,<br />

der<br />

vielen Tieren<br />

Schutz und ein<br />

Zuhause bietet.<br />

Leben im Bauch des Wolfes<br />

(Ab 5 Jahren), Raffiniert sinnieren Mac Barnett<br />

und Jon Klassen in »Der Wolf, die Ente & die<br />

Maus« über das Fressen und Gefressenwerden<br />

in der Tierwelt. Warum heult der Wolf eigentlich?<br />

Weil er manche Beute nur verschlingt,<br />

wird erklärt, und die macht es sich dann quicklebendig<br />

in seinem Bauch gemütlich. Diesmal<br />

eine Ente: »Als ich draußen war, hatte ich jeden<br />

Tag Angst, ein Wolf könnte mich verschlingen.<br />

Hier drin gibt es solche Sorgen nicht.« Ente und<br />

Maus feiern rauschende Partys, da wird ein Jäger<br />

auf den über Bauchschmerzen klagenden<br />

Wolf aufmerksam und möchte ihm den Gnadenschuss<br />

verpassen. Mit dem Tod des Tieres<br />

würden Ente und Maus ihr Zuhause verlieren,<br />

also blasen sie aus dem Maul zur Attacke – und<br />

sind am Ende erfolgreich.<br />

Bilder Klassen/Barnett, Endres/Schulze, Teckentrup, Schärer


4-<br />

e<br />

n und<br />

Kapazität<br />

läche<br />

schen<br />

25–34-<br />

Jährige<br />

35–54-<br />

Jährige<br />

55–64-<br />

Jährige<br />

Älter als<br />

65<br />

»Wo gehst du hin, Opa?«<br />

(Ab 4 Jahren), fragt Emmi im Bilderbuch von<br />

Brigitte Endres ihren schwer kranken Großvater.<br />

Er spricht Multimodal über gestaltete das Ungewisse, Verkehrsfläche das nach<br />

dem Tod Kapazität auf ihn pro Stunde: wartet. 30.100 Vielleicht Menschensieht er<br />

an dem Ort, 16.000 an dem er ankommt, 6.000 alle geliebten<br />

Menschen wieder, die schon tot sind, oder<br />

7.000 1.100<br />

die Reise geht in einen<br />

paradiesischen<br />

Garten. Möglicherweise<br />

blinkt<br />

Opa als Stern am<br />

Nachthimmel oder<br />

er wächst als Baum.<br />

Emmi fällt der Abschied<br />

schwer, aber<br />

sie lernt zu verstehen,<br />

dass ihr Opa<br />

von dieser Welt<br />

gehen muss.<br />

Quelle: VCÖ 2018 Grafik: VCÖ 2019<br />

212<br />

Quelle: nacto.org Grafik: VCÖ 2019<br />

51<br />

195<br />

Ihre Spende für eine Mob<br />

1.953<br />

3<br />

Viele mit dem Pkw zurückgelegte<br />

Wege sind in Radfahrdistanz<br />

Wegelängenverteilung der Autofahrten in Österreich<br />

7 % 19 % 40 % 61 % 80 %<br />

unter<br />

1 km 2,5 km 5 km 10 km 20 km<br />

Geh-<br />

Distanz<br />

gute Fahrrad-Distanz<br />

gute Distanz für E-Fahrrad<br />

kostenlos<br />

als Download<br />

oder in Print<br />

1 in Infrastruktur www.vcoe.at/aktiv für Radverkehr investiert bringt<br />

13 an wirtschaftlichem Nutzen<br />

Quelle: bmvit & BMLFUW 2015 Grafik: V<br />

Quelle: bmvit 2016 Grafik: VCÖ 2019<br />

Sanft entschlafen<br />

(Ab 4 Jahren), Kathrin Schärer erzählt in<br />

»Der Tod auf dem Apfelbaum«, von einem<br />

alten Fuchs, den selbst Hasen und Mäuse nicht<br />

mehr fürchten. Amseln fressen die Äpfel vom<br />

geliebten Apfelbaum, noch bevor er die abgefallenen<br />

bekommt. Um wieder freizukommen,<br />

verspricht ein mühselig gefangenes Wiesel, den<br />

ungestörten Apfelgenuss durch einen Zauber<br />

zu sichern: Jeder Apfeldieb solle von nun an am<br />

Baum kleben bleiben. Den Tod bittet der Fuchs<br />

um einen letzten Apfel, auch er bleibt am Baum<br />

kleben. Als die Freunde des Fuchses wegsterben,<br />

befreit der seinen Tod vom Baum. Er hat<br />

eingesehen, dass der Tod zum Leben gehört.<br />

mobilität mit zukunft<br />

2019-02<br />

Aktive Mobilität als Säule<br />

der Mobilitätswende<br />

Diese VCÖ-Publikation bietet viele interessante Grafiken,<br />

Daten und Fakten sowie zahlreiche internationale<br />

Beispiele zum Thema aktive Mobilität.<br />

Der VCÖ setzt sich seit mehr als 30 Jahren als<br />

gemeinnützige Organisation für eine umweltverträgliche<br />

und sozial faire Mobilität ein.<br />

VCÖ - Mobilität mit Zukunft<br />

www.vcoe.at<br />

2019_<strong>Biorama</strong>78x226.indd 1 23.07.2019 14:00:27


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

Der Tod im Leben<br />

42<br />

Text<br />

Annemarie Harant<br />

Dein Abschied<br />

von der Welt<br />

Ein Denkanstoß für den Umgang mit dem<br />

Tabuthema der eigenen Endlichkeit.<br />

Sterben und Tod sind ein Tabuthema und<br />

gerade in jungen Jahren haben wir anderes<br />

zu tun, als uns mit der eigenen Vergänglichkeit<br />

auseinanderzusetzen. Aber<br />

gerade wer bei den Eltern bereits einen Todesfall<br />

erlebt und einen Nachlass geregelt hat,<br />

denkt vielleicht darüber nach, das eigene Ableben<br />

für die zurückbleibenden Liebsten so<br />

geregelt wie möglich zu gestalten. Denn nach<br />

dem ersten Schock werden die Verbliebenen<br />

automatisch zu Sherlock Holmes auf der Suche<br />

nach Indizien für Dokumente, Passwörter<br />

oder Kontaktdaten. Zur Erleichterung dieser<br />

programmierten Überforderung und Detektivarbeit<br />

kann jede und jeder etwas tun.<br />

Ohne den Anspruch auf Vollständigkeit hier<br />

ein paar Beispiele und Denkanstöße für jede<br />

und jeden selbst bzw. vielleicht auch für ein<br />

Gespräch mit den Eltern. Denn irgendwann<br />

werden wir alle mit dem Thema Tod konfrontiert<br />

– die einen früher, die anderen später –<br />

und manchmal ist es auch das eigene Leben,<br />

das früher als erwartet auf dem Spiel steht.<br />

Ob wir wollen oder nicht und so hart es auch<br />

klingt: Ein Todesfall – und damit auch unserer<br />

– muss mit allen bürokratischen Hürden<br />

»abgewickelt« werden. Denn wie es so<br />

schön heißt: »Von der Wiege bis zur Bahre –<br />

Formulare, Formulare …«<br />

Notfalladressen und Kontaktdaten<br />

Der Klassiker im Geldbeutel: Wer ist im Notfall<br />

zu kontaktieren? Gerade wer viel reist oder<br />

allein im Ausland ist, sollte vorsorgen und für<br />

den Fall gerüstet sein. Vielleicht wirst du von<br />

irgendeinem Menschen, der nicht die eigene<br />

Sprache spricht, gefunden und deine Vertrauenspersonen<br />

müssen mit den Informationen,<br />

die du bei dir trägst, ausfindig gemacht werden.<br />

Überleg dir auch, wer aller überhaupt benachrichtigt<br />

werden sollte – auch aus der Vergangenheit<br />

(Stichwort: Bekannte oder ehemalige<br />

LoverInnen).<br />

Bilder istock.com/ojogabonitoo, istock.com/ bamlou, istock.com/ -VICTOR-, istock.com/ AVIcons


43<br />

Wichtige Dokumente,<br />

Passwörter und Kontakte<br />

Die Aufbewahrung der wichtigsten Dokumente<br />

(Geburtsurkunde, Scheidungsurteil etc.) und<br />

Passwörter ist ebenfalls ein Thema, das du mit<br />

deinen Vertrauenspersonen klären solltest, damit<br />

die Benachrichtigung aller wichtigen Stellen<br />

und Kontakte einfacher funktioniert.<br />

Tagebücher und Geheimnisse<br />

Falls jemand Geheimnisse hat, die er oder sie im<br />

wahrsten Sinne des Wortes mit ins Grab nehmen<br />

möchte, empfiehlt es sich, hier ebenfalls<br />

Spuren zu entfernen. Oder: Nehmen wir z. B.<br />

an, du hast eine geheime Affäre. Überleg dir:<br />

Wer würde dich bzw. sie oder ihn im Notfall informieren?<br />

Auch wenn es äußerst unangenehm<br />

ist: In vielen Familien poppt nach dem Tod eines<br />

Familienmitglieds so einiges auf.<br />

Der Organspendeausweis<br />

Möchtest du im Notfall deine Organe spenden<br />

und damit ein anderes Menschenleben retten?<br />

Für alle in Österreich erledigt diese Entscheidung<br />

der Gesetzgeber (es besteht nur die Möglichkeit,<br />

das explizit zu verneinen), in Deutschland<br />

muss ein eigener Organspendeausweis<br />

ausgefüllt und mitgeführt werden. Beachte<br />

hier: Gerade in Deutschland ist es nicht so einfach,<br />

einen Körper für die Organspende freizugeben.<br />

Die Regelungen sind klarerweise sehr<br />

streng und Voraussetzung ist u. a. der Hirntod,<br />

der im Vorfeld eintreten muss und z. B. bei Komapatienten<br />

nicht zwangsläufig erfolgt. Was du<br />

tun kannst: Schließe am besten eine Patientenverfügung<br />

und eine Vorsorgevollmacht ab. Somit<br />

kann entschieden werden, wer im Notfall<br />

– das bedeutet auch bei Entscheidungen über<br />

Leben und Tod – für dich verantwortlich ist.<br />

Sterben für die Medizin<br />

Willst du deinen Körper der Medizin spenden<br />

(in Deutschland z. B. der lmu München oder<br />

in Österreich der Medizinischen Universität<br />

Wien), dann musst du dafür sämtliche notwendigen<br />

Vorkehrungen zu deinen Lebzeiten treffen<br />

inklusive der Bezahlung der Kosten für das<br />

Begräbnis (ca. 1000 Euro), das dann z. B. auf<br />

dem Friedhof der Universität stattfindet.


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

Der Tod im Leben<br />

44<br />

Facebook & Co.: der digitale Nachlass<br />

Ja, auch der digitale Nachlass will in heutigen<br />

Zeiten geregelt werden und die Social-Media-Plattformen<br />

haben darauf bereits reagiert.<br />

Grundsätzlich ist es so, dass Facebook die Konten,<br />

sobald die Plattform von einem Todesfall<br />

erfährt, in den Gedenkzustand versetzt. Facebook<br />

argumentiert das übrigens damit, dass<br />

sich Freunde und Verwandte austauschen und<br />

Erinnerungen teilen können. Wenn du in deinem<br />

Facebook-Profil keine Einstellungen vornimmst,<br />

gehen die Rechte deines Accounts automatisch<br />

auf die Erben über (laut einer Entscheidung<br />

des deutschen Bundesgerichtshofes,<br />

die über die deutschen Grenzen hinaus als richtungsweisend<br />

angesehen wird). Wenn du das<br />

beides nicht möchtest und dein Profil sofort gelöscht<br />

haben willst bzw. auch nicht willst, dass<br />

die gesetzlichen Erben all dein digitales Leben<br />

entdecken, dann solltest du auch hier eine Vertrauensperson<br />

nominieren, den sogenannten<br />

Nachlasskontakt. Hinweis: Die Person muss<br />

eine Facebook-Bekanntschaft sein. Noch strenger<br />

ist für diesen Fall anscheinend Twitter, wo<br />

zur Kontosperre ein notariell beglaubigtes Dokument<br />

benötigt wird.<br />

Für deinen gesamten digitalen Fußabdruck,<br />

d. h. auch Onlinekonten, digitale Abos für Streamingdienste<br />

oder E-Mails, bestimme eine<br />

oder mehrere Vertrauenspersonen, die im Notfall<br />

Zugriff auf diese Infos haben. Überlege dir<br />

auch, was mit den Accounts und Daten insgesamt<br />

passieren soll. Alles, was du im Vorhinein<br />

schriftlich dokumentierst, hilft den Hinterbliebenen<br />

sehr, deinem Willen entsprechend<br />

zu handeln!<br />

Das Testament<br />

Schätzungen nach errichten in Deutschland<br />

und Österreich nur rund 20–30% der Bevölkerung<br />

ein Testament. Das ist aber – sofern alle<br />

Regeln eingehalten sind – die sicherste Variante,<br />

damit auch nach dem Tod manches einfacher<br />

wird und dem Wunsch der verstorbenen<br />

Person entsprochen werden kann.<br />

Die Bestattung planen<br />

Wer durch andere Todesfälle schon ein Bestattungsunternehmen<br />

des Vertrauens gefunden<br />

hat, kann dort selbst schon etwas vorsorgen,<br />

indem die eigenen gesammelten Wünsche<br />

in Sachen Beerdigung & Co. bereits zu<br />

Lebzeiten hinterlegt werden. Das reicht von<br />

der Musikauswahl bis zum gewünschten Blumenschmuck,<br />

den Einladungskarten und der<br />

Bestattungsart.<br />

Auch das Bestattungs-Business scheint sich<br />

weiterzuentwickeln, sodass ein Abschied von<br />

der Welt immer individueller gestaltet werden<br />

kann. Dem Thema ein paar Gedanken zu schenken<br />

schadet nicht.


