30.09.2019 Aufrufe

maaS No.14 Sinn

Impulse für ein erfülltes Leben

Impulse für ein erfülltes Leben

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN
  • Keine Tags gefunden...

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

—<br />

c h r i s t o p h qu a r c h<br />

Das bedingungslose<br />

In einer der berührendsten Stellen seines Buches berichtet<br />

Frankl von einem Erlebnis, das ihm selbst die Kraft zu<br />

überleben schenkte: »In einem letzten Aufbäumen gegen<br />

die Trostlosigkeit eines Todes, der vor dir ist, fühlst du deinen<br />

Geist das Grau, das dich umgibt, durchstoßen, und in diesem<br />

letzten Aufbäumen fühlst du, wie dein Geist über diese ganze<br />

trostlose und sinnlose Welt hinausdringt und auf deine letzten<br />

Fragen um einen letzten <strong>Sinn</strong> zuletzt von irgendwoher<br />

dir ein sieghaftes ›Ja!‹ entgegenjubelt.« – <strong>Sinn</strong>, trotz allem.<br />

Ja, trotz allem.<br />

k r a f t q u e l l e für s überl e b e n<br />

warum sinn niemals gemacht,<br />

sondern nur gefunden werden kann<br />

»Der Wille zum <strong>Sinn</strong> bestimmt unser Leben.« Der Mann, der solches schrieb,<br />

wusste nur allzu gut, wovon er sprach. Denn Viktor Frankl hatte ihn am eigenen<br />

Leib erprobt. Zwei Jahre seines Lebens verbrachte der Wiener Arzt und Psychologe<br />

in Theresienstadt, Auschwitz und Dachau. Als einziger aus seiner Familie<br />

überlebt er den Terror der Nazis – und schrieb im Jahr 1946 ein bewegendes<br />

und lesenswertes Buch, in dem er diese dunklen Jahre seines Lebens reflektierte:<br />

›Trotzdem Ja zum Leben sagen‹ ist der Titel. Und die These, die er darin<br />

ausarbeitet, lautet: »Es war allein der Wille zum <strong>Sinn</strong>, was die Lagerüberlebenden<br />

letzten Endes am Leben gehalten hatte.«<br />

Nicht nur Viktor Frankl berichtet von solchen Erfahrungen.<br />

Erschütternd ähnliche Bemerkungen findet man im Tagebuch<br />

der jungen niederländischen Jüdin Etty Hillesum, der nicht<br />

das Glück vergönnt war, das KZ zu überleben. Einen Monat<br />

vor ihrem gewaltsamen Tod notierte sie darin: »Leben und<br />

Sterben, Leid und Freude, die Blasen an meinen wundgelaufenen<br />

Füßen und der Jasmin hinterm Haus, Verfolgungen, die<br />

zahllosen Grausamkeiten, all das ist in mir wie ein einziges<br />

starkes Ganzes, und ich nehme alles als ein Ganzes hin … Ich<br />

finde das Leben sinnvoll, trotzdem sinnvoll.«<br />

Das Ereignis des <strong>Sinn</strong>s ist auch hier die Kraftquelle fürs<br />

Überleben; ein Ereignis, dessen Ausbleiben jedoch der Anfang<br />

vom Ende ist. »Sobald menschliches Dasein nicht mehr<br />

über sich selbst hinausweist, wird Am-Leben-Bleiben sinnlos,<br />

ja unmöglich«, stellt Frankl in seinem Buch fest. Weil dann<br />

das »sieghafte ›Ja!‹« ausbleibt und die große Leere der <strong>Sinn</strong>losigkeit<br />

den Menschen erdrückt. Leuchtet uns von nirgends<br />

mehr ein »Ja!« entgegen, dann breitet sich <strong>Sinn</strong>finsternis über<br />

das Land; dann keimen Resignation und Depression in den<br />

Herzen der Menschen. Warum ist das so?<br />

s i n n f i n s t e r n i s<br />

Will man auf diese Frage eine Antwort geben, kommt man<br />

nicht umhin, eine weitere, noch ungleich schwierigere Frage<br />

aufzuwerfen: Was ist <strong>Sinn</strong>? Was ist <strong>Sinn</strong>, dass ihm die Kraft<br />

innewohnt, ein Leben zu bewahren und – wie wir noch sehen<br />

werden – ein Leben zu erfüllen? Diese Frage ist deshalb<br />

schwierig zu beantworten, weil schon zahllose Antworten auf<br />

sie gegeben worden sind: Antworten, die teilweise dazu geführt<br />

haben, dass die Welt der Gegenwart durchaus von einer<br />

<strong>Sinn</strong>finsternis heimgesucht wird – oder von einem ›existenziellen<br />

Vakuum‹ des Menschen, um nochmals Frankl zu bemühen.<br />

Anders jedenfalls lässt sich kaum erklären, wie es<br />

sein kann, dass heute jeder dritte Deutsche über psychische<br />

16<br />

17

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!