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<strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 228 · D ienstag, 1. Oktober 2019 – S eite 18 *<br />
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Sport<br />
Geniales Trio (v.l.): Vedad Ibisevic, PerSkjelbred und Vladimir Darida<br />
ANDREAS GORA<br />
Oldies but Goldies<br />
Herthas Altmeister Vladimir Darida, Per Skjelbred und Vedad Ibisevic feiern beim 4:0-Erfolg in Köln ihre erneute Auferstehung<br />
VonPatrick Berger<br />
Es rüttelte und krachte. In<br />
luftigen Höhen wurde die<br />
siegreiche Mannschaft von<br />
Hertha BSC nach dem 4:0-<br />
Erfolg beim 1. FC Köln so richtig<br />
durchgeschüttelt. „Wir hatten echt<br />
ganz schöne Turbulenzen da oben“,<br />
sagte Ante Covic am Morgen nach<br />
dem ersten Auswärtssieg der Saison<br />
und atmete tief durch. DasSturmtief<br />
„Mortimer“ hatte die Blau-Weißen<br />
auf dem Rückflug von Köln-Bonn in<br />
die Bundeshauptstadt in Griff. Nicht<br />
so schön für Salomon Kalou, der bekanntlich<br />
Flugangst hat. Gut (zumindest<br />
in der Hinsicht) für Marvin<br />
Plattenhardt, der sich über den Wolken<br />
ebenfalls unwohl fühlt und der<br />
wegen einer Blessur am Sprunggelenk<br />
gar nicht erst mitgeflogen war.<br />
„Mortimer“ fegt durch Deutschland.<br />
Und ein gewisser „Vedator“<br />
wütete am Sonntag über Köln-Müngersdorf.<br />
Es war der Abend des 35<br />
Jahrealten Routiniers,der 53 Sekunden<br />
nach seiner Einwechslung für<br />
Davie Selke traf (58.). Sein genialer<br />
Laufweg in den Rücken der Abwehr<br />
und der genaue Pass von Vladimir<br />
Darida führten zum Premierentreffer<br />
für den Oldie. „Ich wollte unbedingt<br />
treffen, bin den richtigen Weg<br />
gelaufen. Aber natürlich hatte ich<br />
Glück, dass der Ball sofort zu mir<br />
kam“, sagte der Bosnier bescheiden.<br />
Nur vier Minuten später machte er<br />
das 3:0 und schob sich in der ewigen<br />
Bundesliga-Torschützenliste mit seinem<br />
122. Treffer vor Miroslav Klose<br />
und Lothar Matthäus auf Rang 29.<br />
Covic lobte seinen Kapitän, der in<br />
den jüngsten drei Spielen nicht zur<br />
Startelf gehört hatte: „Es gibt zwei<br />
Möglichkeiten: Entweder du bist beleidigt.<br />
Oder du hast einen Kapitän,<br />
der reinkommt und dir zeigt: So,jetzt<br />
kriegst du zwei schlaflose Nächte<br />
von mir, damit du weißt, wie es am<br />
Freitag weitergeht.“ Ibisevic hat mit<br />
seinem Doppelpack die Chancen gesteigert,<br />
im Heimspiel gegen Fortuna<br />
Düsseldorf (20.30 Uhr) anstelle des<br />
glücklosen Selke von Beginn an auflaufen<br />
zu dürfen.<br />
Neben Ibisevic glänzten zwei weitereRoutiniers:<br />
Darida und PerSkjelbred.<br />
Während Letztgenannter, 32<br />
Jahre alt, im Mittelfeld als „echter<br />
Balleroberer“ (Covic) auftrat und<br />
seine Kollegen dadurch stets in gefährliche<br />
Umschaltmomente<br />
brachte, überzeugte Erstgenannter<br />
als Dauerläufer und Vorbreiter –und<br />
zwar auf ungewohnter Position. Covic<br />
ließ Darida gegen Köln als hängende<br />
Spitzeran. Eintaktischer Kniff<br />
mit Erfolg. Covics Begründung: „Wir<br />
brauchten jemanden, der die langen<br />
Wege geht und den ersten Pass vorne<br />
unterbindet.“ Darida zu seiner Rolle:<br />
„Ich sollte als Zehner einen Kölner<br />
Innenverteidiger konsequent anlaufen<br />
und somit ihr Aufbauspiel stören<br />
–das hat gut geklappt.“ Gemeint ist<br />
Sebastiaan Bornauw. Der 20 Jahre<br />
„Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder du bist<br />
beleidigt. Oder du hast einen Kapitän, der<br />
reinkommt und dir zeigen will: So,jetzt kriegst<br />
du zwei schlaflose Nächte von mir.“<br />
Ante Covic über den Ehrgeiz von Vedad Ibisevic<br />
alte Belgier wirkte auch dank des bissigen<br />
Darida heillos überfordert.<br />