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

Der Tod im Leben<br />

Grünere Bestattung–<br />

Was ist erlaubt?<br />

Text<br />

Iris Eichtinger<br />

Irina Zelewitz<br />

Nachhaltiger Lebensstil geht mittlerweile über den Tod hinaus. Das Angebot<br />

umweltfreundlicher Bestattungsverfahren steigt. Nicht alle sind hierzulande legal,<br />

doch der Abschied von der Welt lässt sich zunehmend individuell gestalten.<br />

45<br />

Bilder istock.com/lushik, istock.com/ bortonia, istock.com/ appleuzr, istock.com/ bubaone<br />

»Umweltfreundliche«<br />

Erdbestattung<br />

Eine Erdbestattung zieht einige negative<br />

Umwelteinflüsse mit sich: Durch Sarg und Körper<br />

können Schadstoffe in den Boden und sogar<br />

das Grundwasser gelangen, Transport und Fertigung<br />

des Sargs verursachen CO 2-Ausstoß und<br />

anorganische Sargbestandteile werden nicht<br />

abgebaut. Särge aus organischen Substanzen<br />

wie Bambus, Bananenblättern oder Ananasfasern<br />

sowie Griffe aus Holz statt Metall sollen<br />

umweltfreundliche Alternativen schaffen.<br />

Seebestattung<br />

Bei einer Seebestattung wird die Asche der<br />

oder des Verstorbenen klassischerweise auf See<br />

verstreut. Auch die Asche, die beim Verstreuen<br />

als Rest in der Urne bleibt, kann samt biologisch<br />

abbaubarer Urne dem Meer übergeben<br />

werden. Grundsätzlich legal ist das nicht nur in<br />

Nord- und Ostsee, sondern auch im Mittelmeer<br />

und in den sogenannten Weltmeeren – auch<br />

wenn man keinem Anrainerstaat angehört. In<br />

Deutschland, Österreich und der Schweiz sind<br />

außerdem sowohl Seebestattungen in Seen als<br />

auch Flussbestattungen erlaubt.<br />

Baumbestattung<br />

Der Bestattungswald ist unter anderem auch<br />

als Ruhewald, Friedwald und Ruheforst bekannt<br />

und sowohl in Deutschland, als auch in<br />

Österreich und der Schweiz ist ihre Einrichtung<br />

legal. Man kann sich den Wald, in dem<br />

man begraben sein möchte, allerdings kei-<br />

neswegs aussuchen – Die Umwandlung eines<br />

Waldstückes in einen Bestattungswald bedarf<br />

einer Genehmigung. Verlockend daran auch:<br />

Es gibt eine Art Grabstätte, doch die Grabpflege<br />

übernimmt die Natur. Wer durch sein Ableben<br />

auch gleich noch einen Beitrag zur Finanzierung<br />

eines Schutzgebietes leisten möchte,<br />

wird unter anderem hier zur Ruhe kommen:<br />

ruheforst-huemmel.de<br />

Promession<br />

Eingefroren statt eingeäschert: Bei der alternativen<br />

Bestattungsform »Promession« wird die<br />

oder der Verstorbene durch flüssigen Stickstoff<br />

bei einer Temperatur von -196 Grad Celcius<br />

schockgefroren. Durch diesen Vorgang zerfällt<br />

der Körper schnell zu einer pulvrigen Substanz,<br />

aus der Wasser und Schadstoff wie Quecksilber<br />

oder Amalgam herausgefiltert werden können.<br />

Die Überreste sind nun umweltverträglich und<br />

können innerhalb eines Jahres biologisch völlig<br />

abgebaut werden. In Schweden ist diese Art der<br />

Bestattung im Gegensatz zu Deutschland und<br />

Österreich bereits zugelassen.<br />

Resomation oder<br />

alkalische Hydrolyse<br />

Bei der »Resomation« oder auch »alkalischen<br />

Hydrolyse« wird der Körper der oder des Verstorbenen<br />

durch rund 150 Grad Celsius heiße<br />

Kalilauge zersetzt. Knochenreste, die bei<br />

diesem Vorgang übrigbleiben, können im Anschluss<br />

zu »Asche« pulverisiert werden. Schadstoffe<br />

können ebenfalls leicht aussortiert werden.<br />

Auch diese Variante gilt als äußerst umweltschonende,<br />

sie ist allerdings nur in Kanada,<br />

Großbritannien und den usa erlaubt.


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

upcycling-Design<br />

46<br />

Illustrationen<br />

Angela Karpouzi<br />

AnfängerInnenfragen<br />

Irina Zelewitz<br />

Schnittmuster Modell Leo<br />

CC by NC – dieses Schnittmuster<br />

darf bei Namensnennung<br />

»milch.tm« für nicht-kommerzielle<br />

Zwecke weiterverbreitet werden.<br />

Hosentaschen-<br />

Design<br />

Altes Hemd + alte Hose = neue Tasche.<br />

Eine Schritt-für-Schritt-Anleitung<br />

für AnfängerInnen.<br />

Cloed Priscilla Baumgartner hat mit Ihrem<br />

Label »Milch« über zehn Jahre lang vor<br />

allem Etuikleider aus alten Herrenhosen<br />

hergestellt. Nun bietet sie in ihrem Onlineshop<br />

statt der Mode die Nähanleitungen<br />

für die alten und auch ein paar neue Designs<br />

an. biorama hat sie um die begleitende Erklärung<br />

zu einem der Schnittmuster gebeten und<br />

eine Anleitung zum Nähen einer Tasche aus einer<br />

Herrenanzughose und einem Herrenhemd<br />

bekommen.<br />

1. Schnittvorlage<br />

Hosentasche<br />

14 cm<br />

22 cm<br />

29 cm<br />

Masse auf ein<br />

grosses papier<br />

übertragen<br />

Henkel<br />

(NZ=Nahtzugabe)<br />

42 cm<br />

Cloed Priscilla<br />

Baumgartner<br />

versteht sich als Innovationsmanagerin.<br />

Seit<br />

1998 betreibt sie das<br />

Upcycling-Modelabel<br />

»Milch«.<br />

(Bild: Apollonia<br />

Theresa Bitzan)<br />

Die Grundvoraussetzungen<br />

Als Ausgangsmaterial braucht man eine<br />

Herrenanzughose und ein Herrenhemd.<br />

Wie bei allen Designs von Cloed gilt:<br />

Wenn statt der Herrenkleidung Damenoder<br />

Kinderkleidung verwendet werden,<br />

kann es sein, das man stückeln muss, damit<br />

man die nötige Menge Stoff zusammenbekommt.<br />

Zum Nähen reicht eine<br />

einfache Nähmaschine. <br />

Tasche<br />

42 cm<br />

42 cm


2. Schnitte Auflegen und Zuschneiden<br />

47<br />

3. Nähen<br />

" "<br />

Innennaht<br />

auftrennen<br />

2 × futter<br />

zuschneiden<br />

Hintere mittlere<br />

naht auftrennen<br />

" "<br />

1 × Hosentasche, 2 × Tasche<br />

4 × Henkel zuschneiden<br />

BIORAMA: Welche Nähskills brauche ich für<br />

die verschiedenen Modelle? Die Kleider<br />

sind vermutlich etwas anspruchsvoller als<br />

beispielsweise die Taschen?<br />

Cloed Priscilla Baumgartner: Damit man die<br />

Nähanleitungen umsetzen kann, muss man nur<br />

eine gerade Naht und einen Saumabschluss<br />

nähen können. Alle sind gleich einfach. Das ist<br />

auch das Feedback, das wir bei den Workshops<br />

bekommen.<br />

Was braucht man für die Schnittvorlagen?<br />

Irgendein Papier, das man auf die Schnitte überträgt,<br />

sprich aufmalt. Zeitungspapier geht super,<br />

aber man kann auch A4-Zettel zusammenkleben.<br />

Insgesamt sind es dann 7 Schnittvorlagen:<br />

4 Mal den Henkel, 1 Mal die Hosentasche und 2<br />

Mal die Tasche – für die Außenseite der Tasche<br />

und für das Futter.<br />

Wie wird aus Hemd und Hose eine Stoffbahn?<br />

Die Hose bereitet man vor, indem man die Innennähte<br />

und die Gesäßnaht auftrennt.<br />

Das Hemd soll zugeknöpft sein. Dann legt<br />

man die Schnittvorlagen wie abgebildet auf. Aus<br />

dem Hemd wird das Futter und aus der Hose der<br />

Rest der Tasche geschnitten.<br />

Jetzt beginnt das Nähen?<br />

Ja, aus den vier großen Stoffteilen näht man<br />

zwei große Beutel: Die beiden Teile aus dem<br />

Hemd zu einer – und die aus der Hose zu einer<br />

zweiten. Beide näht man rechts auf rechts an<br />

drei Seiten zu.<br />

Tasche<br />

Hosenstoff rechts<br />

auf rechts<br />

Hemdstoff rechts<br />

auf rechts


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

upcycling-Design<br />

48<br />

Ecke<br />

Was heißt rechts auf rechts?<br />

Das heißt schön auf schön – also die Außenseiten<br />

des Stoffs aneinander.<br />

7 cm<br />

Hosentasche<br />

Wozu näht man anschließend die<br />

Ecken ab?<br />

Man legt beide Taschen dann wie abgebildet<br />

hin und näht quer über die Ecken, weil dadurch<br />

ein 3D-Effekt entsteht.<br />

Ecken unten links und<br />

REchts bei Hemd und Hose<br />

abnähen<br />

Aussentasche seitlich<br />

auf den Hosenstoff<br />

aussen annähen<br />

Aus zwei Henkelstoffteilen wird<br />

dann einer?<br />

Zuerst werden je zwei Henkelbestandteile zu<br />

einem langen zusammengenäht, um anschließend<br />

jeweils zwei – rechts auf rechts – an den<br />

Längsrändern zu einem Schlauch zusammenzunähen.<br />

Die Enden werden offen gelassen, damit<br />

man den Schlauch umstülpen kann.<br />

Henkel<br />

Wie wird der Beutel aus dem Hemdstoff in<br />

den Hosenstoff gepasst?<br />

Der Hosenbeutel wird umgedreht, damit die<br />

schöne Seite außen ist – und der Beutel aus dem<br />

Hemdstoff wird so, wie er ist, hineingesteckt.<br />

Nun zu den Henkeln: Wie müssen die<br />

eingenäht werden?<br />

Jetzt werden die Henkelenden zwischen die Innen-<br />

und die Außentasche gesteckt und mit mit<br />

zwei Stecknadeln fixiert. Dann wird ein Mal<br />

an der oberen Kante der jetzt schon erkennbaren<br />

Tasche rundherum genäht. Die Knöpfe<br />

können nun geöffnet und die Tasche kann<br />

umgedreht werden.<br />

Jeweils 2 Streifen<br />

in der Mitte<br />

zusammennähen<br />

rechts<br />

auf rechts<br />

zusammennähen<br />

Henkel<br />

umstülpen<br />

Hemd- und Hosenstoff rechts auf rechts ineinanderstülpen


49<br />

Wie lang brauchen Laien, um eine Tasche<br />

fertigzustellen, wenn es ihre erste ist?<br />

Eine Stunde. Ab der zweiten geht es in<br />

einer halben.<br />

Henkel seitlich links und<br />

rechts kopfüber zwischen<br />

Hemd und Hose fixieren.<br />

Einmal an der Oberkante<br />

ganz ringsum nähen.<br />

Hemdknöpfe Öffnen und<br />

die Tasche Umdrehen,<br />

FERTIG!<br />

Warum stellst du manche Anleitungen offen<br />

zugänglich online?<br />

Das Rohmaterial ist ja in vielen Haushalten vorhanden<br />

und ich möchte dazu inspirieren, etwas<br />

draus zu machen. Wenn man zwei, drei solche<br />

Schnitte ausprobiert hat, kommt man ohnehin<br />

schnell selbst auf Ideen.<br />

Dein Label hat ab 2006 in erster Linie Kleider<br />

aus den Herrenhosen verkauft. Warum<br />

hörst du damit jetzt auf – du hast dein Geschäftsmodell<br />

verändert?<br />

Ich verkaufe jetzt nur mehr Know-how, also die<br />

Schnitte zum Selbermachen. Ich habe als Jugendliche<br />

ohne besondere Ahnung aus allem,<br />

was ich gefunden habe, Kleidung genäht – aus<br />

Bettwäsche und Tischtüchern.<br />

Ich mag einerseits den Gedanken des Upcyclings,<br />

das nach gutem Design aussieht. Und andererseits<br />

auch den Ansatz der Frugal Innovation –<br />

mit dem zu arbeiten, was da ist.


