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Wohnungsfrage / dérive - Zeitschrift für Stadtforschung, Heft 77 (4/2019)

Ausschlaggebend für das Auftauchen der Wohnungsfrage Mitte des 19. Jahrhundert waren die elenden Wohnverhältnisse der ArbeiterInnenklasse. Wohnraum war in den stark wachsenden Städten zur Ware geworden. Heute berührt die Wohnungsfrage Fragen der Ökonomie und Politik, der Ökologie und Nachhaltigkeit, der Architektur und Soziologie gleichermaßen. Der Schwerpunkt von dérive 77 wirft Schlaglichter auf einzelne dieser Aspekte: die Selbstorganisation von MieterInnen in den USA, Wohnbau-Genossenschaften in Zürich, Wohnungsfrage von rechts (Afd, FPÖ), der Wohnrechtskonvent für ein neues österreichisches Wohnrecht, Wohn- und Obdachlosigkeit, Wiener SiedlerInnenbewegung. Für den Magazinteil hat Andreas Zeese einen Artikel über den Phorusplatz, einen vergessenen Wiener Stadtraum verfasst. Ein weiterer Beitrag informiert über den Status Quo der Kampagne SOS Nordbahnhalle. Das Kunstinsert Für die Vögel stammt von Claudia Märzendorfer. Hier kann das Heft bestellt werden: https://shop.derive.at/products/wohnungsfrage.

Ausschlaggebend für das Auftauchen der Wohnungsfrage Mitte des 19. Jahrhundert waren die elenden Wohnverhältnisse der ArbeiterInnenklasse. Wohnraum war in den stark wachsenden Städten zur Ware geworden. Heute berührt die Wohnungsfrage Fragen der Ökonomie und Politik, der Ökologie und Nachhaltigkeit, der Architektur und Soziologie gleichermaßen. Der Schwerpunkt von dérive 77 wirft Schlaglichter auf einzelne dieser Aspekte: die Selbstorganisation von MieterInnen in den USA, Wohnbau-Genossenschaften in Zürich, Wohnungsfrage von rechts (Afd, FPÖ), der Wohnrechtskonvent für ein neues österreichisches Wohnrecht, Wohn- und Obdachlosigkeit, Wiener SiedlerInnenbewegung. Für den Magazinteil hat Andreas Zeese einen Artikel über den Phorusplatz, einen vergessenen Wiener Stadtraum verfasst. Ein weiterer Beitrag informiert über den Status Quo der Kampagne SOS Nordbahnhalle. Das Kunstinsert Für die Vögel stammt von Claudia Märzendorfer. Hier kann das Heft bestellt werden: https://shop.derive.at/products/wohnungsfrage.

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KLAUS NOVY<br />

»Die Pioniere<br />

vom Rosenhügel«<br />

Zur wirklichen Revolution des<br />

ArbeiterInnenwohnens durch die<br />

Wiener SiedlerInnen<br />

Die Stadt Wien feiert dieses Jahr 100 Jahre Rotes Wien. Im Fokus stehen dabei wie<br />

stets die Gemeindebauten. Die SiedlerInnenbewegung, die <strong>für</strong> die ersten Jahren des<br />

Roten Wien prägend war, kommt meist nur am Rande vor. Einer der gegen diese<br />

Geringschätzung zeitlebens angekämpft hat, war Klaus Novy. Er hat nicht nur zahlreiche<br />

Texte zur SiedlerInnen- und Genossenschaftsbewegung geschrieben, sondern<br />

war auch einer der Initiatoren einer Ausstellung über die Wiener SiedlerInnenbewegung,<br />

die Mitte der 1980er-Jahre neben Wien auch in zahlreichen deutschen Städten<br />

und in Stockholm zu sehen war. Der folgende Text ist die gekürzte Version eines<br />

Artikels, der 1981 in <strong>Heft</strong> 4 von UM BAU, der <strong>Zeitschrift</strong> der Österreichischen Gesellschaft<br />

<strong>für</strong> Architektur, erschienen ist.<br />

SiedlerInnenbewegung, Rotes Wien,<br />

Genossenschaften, Selbstverwaltung, Wohnen,<br />

Volkswohnungspalast, Sozialdemokratie,<br />

Genossenschaftshaus<br />

Einen Schritt zurückgeblieben, da<strong>für</strong> zwei nach vorn<br />

Die Wiener SiedlerInnenbewegung geht nicht primär auf die Wohnungsreformagitationen<br />

vor dem ersten Weltkrieg zurück. Gerade das Fehlen fast jeder institutionellen Voraussetzung,<br />

etwa in Gestalt einer starken Bauvereins-, Gartenstadt- oder Schrebergartenbewegung vor 1914,<br />

machte den radikal-sozialreformerischen Aufbruch und Neuanfang nach 1918 erst möglich. Der<br />

Wiener SiedlerInnenaufbruch entstand aus der KleingärtnerInnenbewegung und diese wiederum<br />

aus der Kriegsnot. Illegale Landaneignung, kleingärtnerische Selbstversorgung, das Bauen<br />

von Notquartieren, kurz: wildes Siedeln, ist eines; die Entstehung von großen, als Einheit konzipierten<br />

Genossenschaftssiedlungen als Keimzellen einer neufundierten Gesellschaft ist dagegen<br />

etwas ganz anderes. Dass letzteres aus ersterem hervorgeht, ist – wie jeder Blick in die Nachbarländer<br />

zeigt – keine Selbstverständlichkeit, im Gegenteil: es war eine Wiener Besonderheit.<br />

»Die Pioniere vom Rosen hügel« – »Kommt und seht!« (A. Müller)<br />

Noch im Spätjahr 1920 herrschte in der SiedlerInnenbewegung ein ziemlich planloses<br />

Durcheinander. Aus dem Wald- und Wiesengürtel drohte dauerhaft ein »Gürtel von Brettl- und<br />

Zigeunerdörfern« zu werden. Der hohe Anteil gewerkschaftlich und sozialistisch organisierter<br />

ArbeiterInnen und Angestellter sowie die wachsende Mitarbeit sozialreformerisch gesinnter<br />

Fachleute ließen schließlich ein Organisationsnetz entstehen (Vereine, Genossenschaften, Verbände,<br />

Hilfswirtschaften usw.), welches Teile dieses chaotischen, besitzindividualistisch orientierten<br />

Notprojekts in ein hochorganisiertes Reformprojekt mit weitreichenden Ansprüchen<br />

überführte. Atmosphärische Erleichterung fand ein solches vorstaatliches Reformprojekt<br />

von unten durch das vorangegangene Scheitern der zentralstaatlichen Sozialisierungspolitik und<br />

Klaus Novy — »Die Pioniere vom Rosenhügel«<br />

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