„Wir haben immer wieder Lücken<br />
gefunden und den Ball erobert“,<br />
sagte Darida, der kurz vor der Pause<br />
auch noch die berechtigte Rote Karte<br />
von Jorge Meré „rausholte“. „Ich<br />
wurde am Schienbein getroffen und<br />
hatte das Gefühl, dass der Platzverweis<br />
berechtigt war. Gegen zehn<br />
Mann haben wir es dann gut gemacht.“<br />
In Köln zählte Darida zu den Besten.<br />
DerBlick auf die Statistik beeindruckt:<br />
Mit 12,98 Kilometern rannte<br />
der 29-Jährige die zweitmeisten am<br />
ganzen sechsten Spieltag. Nur Bayern-Profi<br />
Joshua Kimmich (13,41)<br />
lief noch mehr. 36Sprints und 100<br />
intensive Läufe, gemeint sind Tempoläufe<br />
zwischen 21 und 24 km/h,<br />
waren mit Abstand Top-Werte im<br />
Spiel. Dazu brachte Darida 40 von44<br />
Pässen an den Mann und bereitete<br />
das 1:0 vonJavairoDilrosun (23.) vor.<br />
Covic glücklich: „Vladi zeigt Tagfür<br />
Tag, dass er am Wochenende auf die<br />
Weide muss. Er ist sich nicht zu<br />
schade, lange Wege zu gehen und<br />
opfertsich fürs Team.“<br />
Die Oldies feiern bei Hertha ihre<br />
x-te Auferstehungen. Ibisevic traf<br />
erstmals seit dem 4. Mai (3:1 gegen<br />
Stuttgart), Skjelbred saß in den ersten<br />
drei Spielen nur auf der Bank,<br />
und Darida kämpfte sich aus einem<br />
Loch zurück. Die vergangene Saison<br />
bezeichnet der tschechische Nationalspieler<br />
gar als „die schwerste Zeit<br />
meiner Karriere“. Er hoffe, soetwas<br />
nie mehr erleben zu müssen. Von<br />
Verletzungen geplagt (Knie, Sehne,<br />
Oberschenkel) verpasste der frühere<br />
Freiburger 16 Spiele.<br />
Darida kämpfte sich über den<br />
Sommer zurück, ließ den Urlaub<br />
sausen und schuftete schon vor der<br />
eigentlichen Vorbereitung in einem<br />
<strong>Berliner</strong> Athletik-Zentrum, das mit<br />
Hertha kooperiert, fürs Comeback.<br />
Dasverlorene Selbstvertrauen holte<br />
sich der gebürtige Pilsener in aufbauenden<br />
Gesprächen mit Covic,<br />
einer guten Vorbereitung und Einsätzen<br />
bei der Nationalmannschaft<br />
zurück. Einen zusätzlichen Motivationsschub<br />
gab ihm auch die Geburtvon<br />
Söhnchen Andreas im Juni.<br />
Kürzlich sagte Darida gegenüber<br />
der BZ: „Ich habe den großen<br />
Traum, eines Tages mit ihm in die<br />
Ostkurve zu gehen und einen Hertha-Sieg<br />
zu feiern.“<br />
Der Schattenmann<br />
Drei Jahre nach dem Abschied kehrt Serge Gnabry gereift nach London zurück. Das Champions-League-Spiel der Bayern bei Tottenham ist für ihn eine wichtige Standortbestimmung<br />
VonMaik Rosner,München<br />
Natürlich geht es auch jetzt sehr<br />
viel um Philippe Coutinho, gerade<br />
jetzt sogar. Sein weiterer guter<br />
Auftritt im Ligaspiel am Sonnabend<br />
beim SC Paderborn mit einem Tor<br />
und einer Vorlage leistete dazu einen<br />
Beitrag, und als die Reisegruppe des<br />
FC Bayern am Montag gen London<br />
abhob, flogen auch jene Erwartungen<br />
und Fragen mit, die den Brasilianer<br />
seit seiner Ankunft in München<br />
begleiten. Genau genommen sind<br />
die Erwartungen und Fragen eng<br />
miteinander verknüpft.<br />
Als kreativer Kicker, der den Unterschied<br />
in der Champions League<br />
ausmachen könne,wirdder 27 Jahre<br />
alte Leihspieler des FC Barcelona seit<br />
seinem Wechsel zu den Bayern auch<br />
intern stets gepriesen. Wenn es an<br />
diesem Dienstag bei Tottenham Hotspur<br />
zum zweiten Gruppenspiel<br />
kommt, geht es zugleich um die<br />
Frage,obCoutinho die Erwartungen<br />
erfüllen kann. DerVergleich mit dem<br />
Serge Gnabryschoss<br />
das 1:0 beim 3:2<br />
seiner Bayernin<br />
Paderborn. IMAGO IMAGES<br />
Finalisten der Vorsaison soll<br />
aus Münchner Sicht einen ersten<br />
positiven Hinweis liefern. „Das<br />
wird sicherlich ein sehr anspruchsvolles<br />
Spiel“, sagte Vorstandschef<br />