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

VEGAN FASHION<br />

50<br />

Gürtel ohne Tier<br />

Pflanzen im und um den Bauch: Vegane Gürtel, ganz ohne neues Plastik.<br />

Genauso wie der Rest unserer konventionell produzierten<br />

Kleidung werden Gürtel meist in Billiglohnländern<br />

hergestellt. Egal ob aus Kunst- oder tierischem<br />

Leder, bei der Produktion des Rohmaterials<br />

für Gürtel fallen giftige Chemikalien an, die oft in die<br />

Umwelt geleitet werden. Im Fall von Kunstleder handelt es<br />

sich meist um Polyurethan (pu), das zwar in der Produktion<br />

einen hohen CO 2 -Ausstoß verzeichnet, allerdings für<br />

weniger Toxine in der Umwelt verantwortlich ist als sein<br />

Bruder Polyvinylchlorid (pvc). Oft verstecken sich diese<br />

Materialien hinter den Begriffen »Mikrofaser« oder »Vegetan«.<br />

Durch die Omnipräsenz von pu- oder pvc-Gürteln<br />

ist es nicht schwierig, Gürtel ohne tierische Produkte zu<br />

finden, doch Gürtel aus nachhaltigeren Materialien sind<br />

ein verhältnismäßig rares Gut. Sie bestehen beispielsweise<br />

aus Kork, Piñatex (dem sogenannten Ananasleder) oder<br />

upgecycelten Materialien.<br />

Kork ist schon länger als robustes, natürliches Material<br />

für tierfreundliche Schuhe, Gürtel, Taschen oder sogar Jacken<br />

bekannt. Es ist wasserabweisend und ähnelt optisch<br />

1<br />

3<br />

Bleed-Herrengürtel: Der Herrengürtel des deutschen<br />

Fairtrade- und Eco-Labels bleed besteht aus Kork,<br />

Biobaumwolle und Altpapier. Hergestellt wurde er in<br />

Portugal. <br />

bleed.com<br />

<br />

2<br />

Cycled: Cycled, ein Unternehmen aus Venedig, schenkt<br />

Fahrradreifen ein zweites Leben. Aufgrund des Ausgangsstoffes<br />

ist jeder Gürtel ein Unikat. cycledproject.com<br />

4<br />

Anja Lauermann: Der Taillengürtel des Eco-Labels<br />

Anja Lauermann besteht aus Ananasleder und biologisch<br />

abbaubarem Biokunststoff. anjalauermann.com<br />

Gary Mash: Noch ein Taillengürtel aus dünnem Kork,<br />

der durch das Gummiband auf der Rückseite Spielraum<br />

bei der Größe bietet. Das Label Gary Mash ist zudem fairtrade-<br />

und gots-zertifiziert. <br />

garymash.com


Text<br />

Anika Suck<br />

echtem Leder. Piñatex ist noch neu auf dem Gürtelmarkt,<br />

SchuhherstellerInnen hat es mit seiner Strapazierfähigkeit<br />

und dem umweltschonenden Anbau des Rohmaterials<br />

schon überzeugt. Verwendet werden nämlich die Blätter<br />

von Ananasstauden, die ansonsten entsorgt werden.<br />

Oder es wird weiterverwendet, was bereits vorhanden<br />

ist – und zum Glück eignet sich die Form des Gürtels<br />

wunderbar für das Upcycling verschiedenster Materialien,<br />

beispielsweise Fahrradreifen. Nachdem sie<br />

zum Ende ihres Lebenszyklus gerädert wurden, sollten<br />

sie – aufgrund ihrer komplexen Zusammensetzung<br />

– nicht im Kunststoffrecycling landen. Verschiedene<br />

HerstellerInnen machen deshalb aus ihnen einzigartige<br />

Gürtel. Ähnlich verfahren Labels auch mit ausgedienten<br />

Sicherheitsgurten.<br />

5<br />

SKFK: Der Gürtel im Karategurt-Design besteht aus<br />

Viskose und Lyocell. Den Rohstoff für das verwendete<br />

Lyocell beziehen skfk aus nachhaltigen Eukalyptuswäldern,<br />

die Baumwolle ist fairtradezertifiziert.<br />

<br />

skfk-ethical-fashion.com<br />

6<br />

WIR ÜBERNEHMEN VERANTWORTUNG<br />

FÜR MENSCH, TIER UND UMWELT<br />

Wir lieben Mode. Zweimal jährlich entstehen<br />

im Kölner Atelier neue LANIUS Kollektionen<br />

durch die Kreativität unseres Designteams.<br />

Feminin, individuell und mit viel Liebe zum<br />

Detail entworfen – und das seit 1999. Vieles<br />

hat sich seitdem entwickelt, eines ist bis heute<br />

geblieben: das gute Gefühl – auf der Haut und<br />

gut fürs Gewissen.<br />

Marron Rouge: Das französische Label Marron<br />

Rouge upcycelt aus alten Sicherheitsgurten sowie<br />

Fahrradreifen – und produziert in Kooperation mit<br />

indischen ngos.<br />

marronrouge.com<br />

WWW.LANIUS.COM


<strong>Biorama</strong> XX <strong>62</strong><br />

GroSSes Erlend Lorem kino ipsum<br />

52<br />

Grüner<br />

Drehen<br />

Bild The Light Bridge GmbH


53<br />

Text<br />

Franziska Bechtold<br />

Die Green-Producing-Bewegung setzt sich für mehr<br />

Nachhaltigkeit in der Filmbranche ein – und kommt<br />

gemächlich, aber stetig voran.<br />

Es ist sechs Uhr. Die FahrerInnen holen RegisseurIn<br />

und SchaupielerInnen mit Vans<br />

von ihren Hotels ab. Es wird in den Bergen<br />

gedreht, also gibt es keinen Strom. Der<br />

kommt aus einem Dieselaggregat, das 13 Stunden<br />

läuft und die Scheinwerfer am Laufen<br />

hält. Egal wie stark die Sonne scheint, es wird<br />

nichts dem Zufall überlassen – vor allem nicht<br />

das Licht. Nach dem Mittagessen haben sich<br />

bereits fünf große Müllsäcke voller Plastikgeschirr<br />

und halb ausgetrunkener Wasserflaschen<br />

angesammelt, der Drehtag dauert noch<br />

weitere sechs Stunden. Am Ende wird sich der<br />

Abfall mindestens verdoppelt haben, das Dieselaggregat<br />

wird gut 50 Liter verbraucht haben.<br />

So könnte der Alltag einer Spielfilmproduktion<br />

in Österreich aussehen. Unabhängig von Budget<br />

und Projektdimension wiederholen sich die<br />

Probleme: Alle brauchen Strom, Verpflegung<br />

und müssen irgendwie ans Set kommen. In einer<br />

Branche, die permanent mit Zeitdruck und<br />

Geldmangel kämpft, ist Umweltschutz nur ein<br />

weiteres Hindernis. Auch werden häufig die<br />

kreativen Entscheidungen den nachhaltigen<br />

vorgezogen. So planierte man bei den Dreharbeiten<br />

zu Danny Boyles The Beach (2000) den<br />

Strand, weil er nicht groß genug war, pflanzte<br />

nicht heimische Palmen und fügte so dem<br />

Ökosystem der Insel großen Schaden zu. Für<br />

Apocalypse Now zündete Regisseur Francis<br />

Ford Coppola mehrere Hektar Palmenwald auf<br />

den Philippinen mit über 300 Litern Benzin an.<br />

Sein Kommentar, »in den usa würde man das<br />

nicht erlauben; die UmweltschützerInnen würden<br />

einen umbringen«, spricht Bände. Das sind<br />

nur zwei von vielen Beispielen.<br />

Technik vs. Aufwand<br />

Reisen, häufig mit Auto und Flugzeug, sowie<br />

die Produktionstechnik sind die zentralen<br />

Faktoren, wieso Dreharbeiten der Umwelt<br />

schaden. Die LichtmeisterInnen bräuchten<br />

eigentlich keine Schonfrist mehr, denn rein<br />

technisch kann hier viel Strom gespart werden.<br />

FilmemacherInnen experimentieren gerne<br />

mit reinem Tageslicht, wie bei The Revenant<br />

(Alejandro González Iñárritu, 2016). Hier wird<br />

ausschließlich mit Reflektoren gearbeitet, um<br />

das vorhandene Sonnenlicht zu verstärken. Der<br />

österreichische Kameramann Christian Berger<br />

entwickelte für solche Zwecke das Cine Reflect<br />

Lighting System. Die Reflektoren geben natürliches<br />

Licht mit sehr geringem Verlust wieder<br />

und leuchten so ganze Sets aus. led-Scheinwerfer<br />

sind ebenfalls eine gute Wahl: Sie geben<br />

weniger Wärme ab, sind dafür aber deutlich<br />

heller und sparen 70 bis 90 Prozent Strom<br />

ein. Energie braucht man also trotzdem, wenn<br />

man den ganzen Tag, wie im Eingangsbeispiel,<br />

auf einem Berg steht und keine Steckdose erreichbar<br />

ist. Da könnte natürlich, anstatt zum<br />

Dieselaggregat, zu einem Hybriden gegriffen<br />

werden, der Teile des Stroms aus Solarenergie<br />

erzeugt, oder zumindest zu alternativen Kraftstoffen<br />

– aber das ist aufwendig. In städtischer<br />

Umgebung stehen fast immer Starkstromanschlüsse<br />

zur Verfügung, die jedoch nicht garantiert<br />

Ökostrom liefern.<br />

Daten braucht die Branche<br />

Leider macht sich kaum jemand die Mühe, aktuelle<br />

Daten zur Nachhaltigkeit in der Filmbranche<br />

zu erheben, für Österreich liegen keine<br />

Zahlen vor. Die relevanten Komponenten<br />

am Filmset sind zahlreich und schwer messbar<br />

– und (noch) fehlt es an Interesse, die Auswirkungen<br />

auf die Umwelt sichtbar zu machen.<br />

Die britische bbc ermittelte in ihrem Jahresbericht<br />

2018 einen CO 2-Ausstoß von 13,4 Tonnen<br />

pro Stunde Ausstrahlungszeit. 2011 waren


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

GroSSes kino<br />

54<br />

Stromfressende Technik<br />

nachhaltiger zu betreiben ist<br />

eine große Herausforderung<br />

für ProduzentInnen.<br />

es noch 8,2 Tonnen. Das Kollektiv Ecoprod aus<br />

Frankreich schätzt den Gesamtausstoß bei einer<br />

TV-Serie auf insgesamt 200, bei einem<br />

Spielfilm mit mehreren Locations auf 1000<br />

Tonnen CO 2. 2018 analysierte die Studentin<br />

Melanie Stoff (FH St. Pölten) im Rahmen ihrer<br />

Diplomarbeit unter anderem den Energieverbrauch<br />

durch Fahrzeugnutzung, Unterkünfte<br />

und Catering von vier österreichischen<br />

Spielfilmproduktionen und kam auf einen Verbrauch<br />

von 90 Tonnen CO 2 pro gesamte Filmproduktion.<br />

Eine Studie aus dem Jahr 2006 der<br />

ucla (University of California, Los Angeles, Institute<br />

of the Environment) ermittelte zudem,<br />

dass die Filmindustrie in L.A. nach den Ölraffinerien<br />

zweitstärkster Luftverschmutzer war.<br />

Solche schwankenden Daten zeigen, wie<br />

schwer Filmproduktionen in ihrer Gänze einschätzbar<br />

sind. Nicht nur der Setalltag fällt ins<br />

Gewicht, sondern auch die Umstände der Vorund<br />

Nacharbeit im Büro. In Österreich gibt es<br />

seit Anfang 2017 ein Umweltzeichen für Green<br />

Producing, das vom Bundesministerium für<br />

Nachhaltigkeit und Tourismus (bmnt) gemeinsam<br />

mit Filmschaffenden und UmweltexpertInnen<br />

entwickelt wurde. Firmen und ihre Produktionen<br />

müssen sich den Kriterien gleichermaßen<br />

unterordnen. Ein Film ist nur so grün<br />

wie seine ProduzentInnen. Das sieht auch Regina<br />

Preslmair so, die im Ministerium für das<br />

Umweltzeichen zuständig ist: »Man macht sich<br />

das Leben einfach schwerer, wenn Green Producing<br />

für die Firmenphilosophie fremd ist.«<br />

Deshalb wird das Leitbild der Produktionsfirmen<br />

ebenso geprüft wie das Vorhandensein<br />

von Green-Producing-Beauftragten und Angaben<br />

über eine umweltschonende Büroführung.<br />

Druckt man jede E-Mail aus, wird es schwierig<br />

mit der Zertifizierung.<br />

Streng, aber umsetzbar?<br />

Für einzelne Produktionen müssen Mobilität,<br />

Location, Stromversorgung, Setbau, Maske und<br />

Kostüm, Beleuchtungstechnik, Spezialeffekte,<br />

Catering und Unterkünfte einer Prüfung durch<br />

unabhängige Kontrolleure unterzogen werden.<br />

Strom aus erneuerbaren Energien, led-Lampen,<br />

Mülltrennung und biologisches Catering<br />

sind naheliegende Maßnahmen. Sich um nachhaltige<br />

Hotels kümmern und DarstellerInnen<br />

vom Zugfahren überzeugen kann hingegen<br />

mehr Zeit (und Nerven) in Anspruch nehmen.<br />

Zwölf Seiten umfasst der Kriterienkatalog aus<br />

dem Ministerium. Zu viel? Nein, findet Regina<br />

Preslmair: »Unsere Kriterien sind auf den<br />

Punkt gebracht. Uns war das Fokussieren auf<br />

Kernpunkte und deren Umsetzbarkeit wichtig<br />

– und dass etwas passiert.«<br />

Passiert ist noch nicht viel, zumindest nicht<br />

offensichtlich. Mit David Schalkos Superfilm<br />

Bilder Das rund filmproduktion, istock.com/-Vicotr-, istock.com/lushik, istock.com/gigavector


