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Bayreuth Aktuell November 2019

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PiontEck<br />

4<br />

Als ich meinen letzten Text<br />

zur Redaktion schickte, strich<br />

ich zuvor ein Postscriptum:<br />

„Der Kulturreferent Benedikt<br />

Stegmayer verkündete am<br />

2. September in der hiesigen<br />

Zeitung, dass es gut wäre,<br />

ein <strong>Bayreuth</strong>er Barock-Festival<br />

mit dem Mittelpunkt<br />

des Markgräflichen Opernhauses<br />

zu gründen (das<br />

gab es schon einmal und<br />

hieß '<strong>Bayreuth</strong>er Barock').“<br />

Zur Erinnerung: Es ging seit<br />

Ende August, als der Vorsitzende<br />

der <strong>Bayreuth</strong>er Kulturfreunde<br />

vom Nordbayerischen Kuruer interviewt wurde, um eine unselige Debatte,<br />

in der die „Hochkultur“ gegen die sog. Populärkultur ausgespielt wurde – oder<br />

eher: in der behauptet wurde, dass Kulturpolitik in Zeiten (angeblich) schwindender<br />

und ziemlich „uncooler“ Interessentenmassen, die es mit Bach und nicht<br />

mit der Bachelorette halten, mehr für die Integration der Youngsters tun müsste,<br />

als ob die Veranstaltungen im Glashaus, im Zentrum oder im Iwalewa-Haus (wo<br />

gerade eine zweite „Puerto Session“ stattfand) von irgendwem benachteiligt würden.<br />

Man könnte übrigens die Sache auch anders betrachten und fragen: Wieso<br />

gehen, wenn es, gut demokratisch, um gegenseitige Akzeptanz geht, eigentlich<br />

die Besucher von Metal-Konzerten nicht auch einmal in eine Mozart-Messe?<br />

Oder die Liebhaber der sog. „Volksmusik“ so selten in eines jener erstrangigen<br />

Klavierkonzerte, wie sie immer wieder bei Steingraeber stattfinden und nicht<br />

mehr von jenem Medium wahrgenommen und reflektiert werden, das – etwa<br />

in Zusammenhang mit der Puerto Session – inzwischen dazu übergegangen ist,<br />

„Hochkultur“ als das schlichtweg Andere zu bezeichnen? Müssten sich also nicht<br />

die Massen aufeinanderzubewegen??<br />

Dass man mit dem Gerede<br />

weder den klassischen Konzerten<br />

und ihren Besuchern<br />

noch den Pop-Events und<br />

ihren Fans einen Gefallen<br />

tut, liegt auf der Hand. Man<br />

könnte als unbedarfter Zeitungsleser<br />

schließlich auf<br />

die Idee kommen, dass „Klassische<br />

Musik“ (die es nie gegeben<br />

hat) – infantilistisch<br />

ausgedrückt – Igitt ist. Oder<br />

in den Stoßseufzer fallen:<br />

„Oh Gott, klassische Musik –<br />

und dann auch noch Barock.“<br />

Dr. Frank Piontek<br />

Und dann auch noch Barock!<br />

Ja, Barock, schlimme Sache das. Ödes Zeug halt von Langeweilern wie Bach,<br />

Vivaldi und Händel. „Das Zeitalter, in dem selbstherrliche absolutistische Herrscher<br />

entschieden, was gut ist. Auch in Sachen Kultur.“ Man sollte den Kommentator,<br />

der genau dies in der lokalen Gazette zum Thema Barockfestival veröffentlichte,<br />

in einen Dialektik-Grundkurs schicken oder ihn darauf hinweisen, dass genau<br />

diese absolutistische Kultur für unvergleichliche WELTERBE-Stätten verantwortlich<br />

war, die von so vielen – offensichtlich historisch ungebildeten – Menschen<br />

geliebt und geschätzt werden. Um diesen Zusammenhang zu akzeptieren,<br />

muss man nicht einmal die Ergebnisse beiseite lassen, die Bernt Engelmann<br />

einst in seinen wichtigen Anti-Geschichtsbüchern publizierte. Geschichte – und<br />

gerade die Kulturgeschichte – ist (glücklicherweise) nicht so einfach, wie der<br />

Kleine Moritz sie sich vorstellt. Der Geschichtsphilosoph Walter Benjamin hatte<br />

vermutlich Recht, als er schrieb, dass jedes „Dokument der Kultur“ zugleich eines<br />

der Barbarei sei.<br />

Auch Geldausgeben ist, so betrachtet, barbarisch, wo so viele andere Interessen<br />

bedient werden könnten, die nicht mit einem Barockfestival zu tun<br />

haben. Andererseits – und auch diese Sätze konnten wir in diesen Tagen<br />

in der Zeitung lesen – hat Markgräfin Wilhelmine uns, „der Stadt und dem<br />

Freistaat, ein Geschenk hinterlassen“, das es zu nützen gilt. Und also stimmte<br />

der Stadtrat endlich mit einer Mehrheit, also ohne einige Stimmen der FDP /<br />

DU, des „Jungen <strong>Bayreuth</strong>“ und der Grünen, für die Wiedergründung eines<br />

<strong>Bayreuth</strong>er Barock-Festivals: wo es hingehört. „Ein verdammt teurer Luxus“,<br />

wie der Kommentar No. 2 übertitelt war. Ja, die Betonung liegt auf „teuer“: im<br />

ursprünglichen Sinne also „von hohem Wert, herrlich, vortrefflich, ausgezeichnet,<br />

vornehm“. Die immerhin fünf Leserbriefschreiber, die sich gegen die These<br />

von der anzumahnenden „Coolness“ der inkriminierten „Hochkultur“ („und<br />

dann auch noch Barock“…) aussprachen, waren die richtige Antwort auf die<br />

Skepsis, die wieder einmal aufgrund der Fördergelder aufkam, der Stadtratsbeschluss<br />

die politische Sekundierung dieser Lesermeinungen.<br />

„Hochkultur“, sagt übrigens der grüne Kandidat der nächsten OB-Wahl,<br />

„Hochkultur ist für <strong>Bayreuth</strong> wichtig. Wir brauchen aber auch schnelle, überraschende<br />

und laute Kultur.“ Man kann das so stehen lassen, zumal auch<br />

manch „Klassisches“ Orchesterstück die von der EU erlaubten Dezibelgrenzen<br />

brutal überschreitet. Ich weiß allerdings nicht, ob Klaus Wührl-Struller unter<br />

jenen anwesenden Stadträten war, die sich, wie die amtierende OB, gegen<br />

den Einbau einer Drehbühne auf der frühestens 2022 zu nutzenden Bühne<br />

im Großen Haus der Stadt-, pardon; des Friedrich-Forums aussprachen oder<br />

immer wieder durch Affekte gegen Veranstaltungen auffallen, die nicht dem<br />

Schema einer „Hip-Hop-Subkultur“ entsprechen. Dabei kann man sogar Mozart<br />

hiphoppen. Wir haben's gerade erst erlebt, und wo?<br />

Im Opernhaus!<br />

Der Kolumnist Dr. Frank Piontek

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