Karl-Heinz Rummenigge vor dem<br />
„schweren Prüfstein“.<br />
Dadurch, dass der Feinfuß Coutinho<br />
so sehr im Mittelpunkt steht,<br />
bewegen sich seine Offensivkollegen<br />
–außer Stürmer RobertLewandowski<br />
mit zehn Toreninsechs Ligaspielen –<br />
etwas unter dem Radar. Das galt in<br />
Paderborn besonders für Serge Gnabry,<br />
24. Neben dem zentralen Mittelfeldspieler<br />
Coutinho war der Flügelflitzer<br />
dortder beste Akteur,doch gesprochen<br />
wurde vor allem über den<br />
Künstler Coutinho. Dass Gnabry<br />
nicht sogar mit zwei Vorlagen und einem<br />
Tornoch mehr hervorgestochen<br />
war als ohnehin, lag an Lewandowskis<br />
Schuss am leeren Torvorbei nach<br />
Gnabrys Zuspiel. Nachdem Lewandowski<br />
die Führung versäumt hatte,<br />
holte Gnabry diese nach Coutinhos<br />
anspruchsvollem Pass nach und servierte<br />
dem Brasilianer später das 2:0.<br />
Hinzu kamen noch drei Torchancen,<br />
mit denen Gnabry allerdings ähnlich<br />
verschwenderisch umging wie die<br />
Kollegen.<br />
Dennoch fügte sich sein Auftritt<br />
samt gutem Zusammenspiel mit<br />
Coutinho in den positiven Gesamteindruck,<br />
den Gnabrynach seinem<br />
Aufstieg zur<br />
Stammkraft in<br />
der Vorsaison<br />
beim FC Bayern<br />
durchaus<br />
auch jetzt hinterlässt.<br />
In fünf der<br />
sechs Ligaspiele<br />
stand er in der Startformation.<br />
Und wenngleich er bisher<br />
nur ein Torund zwei Vorlagen sowie<br />
eine weitere imPokal beisteuernkonnte<br />
und auch durchschnittliche<br />
Leistungen einstreute, wirkt<br />
Gnabry doch wie ein Gereifter vor<br />
seiner ersten Rückkehr nach London,<br />
drei Jahre nachdem er sich<br />
dort von Tottenhams Nachbarn FC<br />
Arsenal verabschiedet hatte. Unterfüttert<br />
wird dieser Eindruck von<br />
seinen Darbietungen in der Nationalmannschaft.<br />
In der Nationalmannschaft gesetzt<br />
Neun Tore und zwei Vorlagen hat<br />
Gnabry inzehn Länderspielen angehäuft.<br />
Zuletzt traf er gegen die Niederlande<br />
und in Nordirland. „Serge Gnabryspielt<br />
immer.Erist für den Gegner<br />
schwer zu greifen“, hatte Joachim<br />
Löw schon vorabfestgelegt und seine<br />
Stammkraft ausführlich gelobt.<br />
„Serge macht es wirklich klasse.Nicht<br />
nur im Abschluss,sondernerist auch<br />
ein wichtiger Zielspieler für uns geworden“,<br />
sagte der Bundestrainer,„er<br />
kann die Bälle in den Räumen vorder<br />
gegnerischen Abwehr sehr gut behaupten.<br />
Er kann sie weiterspielen,<br />
geht wieder weiter und ist immer anspielbar.<br />
Erkann auf mehreren Ebenen<br />
spielen. Er spielt gut und schlau.“<br />
Es war ein Ritterschlag für Gnabry,<br />
der 2016 von Arsenal zu Werder<br />
Bremen (11 Ligatore, 2Vorlagen) und<br />
anschließend zur TSG Hoffenheim<br />
(10/7) weiterzog, ehe er danach auch<br />
beim FC Bayern (10/7) überzeugte.<br />
Gnabry trat mit viel Anlauf aus<br />
dem Schatten der langjährigen<br />
Münchner Flügelartisten Arjen Robben<br />
und Franck Ribéry. „Umzuspielen,<br />
musste ich einen Schritt zurück<br />
machen, und letztlich war es auch die<br />
richtige Entscheidung“, sagte er nun<br />
gegenüber der Daily Mail über seine<br />
bisher „schwierigste Entscheidung“<br />
der Karrierevor seinem Abschied von<br />
Arsenal gen Bremen 2016. Jetzt kehrt<br />
er zurück nach London, zwar im<br />
Schatten von Coutinho, aber als gereifter<br />
Profi. Undwie für den FC Bayernund<br />
seinen neuen Taktgeber geht<br />
es auch für Gnabry bei Tottenham<br />
darum, die hohen Ansprüche zu untermauern.<br />
„Unser Ziel ist es,esganz<br />
nach oben zu schaffen, und wir haben<br />
das Potenzial dazu“, findet Gnabry,<br />
„gegen die Spurs werden wir sehen,<br />
wie weit wir schon sind.“ In jener<br />
Stadt, in der die Bayern 2013 letztmals<br />
die Champions League gewannen.