»Man macht sich das Leben<br />

einfach schwerer, wenn<br />

Green Producing für die<br />

Firmenphilosophie fremd ist.«<br />

– Regina Preslmair, im Ministerium<br />

für das Umweltzeichen zuständig<br />

27.9.<br />

hat eine Produktionsfirma Initiative gezeigt und<br />

bei der Entstehung des Umweltzeichens mitgewirkt.<br />

Der Landkrimi Höhenstraße (2016, orf) ist<br />

der erste und bisher einzige Spielfilm, der mit dem<br />

Umweltzeichen ausgezeichnet wurde. Die Livesendung<br />

Mei liabste Weis (2019, orf Tirol) und die<br />

Werbefilmproduktionsfirma Das Rund können sich<br />

ebenfalls mit dem Umweltzeichen schmücken. Dabei<br />

drängt sich die Frage auf: Sind die Kriterien zu<br />

streng? »Einige Leute sehen die Kriterien und sagen:<br />

Das kann ich nicht. Aber es gibt immer Alternativen.<br />

Bei Produktionen müssen immer die gleichen<br />

Fragen gestellt werden und mit unseren Standards<br />

wollen wir die Antworten in Richtung Nachhaltigkeit<br />

beeinflussen«, so Preslmair. Die Kriterien<br />

seien schaffbar und umsetzbar, aber man müsse seinen<br />

Arbeitsstil schon überdenken. »Alles auf einmal,<br />

das verlangt ja auch niemand.« Für halbe Sachen<br />

gibt’s allerdings keine Zertifizierung, nur wer alle<br />

Das Verursacht beim Film Co 2<br />

verWaltunG<br />

30%<br />

Bühne unD<br />

filMStuDiO<br />

7% DrehOrt<br />

5%<br />

pOStprODuktiOn<br />

4%<br />

unterkunft<br />

16%<br />

anreiSe<br />

38%<br />

6.10.<br />

2019


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

GroSSes kino<br />

56<br />

»Ich glaube, es ist für alle machbar.<br />

Dagegen spricht nur Faulheit.<br />

Das Argument, es würde mehr<br />

kosten, wenn man biologisch<br />

einkauft, stimmt nicht.«<br />

– Lisa Scheid, Geschäftsführerin von Das Rund<br />

Lisa Scheid<br />

»Das Rund«<br />

Die Geschäftsführerin<br />

der Filmproduktionsfirma<br />

»Das<br />

Rund« produziert vor<br />

allem Werbefilme –<br />

zertifiziert mit dem<br />

Umweltzeichen.<br />

Auflagen erfüllt, darf sich<br />

»grün« nennen.<br />

In Niederösterreich unterstützt<br />

die Lower Austrian<br />

Film Commission (lafc)<br />

mit der Initiative »Evergreen<br />

Prisma« Filmschaffende<br />

bei der nachhaltigen<br />

Produktion. Ihre Checkliste<br />

»Evergreen Guide«<br />

zur nachhaltigen Filmproduktion<br />

war die erste ihrer<br />

Art in Österreich. Im Jänner<br />

2019 fand dazu ein erster<br />

Workshop statt und er<br />

soll nicht der letzte gewesen<br />

sein: »Das primäre Ziel<br />

des lafc Evergreen Prisma<br />

ist, zukünftig Filmproduktionen<br />

verstärkt grün zu<br />

beraten und auf vielseitige<br />

Weise begleiten zu können. Die Vermittlung<br />

von fundiertem Wissen, um die Umsetzung<br />

nachhaltiger Produktionen in der österreichischen<br />

Filmlandschaft zu fördern, ist dafür aus<br />

unserer Sicht essenziell«, teilte Dietlind Rott,<br />

Leiterin der Lower Austrian Film Commission,<br />

mit. Die NiederösterreicherInnen nehmen<br />

damit eine Vorreiterposition in Österreich ein.<br />

Eigene Trinkflasche statt Plastikmüll.<br />

Eigeninitiative gefragt<br />

Filmschaffende müssen sich also an der eigenen<br />

Nase packen, bevor PrüferInnen ihnen auf<br />

die Finger schauen können. Und los geht der<br />

Ausredenzirkus: »Zeit ist Geld« steht in den<br />

Zehn Geboten der Filmwirtschaft weit vorne.<br />

Die Herausforderungen, die Menschen in<br />

Filmproduktionen meistern müssen, sind dabei<br />

zahlreich. Die perfekte Location zu finden,<br />

SchauspielerInnen und RegisseurInnen glücklich<br />

zu machen, Stromversorgung und pünktliche<br />

An- und Abreise zu garantieren sind nur<br />

die Spitze des Eisbergs. Infoveranstaltungen,<br />

Workshops, Apfel statt Schokoriegel und Orangensaft<br />

statt Energydrink – das muss man wollen.<br />

Die Anstalten und Ämter sagen: Das geht<br />

schon, da muss die Filmindustrie Initiative<br />

zeigen. Die Filmschaffenden zucken mit den<br />

Schultern und fordern fairere Förderungen.<br />

Lisa Scheid, Geschäftsführerin von Das<br />

Rund, lässt sich das nicht<br />

einreden: »Ich glaube, es<br />

ist für alle machbar. Dagegen<br />

spricht nur Faulheit.<br />

Das Argument, es<br />

würde mehr kosten, wenn<br />

man biologisch einkauft,<br />

stimmt nicht. Man glaubt<br />

immer, man kann sich das<br />

nicht leisten, aber das ist<br />

eine Ausrede. Man muss<br />

einfach bewusster und reduzierter<br />

sein.« Sie selbst<br />

ist in einem Umfeld aufgewachsen,<br />

in dem auf einen<br />

nachhaltigen Lebensstil<br />

geachtet wurde, und<br />

hat die Verschwendung in<br />

der eigenen Branche nicht<br />

mehr hinnehmen wollen.<br />

»25 Leute im Büro davon<br />

zu überzeugen ist natürlich<br />

nicht einfach, aber inzwischen ticken alle<br />

so wie ich. Am Set mit 40 oder 50 Leuten ist das<br />

noch mal eine andere Herausforderung. Aber<br />

je besser informiert die Leute sind, desto besser<br />

funktioniert das auch«, fasst Scheid ihre<br />

Erfahrungen zusammen.<br />

Grün ist geil<br />

Zu Beginn habe es Verwunderung gegeben,<br />

als alle Beteiligten plötzlich eine Wasserflasche<br />

zum Befüllen bekamen. Aber ein Hindernis<br />

habe das nicht dargestellt. Das Rund verteilt<br />

die Flaschen zu Beginn einer Produktion<br />

und bittet alle, diese auch beim nächsten und<br />

übernächsten Dreh wieder zu nutzen. »So haben<br />

wir statt zehn Müllsäcken nur mehr zwei«,<br />

erklärt Scheid. Die größte Herausforderung<br />

Bilder Das Rund Filmproduktion


KEIN ENERGY DRINK


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

GroSSes kino<br />

58<br />

Philip Gassmann<br />

Als Regisseur, Berater<br />

und Referent klärt<br />

Gassmann über<br />

Green Producing auf.<br />

Reflektoren statt<br />

Leuchtmittel senken den<br />

Stromverbrauch am Set.<br />

sei für sie die Verpflegung, denn von der geringen<br />

Auswahl an Bio-Caterern hat nicht jeder<br />

Zeit, wenn er gebraucht wird. »Es sind einfach<br />

so viele Leute, von denen man abhängig ist.«<br />

Wenn die Kriterien also eigentlich machbar<br />

sind und Zeit- und Geldmangel nur faule Ausreden,<br />

hat die Branche einfach kein Interesse<br />

am Green Producing? Jein, sagt Scheid: »Das<br />

Thema wird immer wichtiger und natürlich<br />

verbessert es das Image einer Firma, wenn sie<br />

grün produziert. Es gilt halt als cool und das ist<br />

bei manchen die Motivation. Denen liegt dann<br />

die Umwelt nicht unbedingt am Herzen.« Ist<br />

Grün also einfach nur hip und wertet die Außendarstellung<br />

einer Firma auf?<br />

Philip Gassmann ist ein Pionier für Green<br />

Producing und leistet mit seiner Website<br />

(greenfilmtools.com), Workshops und Beratungen<br />

einen wichtigen Beitrag für nachhaltige<br />

Filmproduktionen. Er sieht hoffnungsvoll<br />

in die Zukunft: »Es gibt ein wachsendes Interesse<br />

für Green Film Production, besonders bei<br />

der Jugend. Das Feedback an den Filmhochschulen<br />

ist überwältigend und macht wirklich<br />

Hoffnung.« Für ihn sind vor allem innovative<br />

Technologien und deren kreative Einbindung<br />

in die Filmproduktion der Weg in eine nachhaltigere<br />

Zukunft.<br />

Internationale Vorbilder<br />

Wie immer lohnt sich auch hier ein Blick über<br />

den Tellerrand. Der muss gar nicht sehr weit<br />

reichen. Ein Blick nach Deutschland reicht<br />

schon. Das nördliche Bundesland Schleswig-Holstein<br />

beispielsweise hat mit dem Grünen<br />

Drehpass 2011 einen Standard für grüne<br />

Produktionen eingeführt, den inzwischen über<br />

100 Filme führen. Green Film Shooting ist eine<br />

umfangreiche Plattform, die online und mit einer<br />

jährlichen Printausgabe über Nachhaltigkeit<br />

in der Branche informiert. Bavaria Film<br />

arbeitet seit 2013 mit dem weltweit ersten klimaneutralen<br />

Filmstudio. 2017 formulierten die<br />

Filmförderanstalten Deutschlands ein gemeinsames<br />

Statement, damit Mehrkosten für grüne<br />

Produktionen förderrechtlich mitgetragen<br />

werden können.<br />

In Großbritannien zertifiziert »Albert« (British<br />

Academy of Film and Television Arts, kurz<br />

bafta) eine grüne Film- und TV-Produktion<br />

in drei verschiedenen Abstufungen. Bei vielen<br />

Firmen wie Universal, Warner, Fox, Sky, Netflix,<br />

Bavaria und natürlich den öffentlich-rechtlichen<br />

Rundfunkanstalten steht Nachhaltigkeit<br />

in den Firmenstatuten. Kompliziert wird es,<br />

wenn Firmen aus verschiedenen Ländern gemeinsam<br />

an einer Produktion arbeiten und die


Beteiligten unterschiedliche Standards an eine<br />

Produktion stellen. Wer das prüft und welche<br />

Regeln dann gelten? Das weiß man nicht.<br />

So undurchsichtig und negativ es klingt, an<br />

einer nachhaltigen Filmwirtschaft wird gearbeitet.<br />

Knackpunkt ist die Kommunikation von<br />

Filmschaffenden, Förderstellen und Ämtern<br />

»Wenn man absolut umweltfreundlich<br />

bleiben will, dann dürfte man keinen<br />

Film mehr drehen.«<br />

– Regina Preslmair<br />

Green Screen:<br />

Nicht alle perfekt, aber zumindest bewusst:<br />

Das sind unsere Green-Producing-Tipps<br />

für Filmabend ohne schlechtes<br />

Gewissen.<br />

Aufbruch zum Mond –<br />

First Man (Damien Chazelle, 2018):<br />

Beim Drama um Neil Armstrongs Mondlandung<br />

wurde recycelt, umweltfreundliches<br />

Mehr- oder Einweggeschirr genutzt,<br />

die Nutzung von Generatoren auf ein Minimum<br />

reduziert und das wiederverwertete<br />

Set anschließend gespendet.<br />

BlacKkKlansman (Spike Lee, 2018):<br />

Für die Detektivstory, in der sich ein<br />

schwarzer Cop in den Ku-Klux-Klan einschleicht,<br />

nutzte man FSC-zertifiziertes<br />

Holz, recycelbaren Teppich und integrierte<br />

Vintage-Recycling-Mistkübel und<br />

-Wasserspender für die 70s-Sets.<br />

Der goldene Handschuh (Fatih Akin, 2018):<br />

Mit dem Rad zur Arbeit hieß es für die<br />

Hälfte der Crew des brutalen Horrorfilms<br />

über den Frauenmörder Fritz Honka.<br />

Auch hier wurden Sets wiederverwertet.<br />

Wie schon Aus dem Nichts (2017)<br />

erhielt er den Grünen Drehpass.<br />

59<br />

Bilder LAFC LOWER AUSTRIAN FILM COMMISSION Gregor Lechner, Das rund filmproduktion<br />

Green Producing ist vor<br />

allem Einstellungssache.<br />

untereinander und miteinander, die langfristig<br />

ein Umdenken bewirken und das Verantwortungs-Pingpong<br />

zumindest verringern könnten.<br />

Aber: Regina Preslmair bringt auf den Punkt,<br />

was man sich ohnehin denken kann: »Wenn<br />

man absolut umweltfreundlich bleiben will,<br />

dann dürfte man keinen Film mehr drehen.«<br />

Niemand möchte auf den Kinoabend verzichten,<br />

bis nachhaltigeres Drehen der Standard<br />

wird, ist es noch ein langer Weg. Für den Branchenexperten<br />

Philip Gassmann braucht es drei<br />

Dinge: »Wissen, was Green Producing wirklich<br />

bedeutet und welche Vorteile es hat, viele grüne<br />

Technologien und die Erklärung des Themas<br />

zur ChefInnensache.« Gemeinsam arbeiten<br />

muss die Devise lauten, um die Kreativität,<br />

die auf der Leinwand herrscht, auch dahinter<br />

walten zu lassen – ein Gedanke, den man als<br />

ZuschauerIn beim nächsten Kinobesuch oder<br />

dvd-Abend im Hinterkopf behalten kann. <br />

Okja (Joon-ho Bong, 2017):<br />

In dem und um den Film wurde Nachhaltigkeit<br />

zum Thema. Im Film geht es um<br />

Fleischkonsum, die MacherInnen selbst<br />

zogen die New Yorker Gruppe Earth Angel<br />

zurate, die umweltschonende Lösungen<br />

am Filmset anbietet.<br />

Sauerkrautkoma (2017):<br />

Die bayerische Krimikomödien-Reihe ist<br />

Deutschlands Vorzeige-Green-Production<br />

und der 100. Film, der mit dem Grünen<br />

Drehpass ausgezeichnet wurde.<br />

Peaky Blinders (BBC): Die vierte Staffel der<br />

britischen Serie drehte mit lokaler Crew,<br />

led-Licht und lieh die Kostüme aus.<br />

Die Evergreen-Prisma-Checkliste ist online<br />

auf lafc.at abrufbar. Kostenlose Workshops<br />

und Seminare sollen mehr Bewusstsein<br />

für die Umsetzung von Green Producing<br />

schaffen.


RAUS AUS<br />

JETZT BIS ZU 12.000 EURO und mehr<br />

HEIZUNG TAUSCHEN<br />

FÖRDERUNG SICHERN www.rot-heiss-rot.at<br />

interessieren Sie sich für eine<br />

Beteiligung an einer BioBrauerei?<br />

Nachhaltige, ökologische Investition in eine seit 20 Jahren bestehende<br />

Biobrauerei. Sie sind als typische stille Teilhaberin bzw. stiller Teilhaber<br />

am Unternehmen beteiligt.<br />

Info unter: tino911p@gmail.com<br />

www.gaissmayer.de<br />

Gärtnerei | Schaugarten | Ort der Gartenkultur | eShop<br />

Vielfalt und Nachhaltigkeit | Insekten-Nährpflanzen<br />

Kontrollstelle DE-ÖKO-006


Der Danube Day war geprägt von spannenden Aufgaben<br />

und vielen verschiedenen Spielen – im Spurenheft<br />

konnten die Kinder und Jugendlichen erledigte Aufgaben<br />

eintragen und tolle Preise gewinnen.<br />

15 jahre danube day<br />

Besonders in den heißen Sommermonaten wird die Bedeutung der<br />

kostbaren Ressource Wasser erst richtig deutlich. Der Danube Day lockte<br />

zum 15. Mal mit Wasserwissen und Bewusstsein.<br />

bilder SI.MA.pix<br />

»Get active for a safer Danube« – so lautete das Motto des<br />

diesjährigen Danube Days im Wiener Stadtpark.<br />

Mit zahlreichen Spielen, spannenden Experimenten und viel<br />

Action wurde Wissen rund um die Donau an den Ständen des<br />

Danube Days vermittelt.<br />

Entgeltliche Einschaltung DES BMNT


Danube day 2019<br />

Im Stadtpark Wien fand heuer am 13. Juni der Danube Day<br />

unter dem Motto »Werde aktiv für eine sichere Donau!«<br />

statt. Über 1.000 Kinder im Alter von 8 bis 12 Jahren nahmen<br />

am Danube Day teil und konnten sich an den 15 Informations-<br />

und Mitmachstationen auf die Spur als Donaudetektive<br />

begeben. Die Kinder lernten, wie man sich richtig<br />

und sicher am Wasser verhalten sollte und was es bei einem<br />

Notfall zu beachten gibt. Der Danube Day soll Bewusstsein<br />

dafür schaffen, wie jede und jeder einzelne die Donau und<br />

sich selbst schützen kann. Seit 2004 wird der Danube Day<br />

im gesamten Donauraum gefeiert.<br />

Über 1.000 Kinder und Jugendliche kamen am 13.6. in<br />

den Wiener Stadtpark, um gemeinsam mehr über den<br />

Schutz der Donau zu erfahren.<br />

Jubiläum 15 Jahre Generation Blue<br />

Nicht nur der Danube Day feierte heuer 15-Jahr-<br />

Jubiläum – auch die Generation Blue gibt es inzwischen<br />

genau so lang. Generation Blue ist eine Wissensinitiative<br />

des Bundesministeriums für Nachhaltigkeit<br />

und Tourismus (bmnt), die es sich zum Ziel gesetzt<br />

hat, vor allem Kinder und Jugendliche über Wasserthemen<br />

zu informieren und zeigt, wie man sich engagieren<br />

kann. Der Danube Day ist da natürlich jedes Jahr<br />

ein ganz fixer Bestandteil. Spannende Online-Spiele<br />

und die nächsten Veranstaltungen wie den Danube<br />

Art Master oder den Trinkpass findet man unter<br />

www.generationblue.at<br />

Beim Stand von Generation Blue wurde am Glücksrad gedreht<br />

und Donau-Wissen getestet.<br />

bilder SI.MA.pix, ICPDR, Istock.com/ bsd555, Istock.com/ A-Digit, susanne brandstetter<br />

Bereits zum vierten Mal findet heuer der Joint Danube<br />

Survey, das Donaumessprogramm statt. Alle 6 Jahre wird<br />

dabei der Gesamtzustand der Donau, und seit heuer auch<br />

der Zustand der Donauzuflüsse, untersucht.<br />

Donau messprogramm<br />

Die Donau ist mit 2.857 km Länge einer der längsten Flüsse<br />

Europas. Sie fließt durch zahlreiche Staaten und umfasst<br />

ein riesiges Einzugsgebiet. Die Donau wird seit Anfang<br />

der 1990er Jahre regelmäßig auf eine Vielzahl an Stoffen<br />

untersucht.<br />

Beim Donaumessprogramm arbeiten die Länder der<br />

Donauschutzkommission (iksd) alle 6 Jahre eng zusammen.<br />

Ziel ist es, die Qualität und den ökologischen Zustand<br />

der Donau umfassend zu erheben und einen gemeinsamen<br />

Bericht zu erstellen. Dieser wird 2020 vorliegen. Die<br />

Ergebnisse der Untersuchung fließen in die kommenden<br />

Maßnahmen zum Schutz der Donau und damit in den<br />

Danube River Basin Management Plan ein.


Donauwissen<br />

2.857 km Länge<br />

durchfließt 10 Länder<br />

= internationalster Fluss<br />

81 Millionen Menschen<br />

leben im Donau-Einzugsgebiet<br />

Ursprung:<br />

Bregquelle<br />

im Schwarzwald<br />

Hainburger Pforte<br />

Die Donau: Stromproduzent<br />

und Ökosystem<br />

Die Donau ist ein intensiv genutzter Fluss. Neben<br />

zahlreichen Wasserkraftanlagen gibt es auch viele<br />

Maßnahmen zum Schutz vor Hochwasser.<br />

Beides hat positive Aspekte, bringt aber auch<br />

eine veränderte Gewässerstruktur mit sich.<br />

Das macht es zum Beispiel Fischen schwierig<br />

zu wandern.<br />

An der Donau sind bereits viele Fischwander -<br />

hilfen errichtet worden, viele sind aber auch noch<br />

nötig. Der weitere Ausbau der Kläranlagen wird<br />

die Wasserqualität der Donau weiter verbessern.<br />

In Österreich sind moderne Kläranlagen bereits im<br />

Einsatz und schützen unsere Donau.<br />

Eisernes Tor<br />

Mündung ins<br />

schwarze Meer<br />

Obere Donau<br />

(Vom Ursprung Bregquelle im<br />

Schwarzwald bis Hainburger Pforte)<br />

Mittlere Donau<br />

(bis Eisernes Tor)<br />

Untere Donau<br />

(bis Schwarzmeer-Mündung)<br />

Die<br />

Donauexpertin<br />

Karin Deutsch ist im<br />

Bundesministerium für<br />

Nachhaltigkeit und Tourismus,<br />

zuständig für die<br />

Organisation des Donaumessprogramms<br />

in Österreich.<br />

Das Donaumessprogramm findet heuer zum 4. Mal<br />

statt – warum macht man das überhaupt?<br />

Zum Schutz der Donau wird alle 6 Jahre nach einheitlichen<br />

Methoden der gesamte Fluss untersucht. So bekommt man<br />

ein vergleichbares Bild über den Zustand der Donau. Außerdem<br />

wird das Donaumessprogramm, oder Joint Danube Survey<br />

(kurz jds), immer gern genutzt um neue, wissenschaftliche<br />

Methoden zu testen.<br />

Was ist der Fokus des heurigen Messprogramms?<br />

Dieses Jahr haben wir die großen Themen Mikroplastik und<br />

eDNA. Mikroplastik ist stark im öffentlichen Interesse und<br />

es wird Zeit, die Verschmutzung großflächig zu erforschen<br />

um entsprechend handeln zu können. Sehr spannend ist auch<br />

die eDNA, der genetische Fingerabdruck eines Ökosystems.<br />

Das »e« steht für »environmental«, also umweltbezogen. Anhand<br />

einer Wasserprobe oder einer Sedimentprobe werden<br />

die darin enthaltenen dna-Stränge erkannt. Dabei spielt alles<br />

mit, was an genetischem Material ins Gewässer gelangt:<br />

Hautschuppen zum Beispiel und Ausscheidungen. So wird<br />

ganz rasch sichtbar, welche Organismen sich im Ökosystem<br />

befinden. Das ist eine ganz neue Methode, die hier zum ersten<br />

Mal großflächig angewandt wird.<br />

Worin unterscheidet sich jds 4 von jds 3?<br />

Diesmal machen die Mitgliedsstaatent das Messprogramm eigenständig<br />

und gleichen die Ergebnisse danach miteinander<br />

ab. Es gab einen offiziellen Start am 27. Juni, aber grundsätzlich<br />

ist es den Ländern offen, wann genau sie ihren Abschnitt<br />

beproben. Natürlich muss die Methodik der einzelnen Untersuchungen<br />

zusammenpassen, damit es am Ende vergleichbare<br />

Ergebnisse gibt. Dafür gab es Schulungen. Früher wurde<br />

ausschließlich die Donau untersucht, heute untersuchen die<br />

Länder im Donau-Einzugsgebiet auch jene Flüsse, die erst<br />

später in die Donau fließen.<br />

Entgeltliche Einschaltung DES BMNT


Valentina weiß bestens<br />

über Regenwürmer Bescheid!<br />

Wenn auch du mehr über die fleißigen Tiere und ihren Beitrag zur Bodengesundheit<br />

wissen willst, besorg dir das neue Bio-Pixi-Buch „Valentina und die Regenwürmer“<br />

von BIO AUSTRIA NÖ und Wien. Bezugsquellen und Abholstationen<br />

unter bio-austria.at


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

Fahrradreisen<br />

65<br />

Bikepacking<br />

auf Krk<br />

Text und bild<br />

Christoph Wimmer<br />

Bikepacking vereint als Kunstbegriff Fahrrad- mit Rucksackreisen.<br />

biorama hat das Konzept auf seine Tauglichkeit überprüft – mit<br />

dem Mountainbike rund um die kroatische Insel Krk.<br />

Tipps auf<br />

der Insel Krk<br />

• Das verlassene Hotel<br />

Haludovo in Malinska<br />

• Im September sind die<br />

Strände leer und die<br />

Feigen pflückreif<br />

Das Konzept Bikepacking unterscheidet<br />

sich vom klassischen Biketouring durch<br />

einen minimalistischen Zugang beim Packen,<br />

der mehr Freiheit und mehr Flexibilität<br />

bei der Streckenwahl erlauben soll. Im<br />

Gegensatz zu konventionellen Radreisen, bei<br />

denen das Fahrrad vorne und hinten mit wuchtigen<br />

Gepäckträgertaschen beladen wird, beschränkt<br />

man sich beim Bikepacking typischerweise<br />

auf eine Sattel-, eine Rahmen- und eine<br />

Lenkertasche.<br />

Man opfert Stauraum, dafür bleibt das Fahrrad<br />

leichter und aerodynamischer. Das Fahrverhalten<br />

wird weniger eingeschränkt und man<br />

bleibt auch abseits von Straßen agil. Aufgrund<br />

des tendenziell eher kleinen Volumens der<br />

Bikepacking-Taschen wird das Ein- und Auspacken<br />

zu einem Prozess, der überraschend viel<br />

Zeit in Anspruch nimmt. Dafür kann man mit<br />

einer kompakten Ausrüstung auf Trails fahren,<br />

die mit Gepäckträgertaschen unmöglich wären.<br />

Auch Trage- und Schiebepassagen, und das<br />

Heben des Fahrrads über Zäune, werden damit<br />

wesentlich einfacher.<br />

Eco Otok Krk<br />

Die topografische Beschaffenheit der Insel<br />

macht Krk besonders interessant für MountainbikerInnen.<br />

Zwar sind die Anstiege nie besonders<br />

hoch oder lang, doch finden sich dort<br />

Abfahrten, wie man sie sonst eher im alpinen<br />

Gelände erwarten würde. Auf dem felsigen Relief<br />

der Südostseite der Insel sind die Trails<br />

technisch besonders fordernd.<br />

Es gibt 17 offizielle, beschilderte mtb-Strecken<br />

auf Krk. Bei einem Blick auf die Karte<br />

wird schnell klar, wie sich diese intuitiv zu einer<br />

längeren Tour ohne viel Asphaltanteil verbinden<br />

lassen. Dabei ist man nie weit von der<br />

Zivilisation entfernt, was das Mitschleppen<br />

schwerer Vorräte erspart.<br />

In den vergangenen Jahren hat Krk zunehmend<br />

auf Nachhaltigkeit gesetzt. An vielen<br />

Stränden Krks weht die Blaue Flagge – ein Gütesiegel<br />

der internationalen Stiftung für Umwelterziehung,<br />

das jährlich für die Einhaltung<br />

bestimmter ökologischer Standards verliehen<br />

wird. Nachholbedarf besteht wenig überraschend<br />

auf der Insel beim Zugang zu Biolebensmitteln.<br />

Und: VegetarierInnen oder VeganerInnen<br />

haben es generell nicht leicht in Kroatien.<br />

Anfahrt<br />

Mein Plan war, die kleine Insel im Uhrzeigersinn<br />

zu umrunden und dabei möglichst wenig<br />

Zeit auf Asphalt zu verbringen. Für meine erste<br />

Reise dieser Art wollte ich mir nicht zu viel<br />

Neues auf einmal vornehmen und entschied


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

Fahrradreisen<br />

66<br />

(links): Der Blick auf halber<br />

Höhe des Mjesečev-Plateaus<br />

auf die Küstenstadt Baška<br />

im Osten der Insel Krk.<br />

(rechts): Auf einem<br />

Teilstück der mit der<br />

Nummer 10 beschilderten<br />

Mountainbikestrecke<br />

zwischen Milohnići und<br />

Malinska bewegt man<br />

sich zwischen teils<br />

100-jährigen Eichen.<br />

mich, in Apartments zu übernachten, statt zu<br />

zelten. Im Bikepacking-Fachjargon nennt man<br />

das »Credit Card Tour«.<br />

Von Wien aus dauert die Busfahrt nach Rijeka<br />

knapp sieben Stunden, von Frankfurt 16 –<br />

mit der Bahn sind es von dort 14 Stunden. Die<br />

Fahrradtransportplätze im Fernbus sind günstig,<br />

aber begrenzt. Die zwei Stunden Radfahrt<br />

von der Küstenstadt bis zu der Brücke, die<br />

auf Krk führt, sind wohl der gefährlichste Abschnitt<br />

der Reise. Oft wird man sehr knapp von<br />

Pkw und Lkw überholt.<br />

Eindrücke vom Sattel aus<br />

Auf Krk angekommen merke ich bald, dass die<br />

Ökosysteme der Insel abwechslungsreicher<br />

sind, als man es von Bildern auf Postkarten erwarten<br />

würde. Je tiefer ich in das Innere der<br />

Insel vordringe, desto mehr weicht der salzige<br />

Duft der Küste einem erdigen. Krk ist stellenweise<br />

überraschend dicht bewaldet und grün.<br />

Im Tal südwestlich von Vrbnik folge ich Schotterwegen<br />

durch Weingärten, wo die Reben für<br />

den lokalen Žlahtina angebaut werden. Weiter<br />

Richtung Osten nimmt die Vegetation mit<br />

jedem Höhenmeter wieder ab und ich gelange<br />

schließlich auf das Hochplateau Mjesečev<br />

oberhalb der Küstenstadt Baška. Die Steinwüste,<br />

die mich dort umgibt, erinnert an eine<br />

Mondlandschaft. Auf das Meer herabblickend<br />

fühlen sich die 400 Meter Höhe auch wirklich<br />

an wie 400 Meter.<br />

Westlich von Krk-Stadt entdecke ich einen<br />

Pfad, der zu Dutzenden versteckten Badebuch-<br />

ten führt, und beschließe, bei meiner nächsten<br />

Reise keine Apartments mehr zu buchen. Zwischen<br />

uralten, moosbewachsenen Steinmauern,<br />

die Oliven- und Feigenbäume umzäunen, führt<br />

ein Weg nördlich von Milohnići zu einer Kapelle<br />

im Wald (11. Jhd.).<br />

Nicht unweit davon entdecke ich eine Bucht<br />

mit einer verlassenen Fischerhütte, von wo aus<br />

ein schmaler Trail vorbei an 100-jährigen Eichen<br />

Richtung Norden nach Malinska führt.<br />

Dort erkunde ich kurz das verlassene Hotel<br />

Haludovo, bevor ich mich wieder auf den Weg<br />

nach Rijeka mache.<br />

Bikepacking-Fazit<br />

Zu Fuß oder mit dem Fahrrad erhält man Eindrücke,<br />

die Autofahrern tendenziell verwehrt<br />

bleiben. Das Konzept Bikepacking scheint<br />

seine romantischen Versprechen von Freiheit<br />

und Unabhängigkeit tatsächlich halten<br />

zu können. Als ehemaliger Rucksacktourist<br />

glaubte ich, diese Freiheit zu kennen. Zu Fuß<br />

ist man in seiner Mobilität aber vergleichsweise<br />

eingeschränkt.<br />

Besonders im Sommer lastet der Rucksack<br />

schwer. Ein Kilometer Fußweg zum Supermarkt<br />

ist oft schon kräftezehrend. Auf<br />

das Fahrrad geschnallt merkt man das<br />

Gepäck kaum.<br />

Für eine Radreise auf asphaltierten Radwegen<br />

sind herkömmliche Gepäckträgertaschen<br />

völlig ausreichend. Je abenteuerlicher die Streckenwahl,<br />

desto mehr lohnt sich die Investition<br />

in Bikepacking-Equipment.


Tiroler<br />

Bio-Käse<br />

AUS BIO HEUMILCH<br />

Das Beste vom Berg<br />

Aus der Tiroler Bio-Heumilch entstehen in 10 Tiroler Sennereien variantenreiche Käsespezialitäten. Die Erzeugung<br />

von Lebens- und Genussmitteln höchster Güte stärkt die regionale Wirtschaft und sichert den Fortbestand<br />

der Berglandwirtschaft. BIO vom BERG unterstützt die Zukunft im Berggebiet aus Überzeugung und Leidenschaft.<br />

Für den Tiroler Ursprung bürgt das Gütesiegel „Qualität Tirol“.<br />

biovomberg.at


CHASTITY BELT (US) DAN MANGAN (CA)<br />

MARISSA NADLER (US) FRIEDBERG (UK)<br />

SHORTPARIS (RU) THE STROPPIES (AU)<br />

ANGER (AT) INTERNATIONAL MUSIC (DE)<br />

IVAN & THE PARAZOL (HU) IRIS GOLD (DK)<br />

DO NOTHING (UK) ALLI NEUMANN (DE)<br />

ALYONA ALYONA (UA) PETROL GIRLS (AT)<br />

GOOD WILSON (AT) THE SCREENSHOTS (DE)<br />

THE BLINDERS (UK) LINN KOCH-EMMERY (SE)<br />

MNNQNS (FR) DRAHTHAUS (AT) TINTIN (DE)<br />

OEHL (AT) ONE SENTENCE. SUPERVISOR (CH)<br />

ZALAGASPER (SI) PERFECT SON (PL) KEKE (AT)<br />

CASSIA (UK) SKETCHES ON DUALITY (AT)<br />

THE QUALITONS (HU) WORTH (US) …and many more<br />

Festival Pass €55<br />

valid for all festival shows<br />

www.wavesvienna.com<br />

WWW.WAVESVIENNA.COM<br />

26.-28.SEP.2019<br />

Co-funded by the<br />

Creative Europe Programme<br />

of the European Union<br />

Kultur


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

Hinter der Bar<br />

Text<br />

Juliane Reichert<br />

69<br />

Selbstverständlich<br />

selbst geerntet<br />

Selbst gemacht ist wertvoller als kalt gekauft.<br />

Neu ist: Handwerk an der Bar, das nachhaltig in Szene<br />

gesetzt wird.<br />

Wir schreiben das Jahr 2019 und zumindest<br />

die renommierten Bars der<br />

Großstädte mischen auf ganz anderem<br />

Level mit als noch vor ein paar<br />

Jahren. Einen industriell hergestellten Sirup<br />

kauft da schon lange keiner mehr, und im<br />

Grunde gehört es bereits zum guten Ton, mindestens<br />

eine der sich im Drink befindlichen<br />

Spirituosen selbst produziert oder zumindest<br />

Selbergesammeltes darin eingelegt zu haben.<br />

Die Ersten, die dieses neu aufgelegte Konzept<br />

der JägerInnen und SammlerInnen wiederaufnahmen<br />

und artifizierten, das war die<br />

Crew um den Kopenhagener Küchenchef des<br />

Noma, René Redzepi. Der Trend trifft in mindestens<br />

vier Nachhaltigkeitsaspekten den<br />

Nerv der Zeit: Selbersammeln, Selbermachen<br />

und dabei keinen Müll hinterlassen – und:<br />

Zubereitet wird, was in der Region gerade<br />

so wächst. Ob man das nun bei den Berliner<br />

VorzeigesammlerInnen in der Velvet Bar beobachtet,<br />

in der Warschauer Cosmo Bar oder<br />

dem Londoner Scout – getrunken wird, was<br />

auf den Tisch kommt: und das ist, was die Natur<br />

gerade hergibt. Eine eigentlich ländliche<br />

Tradition, die Einzug in die Metropolen hält<br />

und so manch stur anhaltenden Trends ein<br />

Ende setzen will. »Wir haben ganzjährig großartige<br />

Zutaten in Großbritannien, warum sie<br />

nicht auch verwenden«, so Matt Whiley, Geschäftsführer<br />

des Scout in London wie Sydney,<br />

den man international auch als »Talented Mr.<br />

Fox« nennt – kann man sich nun denken, weshalb.<br />

Und falls nicht, so probiere man einen<br />

seiner zwei Drinks aus dem Startmenü beispielsweise<br />

aus Heu-Wermut mit gebrannter<br />

Roter Bete, Rettich, Apfel und Kräuteröl zum<br />

einen und Erdbeerwein, Gin, Zitronenmelisse<br />

sowie Molke zum anderen. Selbstverständlich<br />

selbst geerntet.<br />

Bartipps<br />

Das »Bruder« mit Sammler<br />

Barchef Hubert Peter. Zu<br />

empfehlen dort: der Drink<br />

»Rüttel am Watschenbaum«<br />

mit geraspelten Tannenzapfen,<br />

Weißtannenlikör und<br />

Roter Rübe. 1060 Wien.<br />

Zillertaler Englhof, wo<br />

Andreas Hotter nicht nur<br />

sammelt, sondern auch<br />

anbaut.


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

Hinter der Bar<br />

70<br />

Für Spirituosen brennen: in der eigenen Bar<br />

Sind die regionalen und saisonalen Zutaten<br />

erst einmal in der Tresenküche angekommen,<br />

steht der kreativen Tüftelei nichts mehr<br />

im Weg. »Zuckersirup, zum Beispiel, habe ich<br />

seit Jahren nicht mehr gekauft; und eigentlich<br />

kenne ich das auch von befreundeten GastronomInnen<br />

nicht anders«, so Lutz Rau, Geschäftsführer<br />

der Berliner Booze Bar und der<br />

frisch eröffneten Bistro Bar in Kreuzberg. »Das<br />

ist einfach nicht mehr zeitgemäß und rentiert<br />

sich weder in Preis noch Qualität.« Oder nehmen<br />

wir den Gewinnerdrink der letztjährigen<br />

Ausschreibung von Linie Aquavit. Da hat Peggy<br />

Knuth – zu dieser Zeit noch Barchefin in<br />

der Schöneberger Salut! Bar, mittlerweile aber<br />

im Curtain Club des Ritz Hotels – mit nichts<br />

Geringerem gewonnen als einer Mixtur ihres<br />

selbst gemachten Lemon Cordial (Zitronenschale,<br />

Wasser, Zucker und Zitronensäure), des<br />

ebenso selbst kreierten Pandan-Extrakts (zerhackte<br />

getrocknete Pandan-Blätter und Neutralalkohol)<br />

sowie dem obligatorischen Teil Linie<br />

Aquavit. Man kann nicht bloß – im Gegensatz<br />

zum Supermarktregal – selbst entscheiden,<br />

was der Gast am Ende im Glas hat, auch das<br />

Storytelling funktioniert besser. »Die Robinienblüten<br />

haben wir am Tempelhofer Feld gesammelt<br />

und dann kiloweise in den Rotationsverdampfer<br />

geworfen …« – »In den Roto-was?«<br />

Und schon sind das Gespräch und der Erkenntnisgewinn<br />

gesichert. Dieser Verdampfer ist übrigens<br />

ein Laborgerät, mit dem sich Substanzen<br />

destillieren lassen, ohne dass eine Destillieranlage<br />

notwendig ist – dafür haben nämlich die<br />

wenigsten Bars Platz. Oder man spielt eben im<br />

Team der World’s 50 Best Bars, wie beispielsweise<br />

das Osloer Himkok, das in der zentralen<br />

und für alle BesucherInnen gut sichtbaren<br />

Destillieranlage seinen eigenen Aquavit brennt.<br />

Trinkhalme aus Glas oder Metall<br />

oder Stroh sind nicht nur ökologischer,<br />

sondern auch einfach<br />

schöner als die aus Kunststoff.<br />

Aus Glas und Metall lassen Sie<br />

sich auch reinigen und mehrfach<br />

verwenden. Dass oft Reinigungsbürsten<br />

mitgeliefert werden, bedeutet<br />

übrigens nicht, dass die<br />

Trinkhalme nicht üblicherweise<br />

auch in die Geschirrspülmaschine<br />

sauber werden.<br />

Die im Hintergrund abgebildeten<br />

Halme wurden in Deutschland<br />

produziert und sind über halm.co<br />

erhältlich.<br />

Man kann nicht leugnen, dass Utensilien dieser<br />

Art noch mal einen eigenen Showeffekt beim<br />

Barbesuch hervorrufen. Und: Sehr viel lokaler<br />

und selbst gemachter geht’s nicht.<br />

Und das ist erst der Anfang<br />

Und weil selbst produzierende GastronomInnen<br />

ihre PappenheimerInnen praktischerweise<br />

gut kennen, wissen sie recht gut, was konsumiert<br />

wird und in welchen Margen produziert<br />

werden muss. Apropos Zahlen: Der Umsatz<br />

deutscher Bars hat sich zwischen 2009 und<br />

2017 um rund 16 Milliarden Euro vergrößert.<br />

Zuletzt stand die deutsche Bar-Gastronomie<br />

bei 56 Milliarden Euro pro Jahr. Da fallen neue<br />

Konzepte durchaus ins Gewicht.<br />

Der Gedanke an saisonale, lokale und eigens<br />

hergestellte Spirituosen führt in vielen<br />

Fällen unweigerlich zu einer weiteren nachhaltigen<br />

Konsequenz: »Zero Waste«. Kein Abfall,<br />

das bringt mit sich, dass so wenig wie möglich<br />

weggeworfen wird und »Reste« in Form<br />

von Bar-Snacks verwertet werden, wie zum<br />

Beispiel im Berliner Isla Coffee, wo aus den<br />

Resten des Milchschaums für den Cappuccino<br />

mithilfe von Zitronensäure der Fettanteil<br />

von der Molke getrennt wird. Die Molke<br />

kommt in die nächste Suppe, der Fettanteil in<br />

den Käsekuchen.


Zero-Waste:<br />

Kosmetik im Glas<br />

www.fairsquared.info/zerowaste<br />

Faire Naturkosmetik im Mehrwegsystem<br />

FAIR SQUARED Naturkosmetikprodukte sind ab sofort<br />

in umweltfreundlichen Glastiegeln und -flaschen<br />

erhältlich. Diese werden gesammelt, zurückgegeben,<br />

gereinigt und wiederbefüllt. Dies spart nicht nur<br />

Einwegverpackungen, sondern sorgt so auch aktiv<br />

dafür, dass sich weniger Plastikmüll in den Weltmeeren<br />

wiederfindet.<br />

Entscheiden Sie sich für unser Zero-Waste-System!<br />

Mitmachen und Müll FAIRmeiden<br />

1. Einkaufen in Bioladen oder Reformhaus<br />

2. Transport der Gläschen nach Hause<br />

3. Freude über wiederverwendbare Gläschen<br />

4. Leeres Glas? Zurück ins Geschäft damit!<br />

5. Rückversand an FAIR SQUARED zur Reinigung<br />

6. Erneute Befüllung ... und der Kreislauf setzt sich fort<br />

6<br />

5<br />

1<br />

4<br />

2<br />

3<br />

contains<br />

Fairtrade<br />

ingredients


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

Hinter der Bar<br />

72<br />

Diese Form der Gastronomie führt auch<br />

dazu, dass auf Ökonomie im Arbeitsalltag<br />

Wert gelegt wird. Etwa mit dem Konzept<br />

des sogenannten Milk Punching, bei dem<br />

mithilfe von Milch säurehaltige Cocktails<br />

– also im Grunde alle – geklärt und haltbar g<br />

emacht werden. Von sich reden machte in diesem<br />

Kontext die Berliner Stairs Bar; allerdings<br />

hat sich jüngst und erstmalig ein Netzwerk<br />

aus GastronomInnen gegründet, das sich genau<br />

dieser Fragen annimmt. Die aus Berliner-<br />

Innen bestehende Gründercrew »The Blessed<br />

Ones« geht zunächst auf eine deutschlandweite,<br />

dann auch auf die Schweiz und Österreich<br />

ausgedehnte Mitgliedersuche: BartenderInnen<br />

sollen einander unterstützen, einer nachhaltigeren<br />

Gastronomie auf die Sprünge zu helfen.<br />

Und da kann »saisonal«, »regional« und »selbst<br />

gemacht« erst der Anfang sein; Plastikstrohhalme<br />

stehen längst auf der Abschussliste und Gendergleichheit<br />

kommt als Nächstes. Wir dürfen<br />

gespannt sein.<br />

Diy-Wildkräutersirup<br />

Ein Grundrezept aus Gerda Holzmanns Buch<br />

»Gesunde Wildkräuter aus meinem Garten«.<br />

»Gesunde Wilkräuter aus<br />

meinem Garten – erkennen,<br />

vermehren, nutzen«<br />

von Gerda Holzmann,<br />

erschienen 2018 im<br />

Löwenzahn Verlag.<br />

rezept für 5 Liter<br />

Zubereitungszeit (inkl. Kräutersammeln):<br />

1,5 Stunden<br />

Ruhezeit: 2–3 Tage<br />

4 Handvoll frischer Wildkräuter (nach Belieben)<br />

4 l Wasser<br />

2 kg Zucker<br />

1/4 l Apfelessig oder Kräuteressig ohne<br />

Zitronensäure<br />

Zubereitung:<br />

Saubere Wildkräuter an einem trockenen Tag<br />

sammeln, durch Schütteln von Insekten befreien<br />

und in einen ausgekochten Kübel oder ein<br />

ähnliches Gefäß geben (ca. 10 l Fassungsvermögen).<br />

Mit 4 l kaltem Wasser übergießen, mit<br />

einem Tuch zudecken und 2–3 Tage bei Zimmertemperatur<br />

stehen lassen. Danach in einen<br />

großen Topf abseihen und mit dem Zucker<br />

kurz erwärmen, bis sich die Kristalle aufgelöst<br />

haben. Den Essig zugeben und abschmecken.<br />

Je nach Belieben kann noch mehr Zucker<br />

oder Essig hinzugefügt werden. Den Sirup<br />

heiß in ausgekochte Flaschen füllen und verschließen.<br />

Vor Licht geschützt im Keller lagern.<br />

Gemeinsam mit stillem oder sprudelndem<br />

Wasser ergibt der Sirup ein fantastisches<br />

Erfrischungsgetränk!<br />

Bild LRupert Pessl Photography


Nachhaltigkeit, nachvollziehbar heißt:<br />

Geschmacksvielfalt<br />

hat<br />

einen guten<br />

Grund.<br />

Samenfeste Tomatenund<br />

Paprikararitäten<br />

aus fruchtbaren Böden.<br />

„Naturrein auf<br />

Babyfood-Standard“<br />

Regional, saisonal und vollreif geerntet, überzeugen unsere Tomatenund<br />

Paprikararitäten nicht nur mit ihrem Geschmack, sondern auch mit<br />

ihrer einzigartigen Reinheit. Dafür sorgen eine ausgeklügelte Fruchtfolge,<br />

humusfördernde Kreislaufwirtschaft, Pestizidfreiheit sowie weitere<br />

strenge Richtlinien zur Gesunderhaltung der Böden. Damit entsprechen<br />

Tomate & Co sogar dem hohen „Naturrein auf Babyfood-Standard“ und<br />

machen den Genuss zum reinsten Vergnügen.<br />

Technische und optische Änderungen sowie Satz- und Druckfehler vorbehalten.<br />

KREISLAUF DES LEBENS<br />

Der Beweis für echte Nachhaltigkeit.<br />

zurueckzumursprung.at


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

Marktplatz Food<br />

74<br />

3<br />

2<br />

5<br />

1<br />

4<br />

6<br />

Es geht um die Wurst<br />

Der Herbst steht vor der Tür, und jedes Jahr stellt sich die gleiche Frage:<br />

Was packen wir in den Rucksack, um den Aufstieg<br />

zur Hütte oder sogar zum Gipfel zu überleben?<br />

Text und bild<br />

Jürgen Schmücking<br />

Was bekommt das Kind in die Schultüte,<br />

ins Jausensackerl, ins Landschulwochengepäck?<br />

Ein paar Äpfel und<br />

das Butterbrot sind gesetzt, für alles<br />

andere wurden die Boxeln erfunden. Und<br />

die Landjäger, Salamisnacks, Cabanossis<br />

und deren Wurstbrüder. Wurstschwestern.<br />

Es heißt ja »die Wurst«.<br />

Jedenfalls haben wir uns in den Biosortimenten<br />

der heimischen (und nachbarländischen)<br />

Hersteller umgesehen. Hier 6 Beispiele. Und<br />

die eine oder andere Empfehlung.<br />

BIO vom BERG:<br />

1 Bio-Zwergerl – Rohwurst geräuchert<br />

Das fängt gut an. Hinten auf dem Etikett steht<br />

gleich als erster Satz: »In 100 g Bio-Zwergerl<br />

sind 136 g Rind- und Schweinefleisch enthalten.«<br />

Ein Schenkelklopfer? Mitnichten. Die<br />

Zwergerl werden ja getrocknet und verlieren<br />

dadurch Feuchtigkeit. Und Gewicht.<br />

Geräuchert wird übrigens über Buche und<br />

gereift an der rauen Bergluft Tirols. Würzig<br />

und gut.


Heirler:<br />

2 Vegane Brotzeit nach Landjäger Art<br />

Hm. Wo anfangen? Zuerst eine kurze Beschreibung<br />

dessen, was es ist. Eine in Quaderform gepresste<br />

Substanz aus Weizeneiweiß, Kokosfett, Lupinenmehl<br />

und allerlei geschmackgebenden Zutaten. Es<br />

sieht aus wie eine zu lang geratene Mignon-Schnitte<br />

und schmeckt – nein, lassen wir das.<br />

Ja! Natürlich:<br />

3 Bio-Cabanossi vom Freilandschwein<br />

Gut, dass das so draufsteht. Darunter ist nämlich zu<br />

lesen: »Von Waldviertler Bio-Bauern aus ganzjähriger<br />

Freilandhaltung«, und das könnte leicht missverständlich<br />

sein. Jedenfalls sind die Bio-Cabanossi<br />

eines jener Produkte, bei denen das vermeintliche<br />

Original alt aussieht. Fester Biss, würzig, leicht<br />

pfeffrig, molliger Körper. Bleibt auch eine Zeitlang<br />

am Gaumen haften. Gut so.<br />

ADAMAH<br />

BioHof Fest<br />

ERDE. MENSCH. LEBEN.<br />

Juffinger:<br />

4<br />

Bio-Lammboxeln<br />

Mit den Boxeln ist das so eine Sache. Woher der<br />

Name kommt, weiß niemand so genau. Im österreichischen<br />

Lebensmittelcodex stehen sie als »Boxerl«<br />

im Kapitel B.4.5.1.2. Unter »Rohwürste ohne Belag«,<br />

Sorte 2. Die Juffinger-Boxeln schmecken gut,<br />

sind aber mild. Ein bissl mehr »Lamm« könnten sie<br />

schon vertragen. Aber das ist eine sehr persönliche<br />

Ansicht. Wahrscheinlich sind das die besten Lammboxeln,<br />

die das Lamm/das Land zu bieten hat.<br />

BioSing:<br />

5 Biosalami<br />

BioSing ist das Gourmet-Salamiprojekt des Slowenen<br />

David Lesar. Unter der Marke wurden verschiedene<br />

Trockenwürste entwickelt. Neben der Biosalami<br />

gibt es auch Biozaseka (Verhackerts), bei manchen<br />

Salamis experimentiert David Lesar auch mit<br />

Hirschen, Eseln und Bären. Wildfang klarerweise.<br />

Die Biosalami ist aber aus Schwein und Rind. Und<br />

sie ist großartig.<br />

Salamitrocknerei Saller:<br />

6<br />

Salamizwutschgerl<br />

Der letzte Snack kommt von einem Biobetrieb im<br />

Mühlviertel, der – urlaubsbedingt – keine Salami<br />

schicken konnte. Also bitte den Tipp Nummer 6<br />

einfach vorstellen. Am besten die Nummer 1, die<br />

Zwergerl, in Gedanken mit weißem Edelschimmel<br />

überziehen, und – voilà – da haben wir ein Salamizwutschgerl.<br />

Es lebt von diesem Edelschimmel, er<br />

gibt ihm Charakter und Substanz.<br />

Das ADAMAH BioHof Fest<br />

... am 31. August & 01. September<br />

steht ganz im Zeichen einer lebenswerten<br />

& enkeltauglichen Zukunft. Wir laden<br />

dich ein Bio hautnah zu erleben und<br />

ökologische Alternativen zu entdecken.<br />

Alle Infos auf adamah.at/biohoffest


14<br />

<strong>Biorama</strong> Nº. ##<br />

erlend<br />

g e S u C ht:<br />

Bioprodukt<br />

des Jahres<br />

Kategorien<br />

Farm & Craft<br />

Handwerkliches,<br />

Bäuerliches<br />

retail & Big Brands<br />

starke Marke<br />

Beverages<br />

Getränke und Drinks<br />

ProduzentInnen, Verbände und VermarkterInnen<br />

werden einge laden, ihr Produkt des Jahres zu<br />

nominieren. Eine unabhängige Jury entscheidet<br />

über das „Bioprodukt des Jahres“, welches im<br />

Rahmen der Bio Österreich am 17. November 2019<br />

in Wieselburg vorgestellt und prämiert wird.<br />

nst du das Logo zum Bio-Produkt des Jahres so ergänzen, dass statt bio ÖSTERREICH für 2019 bio ÖSTERREICH Messe Wieselburg drauf steht?<br />

Sonderkategorie: niederösterreich<br />

Handwerkliches und Bäuerliches aus<br />

Niederösterreich<br />

Sonderkategorie: oberösterreich<br />

Handwerkliches und Bäuerliches aus<br />

Oberösterreich<br />

Sonderkategorie: garten<br />

Alles für den Biogarten<br />

Kriterien<br />

Innovation<br />

Nachhaltigkeit<br />

Packaging & Design<br />

NomNom (Genuss- und Spaßfaktor)<br />

Einreichschluss:<br />

13. September 2019<br />

Alle weiteren Infos unter<br />

www.biorama.eu/<br />

bioprodukt-des-jahres


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

Mp Kosmetik<br />

1<br />

2<br />

3<br />

77<br />

Auf natürlichem Grund<br />

10 µ Foundation und getönte Tagescreme aus der Naturkosmetik.<br />

Text<br />

Sarah Wetzlmayr<br />

Irina Zelewitz<br />

Stellt man die Anwendungsansprüche, die<br />

üblicherweise an konventionelle Foundations<br />

gestellt werden, an naturkosmetische<br />

Foundations, können die folgenden<br />

10 zertifizierten Naturkosmetikprodukte<br />

sie fast alle erfüllen. Ein zufriedenstellender<br />

Lichtschutzfaktor ist allerdings kaum dabei,<br />

den sollte man daher im Bedarfsfall nicht vergessen,<br />

zusätzlich aufzutragen.<br />

Die Dr. Hauschka Foundation hält, was<br />

2<br />

sie verspricht: mittlere Deckkraft, guten<br />

Halt und sie fühlt sich angenehm auf der Haut<br />

es außerdem praktisch: In der gebotene Farbpalette<br />

finden sich auch solche für gelb-grünen<br />

Hautunterton. Das Tönungsfluid lässt<br />

sich nicht nur mit der Tagespflege mischen,<br />

sie verträgt sich auch mit quasi jeder Foundation.<br />

Winter- Frühlings- und Sommerfarbton<br />

können gemixt werden – das spart Platz im<br />

Badezimmer. <br />

hauschka.de<br />

Bild<br />

Michael Mickl<br />

Die BB Cream von Annemarie Börlind<br />

1<br />

hat eher leichte Deckkraft, duftet fein<br />

nach Kräutern, pflegt leicht und kann im Sommer<br />

so für manche die Tagescreme ersetzen.<br />

Wer eine reichhaltiger und stärker abdeckende<br />

Variante sucht, greift zum Feuchtigkeits-<br />

Make-up. <br />

börlind.com<br />

Die Floral Liquid Foundation von Zuii<br />

3<br />

ist eine leichte Foundation mit mittlerer<br />

Deckkraft. Das cremige, reichhaltige Gefühl<br />

beim Auftragen bestätigt sich beim Blick auf<br />

die Inhaltsstoffe: Ringelblume, Aloe vera,<br />

Mandel- und Calendulaöl pflegen die Haut. <br />

<br />

zuii-kosmetik.de


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

Mp Kosmetik<br />

78<br />

4<br />

5<br />

6<br />

7<br />

Die lieth Foundation von und<br />

4<br />

gretel hat eine so flüssige Textur, dass<br />

man sie in Sekunden verteilt hat. Trotzdem<br />

hält sie den ganzen Tag. Das und die Verfügbarkeit<br />

in den relativ dunklen Farbtönen<br />

»04 Summer« und »05 Mocha« machen sie zur<br />

idealen Begleitung durch den Sommer.<br />

<br />

undgretel.com<br />

Beim Auftragen zwar noch etwas klebrig,<br />

5<br />

zieht die getönte Feuchtigkeitscreme<br />

von Lavera angenehm in die Haut ein und<br />

deckt kleine Rötungen gut ab. Wer sich etwas<br />

mehr Deckkraft wünscht, wird allerdings mit<br />

einem Concealer nachhelfen müssen. Das Illuminating<br />

Effect Fluid kommt ohne Deckkraft<br />

aus – es hilft beim Strahlen und kann<br />

statt Foundation oder darunter aufgetragen<br />

werden. <br />

lavera.de<br />

Der Tinted Moisturiser von Ringana<br />

6<br />

deckt nur leicht ab und pflegt intensiv,<br />

ohne sich schwer anzufühlen. Lässt sich auch<br />

gut mit Foundation mischen. ringana.com<br />

Weledas Beauty Balm kommt mit zwei<br />

7<br />

Nuancen aus und passt trotzdem vielen<br />

– obwohl sie besser abdeckt, als man es von getönter<br />

Tagescreme erwarten müsste. Vor allem<br />

bei Mischhaut empfehlenswert, lässt sich<br />

allerdings nicht immer gut mit Feuchtigkeitspflege<br />

oder Foundation mischen. weleda.ch


KONTROLLIERT<br />

CONTROLLED<br />

Tauchen Sie ein<br />

in die Welt<br />

der Düfte<br />

und des erlesenen<br />

Geschmacks.<br />

Betriebsführungen<br />

Von 1. April bis 31. Oktober<br />

Mittwoch bis Sonntag & Feiertags<br />

10:30 & 14:00 Uhr<br />

BIO-Schokoladei<br />

Naturkosmetiki<br />

Bahnerlebnisi<br />

Bierbrauereii<br />

World of STYX<br />

Am Kräutergarten 6<br />

3200 Ober-Grafendorf<br />

www.betriebsführung.at


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

Aus dem Verlag<br />

80<br />

UnD sonst so,<br />

im biorama-<br />

Universum ...<br />

Kooperation<br />

Re:Post –<br />

Das Uniformrecycling-Projekt<br />

der Österreichischen<br />

Post<br />

Ein Upcycling-Projekt der Post in Kooperation<br />

mit dem poolbar-Festival und BIORAMA.<br />

Print<br />

Vier<br />

gewinnt<br />

Die vierte BIORAMA-Niederösterreich-<br />

Regionalausgabe<br />

Im Oktober erscheint bereits zum vierten Mal die<br />

Regionalausgabe von biorama für Niederösterreich.<br />

Für all unsere LeserInnen, die mit der Geografie<br />

Österreichs nicht vertraut sind, weil sie zum<br />

Beispiel in Deutschland zuhause sind: Das Bundesland<br />

umgibt die österreichische Bundeshauptstadt<br />

Wien, enthält Berge, Seen, die eine oder andere Barockstadt,<br />

recht viel Gegend und knapp 1,7 Millionen<br />

EinwohnerInnen. Natürlich tut sich hier einiges,<br />

das aus biorama-Perspektive berichtenswert<br />

ist. Wir berichten.<br />

Die Österreichische Post AG hat ihre MitarbeiterInnen<br />

mit neuen Uniformen ausgestattet. Gleichzeitig werden<br />

die ausgemusterten Kleidungsstücke wieder eingesammelt.<br />

Damit diese Textilien nicht bloß entsorgt werden,<br />

entstehen im Rahmen des Projekts Re:Post kreative Upund<br />

Recycling-Konzepte. Es wird nach gestalterischen<br />

Optionen geforscht, wie die alten Kleidungsstücke durch<br />

eine sinnvolle Weiterverwendung nutzbar gemacht werden<br />

können.<br />

Ziel von Re:Post ist es, Designs für Kleidung, Modeaccessoires<br />

oder Gebrauchsgegenstände entstehen zu lassen.<br />

In dem interdisziplinären Gestaltungslabor, das im<br />

Rahmen des poolbar-Festivals ausgerichtet wird, geht es<br />

darum, die Kleidung in Kombination mit anderen Materialien<br />

weiterzuverwenden und völlig neue Produkte zu<br />

entwickeln, die in Serie produziert und verkauft werden<br />

können. Im Vordergrund steht das gemeinsame und interdisziplinäre<br />

Arbeiten.<br />

poolbar.at/generator<br />

Bilder Christoph adamek, Fair friends/anja cord


abo<br />

BIORAMA im Abo<br />

Jährlich sechs Ausgaben von BIORAMA<br />

direkt in deinen Briefkasten!<br />

Auch wenn biorama ein Gratismagazin ist,<br />

kannst du es abonnieren. Für 25 EUR im Jahr<br />

bist du dabei und unterstützt unsere unabhängige<br />

redaktionelle Arbeit.<br />

biorama.eu/abo<br />

25,–<br />

Kooperation<br />

Fair Friends<br />

Wir freuen uns, wieder offizieller Medienpartner<br />

der Messe Fair Friends zu sein.<br />

5. BIS 8.<br />

September<br />

2019<br />

Deutschlands größte Nachhaltigkeitsmesse findet von 5. bis<br />

8. September 2019 in der Messe Dortmund (Westfalenhalle)<br />

statt. Und: Wir verlosen auf biorama.eu 10 µ 2 Tickets.<br />

Stay alert!<br />

81<br />

Event<br />

FAIR FAIR<br />

2019<br />

Frühsommer ist die Zeit<br />

für den BIORAMA-Markt<br />

für nachhaltige Ideen<br />

Schon seit 2012 veranstalten wir in<br />

Wien unseren alljährlichen Markt für<br />

Bio Street Food, Eco Fashion und Sustainable<br />

Design. In diesem Jahr waren<br />

wir Ende Juni im ehemaligen Sophienspital<br />

in Wiens siebtem Bezirk zu Gast.<br />

Schön war’s, auch wenn’s zwischendurch<br />

arg geregnet hat. Wir bedanken<br />

uns bei allen BesucherInnen. Bis zum<br />

nächsten Mal!<br />

fairfair.at


<strong>Biorama</strong> <strong>62</strong><br />

elternalltag<br />

82<br />

Die Millisekunde<br />

Was, wenn jemand stirbt? Das hätte ich mir auch nicht<br />

gedacht, dass die Antwort auf diese Frage sich so<br />

gravierend ändern kann.<br />

Text<br />

Ursel Nendzig<br />

Autorin Ursel Nendzig, Mutter<br />

zweier Söhne, berichtet live<br />

aus der Achterbahn.<br />

Es gibt eine lange, scheinbar sogar endlose Liste der<br />

Dinge, die sich ändern, sobald man ein Kind bekommt.<br />

Erst vor ein paar Tagen habe ich darüber<br />

mit meiner Freundin M. gesprochen, die gerade<br />

zum ersten Mal schwanger ist. Man muss da ja immer<br />

ein bisschen aufpassen, was man sagt, eine gute Balance<br />

finden zwischen Ehrlichkeit (Einlauf, Dammriss,<br />

wunde Brustwarzen etc.) und trotzdem keine<br />

Angst machen (Einlauf, der am Gang wieder ausläuft,<br />

Dammriss, der nach Jahren noch spürbar ist,<br />

Brustwarzen, die nicht nur wund sind, sondern bluten,<br />

Nachtwache, die sich wie Folter anfühlt, etc.).<br />

Jedenfalls ging es bei unserem Gespräch nicht nur<br />

um diese körperlichen Veränderungen, sondern<br />

um die echten, die, die wirklich alles auf den Kopf<br />

stellen, die vielen Gefühle, die da plötzlich sind<br />

und die man nicht mehr wegbekommt.<br />

Ganz vorne mit dabei: Verlustangst. Es ist<br />

so was von unglaublich, dass etwas, ohne das<br />

man jahrelang ganz wunderbar<br />

gelebt hat (das Baby), sich plötzlich,<br />

und zwar von null auf dreitausend,<br />

ganz vorne reinschiebt<br />

in die Wichtigkeits-Skala. Dass<br />

in der gleichen Millisekunde, in<br />

der das Muttergefühl, die ganze<br />

Liebe, das ganze Oooooh einschießt,<br />

auch diese schrecklichste<br />

aller Ängste auftaucht:<br />

es wieder verlieren zu können. Dass sich<br />

plötzlich der potenzielle Verlust dieses<br />

bis vor zwei Millisekunden noch unbekannten<br />

Wesens schlimmer anfühlt, als<br />

selber zu sterben. Und dass sich das bis<br />

ans Lebensende, also das eigene, nicht<br />

mehr ändern wird.<br />

Die Kinder selber wiederum haben<br />

dafür einen superentspannten<br />

Umgang mit diesem Thema, Kontrastprogramm.<br />

Und wie auch noch!<br />

Zwischen meiner eigenen, mütterlichen,<br />

neuen Sicht auf die Endlichkeit<br />

und der frischen, naiven der<br />

Kinder. Wurde es für mich zum fiesen<br />

Endlichkeits-Reminder, eine tote Maus<br />

zu sehen (ich berichtete an dieser Stelle<br />

bereits davon), war es für die Söhne pure<br />

Faszination. Wurde der Besuch des Grabes<br />

meiner Schwiegermutter für mich zur<br />

reinsten Emo-Achterbahnfahrt, war den<br />

Söhnen dort vor allem: fad. Sie sprangen<br />

herum und rechneten aus, wie alt die Menschen<br />

geworden sind, die da unter der Erde<br />

liegen, Wettbewerb inklusive: Wer findet den<br />

jüngsten, wer den ältesten. Und mein Herz:<br />

schwer wie Blei.<br />

»Wurde es für mich zum fiesen<br />

Endlichkeits-Reminder, eine tote<br />

Maus zu sehen, war es für die<br />

Söhne pure Faszination.«<br />

Spannenderweise beobachte ich zurzeit, wie sich<br />

der Umgang mit dem Tod bei den Söhnen unterscheidet.<br />

Der eine, sechs Jahre alt, nach wie vor sehr locker<br />

mit tot oder nicht tot. Der andere, neun, jetzt schon<br />

ehrfürchtiger. Vor Kurzem blieben sie zum ersten Mal<br />

für mehrere Tage bei ihrer Oma, und dort, beim Einschlafen,<br />

kamen dem großen Sohn die großen Gedanken:<br />

Was, wenn jemand stirbt? (Pragmatische Antwort<br />

der Oma: Ach, es stirbt doch ständig und überall jemand.)<br />

Ich denke mir: Was, wenn ich heute sterben würde? Ich<br />

hätte vor allem Angst davor: dass meine Söhne dann traurig<br />

wären. Das gehört wohl zu der Kategorie, von der ich<br />

meiner Freundin M. nicht erzähle.<br />

illustration Nana Mandl


WER IST IM<br />

BETT GENAUSO<br />

GUT WIE AM<br />

FRUHSTUCKS-<br />

TISCH?<br />

----<br />

Der Zagler Müslibär.<br />

Da gibt’s ordentlich was auf<br />

den Löffel. Lassen Sie<br />

es so richtig krachen – die<br />

aufregend knusprigen<br />

österreichischen Bio-Müslivariationen<br />

vom Zagler<br />

Müslibären schmecken immer<br />

und überall!<br />

d.signwerk.com<br />

ERHÄLTLICH IM GUT<br />

SORTIERTEN FACHHANDEL<br />

SOWIE AUF<br />

WWW.MÜSLIBÄR.AT


Das Studentenkonto<br />

für kluge Köpfe.<br />

Wer gscheit ist, holt sich jetzt jede Menge<br />

Vorteile mit dem gratis Raiffeisen Studentenkonto:<br />

Mein ELBA-Online Banking, kostenlose<br />

Unfallversicherung und Mitgliedschaft<br />

im Raiffeisen Club. Jetzt auch online<br />

eröffnen auf meinstudentenkonto.at<br />

Impressum: Medieninhaber: Raiffeisenlandesbank Niederösterreich-Wien AG, F.-W.-Raiffeisen-Platz 1, 1020 Wien.

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!